Keine Schokolade

Die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem. Werbung, so scheint es, hat ein Ethik-Problem. Und sie hat ein PR-Problem. Genauer: Die Media-Agentur Zenithmedia hat ein PR-Problem. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass es der Redaktion von Panorama gelang, Petra Gnauert, CEO der Agentur, das folgende Statement zu entlocken:

„Wenn Sie nen Schokoriegel bewerben, dann sacht Ihnen auch keiner, dass sie davon fett werden können.“

Nachzuhören ist dieser Satz im Trailer zur Sendung des ARD-Magazins Panorama vom 31. März Nachsehen und -hören kann man den Satz im folgend aus dem ARD-YouTube-Channel eingebetteten Beitrag und man darf gespannt sein, wem noch die Journalisten der Panorama-Redaktion die Gelegenheit gegeben haben, zu beweisen, dass er oder sie mit der Aufgabe, professionell für die Bundeswehr zu kommunizieren, überfordert ist.

Einer, der offensichtlich verstanden hat, worum es geht, ist Oberstleutnant Peter Walde, Dezernatsleiter im Zentrum für Nachwuchsgewinnung Süd. In einem Beitrag auf neckar-chronik.de, zitiert ihn die Redakteurin indirekt mit dem Satz: „Die gesellschaftliche Anerkennung fehle.“ Genau das ist der zentrale Schwachpunkt der Kommunikation der Bundeswehr und der laufenden Kampagne. Statt die Leistungen ihrer Soldatinnen und Soldaten anzuerkennen, klopft sie dumme Sprüche und malt Bilder einer zwar aufregenden, im Kern aber heilen Welt.

Das ist verantwortlungslos und dumm, denn Soldat zu sein, ist etwas andere als Schokolade zu produzieren. Und für und um Soldaten zu werben, ist etwas fundamental anderes, als für Schokolade zu werben. Das einzige Argument, dass Petra Gnauert schützt, ist, dass die letztendliche Verantwortung beim Auftraggeber liegt. Dennoch: diese affirmative Haltung ist in einer vernetzten Kommunikationsgesellschaft nicht mehr zeitgemäß.

Abschalten?

Nein, nicht die Atomkernkraftwerke, sondern die Übertragung ihres Programms nach Afghanistan, will offenbar die ARD. Bereits im vergangenen Jahr ging eine Empörungswelle durch das Netz. Auch Dank der Berichterstattung der Bild-Zeitung gelang und gelingt es dabei, den schwarzen Peter der ARD zuzuschieben.

Vertieft man sich aber etwas in das Thema, stellt sich der Fall weniger eindeutig dar. So verteidigt die ARD die Beendingung der Ausstrahlung ihre Programms über den Satelliten Hotbird – denn darum geht es technisch – mit den hohen Kosten, die dafür anfallen sowie den ungeklärten Rechtsfragen bei einer Ausstrahlung im Ausland.

Kostenseitig ist die Rechnung einfach. Den 1 Million Euro Übertragungskosten pro Jahr stehen Einnahmen in Höhe von 17,98 x 12 x 5.000 (Soldaten, die GEZ zahlen) = 1.078.800 gegenüber. Problematisch aber scheinen vor allem die Rechtsfragen, um deren Klärung die ARD das Verteidigungsministerium gebeten hat. Offenkundig ist diese aber – wie bei so viele Kommunikationsthemen – bislang noch nicht erfolgt.

Dessen ungeachtet empören sich der Reservistenverband sowie engagierte Bürger auf Facebook, darüber, dass die ARD die deutschen Soldaten im Regen stehen lässt. Was sie dabei vergessen, ist, dass es vor allem der Dienstherr ist, der die Soldaten in Sachen Kommunikation mehr als kurz hält. So sollen zwar ab Mitte 2011 deutsche Soldaten besser ans Netz angebunden werden und wöchentlich 30 Freiminuten für Telefonate erhalten, richtig viel ist das aber nicht.

