(Wahl)Kampfeinsatz mit kontrollierter Offensive

Zugegeben, der Begriff Zivilcourage mag in diesem Zusammenhang etwas seltsam klingen, und vielleicht wären auch Wahlkampfbeteiligung oder Friendly Fire die treffenden Worte. Wie dem auch sei: Bundesverteidigungsminister Jung ist unter Beschuss seiner Truppen geraten. Wer auch immer die entsprechenden Dokumente weitergereicht hat: Sie oder er ist dafür zu loben.

Der Beschuss kommt nicht im direkten Richten, sondern wie üblich via Spiegel. Der weiß nämlich in seiner aktuellen Ausgabe über schwere Ausrüstungsmängel der Bundeswehr zu berichten. Und weil die Absender dieses Wirkungstreffers sich nicht nur auf das Sturmgeschütz der Demokratie verlassen wollten, haben sie die brisante Ladung auch dem Kollegen Forster anvertraut, der sie wie gewohnt kenntnisreich zu platzieren (und zu kommentieren) weiß.

Wer auch immer sich mit der Materie befasst hat, dürfte von den angesprochenen Defiziten nicht überrascht sein. Im Gegenteil: Sie sind nur die Spitze des Eisberges. Das wirklich Dramatische dürften dabei weniger die tatsächlichen Mängel sein. Soldaten sind immer zu schlecht ausgerüstet (und nutzen insbesondere im Einsatz den Auslandszuschlag auch, um diese Mängel zu kompensieren – deutsche Militärshops wissen davon ein Lied der Freude zu singen). Bedrohlich dürfte vor allem die Ignoranz der militärischen und politischen Führung sein, die es bislang noch immer geschafft hat, Sorgen und Nöte der Soldatinnen und Soldaten auf dem Dienstweg durch das Ministerium klein zu rede. Das Ergebnis ist ein Motivationsverlust sondergleichen. Und: Unabhängig vom tatsächlichen Ausgang der Bundestagswahlen, dürfte die Truppe zumindest einen bereits abgewählt haben.

Am besten gefallen mir dann auch die drei abschließenden Fragen von Forster, die ich hiermit zum Beantwortungswettbewerb in den Kommentaren frei gebe:

 Kann man sich vorstellen, dass der amtierende Minister
– 1. weiss, dass die Kontingent-Berichte zur absoluten Pflichtlektüre gehören?

Mit etwas Wohlwollen: Ja, aber man muss ja nicht jeder Pflicht nachkommen.

– 2. sich die Zeit nimmt, sie eigenständig intensiv zu studieren?

Mit Sicherheit: Nein, dafür hat er seine Leute, und weil die – wiederum mit Sicherheit – nichts unternehmen werden, was das fest gefügte, kleinbürgerliche Weltbild des Ministers irritieren könnte, dürfte er nur wenig von dem erfahren, was drin steht bzw. dies auf die 34 Fälle, in denen es eine Verbesserung gegeben hat, beschränken. Und selbst wenn wir den unwahrscheinlichen Fall annehmen, dass er es liest, bin ich mir angesichts seiner bisherigen öffentlichen Äußerungen nicht sicher, ob überhaupt verstünde, worum es hier geht.

– 3. das emotionale “Empörungspotential” aufbringt, um mit aller Kraft gegen den Unrat  für “seine Lieben” zu kämpfen?

Sprache entlarvt. Weil die gefühlt häufigste Phrase des Ministers „Ich habe …“ und nicht „Unsere Soldaten brauchen …“ war, wäre ich sehr überrascht, wenn nun ein plötzlicher Persönlichkeitswandel eintreten würde.

Und eine vierte Frage sei noch nachgeschoben: Warum gibt es noch keine Reaktion aus dem Ministerium? Bei der Schwere der Angriffe kann das nur als Eingeständnis gelten. (Wobei das Eingeständnis auch umfassen müsste, dass der Sprecher des Ministers hier seine Arbeit nicht ordentlich gemacht hat, wenn ihn diese Enthüllungen mal wieder überraschen).

„Nicht auf den militärischen Blickwinkel verengen“

Neuer Einsendeschluss des NATO-Videowettbewerb „Why Afghanistan Matters.“ Einer der Gründe dürfte vermutlich die  bislang eher geringe Beteiligung sein. Mittlerweile hat auch Ulrike Merten, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Mitglied im Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, die Fragen des des Bendler-Blog zum Wettbewerb beantwortet.

Offen gesagt, hätte ich mir eine etwas differenziertere Sichtweise gewünscht (Ulrike Merten merkt vorab an, dass die von mir aufgeworfenen Fragestellungen leider so weit gefasst seien, dass ihr eine konkrete Antwort kaum möglich sein wird), aber mögen sich die Leserinnen und Leser selbst ein Urteil bilden (zumal ich finde, dass es einen eigenen Charme hat, dass ich die Antworten bewusst nicht journalistisch bearbeite, sie deshalb etwas rauher sind):

1. Wie bewerten Sie den Wettbewerb grundsätzlich?

Zur Beantwortung Ihrer ersten Frage, wie ich den Video-Wettbewerb „Why Afghanistan Matters“ bewerte, fehlt mir ein Überblick über eingegangene und künftig eingehende Beiträge, insofern sehen Sie mir bitte nach, wenn ich hierzu keine Bewertung vornehme. Grundsätzlich halte ich es für durchaus denkbar, dass engagierte Beiträge einen positiven Beitrag bei der Wahrnehmung der gegenwärtigen Situation und der künftigen Entwicklung in Afghanistan leisten können.

