Employer Branding: Heilung für die kranke Truppe?

Ich verdiene mein Geld mit Kommunikationsberatung. Das ist manchem suspekt, denn was gibt es schon zu beraten bei Kommunikation. Schließlich wissen wir ja: man kann nicht nicht kommunizieren, woraus viele machen: Jeder kann kommunizieren. Meine Interpretation ist ein klein wenig anders. Ich sage: Jeder kommuniziert. Ob das nun gut oder schlecht ist, lässt sich nicht immer im Voraus sagen. Mit ein bisschen Erfahrung jedoch bekommt man ein Gespür dafür, wofür Unternehmen und Institutionen stehen, was sie ausmacht, was ihre Kultur prägt.

Kommunikationsberatung bedeutet für mich, mit allen meinen – durchaus begrenzten – intellektuellen Ressourcen darüber nachzudenken, wie sich Unternehmen und Institutionen ihrem Wesen angemessen darstellen, ihre Geschichte erzählen können. Nicht, um sich beim Publikum anzubiedern, sondern um ihre Identität zu wahren, ihre Kultur, die sie hoffentlich erfolgreich macht, zu stärken, oder, wenn das nicht so ist, an den Veränderungen zu arbeiten, die nötig sind, damit sie wieder erfolgreich sind. Dabei geht es in der Regel erst ganz am Schluß um konkrete Maßnahmen und, im Gegensatz zu den Kollegen aus der Werbung, nur sehr selten um überschäumende Kreativität. Gefordert ist vor allem etwas, das ich strategische Intelligenz und Kreativität nennen würde. Das ist nichts Besseres als die Ideen, die dafür sorgen, dass das Publikum vor Lachen unter dem Tisch liegt oder siche eine Träne aus dem Augenwinkel wischt. Aber es ist etwas anderes. Es geht darum, Wirkungen zu antizipieren und das Unternehmen oder die Institution als glaubwürdigen Akteur zu positionieren, der auch und gerade bei harten Entscheidungen als verlässlich gilt. Das ist die Perspektive, aus der ich arbeite (und schreibe). Soweit zur Vorrede.

Trennung

Ich habe gestern morgen meiner Frau davon erzählt, dass das Bundesministerium der Verteidigung eine Agentur sucht, die sie bei der Personalwerbung unterstützt. Und ich habe meiner Frau erzählt, dass die Bundeswehr den Agenturen, die sich um diesen Auftrag bewerben, eine Testaufgabe stellt. Damit will die Bundeswehr herausfinden, welche Agentur besonders gut versteht, worum es bei ihrem Thema geht. Dann habe ich meine Frau gefragt, wie die Bundeswehr wohl diese Testaufgabe formuliert hat, nach welchem Beruf, die Bundeswehr wohl sucht? Ihre Antwort: „Nach Soldaten, was denn sonst?“

Ja, nach was denn sonst. (Ich muss hier kurz erwähnen, dass meine Frau nach den in unserer Gesellschaft geltenden Normen und Standards messbar intelligenter ist als ich. Nicht, dass jemand noch auf die Idee kommt, ihr eine gewisse Naivität nachzusagen. Und ich sage das auch zu meiner Selbtversicherung, dass ich mit meiner nun folgenden Einschätzung nicht völlig abwegig bin).

„Denkste, Puppe!“ Nein, die Agentur, die zukünftig mehrer Millionen Euro an Steuergeldern dafür nutzen darf, um junge Menschen dafür zu begeistern, „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“, soll „ein integriertes Kommunikationskonzept zur Gewinnung von Gesundheits- und Krankenpfleger/-innen bei der Bundeswehr“ erarbeiten. (Die Details dazu hat Thomas Wiegold auf Augen geradeaus! veröffentlicht).

Ich halte die Entscheidung, dieses Briefing so zu formulieren, jenseits aller naheliegenden Polemik, für eine schweren Fehler. Dazu drei Gründe:

1. Es gibt ganz wenige Berufe, deren Wesenskern so klar zu fassen ist, wie der des Soldaten.

2. (und hier wiederhole ich mich) Jede Kommunikation der Bundeswehr muss – zumindest mittelbar – begründen, warum ich bereit sein muss, im Auftrag zu töten oder getötet zu werden.

3. In der Personalwerbung gibt es immer mindestens zwei Richtungen, in die sie wirkt: Nach Innen und nach Außen. Die Ausschreibung in der obigen Form hat bereits jetzt Schaden angrichtet.

 

Wofür dienen Soldatinnen und Soldaten?

