Verteidigungsministerium auf dem letzten Platz

Jogis-Jungs stürmen in Richtung Gipfel Europameisterschaft. Der (N)ONLINER Atlas, nach eigenen Angaben Deutschlands größte Studie zur Nutzung und Nicht-Nutzung des Internets, meldet, dass die Zahl der Internetnutzer in Deutschland im vergangenen Jahr erneut um fünf Prozent auf nunmehr 65 Prozent gestiegen ist. Nur das Verteidigungsministerium kann derzeit keine wirkliche Erfolgsgeschichte erzählen. Im Gegenteil: Im Netz landet es im Vergleich mit allen Bundesministerien auf dem letzten Platz.

Offenbart hat das der stellvertretende Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Michael Sternecker, bei der Antwort auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Volker Wissing. Der wollte wissen, wie hoch die durchschnittlichen täglichen Zugriffe auf die Internetauftritte der einzelnen Bundesministerien sind, und wie hoch deren Aufwendungen  im Jahr 2007 für ihre jeweiligen Internetauftritte waren. Nun ist Wissing – Nomen est Omen – ob seiner Wissbegierde zwar schon fast berüchtig, wie u.a. der Spiegel schreibt. Dennoch sollte diese Frage, bzw. die Antwort darauf, bei den Kommunikatoren (und ihren Controllern) einige Folgefragen aufwerfen.

Mit rund 8.000 Seitenzugriffen (Page Imprressions) pro Tag ist die Internetseite des Verteidigungsministeriums der eindeutige Looser unter allen Bundesministerien. Selbst das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz liegt mit knapp 12.000 Zugriffen deutlich davor. Ganz vorne steht das Auswärtige Amt. Knapp 470.000 Zugriffe pro Tag zeigen, wer den außenpolitischen (und auch den sicherheitspolitischen) Diskurs bestimmt. Das hat sicherlich auch etwas mit den Ministern zu tun. Angesichts der Bedeutung, die sicherheitspolitische Themen gewonnen haben, muss sich die Leitung des Presse- und Informationsstabes des BMVg jedoch die Frage gefallen lassen, ob dieses Abschneiden dem Anspruch moderner Regierungskommunikation im Internetzeitalter gerecht wird. An den Themen kann es jedenfalls nicht liegen.

Musike

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte heute einmal mehr eine bemerkenswerte Seite 3. „Musik aus der Seele Afghanistans“ hat Christoph Ehrhardt seinen Beitrag über das afghanische Militärmusikcorps überschrieben. Lesenswert, und es wäre eine wirkliche sinnvolle Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit, wenn das Verteidigungsministerium oder eines der insgesamt 18 deutschen Militärmusikcorps eine Patenschaft für die afghanischen Musiker übernähme und ihnen neue Instrumente spendierte. Warum? Weil Musiker, die es mit verstimmten, kaputten Instrumenten schaffen, die deutsche Nationalhymne so zu spielen, es mit neuen sicher besser könnten.

Politisch korrekt

Das Süddeutsche Zeitung Magazin hat für seine Ausgabe vom 1. Juni den Politikwissenschaftler Dietmar Herz nach Afghanistan geschickt. Herausgekommen ist ein seltsam (politisch) korrekter aber abstrakter Text, den auch nicht die sterilen Fotos nicht beleben können (irgendwie hatte ich die Print-Fotos besser in Erinnerung. Kann es sein, dass für die Online-Version nur Agenturmaterial verwendet wurde?) . Unter dem Titel „Der Krieg am Ende der Welt“ liefert Herz eine umfassende, auch historische Analyse der Verhältnisse in Afghanistan und setzt diese in Beziehung zu seinen Erlebnissen.

Auf positive Resonanz trifft der Artikel unter anderem im Afghanistan-Blog von Boris Barschow. Barschow ist vor kurzem von seinem zweiten Einsatz zurückgekommen und hat im vergangenen Jahr mit seinem Buch „Kabul, ich komme wieder“ den Leserinnen und Lesern einen tiefen Einblick in die Einsatzrealität ermöglicht (siehe auch Kommentar vom 4. Januar).