2. Welche Beteiligung erwarten Sie sich von Seiten der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr?

Auf Ihre zweite Frage, welche Beteiligung ich von Seiten der Soldatinnen und Soldaten erwarte, kann ich leider keine Prognose abgeben, weil mir eine Einschätzung der Resonanz unter den Angehörigen der Bundeswehr nicht möglich ist. Unabhängig davon wünsche ich dem Wettbewerb eine Vielzahl von Beiträgen, die einen seriösen Ein- und Überblick im Sinne des von den Initiatoren vorgegebenen Themas ermöglichen.

3. Gibt es Bilder aus Afghanistan, die Sie in der öffentlichen Diskussion um den Einsatz vermissen und warum?

Mit Ihrer dritten Frage, welche Bilder aus Afghanistan ich in der öffentlichen Diskussion vermisse und warum, sprechen Sie mich nicht nur auf rationaler, sondern auch auf emotionaler Ebene an. Eine differenziertere Darstellung der Lage in Afghanistan wäre in meinen Augen sehr wünschenswert. Bilder erfolgreicher Aufbauarbeit, insbesondere auch durch zivile Kräfte, die Unterstützung durch die Bundeswehr, die Übernahme weiterer Aufgaben durch die Bundeswehr, die Bemühungen um die Bildung eines Vertrauensverhältnisses zur afghanischen Bevölkerung, aber auch Bilder vom Einsatz der Bundeswehr, die nicht ausschließlich die Situationen von Anschlägen darstellen, dies alles könnte aus meiner Sicht eine Auseinandersetzung des Betrachters mit der vielschichtigen Problematik unter sozialen, kulturellen und politischen Aspekten in Afghanistan fördern und einer Verengung auf einen rein militärischen Blickwinkel entgegenwirken.

Einblicke in die Realität statt Worthülsen

Wenn heute Abend bei Anne Will wieder Worthülsen über Afghanistan ausgetauscht werden (siehe auch Beitrag bei Soldatenglück), fehlt einer, dessen Kompetenzvorsprung die Runde vermutlich unmoderierbar gemacht hätte: Winfried Nachtwei. Dessen inhaltliches Interesse am Thema zeigt sich auch an seinen Antworten, auf die Fragen des Bendler-Blogs zum NATO-Videowettbewerb „Why Afghanistan Matters.“ (Selbst wenn angesichts der bisher dürftigen Beteiligung auf Seiten der Führung des Verteidigungsministeriums von einer erfolgreichen Blockadepolitik gesprochen werden kann. Wobei diese Politik offensichtlich nicht im Sinne des Generalinspekteurs ist, wenn man seinen Aussagen gegenüber Kollege Hamel glaubt.) Wie dem auch sei, wenn sich die Verantwortlichen in Politik und Militär nur ein wenig an Nachtweis differenzierter Betrachtungsweise orientieren, dürfte die Afghanistandebatte in Deutschland an Qualität gewinnen:

1. Wie bewerten Sie den Wettbewerb grundsätzlich?

Den NATO-Video-Wetttbewerb „Why Afghanistan Matters“ halte ich für eine gute und mutige Idee. Der ISAF-Einsatz und das internationale Afghanistan-Engagement leben von ihrer Legitimität – auf Ebene des Völkerrechts, im Hinblick auf die afghanische Bevölkerung und auch die Gesellschaften der Entsendestaaten. Zur Legitimität des Afghanistaneinsatzes hierzulande ist die Bundestagszustimmung eine notwendige, auf die Dauer aber keine hinreichende Bedingung. Die Gesellschaft, zumindest ihre Interessierten, müssen sich selbst in etwa ein Bild machen können. Da sind Einblicke in die Realitäten, Authenzität von entscheidender Bedeutung. Sie sind es umso mehr, weil offizielle Unterrichtung immer wieder zu Beschönigung neigt, weil eine unter uns Politikern verbreitete Sprache der Worthülsen nicht aufklärt und „mitnimmt“, sondern eher Desinteresse, Misstrauen, Pauschalbilder fördert. Die bisherigen Afghanistanjahre zeigen, wie oberflächlich und pauschal in der Regel die Wahrnehmung von Afghanistan ist. Die Videobeiträge von Soldaten und zivilen Mitarbeitern bieten die Chance authentischer Einblicke in eine sehr buntscheckige, auch widersprüchliche Realität.

