Alles in Tube?

Einen guten Überblicksartikel zum Umgang der militärischen Führung mit Videoportalen hat Johannes Gernert in der Frankfurter Rundschau verfasst. Besonders zu hinterfragen scheinen mir in diesem Zusammenhang, ob die Zahlen des Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr stimmen, die Gernert zitiert, wonach „90 Prozent der Bevölkerung die Truppe nie oder seltener als einmal im Monat über Webseiten-Einträge wahrnehmen.“

Vor allem düfte interessant sein, was an diesen Zahlen stimmt. In jedem Fall korrespondieren sie mit der extrem geringen Nutzung der Bundeswehr-Webseite und das scheint angesichts der wachsenden Online-Nutzung ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Bundeswehr systematisch ihre Chancen im Netz vergibt. Ich bin gespannt, ob sich daran etwas nach dem jüngsten Symposium der Akademie für Informationund Kommunikation verändert. Der beste – und vermutlich auch am einfachsten umzusetzende – Rat, den ich dem Ministerium geben kann ist deshalb: Baut die Homepage zur publizitischen Plattform der Bundeswehr aus reichert sie mit multimedialem Content an. Vieles, was dazu nötig ist, ist bereits da, allerdings im zu starren Gerüst des Content Management Systems förmlich gefangen.

Gastbeitrag: Impulse 21

Premiere im Bendler-Blog. Weil interessante Veranstaltungen sehr häufig in Berlin stattfinden, an denen ich nicht so leicht teilnehmen kann, habe ich den Impuls eines jungen Kollegen aufgenommen und veröffentliche seinen kurzen Bericht zur Impulse 21, einer sicherheitspolitischen Konferenz, die das Verteidigungsministerium gemeinsam mit dem Tagesspiegel veranstaltet hat.
 
Impulse 21 – Berliner Forum Sicherheitspolitik
Am Donnerstag vergangener Woche fand nach zwei Jahren wieder das Berliner Forum Sicherheitspolitik, Impulse 21, statt. Mit Spannung wurden dort Aussagen zur Zukunft der militärischen Einsätze der NATO, speziell Afghanistan erwartet. Die Rednerliste war hochkarätig. Angekündigt hatten sich unter anderem Bundespräsident Horst Köhler, Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, Innenminister Wolfgang Schäuble und der Verteidigungsminister Großbritanniens, John Hutton. Weil Schäuble kurzfristig absagen musste, entsandte es als Vertreter den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren, Peter Altmaier. Vor hochrangigem Publikum hätten die Vertreter wichtige Aussagen treffen und auch in die Zielgruppen hineintragen können. Dies zeigte auch die extrem hohe Presseresonanz auf diese Veranstaltung an den darauffolgenden Tagen. Leider nutze nicht jeder der Anwesenden diese Chance. Insbesondere die Kommunikation der Bundeswehr, sprich des Verteidigungsministers, konnte erneut nicht wirklich überzeugen. Gleichzeitig zeigten andere, wie es geht. Insbesondere Bundespräsident Köhler nutzte die Gelegenheit und setzte wichtige Marken im Bereich Sicherheitspolitik.

Aufmerksamkeit, Solidarität und Dankbarkeit für die Soldaten
Bei „freundlichem Desinteresse“ darf es nicht bleiben, so eröffnete der Bundespräsident seine Rede. Er ging auf Stärken, Schwächen und die allgemeine Aufgabe deutscher Sicherheitspolitik ein. Kernaussagen seiner Rede waren: (Wir müssen) unsere Interessen definieren, schützen und durchsetzen und […] mithelfen, die Welt friedlicher und sicherer zu machen. […] Es werden uns Opfer abverlangt werden. Dieser Tatsache ins Auge zu blicken und die damit verbundenen Schmerzen aushalten zu können, da werden wir noch lernen müssen.

Weiter sagte er, dass der oft gepriesene vernetzte Ansatz, der einzig richtige sei. Jedoch muss der vernetzte Ansatz auch konsequent umgesetzt werden, zu oft und zu stark werde auf die militärische Seite gesetzt. Nur eine kooperative und möglichst zivile Außen- und Sicherheitspolitik schaffe die unverzichtbare Basis für dauerhaften Frieden! Darüber hinaus forderte er die totale atomare Abrüstung.
Mit Blick auf die Bevölkerung und auch auf die Soldaten forderte Köhler Aufmerksamkeit, Solidarität und Dankbarkeit für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ein und mahnte: „Wir sollten die in Ehren halten, die im Kampf gegen Terror und Gewalt fallen und die ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen für die Gemeinschaft der Deutschen und eine bessere und sichere Welt.“

