Peng! statt Bumm

Man lernt ja immer noch dazu. Ich ging fest davon aus, dass die neue Personalwerbung der Bundeswehr, niemand wirklich hinter dem Ofen hervorlocken würde – schon gar nicht die Gegner. Warum? Weil sie – die Werbung – einerseits so brav ist, denn sie vermeidet konsequent auch nur den Hauch des Verdachts, es könne beim Soldat sein um Dinge wie das Kämpfen oder den Krieg gehen – Werbung mit ohne Schuss eben. Andererseits ist sie aber auch ein bisschen großmäulig mit ihrem „Mach, was wirklich zählt.“ Aber, ich habe mich geirrt.

Der durchaus treffende aber eben auch selbstgefällige Spruch „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“ hat sein apodiktisches Potential nach einer Farbbeutelattacke auf den Bundeswehr-Showroom in Berlin bewiesen. Und gerade als ich dachte, dass die wirklich überall präsente Kampagne (gute Mediaplanung, Kollegen), sich versendet hat, legen die Gegner nach und sorgen so dafür, dass die Personalwerbung noch länger im Gespräch bleibt.

Konkret: Die Künstlertruppe „Peng!“ startet unter dem Motto „Mach was zählt“ die Gegenpropaganda samt eigener Microsite. Das ist auf den ersten Blick durchaus amüsant. Geht man aber tiefer, frage ich mich, warum sie ihre Argumente so unpräzise formulieren? Folgend ein paar Beispiele, bei denen ich den Aussagen von Peng! mal ein paar Fakten gegenüber gestellt habe.

Aussage: Die Bundeswehr braucht dich besonders im Ausland.
Fakt: Die meisten Soldatinnen und Soldaten sind nicht im Auslandseinsatz. Derzeit sind von 180.000 insgesamt rund 3.000 im Einsatz.

Aussage: Dort sollst du mit deinem Leben für die Interessen der Regierung geradestehen und ihre Befehle ausführen.

Fakt: Ja, allerdings schwört der Soldat das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Der Primat der Politik bindet ihn damit an den Willen des Parlaments, das wiederum den Volkswillen repräsentiert. Das Gute daran: Wenn die Menschen das nicht wollen, können sie ein anderes Parlament wählen.

Aussage: Dabei handelt es sich um außenpolitische oder wirtschaftliche Interessen.
Fakt: Natürlich. Um was denn sonst?

Aussage: Mit der Verteidigung Deutschlands hat das nichts zu tun.
Fakt: Muss es auch nicht, denn der Bund kann sich Bündnissen anschließen. Über den Einsatz im Rahmen solcher Bündnisse entscheidet das Parlament.

Aussage: Der Terrorismus wird genutzt, um Kriege zu rechtfertigen.
Fakt: Die Ursachen für den Terrorismus (manchen nennen ihn auch Freiheitskampf) sind vielfältig. Um Kriege zu rechtfertigen braucht man keinen Terrorismus. Das zeigen unter anderem die Ukraine oder Syrien.

Aussage: Doch warum gibt es so viele Krisenherde auf der Welt und was haben Deutschland und die westlichen Staaten dazu beigetragen? Warum gibt es so viel Ungerechtigkeit und warum beuten diese Länder den globalen Süden aus?

Fakt: (Den liefern die Pengg-Propagandisten ausnahmsweise selbst): Es geht unter anderem um Macht, deren Erhalt und um Ressourcen.

Aussage: Der Auslandseinsatz ist kein großes Abenteuer mit Kamerad/innen. Die Realität von Krieg und Tod ist für viele der reinste Horror. Du wirst Dinge sehen und erleben, die dich für immer verändern werden. Du bist vielleicht hart im Nehmen, aber das Töten von Menschen und der Tod von Kamerad/innen sind Erfahrungen, die den stärksten Charakter brechen können. Viele kehren aus Einsätzen traumatisiert, depressiv und psychisch labil zurück und haben ihr Leben lang mit den Spätfolgen zu kämpfen. Die Bundeswehr ist keine normale Arbeitgeberin. Der Preis, den du zahlst, wenn du dich auf diesen Job einlässt, ist verdammt hoch.

Fakt: Das stimmt. Genau das ist das besondere des Beruf der Soldatin/des Soldaten. Leider blendet die Personalwerbung der Bundeswehr diese Aspekte fast völlig aus. Fast so, als wolle man Köche anstellen und ihnen nicht zeigen, dass sie in der Küche arbeiten müssen. Albern, oder?