Die Idee ist aber auch aus mehreren Gründen mutig: Sie bricht mit der Vorstellung einer kontrollierten zentralisierten Kommunikation über einen Einsatz. Wahrscheinlich aus der Erfahrung heraus, dass solcher Art von staatlicher Kommunikation schon lange erfolgreich an der „Kundschaft“ vorbei produziert und sie nicht mehr erreicht. (Den Eindruck habe ich von der Afghanistan-PR der Bundesregierung mit ihren nur schönen Bildern.) Der Wettbewerb unterläuft tendenziell die Direktive der BMVg-Spitze, die den Kontakt zwischen Soldaten und Öffentlichkeit/Medien äußerst eng hält.
Die Idee ist mutig, weil mehr öffentliche Zustimmung keineswegs die Wirkung sein muss. Wenn ich von meinen Besuchen in Afghanistan berichtete, konnte ich immer wieder viel Interessantes, Positives, Bewundernswertes, eben „good news“  berichten. Ich hatte den Eindruck, Bundeswehr und andere brauchen sich nicht verstecken. Zugleich höre ich immer wieder von Unmöglichkeiten, Fragwürdigkeiten, schlechten Erfahrungen und Enttäuschungen. Wenn ehrlich aus Afghanistan berichtet wird, dann wird es zwangsläufig sehr unterschiedliche Eindrücke geben, viele Einzelperspektiven, Episoden, wenig Zusammenschau. Schon jetzt beobachte ich bei etlichen Afghanistan-Veranstaltungen mit Experten und Praktikern, wie hier so anschaulich Probleme aufeinander getürmt werden, dass sich so manche Bürger innerlich lieber abwenden.

Zu erwarten sind einige Handicaps: Soldaten, die vier Monate im Land sind und z.T. nie aus dem Feldlager herauskommen, haben viel geringere Landeseinblicke als z.B. Polizisten mit einem Jahr Stehzeit und Entwicklungsexperten mit zwei bis drei Jahren. Eine Militärlastigkeit der Beiträge, wodurch eine allgemeine Wahrnehmung hierzulande verstärkt würde, die sowieso schon weit überproportional um Militärfragen kreist und wo Aufbau, zivilgesellschaftliche Bemühungen in ihrem Aufmerksamkeitsschatten krebsen. Hier müsste der Wettbewerb gezielt weiterentwickelt werden.

Zusammengefasst: Der Wettbewerb bietet die Chance von mehr Transparenz, Verringerung der Wahrnehmungskluft zwischen Heimat und Einsatzgebiet. Wo die Staatengemeinschaft in Afghanistan Demokratieentwicklung fördern will, ist der Wettbewerb Demokratieentwicklung in der eigenen Familie. Wo es aber an überzeugender politischer Führung fehlt, beinhaltet ein solcher Wettbewerb aber auch politische Risiken.

2. Welche Beteiligung erwarten Sie sich von Seiten der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr?

Eine rege Teilnahme von Soldaten wäre zu wünschen. Wo viele Soldaten zu Hause die Erfahrung von freundlicher Gleichgültigkeit bis kalter Schulter gegenüber ihrem Einsatz machen,  haben viele das Bedürfnis zu berichten, was wirklich so läuft. Spannend wären Beiträge, die von mehreren Soldaten produziert werden, die über den Tellerrand schauen und uns das ferne Afghanistan ein wenig näher bringen. Bloße Nabelschauen wären überflüssig. Das Ministerium sollte die Teilnahme am Wettbewerb fördern. Da sich Mitarbeiter ziviler Organisationen nur begrenzt an einem NATO-Wettbewerb beteiligen werden bzw. können, sollten z.B. EU und UNO parallele Wettbewerbe aufziehen.

3. Gibt es Bilder aus Afghanistan, die Sie in der öffentlichen Diskussion um den Einsatz vermissen und warum?

Wer hat ein Bild von der besten Weizenernte seit 32 Jahren gesehen? Ein unsichtbarer Erfolg! Oder von der Errungenschaft der Unabhängigen Menschenrechtskommission, des 80%-Zugangs zu Basisgesundheitsdiensten, von lokalem Peacebuilding, von Polizeiausbildung. Bilder sind notwendig  von den Aufbaubemühungen,  die doch eigentlich die Schlüsselaufgabe sein sollen. Militärgerät lässt sich schnell fotografieren, ein Marder macht was her, suggeriert Durchsetzungskraft. Also Vorsicht vor der Verführung zu leichten Bildern.

Können wollen

„Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst hieße es Wunst“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Kunst_kommt_von_K%C3%B6nnen).

Allerdings muss man auch können wollen (oder aber auch dürfen). Bei der Kommunikationspolitik der Bundesregierung und insbesondere des Verteidigungsministeriums stellt sich die Frage, was davon auf die Verantwortlichen zutrifft: Können, wollen oder dürfen sie nicht?