Wie es und was geht, wenn ein Dienstherr das Thema Kommunikation ernst nimmt, zeigt u.a. dieser Kurzfilm aus dem New York Times-Feature „A Year at War.“ Und, Bemerkung am Rande, dieses Feature zeigt auch, was an medialen Formaten möglich ist, wenn man das Thema Kommunikation ernst nimmt.

Interessante Kommunikationspolitik

Im Zusammenhang mit der Nachwuchswerbung der Bundeswehr fiel mir bei meinen Netzwanderungen auf, dass es neben einer offiziellen Jugendseite der Bundeswehr https://treff.bundeswehr.de auch noch eine Depandance derselben im sozialen Netzwerk Facebook gibt. Erreichbar unter: http://www.facebook.com/group.php?gid=107338285968345&v=wall

Beim Blick auf die Administratoren fiel mir auf, dass dort neben Redakteuren der offiziellen Seite auch ein PR-Berater, also ein Mensch, der der gleichen Profession nachgeht wie ich, als Administrator eingetragen ist. Und weil das so ist, habe ich am vergangenen Mittwoch beim Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums nachgefragt, wie das denn so kommt:

Sehr geehrter Herr B.,

neben der offiziellen Seite https://treff.bundeswehr.de existiert im sozialen Netzwerk Facebook die Seite http://www.facebook.com/group.php?gid=107338285968345&v=wall

Als Administrator ist dort neben Redakteuren der offiziellen Seite auch der PR-Berater N.N. eingetragen. Mit Blick auf die Absenderklarheit (vgl. u.a. eine entsprechende Richtlinie des Deutschen Rates für Public Relations, http://drpr-online.de/upload/downloads_112upl_file/DRPR_Richtlinie%20Online-PR_100827.pdf) habe ich dazu folgende Fragen:

– Ist die Facebook-Seite ein offizielles Angebot der Bundeswehr?

– Ist die Verwendung offizieller Logos und des Bildmaterials der Bundeswehr genehmigt?

– Unter welchem Mandat agieren die Administratoren, konkret: Besteht auch hier ein Arbeitgeber-Arbeitnehmer bzw. im Falle von Herrn N. ein Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis?

Ich benötige Ihre Antwort für eine redaktionelle Aufarbeitung des Themas und freue mich auf eine rasche Antwort.

Mit Dank im Voraus und besten Grüßen

Eine Antwort habe ich von Seiten des BMVg bis heute nicht bekommen, dafür hat sich die Facebook-Seite auf interessante Weise verändert. Als Administratoren verschwunden sind der PR-Berater sowie zwei der offiziellen Bundeswehr-Redakteure. Der PR-Kollege wiederum hat mich darauf hingewiesen, dass er sich auf dieser Seite bisher nicht aktiv beteiligt habe, nicht klären konnte, warum er überhaupt als Administrator aufgeführt wurde, und dazu im Übrigen auch nicht gefragt wurde.

So, und jetzt packe ich mal kurz das feine Florett der Kommunikationspolitik weg und sage es an die Adresse der Bundeswehr-Kommunikatoren mit Gernot Hassknecht:

WAS GLAUBT IHR EIGENTLICH WEN IHR MIT EURER DILETTANTISCHEN KOMMUNIKATIONSPOLITIK VERARSCHEN KÖNNT?

Nachtrag, 29. März 2011 – Mittlerweile hat sich die treff.bundeswehr-Seite bei Facebook weiter verändert. Unter anderem wurde das offizielle Bundeswehr-Logo durch ein unspezifisches Gruppenfoto ersetzt und an prominenter Stelle erscheint der Hinweis, dass dies keine offizielle Seite der Bundeswehr sei. Außerdem ist ein zweiter Schüler eines Gymnasiums als Administrator eingetragen. Eine Antwort auf meine Anfrage an das Verteidigungsministerium habe ich nicht erhalten. Kausalität oder Korrelation?