Die Relevanz der NATO steht auf dem Spiel
Ähnlich argumentierte der britische Gast, Verteidigungsminister John Hutton, der die Bedeutung der Vermittlung der Einsätze in den Entsendeländer betonte. Er unterstrich unter anderem, dass wir bei ISAF unsere Straßen und unsere Bevölkerung verteidigten, und dass die den Menschen zu Hause gesagt werden müsse, insbesondere den Kritikern. Hutton wörtlich: „Wir haben unsere Soldaten dorthin geschickt. Alles was ich tun kann ist: Support, support, support!“ Hutton forderte darüber hinaus tiefgreifende Veränderungen und Reformen der NATO. „Der Erfolg in Afghanistan stellt einen Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der NATO dar“, denn in Afghanistan stehe nicht weniger als die Relevanz der NATO auf dem Spiel. Denn, so Hutton, die größte Bedrohung der NATO sein nicht deren (militärische) Vernichtung, sondern Irrelevanz. Wie wichtig jedoch die NATO war und ist, sei gerade in Berlin sei zu erkennen. Ohne deren jahrelanges Engagement würde es Berlin in dieser Form nicht geben. Deshalb sollten gerade die Deutschen ein NATO-Engagement nachvollziehen können.

Einsatz der Bundeswehr auch im Inneren – und ein blasser Auftritt des Ministers
Interessant waren auch die klaren Aussagen zum Bundeswehreinsatz im Inneren. Nicht nur in Afghanistan, auch in Deutschland sollten Polizei und Bundeswehr enger zusammenarbeiten. „Wir müssen den optimalen Schutz für unsere Bevölkerung bieten können“, so Jung. Staatssekretär Altmaier pflichtet ihm bei: Wenn die Bundeswehr Fähigkeiten habe, die die Polizei nicht habe, dann müsse sie diese Fähigkeiten für den Schutz der Bevölkerung einsetzen können.

Insgesamt war es eine sehr gute Veranstaltung, mit zwei sehr guten Rednern, dem Bundespräsidenten und dem britischen Gast. Im Vergleich dazu ließ Verteidigungsminister Jung die Gelegenheit zu einer guten Außendarstellung ungenutzt. Farblos und nur mit Daten und Zahlen arbeitend wirkte er alles andere als überzeugend. Selbst die Bälle, die ihm zugespielt wurden, nahm er nicht auf. Statt Akzente zu setzen, beschränkte sich Jung darauf, die seit langem bekannten Argumente zu wiederholen und verstand es nicht, Antworten auf die dringensten Fragen der Zuhörer und der Bevölkerung zu liefern. Warum ist die Bundeswehr in Afghanistan? Was muss getan werden, um die Sicherheitslage in den Griff zu bekommen? Was können wir im Wahljahr 2009 in Afghanistan und vor unserer Haustür erwarten?

Insgesamt ensteht der Eindruck, als haben Minister Jung und sein Stab auf all diese wichtigen Fragen keine Antworten, bzw. könnten oder wollten sie nicht geben. Der Eindruck verfestigt sich, dass die Bundeswehr über kein wirksames Kommunikationskonzept, speziell zum Thema Afghanistan, verfügt. Statt aktiv Themen zu setzen und zu kommunizieren beschränkt sich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf reaktive Statements. Angesichts dieser passiven Haltung verwundert es nicht, dass die Bundeswehr nur in die Medien kommt, wenn „Gefallene“ zu beklagen, oder Verfehlungen aufzuarbeiten sind.

Das alles mag der politischen Großwetterlage geschuldet sein. Unverständlich bleibt jedoch die öffentlich zu spürende Distanz von Jung zu seinem Ressort. Auf den Punkt gebracht: Der Minister spricht die Sprache der Truppe nicht. Unter anderem deshalb hat er bei den Soldatinnen und Soldaten nicht annähernd das Ansehen seines Vorgängers Peter Struck. Der Verteidigungsminister sollte erkennen, dass, wenn er nicht die dringensten Fragen beantwortet, die Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft für diesen Einsatz verloren gehen wird. Auch die Stimmung innerhalb der Truppe ist nach den letzten Anschlägen angespannt. In dieser Situation braucht es den Rückhalt der politischen Führung – auch und gerade des Ministers. (Zumal sich Kanzlerin und Außenminister derzeit mehr als vornehm zurückhalten). Wenn Jung wirklich will, hätte er jetzt die Chance, den mit seiner Rede in Zweibrücken veränderten Diskurs weiter voranzutreiben. Die kompletten Reden der Konferenz sind auf der Webseite der Veranstaltung unter http://www.impulse21.net/ nachzulesen. (apf)