Bei grob geschätzt mindestens 1.000 Menschen im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums weiß ich (auch aus persönlicher Kenntnis), dass darunter viele sind, die können und wollen. Es ist daher in der Tat grotesk (http://www.geopowers.com/Kriege/inn_kon/afg_kon_III/afg_kon_iii.html#CIAOWinni), dass eine sowohl zahlenmäßig als auch intellektuell offensichtlich sehr kleine Führung, verhindert, dass eine ganze Organisation ihr Können zeigen kann. Nun mag man einwenden, dass dies in hierarchischen Organisationen so sein müsse, und dass dies im Militär besonders gelte. Dem widerspreche ich nicht grundsätzlich, aber ich bin überzeugt, dass eine ausschließlich nach Befehl und Gehorsam (inkl. vorauseilenden Gehorsams) handelnde Organisation ihre Legitimität gefährdet, wenn sie ein bspw. im Kampf sinnvolles System auch an der Schnittstelle zur Gesellschaft, in deren Dienst sie steht, versucht durchzusetzen. Außerdem widerspricht das fundamental dem im Konzept der Inneren Führung festgelegten Anspruch des Soldaten als mündigen Bürgers.

Das Versagen der Regierung und des Verteidgungsministers in genau dieser Frage wird unter anderem im Kontrast zur Arbeit eines Mannes, Winfried Nachtwei, deutlich, der quasi im Alleingang (und mit Unterstützung wirklich an der Sache interessierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) zeigt, was durch die Verbindung von Können und Wollen möglich ist. Mehr dazu ist hier zu lesen (und natürlich auf der Seite von Nachtwei selbst):

http://www.zeit.de/online/2009/32/bundestag-abgeordnete-rente-nachtwei?page=1
http://wiegold.focus.de/augen_geradeaus/2009/08/zur-lage-in-afghanistan-mcchrystal-und-nachtwei.html
http://www.geopowers.com/Kriege/inn_kon/afg_kon_III/afg_kon_iii.html#CIAOWinni

Dem Lob schließe ich mich vorbehaltlos an, und hoffe insbesondere, dass Nachtwei als Ein-Mann-Think-Tank seine Arbeit bspw. unter dem Dach der Böll-Stiftung fortsetzt und Tom Koenigs in den Bundestag einzieht und den Staffelstab aufnimmt. Und außerdem hoffe ich, dass die Führung des Verteidigungsministerium endlich, endlich erkennt, welche Chancen sich ergeben, wenn die das Können ihres Personals nutzt.

Warum wir kämpfen

Während des Zweiten Weltkrieges drehte das US-Militär unter dem Titel „Why we fight“ eine Serie von Propagandafilmen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Why_We_Fight) In der historischen Rückschau erscheinen Machart und Erfolg fraglich. Dennoch ist die im Titel der Serie implizierte Frage mit Blick auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und der NATO aktueller denn je, umso mehr als dass die meisten verantwortlichen Politiker in Deutschland sie bislang nicht beantworten. Selbst die Gegner des Einsatzes finden kaum überzeugende Argumente für ihre Position. Statt einer substantiellen Auseinandersetzung über das, was konkret zu tun ist, und warum es zu tun ist, mäandert die Debatte auf einer abstrakten Ebene herum und kommt über simple „Nein“-„Doch“-Rhetorik kaum hinaus.

Ein Musterbeispiel für diese Art des Disputs liefern der Philosoph Richard David und der CDU-Politiker Ruprecht Polenz. Precht behauptet – ähnlich wie zuvor schon Martin Walser in seinem „Feigheit vor dem Volk“ überschriebenen Essay im Spiegel (leider nicht online), der Einsatz in Afghanistan sei völkerrechtswidrig. Polenz entgegnet, dem sei nicht so(http://www.ruprecht-polenz.de/index.php?ka=1&ska=1&idn=748), und hat dabei den entsprechenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes auf seiner Seite. Die eigentlich nötige inhaltliche Tiefe, die nötig wäre, um zu einem aufgeklärten Urteil zu kommen, erreichend beide nicht. Das mag an der Konstruktionslogik der medialen Darstellung liegen. Die Debatte in anderen am Afghanistan-Einsatz beteiligten Ländern zeigt aber, dass auch die moderne Mediengesellschaft Tiefe nichtnur verträgt, sondern braucht.

