Drama, Baby! – Independent Video goes Bundeswehr

Kann man eine fiktionale Fernsehserie über die Bundeswehr drehen, ohne dass es in unreflektierte Action à la Cobra 11 oder langweiliges Politiktheater ausartet? Man kann, bzw. das Team hinter der Webvideoserie Bravo 5 kann es. Die Serie ist, trotz einiger inhaltlicher Unschärfen und der dem knappen Budget geschuldeten Unzulänglichkeiten der Ausstattung, ein spannendes Experiment. Vor allem aber will ich wissen, wie die Story weitergeht.

Thomas Wiegold hat drüben bei „Augen geradeaus!“ schon das meiste gesagt, was es zu sagen gibt und vor allem die Videos der bisher freigeschalteten Folgen eingebunden.

Was ich mir jetzt noch wünsche ist, dass sich jemand mit etwas Geld und Verstand mit den Machern von Bravo 5 zusammensetzt und auf Grundlage des erweiterten filmischen Scribbles, das die Serie in der derzeitigen Form ist, eine Top-Produktion auf die Beine stellt. Und ja, die Bundeswehr bzw. das Bundesverteidigungsministerium wäre gut beraten, wenn sie diese Produktion durch Gestellung von Material und Know-how unterstützen würde, denn die Medialisierung des Militärischen ist ein wesentliches Element, um die Leistungen der Soldaten und Soldatinnen anzuerkennen. Also, Drama, Baby!

Die Stunde der Stümper – Bundeswehr und Webvideo

„Die Stunde der Stümper“ lautet die wenig freundliche Übersetzung des Titels eines Buches von Andrew Keen. Das Original klingt differenzierter aber nicht weniger dramatisch: „The Cult of the Amateur: How blogs, MySpace, YouTube, and the rest of today’s user-generated media are destroying our economy, our culture, and our values“.

Dem Kult um das Amateurhafte haben sich nun auch das Bundeswehr-Fernsehen bwtv und der – gerne auch von sich selbst gelobte – YouTube-Kanal der Bundeswehr angeschlossen, und ein Video veröffentlicht, dass dem Zuschauer einen Einblick in das studentische Leben an der Universität der Bundeswehr München geben soll. Das gelingt in Maßen. Vor allem aber zeigt der Film, warum – bislang – Filme, die von Auszubildenden gemacht werden, einem größeren Publikum vorenthalten bleiben. Ich weiß das, denn ich habe viele solche Filme selbst gedreht. Dieser Film – wenn ich es richtig verstanden habe, von Studierenden des Studienganges Wirtschaft und Journalismus produziert – eignet sich dagegen vor allem dazu, elementare handwerkliche Fehler des Videofilmens zu illustrieren. Wer mag, und vom Fach ist, kann diese Fehler gerne hier in den Kommentaren beschreiben und Verbesserungsvorschläge machen. Wenn sich interessierte Leser diese Kritik dann zu Herzen nähmen, erfüllte der Film zumindest den Zweck eines Ausbildungsfilmes. (Ich habe dazu einfach keine Lust mehr, nenne nur drei Stichworte: Weißabgleich, Blende, Fokus – vom Redaktionellen schweige ich.)

Die Chance auf ein differenziertes Feedback haben die verantwortlichen bwtv- und Bundeswehr-YouTube-Redakteure, die entschieden haben, den Film zu veröffentlichen, nicht. Sie haben – erneut – einfach nur Mist gebaut, und all diejenigen bestätigt, die meinen, einen Beruf zum Hobby abzuwerten, sei im Zeitalter des Internets möglich, weil ja ohnehin alles veröffentlich wird – unabhängig von der Qualität.

Alle gegen den Minister?

Bemerkenswert, welche Aufmerksamkeit dem feierlichen Gelöbnis von 400 Bundeswehrsoldaten heute am 20. Juli 2012 zu Teil wird. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte sich mit dem Bundestagspräsidenten Norber Lammert darauf verständigt, das Gelöbnis in diesem Jahr nicht – wie in den Jahren 2008-2011 – vor dem Reichstag sondern im Bendlerblock durchzuführen. Die Kritik, die de Maizière nun entgegenschlägt, überrascht in mehrfacher Hinsicht. Sie kommt spät, heftig und in einer bemerkenswerten Einigkeit von Parteifreunden und politischer Gegner.

„Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und kein Ministerialheer“, sagte der Wehrbeauftrage des Deutschen Bundestages, Hellmuth Könighaus, der Tageszeitung „Die Welt“. Bernd Siebert, Mitglied des Verteidigungsausschuß fordert in einer Pressemitteilung: „Die Bundeswehr gehört in die Öffentlichkeit“ und kritisert seinen Parteifreund de Maizière: „Die Entscheidung, das Gelöbnis am 20. Juli nicht vor dem Reichstag stattfinden zu lassen, ist falsch.“ Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter, Oberst a.D. und Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr, liegt mit dem Minister in dieser Sache über Kreuz. Über den Kurznachrichtendienst Twitter bezieht er eindeutig Stellung: „Auch #Reservistenverband ist sich einig: das Feierliche Gelöbnis 20. Juli gehört öffentlich vor den #Reichstag und nicht in den #Bendlerblock“. Die beiden CDU-Politiker scheinen von der Verlegung ebenso überrascht zu sein, wie Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD. Er habe von dieser Regelung nichts gewusst, und erst mit der Einladung davon erfahren, dass das Gelöbnis im Bendlerblock stattfinde, sagte er gegenüber Welt Online.

Die Kritik, die sich nun am Ort des Gelöbnis entzündet hat vermutlich tiefere Ursachen. Auch im Bendlerblock sind die Soldaten nicht der Öffentlichkeit entzogen. Er liegt vielleicht etwas verkehrsungünstig. Seine symbolische Bedeutung in der Gedenkstätte deutscher Widerstand dagegen ist mindestens ebenso hoch, wie die Wiese vor dem Reichstag. Ja, die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, und angesichts der Risiken, denen Solaten sich aussetzen, ist es richtig und wichtig, die Parlamentarier regelmäßig auch sichtbar daran zu erinnern, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen über den Einsatz der Armee haben können. Allerdings sind eben diese Parlamentarier nun in der Sommerpause.

Die Kritik ist daher grundsätzlicher zu verstehen. Es ist eine Kritik am Politikstil Thomas de Maizières, der mit der Führung des Verteidigungsministeriums auch die alleinige Deutungshoheit über die Bundeswehr beansprucht. Bislang ist es ihm und seinem Stab bemerkenswert gut gelungen, diese vor allem auch kommunikative Führungsrolle auszufüllen. Nun werden aber erste Risse deutlich. Vor allem die groß angelegte Bundeswehrreform will nicht so recht in Schwung kommen.Weder gelingt es dem Ministerium bisher kritische Stimmen zu überzeugen, noch die ambitionierten Pläne mit Leben zu füllen. Vor allem der umfassende Personalabbau dürfte sich als Hindernis erweisen. In der Truppe rumort es. Sei es, weil auch leistungsfähige Soldaten keine Karrierperspektiven mehr sehen, oder weil die Pakete, die ausstiegswilligen Angehörigen schlicht nicht attraktiv genug sind. Diese Aufgabe, weit entfernt von der Symbolpolitik eines Gelöbnisses, wird der eigentliche Prüfstein für de Maizière werden.