Content-Kopierer in St. Augustin und andernorts?

Twitter spült einhem ja manchmal seltsame Dinge in die Timeline. So meldete heute morgen die mir bis dahin unbekante „German Defense Industry“, dass sie nun online sei. In den Mentions die üblichen Verdächtigen in diesem Themenfeld.

Das macht natürlich neugierig, also schnell mal auf die Startseite geklickt. Erster Eindruck: Eine weitere Abspielstation für die Propaganda Pressearbeit der Rüstungsindustrie. Braucht es das wirklich? Ok, Ekel überwunden, mal schauen, was es über die Marine zu erfahren gibt. „Teil des Teams – Finnische Boarding-Soldaten auf der „Frankfurt am Main“. Klingt interessant. Ist es auch. Aber nicht wegen des Inhaltes, sondern weil es diesen Inhalt noch einmal gibt – und zwar auf der Webseite Einsatz Bundeswehr. Nur: Auf der Seite von German Defense Industry findet sich dazu keine Wort und schon gar keine Quellenangabe. Nur in der Headline ist der Begriff „Muster“ vorangestellt. Ob das der Autor des Textes, Achim Winkler, und die Bundeswehr wissen?

Ok, zweite Stichprobe. „MNKdo Operative Führung: Auftrag erfüllt – Ulmer Kommando zurück von JODY 16“ Hier wird immerhin ein Autor genannt: „erstellt von Oberstleutnant Harald Kammerbauer, Pressestabsoffizier Multinationales Kommando Operative Führung“ und die Bilder sind mit einer Quellenangabe versehen. Allerdings ist der Text nicht komplett identisch mit dem, der im April auf der Webseite der Streitkräftebasis erschienen ist. Also, mal eine Phrase herausgepickt und Google angeworfen. Siehe da. Man wird bei ulm-news fündig. Der Text entspricht eins zu eins dem auf der Seite der GDI. Bei ulm-news fehlen aber einige Pasasagen und Quellenangaben gibt es auch keine, auch nicht zu den Fotos, die eindeutig von der Bundeswehr stammen. Und: dort heißt der Autor „Ralf Grimminger.“ Der ist laut Impressum aber Redaktionsleiter und nicht nebenbei Pressestabsoffizier der Bundeswehr. Das wirft Fragen auf, beispielsweise:

– Haben die ulm-news ein PR-Stück der Bundeswehr, geschrieben von einem Pressestabsoffizier, übernommen, ohne das zu kennzeichnen?
– Hat die German Defense Industry das Stück übernommen, aber seinem ursprünglichen Autor zugeordnet? Oder hat der Autor seinen eigenen Beitrag im Auftrag der German Defense Industry überarbeitet und sich dabei der ulm-news bedient? Weiß die Bundeswehr davon? Hat sie es beauftragt?

Menschen mit Hang zu Verschwörungstheorien würden sich vermutlich fragen, ob die Bundeswehr gemeinsam mit der Rüstungsindustrie und Verlagen ein verstecktes Content-Marketing-Netzwerk betreibt, um die Medien zu unterwandern. Frei nach der Lebensweisheit von Hanlons Rasiermesser dürfte aber im Zweifelsfall gelten, dass auch hier niemand Böswilligkeit vermuten muss, denn Unfähigkeit reicht als Erklärung völlig aus.

Unklar íst mir allerdings, wessen mangelnde Professionalität hier welchen Beitrag leistet. Auf jeden Fall sollten sich die involvierten Akteure beeilen, Transparenz herzustellen. Ohne Blechschaden dürften sie aus der Sache aber nicht herauskommen. Das gilt insbesondere für die beiden beteiligten Verlage.

Für die German Defense Industry heißt es leider: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Worauf immer Ihr stolz sein wollt: diese Webseite bietet dazu keinen Anlass. Bei den ulm-news sollten sie sich dringend mit dem Thema Quellenangaben beschäften. Und auf Seiten des Presse- und Informationsstabes der Bundeswehr besteht vermutlich Nachholbedarf in Sachen digitales Monitoring, Durchsetzung von Urheberrechten (bei den Afghanistan-Papieren hat das ja auch, nun ja, geklappt) und eventuell auch in der Schulung des eigenen Personals in Sachen lokaler (Online)Pressearbeit, denn aus dem Nichts haben sich die ulm-news den Text dann vermutlich nicht geschnappt.