Die Feigheit der Intellektuellen

Prechts Text, in dem er einen Aufstand der Intellektuellen und den sofortigen Abzug der deutschen Soldaten fordert, ist im Kern ein Plädoyer für eine Abkopplung Deutschlands von der Welt und von der Geschichte. In dem er das Deutschland des Jahres 2009 quasi zur Insel der Glückseligen erklärt, auf die wir uns nur zurückzuziehen brauchten, um den Status Quo unbedroht von der Welt da draussen zu erhalten, vertritt er einen Politikansatz irgendwo zwischen „splendid isolation“ und utopischer Nichteinmischung à la Star Trek. Dabei liegt er mit der Diagnose „Feigheit vor dem Volk“ gar nicht so falsch. Diese ist allerdings nicht nur den Politikern zu attestieren, sondern auch den Philosophen selbst. Nun mag es bei Precht so sein, dass er seine Popularität im Buchmarkt mit inhaltlicher Kompetenz in unterschiedlichen Themen verwechselt, aber eigentlich wäre es in der Tat wünschenswert, dass sich deutsche Intellektuelle nachhaltig mit der Rolle Deutschlands in der Welt auseinandersetzen und sich tatsächlich die Kompetenzen erwerben, die ihnen auch international wieder Gehör verschaffen könnten. Precht tut das explizit nicht. Ja, er schafft es noch nicht einmal, sich in die Rolle der Individuen – Soldaten wie Zivilisten – zu versetzen, die den Kampf in Afghanistan nicht nur aus den Medien kennen. Täte er es, müsste er zu einem anderen Urteil kommen oder zumindest konstatieren, dass ein Abzug der internationalen Truppen quasi zwangsläufig das Exil oder den Tod sehr vieler Menschen bedeutete, die ihm intellektuell nahe stehen. Der Einsatz in Afghanistan ist also auch ein Kampf um die Freiheit der Philosophen. Einen Kampf, den zu führen, Precht zu feige ist, denn er bedeutet auch, den Menschen in Deutschland nicht nur nach dem Munde zu reden oder sie in ihrer Gefühlslage abzuholen (dass kann Precht), sondern nachhaltig an der politischen Willensbildung auch gegen die öffentliche Meinung zu arbeiten.

Strategische Kultur

Es ist der Imperativ der Aufklärung, der in dieser Forderung durchscheint. Eine Forderung, die universell gelten und gegen Widerstände – also teilweise mit Gewalt – durchgesetzt werden muss. Die Gewalt jedoch kann nur ein Mittel zum Zweck sein, und über den Zweck müssen wir uns verständigen. Aber – und hier spiegelt die Debatte quasi den philosophischen Streit – dazu bedarf es einer strategischen Kultur, in der unter anderem Interessen klar benannt werden. Diese Kultur fehlt. Aktuelle Einwürfe des ehemaligen Verteidigungsministers Rühe im aktuellen Spiegel sowie von Ulrich Weisser, Leiter des Planungsstabes der Bundeswehr von 1992 bis 1998, in der Frankfurter Rundschau (http://fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1882737&), sind denn auch eher ein halbherziges, persönlich motiviertes Nachtreten, nachdem es vor vier Jahren nicht geklappt hat die Posten des Verteidigungsministers sowie des Leiters des Planungsstabes mit etwas mehr Kompetenz zu besetzen. Ob dahinter echtes Interesse besteht, die Debatte zu beeinflussen, wird sich daran zeigen, ob beide auch nach der Bundestagswahl darum kämpfen das Thema auf der Agenda zu halten – von Klaeden allein wird das nicht schaffen. Und dass der Ein-Mann-Think-Tank Winfried Nachtwei aus dem kommenden Bundestag ausscheiden wird, macht die Sache nicht besser. Ein auch nur annähernd mit dessen aktueller Bestandsaufnahme vergleichbarer Bericht von Bundesregierung/ Verteidigungsministerium http://www.nachtwei.de/index.php/articles/899 ist nicht zu finden.

Die Zivilgesellschaft stärken

Das vermutlich entscheidende Kriterium, an dem sich die zukünftige Bundesregierung jedoch wird messen lassen müssen, wird sein, ob und wie sie willens und in der Lage ist, die zivilgesellschaftlichen Akteure in Afghanistan zu stärken und vor allem zu schützen. Aktuelle Korrespondentenberichte wie die von Can Merey, dpa (u.a. zu lesen bei Thomas Wiegold: http://wiegold.focus.de/augen_geradeaus/2009/08/blue-on-blue-afghanistaneinsatz-im-wahlkampf-.html sowie im aktuellen Spiegel und Stern) lassen daran massiv zweifeln. Nicht der Tod deutscher Soldatinnen und Soldaten gefährdet die Legitimation des Einsatzes, sondern die fortwährende Bedrohung der Menschen, die ein anderes, moderneres Afghanistan wollen und die Unfähigkeit der deutschen Soldaten, diese zu schützen. Im achten Jahr des Einsatzes scheint es der Bundeswehr immer noch nicht gelungen zu sein, die geeigneten nachrichtendienstlichen Kanäle zu etablieren, um solche Übergriffe zu verhindern bzw. zu verfolgen. Bei kritischer Betrachtung all dessen überwiegt vor allem ein Eindruck: Halbherzigkeit überall. Und vielleicht ist es die fehlende Antwort auf die Frage, warum wir kämpfen sollen, dass wir auch nicht wissen, wie wir kämpfen sollen.