Noch ein Hinweis an diejenigen, die jetzt vielleicht glauben, es sei mir ein persönliches Anliegen, die Aktivitäten der Bundeswehr im Social Web zu torpedieren: Das ist es nicht. Im Gegenteil: Die Bundeswehr ist sehr gut beraten, sich in sozialen Netzwerken zu engagieren. Das aber mindestens ebenso professionell, wie sie ihre Kernaufgaben wahrnimmt.

Propaganda im Netz

Deutschlandradio Kultur hat sich in der Sendung Breitband mal des Themas Propganda über Soziale Netzwerke angenommen. Entstanden ist ein guter Einstieg ins Thema, unter anderem mit eine Interview mit Martin Löffelholz von der TU Ilmenau, in dessen Forschungsgruppe zur Krisenkommunikation ich assoziiertes Mitglied bin. Reinhören lohnt sich. Entweder direkt hier:

Oder mit dem Direktlink zur MP3-Datei hier.

Wie man auch um Nachwuchs werben könnte

Vor etwa 2 Wochen haben wir beim Kollegen Thomas Wiegold über die aktuelle Nachwuchswerbung diskutiert. Quasi nebenbei sind dabei auch ein paar kreative Lockerungen entstanden, die unter Umständen den Blick etwas weiten können, und die ich den Lesern hier nicht vorenthalten möchte. Umsetzbar in allen Medien:

Wir gehen raus. 2 Wochen Höhe 432. Minus 15 Grad in der Nacht. Das ist nicht für jeden was. Aber für die, die es aushalten, ist es alles. Bundeswehr – Deutschland dienen.

Es war eine Mine aus dem 2. Weltkrieg. 70 Jahre alt, immer noch tödlich. Ich habe die Sprengladung angebracht. 200 Gramm TNT. Jetzt gefährdet die Mine niemanden mehr. Bundeswehr – Deutschland dienen.

Das Hochwasser war der Hammer. Der Deich war kurz vorm Brechen. Wir mit der Kompanie ran. 10.000 Sandsäcke, dann hielt er wieder. Bundeswehr – Deutschland dienen.

Wir sind hier, um zu helfen, nicht um zu töten. Aber damals hieß es, er oder ich, und nicht nur ich, sondern auch die Kameraden hinter mir. Wir haben überlebt. Bundeswehr – Deutschland dienen.

Als Marc in den OP kam, war sein Bein völlig zerfetzt. Wir haben 12 Stunden operiert. 40 Blutkonserven. Wir waren völlig fertig, aber wir haben sein Bein gerettet. Bundeswehr – Deutschland dienen.

Afghanistan, das ist völlig irre. Extreme Armut, extreme Freundlichkeit. An einem Tag ein heftiges Gefecht, am nächsten Tee mit den Einheimischen. Das ist nicht leicht, aber wir sind gut ausgebildet. Bundeswehr – Deutschland dienen.

Unter falscher Flagge

Wie sich ein Projekt, mit dem mit Steuergeldern Nachwuchs für die Bundeswehr gewonnen werden soll, inhaltlich und ästhetisch möglichst weit vom Absender entfernen kann, zeigt exemplarisch „Bw-Beachen 2011“. In der Gesamtschau mit den unsäglichen Radiospots ergibt sich dabei ein sehr problematischen Bild des Arbeitgebers Bundeswehr. Oder anders, klar und unmissverständlich gesagt: Wer junge Menschen derart unernst anspricht, hat nicht verstanden, worum es beim Soldatsein geht. Die Bundeswehr versucht, vorsätzlich über die Realitäten des Soldatenberufs zu täuschen. Sie lügt, und diese Lüge wirkt auch nach Innen, denn auch die aktiven Soldaten müssen sich durch diese Art von Werbung verhöhnt fühlen.

Danke an Christoph für den Hinweis auf den Rekruiting-Spot der Schweden, den ich hier noch einbinde. So kann man das Thema auch angehen – professionell eben.

