Zugegeben, der Begriff Zivilcourage mag in diesem Zusammenhang etwas seltsam klingen, und vielleicht wären auch Wahlkampfbeteiligung oder Friendly Fire die treffenden Worte. Wie dem auch sei: Bundesverteidigungsminister Jung ist unter Beschuss seiner Truppen geraten. Wer auch immer die entsprechenden Dokumente weitergereicht hat: Sie oder er ist dafür zu loben.
Der Beschuss kommt nicht im direkten Richten, sondern wie üblich via Spiegel. Der weiß nämlich in seiner aktuellen Ausgabe über schwere Ausrüstungsmängel der Bundeswehr zu berichten. Und weil die Absender dieses Wirkungstreffers sich nicht nur auf das Sturmgeschütz der Demokratie verlassen wollten, haben sie die brisante Ladung auch dem Kollegen Forster anvertraut, der sie wie gewohnt kenntnisreich zu platzieren (und zu kommentieren) weiß.
Wer auch immer sich mit der Materie befasst hat, dürfte von den angesprochenen Defiziten nicht überrascht sein. Im Gegenteil: Sie sind nur die Spitze des Eisberges. Das wirklich Dramatische dürften dabei weniger die tatsächlichen Mängel sein. Soldaten sind immer zu schlecht ausgerüstet (und nutzen insbesondere im Einsatz den Auslandszuschlag auch, um diese Mängel zu kompensieren – deutsche Militärshops wissen davon ein Lied der Freude zu singen). Bedrohlich dürfte vor allem die Ignoranz der militärischen und politischen Führung sein, die es bislang noch immer geschafft hat, Sorgen und Nöte der Soldatinnen und Soldaten auf dem Dienstweg durch das Ministerium klein zu rede. Das Ergebnis ist ein Motivationsverlust sondergleichen. Und: Unabhängig vom tatsächlichen Ausgang der Bundestagswahlen, dürfte die Truppe zumindest einen bereits abgewählt haben.
Am besten gefallen mir dann auch die drei abschließenden Fragen von Forster, die ich hiermit zum Beantwortungswettbewerb in den Kommentaren frei gebe:
Kann man sich vorstellen, dass der amtierende Minister
– 1. weiss, dass die Kontingent-Berichte zur absoluten Pflichtlektüre gehören?
Mit etwas Wohlwollen: Ja, aber man muss ja nicht jeder Pflicht nachkommen.
– 2. sich die Zeit nimmt, sie eigenständig intensiv zu studieren?
Mit Sicherheit: Nein, dafür hat er seine Leute, und weil die – wiederum mit Sicherheit – nichts unternehmen werden, was das fest gefügte, kleinbürgerliche Weltbild des Ministers irritieren könnte, dürfte er nur wenig von dem erfahren, was drin steht bzw. dies auf die 34 Fälle, in denen es eine Verbesserung gegeben hat, beschränken. Und selbst wenn wir den unwahrscheinlichen Fall annehmen, dass er es liest, bin ich mir angesichts seiner bisherigen öffentlichen Äußerungen nicht sicher, ob überhaupt verstünde, worum es hier geht.
– 3. das emotionale Empörungspotential aufbringt, um mit aller Kraft gegen den Unrat für seine Lieben zu kämpfen?
Sprache entlarvt. Weil die gefühlt häufigste Phrase des Ministers „Ich habe …“ und nicht „Unsere Soldaten brauchen …“ war, wäre ich sehr überrascht, wenn nun ein plötzlicher Persönlichkeitswandel eintreten würde.
Und eine vierte Frage sei noch nachgeschoben: Warum gibt es noch keine Reaktion aus dem Ministerium? Bei der Schwere der Angriffe kann das nur als Eingeständnis gelten. (Wobei das Eingeständnis auch umfassen müsste, dass der Sprecher des Ministers hier seine Arbeit nicht ordentlich gemacht hat, wenn ihn diese Enthüllungen mal wieder überraschen).