Gesucht wird: Journalismus

Kritik an der sicherheitspolitischen Kommunikation und insbesondere der Kommunikation von Verteidigungsministerium und Bundesregierung ist ein inhaltlicher Schwerpunkt dieses Blogs. Dabei gerät bisweilen außer Acht, dass es nicht die alleinige Aufgabe dieser Organe ist, die öffentliche Debatte zu fördern. Mindestens ebenso wichtig ist eine kritische journalistische Öffentlichkeit, die sich substantiell mit sicherheitspolitischen Fragen auseinandersetzt. Was möglich ist, wenn diese fehlt, zeigen derzeit exemplarisch zwei Interviews des Vetreidigungsministers mit Blättern des Springer-Verlages, die – so ist zu fürchten – aus Sicht des Presse- und Informationsstabes vermutlich als Erfolg eingestuft werden. Kurz vor den Bundestagswahlen im September konnte sich Franz-Josef Jung in Bild (http://www.bild.de/BILD/politik/2009/08/09/verteidigungsminister-franz-josef-jung/bild-interview-afghanistan-soldaten.html) und Welt am Sonntag (http://www.welt.de/politik/ausland/article4327994/Minister-Jung-sagt-den-Taliban-den-Kampf-an.html) ausgiebig über seine vermeintlichen Erfolge und Ziele auslassen. Das sei ihm und seinem Sprecher gegönnt, selbst wenn es einige geben dürfte, die hoffen, dass nach den Wahlen ein anderer Minister respektive eine andere Ministerin Interviews gibt.

Stichwortgeber statt Journalisten
Was allerdings ernüchtert ist die Art und Weise wie diese Interviews von Seiten der Journalisten geführt worden sind. Insbesondere Ansgar Graw degradiert sich ohne Not zum Stichwortgeber für die inhaltlich gewohnt dürftigen Aussagen des Ministers. Nachdem Jung in der Bild behaupten durfte, die Soldatinnen und Soldaten quasi täglich in sein Nachtgebet einzuschließen, legt er nun nach und sagt, ihm mache das Amt des Verteidigungsministers vor allem wegen der Verantwortung für die Menschen große Freude. Es gibt – nicht nur in Berlin und auf Seiten der Opposition – viele Soldatinnen und Soldaten denen dies wie Hohn in den Ohren klingen dürfte. Denn – im Gegensatz zu Angela Merkel – verrät schon die Sprache Jungs (Könnte ein beflissener Medienwissenschaftler mal bitte die „Ich habe“-Formulierungen Jungs in den vergangenen vier Jahren zählen), dass er sich vermutlich nur für einen einzigen Menschen interessiert – sich selbst.

Im Seichten kann man nicht ertrinken
Von diesen persönlichen Eitelkeiten und Animositäten abgesehen, sind die beiden vorgenannten Interviews ein deutlicher Indikator für die mangelnde inhaltliche Tiefe der deutschen Afghanistan-Debatte. Warum sind deutsche Medien nicht in der Lage, Expertinnen und Experten, die teilweise schon Jahrzehnte in diesem Land leben, eine Plattform zu bieten, um die Diskussion nachhaltig zu führen? (man denke u.a. an den ehemaligen Oberstarzt Reinhard Erös oder Thomas Ruttig, Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network: http://aan-afghanistan.com/) Warum unterhalten die so geannten Leitmedien – allen voran die öffentlich-rechtlichen Sender – keine ständigen Büros in Afghanistan? Das alles mag sich leicht mit den Gesetzen der Aufmerksamkeitslogik und Medienökonomie erklären lassen, steht aber im eklatanten Widerspruch zu den erklärten Zielen und der angeblichen Bedeutung des Einsatzes. Und gerade der anglo-amerikanische Sprachraum, dessen Mediensystem noch viel umfassender vom Wandel betroffen ist, zeigt, dass eine vielfältige Debatte über ein „unattraktives“ Thema, ein großes Publikum findet – wenn man es erreichen will.

Davon losgelöst: Ein sehr guter Text über eine alternative Afghanistan-Strategie von Andrew Bacevich findet sich hier: http://www.commonwealmagazine.org/article.php3?id_article=2609

Es ist allerdings zu befürchten, dass er nicht nur wegen der fehlenden Sprachkenntnisse an den den entscheidenden Stellen nicht gelesen, geschweigen denn verstanden werden wird.

Macht und Inhalte

Gewohnt differenziert und klug kommentiert Geopowers die Diskussion in deutschen Blogs zu den Kommunikationsfähigkeiten des Bundesverteidigungsministeriums. Allerdings verkürzt Michael Forster die Kritik auf eine angebliche Forderung, die Bundeswehr müsse mehr Medienkanäle bedienen. Dem ist nicht so. Im Gegenteil: Massive Zweifel, ob die Kultur der Bundeswehr überhaupt vertrage sind nicht nur erlaubt, sondern geboten. Das wird unter anderem dort deutlich, wo sie den Schritt in die neuen Medien geht, also bei der Nachwuchswerbung. Diese ist teilweise so hanebüchen, dass es weh tut (und andererseits teilweise richtig gut).