Symposium in Strausberg

Der kommunikative Höhepunkt dieser Woche dürfte das Symposium „Sicherheitspolitische Kommunikation und Web 2.0″ vom 4. bis 6. Dezember sein, das die Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK) gemeinsam mit der Technischen Universität Ilmenau, Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft veranstaltet. Dessen Leiter, Prof. Dr. Martin Löffelholz, einer der wenigen Wissenschaftler in Deutschland, die sich dieses Themas annehmen, hat die Veranstaltung gemeinsam mit seinen Studierenden und der AIK vorbereitet.

Was mich besonders gefreut hat, ist dass auch ich eine Einladung zum Symposium erhalten habe. Leider werde ich aus „dienstlichen“ Gründen nicht nach Strausberg fahren können. Dennoch bin ich gespannt auf die Ergebnisse, die – hoffentlich – schneller veröffentlicht werden, als dies manchmal bei den Symposien der AIK der Fall ist. (So wurden wesentliche Ergebnisse des 10. Symposium von 2005 erst in diesem Jahr unter dem Titel „Sicherheitspolitische Kommunikation im Wandel“ veröffentlicht.

Weil der Wandel vor allem im und wegen des Internet derzeit eher etwas schneller vonstatten geht, ist das Thema gut gewählt. Auf dem Programm stehen am ersten Tag unter anderem:
– Informationsarbeit im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr am Beispiel Afghanistan aus Sicht des Einsatzführungskommandos
– Das Internet als Plattform strategischer Kommunikation bezogen auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr
– Informationsarbeit von BMVg/Bundeswehr im Intranet und Internet

Aus Bloggersicht wird Thomas Wiegold vom Focus sicher am Abend des Tages eine spannende Diskussion anstoßen.

Das Programm des zweiten und dritten Tages klingt etwas nach „Die Bundeswehr als großer studentische Experimentierkasten.“ So dürfen Julia Joswig und Nina Wolke von der Hochschule Niederrhein sich über „Das Bild der Marke „Bundeswehr“ in der Öffentlichkeit“ äußern. In ihrer Diplomarbeit versuchen sie, die Bundeswehr als militärische Hilfsorganisation zu positionieren. Das hat ihnen ein gewisses Presseecho eingebracht, allerdings lässt sich bereits aus der Distanz feststellen, dass die Bundeswehr weniger ein ästhetisches als inhaltliche Kommunikationsprobleme hat.

Auf deutlich mehr Substanz dürfen sich die Teilnehmenden dagegen bei Matthias Duchscherer und Martin Löffelholz freuen, die in ihrem Vortrag „Das Internet als Plattform strategischer Kommunikation“ sicher auf die Ergebnisse einer exzellenten Diplomarbeit von Duchscherer und die weitergehenden Untersuchungen des Lehrstuhls von Löffelholz aufbauen werden. Hier heißt es für die anwesenden Kommunikationsverantwortlichen der Bundeswehr: gut zuhören – und dann umsetzen.

Am Nachmittag des 5.12. und am Vormittag des 6.12. ergänzen dann u.a. Vorträge zu Instrumenten wie Weblogs, Podcast, Foren, Communities und – mein Lieblingsthema – Videoportale in der sicherheitspolitischen Kommunikation die strategischen Themen.

Insgesamt erwartet die Teilnehmenden also das komplette Spektrum der Kommunikation im Web 2.0, und wir werden hoffentlich sehr bald erfahren, ob die Bundeswehr den ein oder anderen Impuls aufnehmen wird.

„Kommunikation ist das A und O“ …

… sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, in dem sehr lesenswerten Portrait „General Loyal“von Hanns-Bruno Kammertöns in der aktuellen Zeit. In diesem Text wird außerdem zweierlei deutlich: Der Erfolg Schneiderhans beruht auf einer hohen Ernsthaftigkeit und Demut, mit der er sein Amt ausfüllt – was ihn gleichzeitig ein wenig inkompatibel zur Aufgeregtheit der Medien und den Eitelkeiten der Politiker macht. Und: Kommunikation bedeutet nicht, immer über alles mit jedem zu sprechen, sondern vor allem, Schweigen zu können und dann zur rechten Zeit das Richtige zu sagen. Genau das hat Schneiderhan jetzt getan.