Für mich sind an diesem Text vor allem zwei Aspekte interessant: Zum Einen wirft Herz der Bundesregierung vor, dass sie mehr tun müsse, um den Bürgerinnen und Bürgern den Sinn dieses Einsatzes zu erklären. Zum Anderen plädiert er für ein noch größeres materielles und personelles Engagement und fordert im Interview, dass die Truppen noch mindestens 10 Jahre in Afghanistan bleiben müssten. Die eigentliche Frage aber, ob dieser Einsatz überhaupt sinnvoll ist, und ob die Bundesregierung vielleicht gerade wegen einer etwaigen Sinnlosigkeit des Einsatzes nicht in der Lage ist, den Sinn zu erklären, stellt er nicht. Genau hier aber muss die Diskussion ansetzen.

Nachtrag: Ich habe nochmal nachgesehen. Die Bilder von Véronique de Viguerie sind in der Tat wesentlich aussagekräftiger als das Online verwendete Agenturmaterial. Weitere Bilder von de Viguerie, die einen Eindruck Ihrer Arbeit vermitteln, findet man u.a. hier, oder aber einfach mit Hilfe der Google-Bildersuche.

Spitzel-Skandal auch bei der Bundeswehr?

Mitarbeiter der unteren Lohngruppen (Lidl), deutlich besser vergütete Aufsichtsräte (Telekom, Bahn) und Journalisten müssen sich langsam daran gewöhnen systematisch mit quasi-nachrichtendienstlichen Methoden begleitet zu werden. Der ehemalige Kommunikationsvorstand von Volkswagen, Klaus Kocks, wähnt im Interview mit Spiegel Online manche Unternehmen gar im „Krieg mit Journalisten.“ Soweit ist die Bundeswehr noch nicht. Sie befindet sich noch im Krieg mit sich selbst – und bedient sich der Medien als Freischärler. Eine der Parteien: der Minister höchstselbst bzw. in Person seines Sprechers Thomas Raabe.

Dieser provozierte zunächst einen öffentlichen Dissens mit Generalinspekteur Schneiderhan in der Diskussion um die Zukunft des Bundeswehrfernsehens bwtv. Nächster auf der medialen Abschußliste des Ministeriums war der Kommandeur des Einsatzführungskommandos, Karlheinz Viereck. Dieser war bereits im vergangenen Jahr ins Fadenkreuz geraten und musste sich persönlicher Anwürfe erwehren. Während der Schmutz, mit dem damals nach ihm geworfen wurde nicht so recht hängen blieb, wurde nun gezielt seine Ablösung von seinem jetzigen Dienstposten mit einer kleinen Indiskretion kolportiert (mehr dazu unter anderem bei Thomas Wiegold).

Williger Vollstrecker der ministerialen Meinung ist in beiden Fällen ist die Tageszeitung Die Welt/Welt am Sonntag (der Bericht über Vierecks Ablösung findet sich hier). Doch während sich Raabe in Bezug auf bwtv noch gerne zitieren lässt, bleibt die Quelle bei der Causa Viereck ungenannt. Allerdings muss man kein Genie sein, um sich die Frage zustellen, ob der für beide Artikel verantwortliche Redakteur wirklich so viele unterschiedliche Informanten im Ministerium anzapfen musste, um diese Nachrichten zu gewinnen. Das vorläufige Fazit ist ernüchternd: noch nicht einmal zu einer ordentlichen Intrige ist das Ministerium in der Lage. Der Spitzel-Skandal fällt mangels Talent aus.

Wer nicht fragt, bleibt dumm

Das Sesamstraßen-Motto haben sich Abgeordnete der Linkspartei zu eigen gemacht und am 4. April 2008 eine Kleine Anfrage zur „Informationsarbeit der Bundeswehr“ an Schulen gestellt. Selbst wenn sich einige aktive und ehemalige Jugendoffiziere von diesem Fragenkatalog auf den Langbinder (Bundeswehrdeutsch für Krawatte) getreten fühlen sollten, wünsche ich mir, dass sämtliche Kommunikationsaktivitäten der Bundeswehr derart hinterfragt werden würden. Denn hinter der politischen Absicht der Linken steckt de facto nicht anderes als Kommunikationscontrolling. Und das ist derzeit eines der zentralen Themen bei denen, die Kommunikationsmanagement professionell betreiben (siehe auch www.communicationcontrolling.de).

Dahin wo´s weh tut …

… gehen die BILD und „Gladiator“ Ralf Moeller gemeinsam – nach Afghanistan. Und während sich Intellektuelle, Politikwissenschaftler und Paragraphenreiter bei diesem PR-Glanzstück vermutlich mit Grausen abwenden, bin ich heute ganz unkritisch und einfach nur begeistert. Mehr davon – aber auch mehr von einer substantiellen sicherheitspolitischen Diskussion.