Und wie man es auch drehen und wenden mag: Der Gesamteindruck ist fatal. Wenn man sich vorstellt, die Rüstungsindustrie, die Bundeswehr und die ihr nahestehenden Verlage, gingen so mit ihren Waffensystemen um, wie mit der Kommunikation – dann hätten wir ja das reinste Rüstungschaos …

Jugendoffiziere der Bundeswehr – wenn die Marke sich selbst im Weg steht

Ein spannendes (Kommunikations)Thema haben die Kollegen bei Streitkräfte und Strategien aufgegriffen. Die Jugendoffiziere der Bundeswehr wollen nicht mehr so heißen. Deshalb haben sie sich auf die Suche nach einem neuen Begriff gemacht und unter anderem „Offizier für Öffentlichkeitsarbeit“ oder „Referent für Sicherheitspolitik“ in die Diskussion geworfen. Beides überzeugte die Entscheider im Verteidigungsministerium wohl nicht. Aber wie das so ist in der neuen Kommunikationswelt – kontroverse Themen lassen sich nicht mehr so leicht unter dem Deckel halten. Nun haben die Jugendoffiziere die Debatte über die Bande des Beirats Innere Führung und den NDR in eine breitere Öffentlichkeit getragen. So ganz falsch ist die Bezeichung „Offizier für Öffentlichkeitsarbeit“ also nicht.

Die Befürworter einer Umbenennung argumentieren:

  • Jugendoffiziere stünden wegen des Begriffs im Verdacht, Nachwuchswerbung zu betreiben
  • die Bezeichnung suggeriere, dass es sich bei ihnen um „Junior“-Offiziere handele
  • Ihr Aufgabenbereich habe sich deutlich über den Rahmen der sicherheitspolitischen Bildungsarbeit an Schulen auf weitere Multiplikatoren erweitert.

Die Argumente sind stimmig, aber sie sind nicht neu. Zwar haben die Jugendoffiziere ihre Position mit Umfragen bei ihren Zielgruppen unterstützt, aber die neuen Vorschläge sind nicht wirklich überzeugend. Denn gegen eine Umbenennung spricht, dass „Jugendoffizier“ eine wirklich starke Marke ist. Und die Assoziationen, insbesondere mit Blick auf das Thema Nachwuchsgewinnung, sind eigentlich sogar erfreulich. Nicht, weil die Jugendoffiziere junge Menschen unmittelbar anwerben, sondern weil sie diese anregen, sich mit Fragen der Sicherheitspolitik zu befassen. Damit bilden die Jugendoffiziere in der vernetzten Medienwelt einen wichtigen inhaltichen Kontaktpunkt, den die Bundeswehr nicht ohne Not aufgeben sollte. Dort, wo andere Marken, mit viel Geld versuchen, nicht direkt für ihr Produkt zu werben, sondern Relevanz in einem Themenfeld aufzubauen – im Marketingsprech nennt sich das heute „Content Marketing“ – ist die Bundeswehr bereits etabliert. Das erkennen sie Befürworter einer Umbenennung vielleicht nicht, aber sich kommunikativ selbst im Weg zu stehen, hat bei der Bundeswehr ja eine gewisse Tradition.

Was man hingegen tatsächlich verändern könnte, wäre, die Aufgaben der Jugendoffiziere wieder auf den Handlungsraum Schule, Berufsschule und ggf. Hochschule zu fokussieren und – wie es Winfried Nachtwei im Interview vorschlägt – die außen- und sicherheitspolitische Bildungsarbeit im Sinne des Konzeptes der vernetzten Sicherheit als ressortübergreifende Aufgabe neu zu denken. Diejeningen, die diese Aufgaben dann seitens der Bundeswehr wahrnehmen, müssen aber nicht mehr Jugendoffizier heißen.