Aussage: Nach außen stellt sich die Bundeswehr als Verteidigerin von Demokratie und Menschenrechten dar, doch rechtsextreme Meinungen sind in der Truppe verbreitet und weithin akzeptiert. Viele Soldat/innen sind überzeugte Neonazis und scheuen nicht davor zurück, ihrer Gesinnung Ausdruck zu verleihen. So zwang beispielsweise 2012 ein stationierter Zeitsoldat ein afghanisches Kind zum „Hitlergruß“. Rechtes Gedankengut findet bei der Bundeswehr Anklang, während kritische Nachfragen mit Diskriminierung beantwortet werden.

Fakt: 58 Vorfälle bei 180.000 Soldatinnen und Soldaten macht 0,03 Prozent. Fälle übrigens, die die Bundeswehr selbst aufgeklärt hat. Der Anteil der Rechtsextremen in der Bevölkerung liegt bei etwa 6 Prozent. Irgendetwas muss die Bundeswehrrichtig machen. Interessanter sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Studie zum Offiziernachwuchs, demnach 4 Prozent rechtsextreme Positionen vertreten (also weniger als der Durchschnitt) umd 13 Prozent rechte, was wiederum wenig wunderlich ist, weil es logisch ist, dass ein System, das auf Befehl und Gehorsam aufbaut, wenig linke Freigeister anzieht – außer mir natürlich.

Aussage: „Sie besitzen viele Fähigkeiten und stecken voller Ideen. Schön, wenn Sie sie ausleben können.“ Damit will die Bundeswehr gezielt Frauen für den Dienst anwerben. Angeblich können diese sich hier voll entfalten. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Fakt: Diese Werbung ist gleich doppelt dämlich. Die Bundeswehr ist kein Ort zur freien Entfaltung, und die Sehnsucht danach ist nichts spezifisch Weibliches.

Aussage: Als Soldatin hast du es in der Bundeswehr nicht einfach. Der Frauenanteil liegt bei nur etwa 10%, jede zweite wird Opfer sexueller Belästigung. Die Mehrheit der männlichen Kameraden hält Frauen für zu schwach für den Dienst und für Führungspositionen ungeeignet.

Fakt: Sensibles Thema, aber: als Belästigung wurden in der Studie auch anzügliche Bemerkungen und das Anbringen/Zeigen von pornographischem Material gewertet. Ja, das ist kein Spaß, aber angesichts einer florierenden Pornoindustrie und der Ausbeutung und dem Missbrauch von Frauen, ist das kein Bundeswehr spezifisches Problem, sondern eher so ein Mann-Frau-Ding, das insbesondere in männlich geprägten Umfeldern aufscheint – von der Baukolonne über die KfZ-Werkstatt bis eben zur Bundeswehr.

Ich wünsche mir wirklich stärkere und überzeugendere Argument anstatt auf die platte Bundeswehrpropaganda mit platter Gegenpropaganda zu reagieren. Vor allem aber kann ich es nicht glauben, dass die Bundeswehr ebenso wie ihre Gegner das Publikum für so dumm halten, beides nicht zu erkennen. Was mich widerum zu der Frage führt, was denn – um in der Sprache der Kampagnen zu bleiben – wirklich zählt? Die ist wiederum ganz einfach zu beantworten: Klicks und Selbstbestätigung. Das ist zu wenig für einen informierten Diskurs über grundlegende Fragen darüber, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen – ganz gleich auf welcher Seite man steht.

Personalwerbung mit ohne Schuss

Heute am 2. November startet sie also, die neue Arbeitgeberkampagne der Bundeswehr. Als Dienstleister hat sich das Verteidigungsministerium die Agentur Castenow aus Düsseldorf an Bord geholt. Die hat einige Referenzen im – neudeutsch Employer Branding genannten – Feld der Personalwerbung vorzuweisen. Die erste Arbeit für die Truppe und ihre Verwaltung ist eine Serie von mehr oder weniger tiefsinnigen Sprüchen, die demnächst auf mehr als 30 000 Plakaten, fünf Millionen Postkarten sowie Riesenpostern in elf ausgewählten Städten Deutschlands zu sehen sein soll. Begleitet wird das von einer ganz nett gemachte Microsite, die als URL den zentralen Kampagnenclaim „Mach, was wirklich zählt.“ aufgreift.

Mich würde es, nach längerer Funkstille hier im Blog meinerseits, interessieren, welchen Eindruck Ihr als Leserinnen und Leser von der Kampagne haltet? Was ich wirklich bemerkenswert finde: Bei keinem einzigen der auf der Microsite vorgestellten Berufsbilder, wird ein Schuss abgefeuert. Vielleicht will man ja vermeiden, die vermutlich noch etwas scheuen Nachwuchskräfte zu verschrecken.