Das Schneiderhan diese Kommunikation beherrscht, wird besonders deutlich an seiner Stellungnahme zu der Debatte über den Gebrauch der richtigen Bezeichnungen für das, was den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ausmacht. Die formuliert er als Frage. Wörtlich: „Warum nicht die soldatische Sprache benutzen, wenn es den Kameraden hilft, Motivation zu finden? Warum nicht sagen, jemand ist verwundet oder gefallen – wenn man sie mit diesen Worten heraushebt aus dem Kreis jener, die sich mit ihrem Dienstfahrzeug bei einem Unfall in der Heimat verletzen?“

Ja, warum nicht? Diese Frage muss die politische Führung der Bundeswehr beantworten. Und man kommt nicht umhin, zu fragen, warum sich sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Außenminister bislang hierzu nicht wirklich eindeutig geäußert haben, und Verteidigungsminister Jung erst so spät – aber immerhin – damit begonnen hat, seinen verbalen Eiertanz zu beenden. Das sind einige Fragen, die auch hinter den Fragen Schneiderhans stehen, und die deutlich machen, dass Kritik nicht immer laut sein muss, um – hoffentlich – gehört zu werden.

Eine gute Rede

Unter den zahlreichen Artikel zur Trauerfeier für die beiden in Afghanistan gefallenen Soldaten fällt ein Beitrag von Robin Alexander auf Welt Online auf. Alexander gelingt es sehr gut, einen Eindruck von den Gefühlen und der Stimmung vor Ort zu vermitteln. Und während die Agenturmeldungen den Umstand betonen, dass Verteidigungsminister Jung nun endlich den Begriff „Gefallen“ verwendet habe, ist vor allem hervorzuheben, dass er einfach eine gute Rede im Gepäck hatte. Zwar vermeidet er auch in dieser das Wort „Krieg“ und hält an dem abstrakten Begriff der „vernetzten Sicherheit“ fest, aber es ist nicht auszuschließen, dass diese Rede und die Trauerfeier in Zweibrücken einen Wendepunkt zu mehr Klarheit in der Diskussion um den Kampfeinsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten markieren wird.

Seltsam fremd

Während ich die aktuelle Berichterstattung über den Anschlag in Afghanistan verfolge, kommt mir ein Gedanke in den Kopf, warum die politische Führung sich so schwer tut, angemessene und überzeugenden Worte für das, was dort passiert, zu finden. Es scheint, als sei ihr alles Militärische, alles Soldatische fremd. Sie weiß nicht, was es bedeutet im Einsatz zu sein, dort zu leben, denn sie ist immer nur mal für ein paar Tage dort. Das ist nicht verwerflich. Das ist im Kern eine Folge des – richtigen – Primats der Politik. Verwerflich ist der Mangel an Empathie, an der Fähigkeit, sich in die Situation der Soldatinnen und Soldaten einzufühlen. Was Empathie ist, und wie fremd der Politik das Militär ist, zeigt eindrücklich die Stellungnahme des Kommandeurs des Fallschirmjägerbataillons 263, Holger Bonne, die u.a. auf Bild.de zu finden ist. So spricht man zu Soldatinnen und Soldaten und findet gleichzeitig die richtigen Worte, um die Notwendigkeit des Einsatzes deutlich zu machen.

Peter Struck hatte – und hat – diese Fähigkeit, wie er unter anderem erneut in der Sendung „Menschen bei Maischberger“ bewies.

Plastikdeutsch

Es gab einmal eine klare Aussage eines deutschen Verteidigungsministers. Die hieß: „Deutschlands Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Der Minister hieß Peter Struck. Dieser Satz mag inhaltlich umstritten sein. Unstrittig ist, dass er gut ist, etwas auf den Punkt bringt. Es ist womöglich einer der wenigen Sätze, die sich in der Diskussion um das deutsche Afghanistanengagement einigermaßen im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung verankert haben. Die Unfähigkeit der verantwortlichen Regierungspolitiker, eine Aussage zu formulieren, die auch nur in die Nähe dieses Satzes kommt dokumentiert eine aktuelle Presseerklärung der Bundesregierung.

„Vernetzte Sicherheit ist unser Ziel“, lässt sich Strucks Nachfolger Franz-Josef Jung dort zitieren, und man kann schon am Klang dieses Satzes verspüren, wie er Millionen von Menschen in Deutschland und Afghanistan begeistert, die sich, wenn man sie denn fragte, nichts sehnlicher wünschten als – vernetzte Sicherheit.