Davon losgelöst schreibt Forster richtigerweise, dass es beim Thema Kommunikation um Macht geht: „Offensichtlich ist, dass die strategischen Implikationen der Kommunikationspolitik einem Mann wie Thomas Raabe, Pressesprecher seines Ministers, nicht unbekannt sind. In einem ist er Hardliner: Seinem Chef darf nirgendwo die Chance drohen, ein Haar gekrümmt zu bekommen.“ Sollte dies jedoch der Maßstab sein, hätte Raabe spätestens 2007 nach dem Spiegel-Artikel von Markus Feldenkirchen den Abflug machen müssen. Echte Macht erlangt man dagegen durch inhaltliche Kompetenz, nicht durch Kommunikationspolitik allein. Wie die aktuellen Äußerungen Jungs zeigen, fehlt es genau an dieser Kompetenz. Das ist zum Verzweifeln, selbst wenn es die BamS-Leserinnen und -leser vielleicht nicht aller merken. Selbst wenn also Jung als neuer Günstling Merkels eine weitere Amtszeit anstrebt, wäre es nicht verwunderlich wenn Raabes Palastorcherster in Berlin ab Oktober einen neuen Dirigenten bekäme – und wer weiß, vielleicht kommt dann ja auch mal ein neuer Ton dabei heraus, denn, wie Forster erneut richtig schreibt: „Kommunikation hat strategische Bedeutung. Ihr Ziel ist Meinungsdominanz (Umfragemehrheit), ansonsten Schadensbegrenzung.“ Bei beiden Zielen ist auch bei sehr positiver Bewertung sehr fraglich, ob die Führungsspitze des Ministeriums, das Klassenziel erreicht hat.

Nachtrag 13.8.: Hier legt Spiegel-Kollege Szandar noch mal nach.

Die Ablehnung des Afghanistaneinsatzes ist kein Marketingproblem

Auch Paul Schäfer, der verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke hat sich auf Anfrage des Bendler-Blog mit der Frage nach Sinn und Zweck von (bewegten) Bildern aus dem Afghanistaneinsatz befasst. Im Folgenden seine Stellungnahme, bei der er in der grundsätzlichen Ablehnung auch einige inhaltliche Defizite der Einsatzbefürworter adressiert:

Dass DIE LINKE den Afghanistan-Krieg für falsch hält und – gemeinsam mit der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung – insbesondere die Beteiligung der Bundeswehr daran ablehnt, ist kein Geheimnis. Insofern scheint mir ein Wettbewerb, der die Notwendigkeit ebendieses Krieges herausstellen soll, inhaltlich schon im Ansatz verfehlt.

Im Kampf um die öffentliche Meinung, soviel ist richtig, mag er einer gewissen Logik folgen. Dies ist aber nicht die Logik der kritischen Bestandsaufnahme, des Abwägens von Erfolg, Scheitern und Nebenwirkungen und der unvoreingenommenen Analyse der Gesamtsituation, sondern die Marketinglogik der Einsatzbefürworter.

Das Problem beim Afghanistan-Krieg und seiner Akzeptanz ist indessen nicht, dass er in der Öffentlichkeit schlecht verkauft würde, sondern dass ein militärischer Ansatz schlicht – und deutlich erkennbar – ungeeignet für die Lösung der Probleme Afghanistans ist. Statt die öffentliche Meinung mit Videowettbewerben dazu bringen zu wollen, ein missratenes Konzept für unterstützenswert zu halten, wäre die Verbesserung des Konzeptes anzuraten: Auslotung von Verhandlungsmöglichkeiten, Förderung der Zivilgesellschaft und des afghanischen Friedenslagers, Stärkung der staatlichen Institutionen vor Ort. Zugegeben: Bundeswehr und NATO sind dafür falsche Ansprechpartner.

Einsatz in Afghanistan: Durch besseres Verständnis zu mehr Unterstützung

Die Fragen des Bendler-Blog zum Wettbewerb „Why Afghanistan Matters“ hat nun auch Birgit Homburger, Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion für Sicherheitspolitik, beantwortet. Damit haben sich bis auf Die Linke (deren Sprecher Paul Schäfer aber eine Stellungnahme zugesagt hat) und Bündnis90/Die Grünen alle Fraktionen des Bundestages mit dem Thema befasst, wenngleich die SPD die Anfrage offensichtlich nicht verstanden hat.

In Ihrer Stellungnahme argumentiert Homburger in ähnlicher Weise wie der Wehrbeauftrage Reinhold Robbe und Bernd Siebert, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verteidigung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Allerdings betont sie noch einen weiteren Aspekt, der angesichts der schwindenden Unterstützung in der Bevölkerung von zentraler Bedeutung ist. denn sie sagt, dass ein besseres Verständnis des Einsatzes und der Erlebnisse der Soldaten auch zu mehr Unterstützung führen kann. Deshalb hofft sie, dass das Verteidigungsministerium den Wettbewerb entsprechend unterstützt. Eine bislang vergebliche Hoffnung, wie aufmerksame Leserinnen und Leser wissen.