Multiples Organversagen

Die UN haben eine Resolution zum Schutz der libyischen Zivilbevölkerung durch Einrichtung einer Flugverbotszone beschlossen. http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-03/libyen-uno-flugverbotszone

Dass Deutschland sich enthalten hat, ist ein unglaubliches politisches Versagen. Nicht, weil man damit an der Seite Russlands und Chinas steht – deren Enthaltung ist als Zustimmung unter Behauptung von Souveränität gegenüber den USA -, sondern weil es zeigt, dass der deutschen Regierung die Freiheit anderer nichts wert ist. Ich schäme mich.

Klartext

Ob aus „zivilem Ungehorsam“ oder Nachlässigkeit – die Redaktion von luftwaffe.de hat sich entschlossen auf Klartetxt umzustellen. Das Interview mit Major Josip Sever, Inspektionschef der V. Inspektion der Infanterieschule des Heeres in Hammelburg, zur Einsatzausbildung ist sensationell – und vermutlich für längere Zeit eines der letzten, das Sever geben darf.

Hier ein paar Highlights:

Frage: Haben Sie als Inspektionschef Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Munition?
Antwort: Munition ist ein heikles Thema. Derzeit hinken die Lieferungen teilweise weit hinter den Anforderungen her. (…) Die geplanten zur Verfügung stehenden Munitionsansätze für die Ausbildung im Jahre 2011 machen mich sprachlos.

Frage: Mit dem Wegfall der Wehrpflicht haben Sie den größten Teil Ihrer Lagendarsteller verloren. Wie werden Sie in Zukunft neues Personal für diese doch sehr fordernde Tätigkeit rekrutieren?
Antwort: Gute Frage – nächste Frage.  Nein, im Ernst ich denke darauf herum.(…) Ansonsten gibt es nur noch den Versuch der Unterstützung „Truppe – Truppe“, diese wird dann aber absehbar sehr mau ausfallen.

Wie bei der Nachwuchswerbung gilt auch hier: Die Bundeswehrreform – Ihre Chance, wobei allerdings unklar bleibt Chance zu was?

Havariekommunikation?

Folgt man diesem Artikel aus Welt Online, ist die Bundesregierung „not amused“ über den Bericht der Marine-Untersuchungskommission zu den Vorgängen auf der Gorch Fock. So lange der Bericht nicht öffentlich ist, kann man sich nur darauf beschränken, die Beobachtungen übereinander zu legen. Und die sprechen dafür, dass die Marine an Land (also in der Kommunikation) noch nicht einmal halb so gut ist, wie auf See. Vielleicht mag sich manch einer gedacht haben, dass es klug sei, denBericht in das Aufmerksamkeitsvakuum zwischen den Ministerwechseln zu platzieren. Entweder, um ihn dort zu versenken, oder aber um dem geschassten aber geschätzen Kapitän Schatz einen kameradschaflichen Gefallen zu tun. Beides scheint schief gegangen zu sein. Der Untersuchungskommission droht Schiffbruch in eigener Sache. Lernen durch Schmerz hieß das bei uns im Heer.

„Krieg im Netz“ – auf der re:publica 2011

re:publica 11

Aus dem Netz ins echte Leben. Thomas Wiegold und ich haben für die re:publica 11 eine Session zum Thema Krieg im Netz – Stuxnet, WikiLeaks und Bloggen von der Front  vorgeschlagen und dürfen diesen Vorschlag nun mit Leben füllen. Eine unserer Leitfragen wird dabei sein: Wie das Netz die Sicherheitspolitik verändert?  Wie genau wir das umsetzen werden, planen wir derzeit. Ziemlich sicher ist, dass wir nicht die abschließende Antwort finden werden. Im Gegenteil: Wir wollen möglichst viele Fragen mit nach Berlin nehmen, und bitten daher Sie, ja genau Sie, die diesen Text lesen, uns Ihre Fragen zu schicken.