Das ist einfach lächerlich, unpolitisch, menschenfern, Plastikdeutsch. Im Vergleich zu den Technokraten, die in der politischen Führungsspitze des Verteidigungsminiteriums die Macht über die Worte übernommen haben, ist der Terminator eine umgängliche Plaudertasche.

AKTUALISIERUNG

Entsprechende Kommentare haben unter anderem Nico Fried in der Süddeutschen Zeitung und Ulrich Ladurner in der Zeit verfasst.

Das Wort hat: Der Minister

Eine interessante Aussage ließ sich heute morgen den Nachrichten bei hr-info entnehmen (leider kein „Beleg“ online). Demnach habe die Bundeswehr mit einer offiziellen Stellungnahme zum jüngsten Anschlag in Afghanistan gewartet, bis Bundesverteidigungsminister Jung aus dem Urlaub zurück war. Die entsprechenden Ausschüsse von Regierung und Bundestag seien dagegen unmittelbar und umfassend informiert worden – nicht aber die Medien.

Sieht man das positiv, wollte Jung nach dem Motto „Führen von vorne“, die offizielle Position des Ministeriums und der Regierung klar abstecken. Dieser Anspruch ist grundsätzlich richtig, setzt aber voraus, dass er die richtigen Worte findet, um sowohl den Angehörigen und Kameraden der Gefallenen als auch der Öffentlichkeit diese Position zu erklären. Betrachtet man ein Ergebnis dieser Kommunikationsstrategie, das Interview mit  Marietta Slomka im heute journal (hier in der ZDF-Mediathek), muss man diese zumindest in Frage stellen. Jung agiert zwischen Betroffenheit („hinterhältiger, feiger Anschlag“, mehrmals – Gibt es eigentlich auch offene, mutige Anschläge?) und abstraktem Plastikdeutsch (Die viel beschworene „vernetzte Sicherheit“). Er versucht die Logik des konkreten Einsatzes der Patrouille auf der Mikroebene zu erklären („Sie haben zwei Raketen gefunden, und mit Raketen wurden wir zuvor angegriffen.“ Vor allem verwahrt er sich aber vehement gegen das böse K-Wort („Krieg“) sowie gegen die Frage, ob die Soldaten gefallen seien. In Afghanistan, das sei nicht Krieg. „Das ist etwas völlig anderes“ sagt der Minister. Das sei … ja was denn? Eine „asymmetrische Bedrohungslage.“

Wow. Das sitzt. Man kann sich förmlich vorstellen, wie diese Wortschöpfung in den Kasernen der Bundeswehr die Runde machen wird, wie sie zum zentralen Orientierungspunkt junger Soldatinnen und Soldaten wird, wenn sie sich selbst und ihren Angehörigen erklären, warum es sich lohnt, sein Leben in Afghanistan zu riskieren, wie es an den Stammtischen der Republik die Herzen und Köpfe der Menschen für die Bundeswehr gewinnt. „Asymmetrische Bedrohungslage.“ Ist das alles, was den Kommunikationsverantwortlichen des Ministeriums zum Einsatz, zum Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan einfällt? Einem Einsatz, den die Soldatinnen und Soldaten längst als Krieg bezeichnen, worauf auch die sonst so nette Frau Slomka sehr deutlich hinweist, und als Antwort von Jung erhält, dass das der ein oder andere in der Bundeswehr so sehe?

Selbstverständlich sollten die Realität dieses Einsatzes und die Leistungen der Bundeswehr nicht zum Gegenstand von Wortklaubereien werden. Die eigentlichen Wortklauber aber sitzen in Berlin, denn sie schaffen es nicht, Worte zu finden, die Trost spenden und Solidarität mit der Bundeswehr erzeugen. Gleichzeitig soll die Bundeswehr, nach Aussage des Ministers, in Zukunft noch viel stärker die Herzen und Köpfe der Menschen in Afghanistan gewinnen. Wer, bitte, glaubt ernsthaft, dass ein Presse- und Informationsstab, dessen Leitung noch nicht mal in der Lage ist, Worte zu finden, die die Herzen und Köpfe der eigenen Bevölkerung gewinnen, dies bei einer uns völlig fremden Kultur zu erreichen in der Lage ist. Für dieses zentrale Versagen in alle Richtungen ist der Auftritt des Ministers ein eindrückliches und gleichzeitig bedrückendes Signal. Es ist höchste Zeit die richtigen Worte zu finden –  sonst werden sie einem entzogen.