Das Bundesverteidigungsministerium ist ja derzeit auf der Suche nach einer Agentur für die Arbeitgeberkommunikation und die Personalwerbung der Bundeswehr. Laut Ausschreibung ist es das „zentrale Ziel (…), die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands zu machen.“ Das ist, so meine Einschätzung, erst in zweiter Linie eine kommunikative Aufgabe, aber eben auch das. Wie hier des öfteren betont – und von vielen Experten aus dem Umfeld der Bundeswehr immer wieder bestritten – bin ich überzeugt, dass jede Kommunikation der Bundeswehr, insbesondere gegenüber den Soldatinnen und Soldaten, zumindest mittelbar deutlich machen muss, warum ich bereit sein soll, zu töten beziehungsweise mein Leben einzusetzen. Das heißt nicht, übertrieben martialisch aufzutreten. Im Gegenteil, es heißt, diesen Wesenskern des soldatischen Dienens (der zumindest mittelbar auch für die zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr gilt), intelligent zu übersetzen.

Aber geht das? Ja. Unter anderem in Schweden.

Professionalisierung oder Politisierung? – Neue Chefredakteurin für die Medien der Bundeswehr

11. Januar 2015 – Die Zentralredaktion der Bundeswehr hat eine neue Chefredakteurin. Andrea Zückert war zuletzt Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio. Einen „zivilen Profi“ nennt sie Thomas Wiegold auf Augen Geradeaus! (http://augengeradeaus.net/…/ziviler-profi-an-der-spitze-de…/). Das ist ein klein wenig gemein, denn es provoziert die Frage, ob es den Bundeswehr-Medien bislang an Profis fehlte.

Nun lebt ja dieses Blog auch und gerade von der Beschäftigung mit den kommunikativen (Fehl)Leistungen der Bundeswehr. Dabei geht es aber weniger darum, wer – das Spitzenpersonal einmal ausgenommen – als Person für diese verantwortlich ist, als vielmehr darum, ob es strukturelle Ursachen dafür gibt. Oder um mit den Worten von Verteidigungsministerin von der Leyen aus einem Interview im aktuellen Spiegel zu sprechen: „Es liegt nicht an den Menschen, sondern an den Prozessen.“ Wer jetzt einwendet, dass Prozesse nicht gottgegeben sondern menschgemacht sind, ist auf der richtigen Spur. In Bezug auf die neue Chefredakteurin stellt sich daher die Frage, welche professionellen Kompetenzen gefordert sind. Der erste Eindruck spricht dafür, dass sie weniger als Managerin eines modernen Medienhauses als vielmehr als verlängerter Arm der Ministerin gefordert sein wird.

Entsprechend programmatisch geht Zückert ihre neue Aufgabe an. Es gehe der Ministerin darum, mit den Bundeswehr-Medien verstärkt auch in die Öffentlichkeit zu wirken, schreibt sie im Editorial der aktuellen Ausgabe von „bundeswehr aktuell“, der Hauspostille des Ministeriums (PDF zum Download hier: https://www.dropbox.com/…/bundeswehr%20aktuell%201%20-%2020…)

Ziel ihrer Arbeit sei es, so Zückert, die Bevölkerung zu überzeugen, dass „ohne Bundeswehr (…) Frieden und Freiheit in Sicherheit kaum vorstellbar (seien).“ Auch wie sie das erreichen will, sagt Zückert: „Die Bundeswehr steckt voller guter Geschichten. Erzählen wir sie den Bürgern.“

Nun ist es angesichts der tatsächlichen Probleme der Bundeswehr und der weltweiten sicherheitspolitischen Verwerfungen allenfalls naiv zu glauben, dass es ausreicht, Geschichten zu erzählen, um die Bundeswehr besser in der Gesellschaft zu verankern. Dennoch wird an dieser Aussage deutlich, wohin die Reise der Bundeswehrkommunikation gehen soll. Nach der Pressearbeit will Ursula von der Leyen auch die Eigenmedien der Bundeswehr konsequent auf Linie des Ministeriums bringen.

Das halte ich für einen Fehler, denn der Diskurs über die Rolle und Bedeutung der Bundeswehr krankt meines Erachtens unter anderem an der fehlenden kommunikativen Autonomie der Truppe und ihrer Medien. Es ist kein Zufall, dass in der medialen Öffentlichkeit vor allem über statt mit Soldatinnen und Soldaten gesprochen wird. Ein tagesaktuelles Medium wie beispielsweise das US-amerikanische Stars & Stripes, das zwar vom Ministerium gefördert wird, aber dennoch kritisch berichtet, ist in Deutschland kaum vorstellbar. Dennoch: Ich bin gespannt, ob und wie sich die Handschrift der neuen Chefredakteurin zeigen wird.