1. Wie bewerten Sie den Wettbewerb grundsätzlich?

Der Videowettbewerb der NATO „Why Afghanistan Matters“ kann einen wertvollen Beitrag leisten, einen differenzierteren Blick auf dieses zerrüttete Land zu geben. Darüber hinaus kann er zum einen mit Eindrücken aus erster Hand die zivilen und militärischen Beiträge und Erfolge der internationalen Gemeinschaft beim Wiederaufbau erfahrbar machen. Zum anderen kann er aus einer ganz individuellen Sicht zeigen, wie schwierig sich der tägliche Dienst gestalten kann, welche Herausforderungen dabei zu meistern sind, aber auch welche Früchte das Engagement trägt. Die Subjektivität der Video-Beiträge und deren zu wünschende Vielfältigkeit stellen dabei keinen Nachteil dar. Im Gegenteil: ein möglichst breites Spektrum der verschiedensten Eindrücke kann hoffentlich zu einem besseren Gesamtbild von Afghanistan beitragen.

2. Welche Beteiligung erwarten Sie sich von Seiten der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr?

Ich bin mir sicher, dass unsere Soldatinnen und Soldaten ein Bedürfnis haben zu zeigen, wie sich der tägliche Dienst im ISAF-Einsatz gestaltet, welche persönlichen Belastungen damit verbunden sind und welche Erfolge sie durch ihren gefährlichen Einsatz erreichen und daher das Angebot der NATO gerne annehmen. Nicht nur der Wehrbeauftragte hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz mehr Anerkennung durch die Bevölkerung wünschen. Videobeiträge deutscher Soldatinnen und Soldaten im Rahmen dieses Wettbewerbs könnten dazu beitragen, dass sich die deutsche Öffentlichkeit stärker mit dem Einsatz in Afghanistan beschäftigt und diesen dann durch ein besser entwickeltes Verständnis aufgrund einer verbesserten Kenntnis der Realität dieses Einsatzes auch stärker unterstützt. Daher hoffe ich auf eine starke Resonanz bei unseren Soldatinnen und Soldaten und die entsprechende Unterstützung durch das Bundesministerium der Verteidigung.

3. Gibt es Bilder aus Afghanistan, die Sie in der öffentlichen Diskussion um den Einsatz vermissen und warum?

Die Eigenlogik, denen die Medien unterliegen, fördert eine Berichterstattung über Afghanistan, die oftmals zu sehr auf die Probleme des Einsatzes dort fokussiert. Es ist zweifellos richtig und wichtig, dass Journalisten kritisch nachfragen, Fehlentwicklungen oder Missstände offenlegen und auch negative Nachrichten publizieren. Dies stellt aber nur eine Seite der Medaille dar und darf nicht dazu führen, dass die in Afghanistan erzielten Erfolge nicht zur Kenntnis genommen werden. Daher sollten die Beiträge auch diese Erfolge herausstellen. Gleichzeitig sollte aber auch deutlich werden, welche täglichen Herausforderungen dies an die Beteiligten vor Ort stellt.

Operation Götterdämmerung

„Meine Herren, so geht das nicht weiter“, Wolfgang S. war der erste, der offen aussprach, was seine beiden Amtsvorgänger schon lange dachten. „Wenn wir weiterhin zulassen, dass der Vorstandsvorsitzende Franz-Josef J. sich aus politischen Gründen um klare Worte herumdrückt, laufen wir Gefahr, die Loyalität unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu verlieren und werden unseren Auftrag nicht zu Ende bringen können.“

„Aber was sollen wir tun?“, fragte Harald K. „Wir können doch nicht einfach so an die Öffentlichkeit gehen und die intellektuelle Schwäche der Unternehmensführung bloßlegen.“ Schweigen.

„Warum eigentlich nicht?“, wandte Klaus N. ein. Er war der älteste von ihnen und auch der beste Stratege. „Wenn wir J. und seine Truppen nicht direkt angreifen und die kritischen Themen verteilen, haben wir gute Chancen, Mitarbeiter und Öffentlichkeit zu überzeugen. Und so kurz vor einer möglichen Vertragsverlängerung wird J. die Provokation zwar erkennen, sie aber dulden. Ansonsten würde er sich nur weiter schwächen.“

Der Plan war schnell gefasst. Durch eine drei Seiten-Offensive in den führenden Publikationen des Landes sollten die Schlüsselstellen der Debattenarena besetzt werden. Den Auftakt der Operation Götterdämmerung sollte ein im Wesentlichen sachliches und loyales Interview des aktuellen Amtsinhabers machen, das neben einigen kritischen Äußerungen zur Kommunikationspolitik des Vorstandvorsitzenden vor allem eine klare Begründung zu Sinn und Zweck des Auftrages lieferte. Kurz danach würde sein Vorgänger vor allem die operationellen Versäumnisse und Risiken, auf die er schon während seiner aktiven Zeit hingewiesen hatte, aufgreifen und mit dem Vorstand etwas härter ins Gericht gehen. Als Abschluß und Höhepunkt war verabredet, dass der Stratege Klaus N. mit einer glasklaren politischen Erklärung sowohl den Gegnern außerhalb des Unternehmens als auch dem Vorstand selbst jeglichen Wind aus den Segeln nehmen sollte. Ja, das könnte gelingen. „Ordonnanz, bringen Sie uns bitte drei Sherry?“