Twitter spült einhem ja manchmal seltsame Dinge in die Timeline. So meldete heute morgen die mir bis dahin unbekante „German Defense Industry“, dass sie nun online sei. In den Mentions die üblichen Verdächtigen in diesem Themenfeld.
Stolz! Wir sind online @AugenGeradeaus @AugenGeradeaus @MBDADeutschland @ZF_Konzern @Eurofighter_1 @DBwV @ThalesGermany @bundeswehrInfo
— GDI (@GDIndustry) May 25, 2016
Das macht natürlich neugierig, also schnell mal auf die Startseite geklickt. Erster Eindruck: Eine weitere Abspielstation für die Propaganda Pressearbeit der Rüstungsindustrie. Braucht es das wirklich? Ok, Ekel überwunden, mal schauen, was es über die Marine zu erfahren gibt. „Teil des Teams – Finnische Boarding-Soldaten auf der „Frankfurt am Main“. Klingt interessant. Ist es auch. Aber nicht wegen des Inhaltes, sondern weil es diesen Inhalt noch einmal gibt – und zwar auf der Webseite Einsatz Bundeswehr. Nur: Auf der Seite von German Defense Industry findet sich dazu keine Wort und schon gar keine Quellenangabe. Nur in der Headline ist der Begriff „Muster“ vorangestellt. Ob das der Autor des Textes, Achim Winkler, und die Bundeswehr wissen?
Ok, zweite Stichprobe. „MNKdo Operative Führung: Auftrag erfüllt – Ulmer Kommando zurück von JODY 16“ Hier wird immerhin ein Autor genannt: „erstellt von Oberstleutnant Harald Kammerbauer, Pressestabsoffizier Multinationales Kommando Operative Führung“ und die Bilder sind mit einer Quellenangabe versehen. Allerdings ist der Text nicht komplett identisch mit dem, der im April auf der Webseite der Streitkräftebasis erschienen ist. Also, mal eine Phrase herausgepickt und Google angeworfen. Siehe da. Man wird bei ulm-news fündig. Der Text entspricht eins zu eins dem auf der Seite der GDI. Bei ulm-news fehlen aber einige Pasasagen und Quellenangaben gibt es auch keine, auch nicht zu den Fotos, die eindeutig von der Bundeswehr stammen. Und: dort heißt der Autor „Ralf Grimminger.“ Der ist laut Impressum aber Redaktionsleiter und nicht nebenbei Pressestabsoffizier der Bundeswehr. Das wirft Fragen auf, beispielsweise:
– Haben die ulm-news ein PR-Stück der Bundeswehr, geschrieben von einem Pressestabsoffizier, übernommen, ohne das zu kennzeichnen?
– Hat die German Defense Industry das Stück übernommen, aber seinem ursprünglichen Autor zugeordnet? Oder hat der Autor seinen eigenen Beitrag im Auftrag der German Defense Industry überarbeitet und sich dabei der ulm-news bedient? Weiß die Bundeswehr davon? Hat sie es beauftragt?
Menschen mit Hang zu Verschwörungstheorien würden sich vermutlich fragen, ob die Bundeswehr gemeinsam mit der Rüstungsindustrie und Verlagen ein verstecktes Content-Marketing-Netzwerk betreibt, um die Medien zu unterwandern. Frei nach der Lebensweisheit von Hanlons Rasiermesser dürfte aber im Zweifelsfall gelten, dass auch hier niemand Böswilligkeit vermuten muss, denn Unfähigkeit reicht als Erklärung völlig aus.
Unklar íst mir allerdings, wessen mangelnde Professionalität hier welchen Beitrag leistet. Auf jeden Fall sollten sich die involvierten Akteure beeilen, Transparenz herzustellen. Ohne Blechschaden dürften sie aus der Sache aber nicht herauskommen. Das gilt insbesondere für die beiden beteiligten Verlage.
Für die German Defense Industry heißt es leider: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Worauf immer Ihr stolz sein wollt: diese Webseite bietet dazu keinen Anlass. Bei den ulm-news sollten sie sich dringend mit dem Thema Quellenangaben beschäften. Und auf Seiten des Presse- und Informationsstabes der Bundeswehr besteht vermutlich Nachholbedarf in Sachen digitales Monitoring, Durchsetzung von Urheberrechten (bei den Afghanistan-Papieren hat das ja auch, nun ja, geklappt) und eventuell auch in der Schulung des eigenen Personals in Sachen lokaler (Online)Pressearbeit, denn aus dem Nichts haben sich die ulm-news den Text dann vermutlich nicht geschnappt.
Und wie man es auch drehen und wenden mag: Der Gesamteindruck ist fatal. Wenn man sich vorstellt, die Rüstungsindustrie, die Bundeswehr und die ihr nahestehenden Verlage, gingen so mit ihren Waffensystemen um, wie mit der Kommunikation – dann hätten wir ja das reinste Rüstungschaos …