Govermedia 2011: Bürger und Behörden – Freunde, Liker oder Zwangsgemeinschaft?

Die Beziehung einer Behörde – der Bundeswehr – zu ihren Öffentlichkeiten bildet einen inhaltlichen Schwerpunkt des Bendler-Blogs. Es ist vielfach keine Liebesbeziehung. Und es ist sicher keine Beziehung, die sich die Bundeswehr sehnlichst gewünscht hat. Ich habe sie einfach ungefragt eröffnet. Nun ist sie aber eine öffentliche Einrichtung und kann sich ihre Freunde nicht aussuchen. So geht es derzeit vermutlich vielen Behörden.

Die vielen Leserinnen und Leser diese Blogs bestärken mich darin, zu glauben, dass zumindest das, was im Falle der Bundeswehr aus dieser eher einseitigen Beziehung entsteht, schätzen. Nicht zuletzt das zuständige Ministerium, das sich – ganz im meinen Sinne – durch meine Überlegungen zu einem eindeutig formulierten Markenkern hat inspirieren lassen. Der Weg von „Bundeswehr – Deutschland dienen“ zu „Wir dienen Deutschland“ war nicht weit, und ich bin froh, dass man über diese Brücke gegangen ist.

Auch an anderer Stelle im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung baut man Brücken. Konkret in Strausberg an der Akademie für Information und Kommunikation. Dort findet in knapp 3 Wochen, vom 20. bis 22. Juni, die zweite Veranstaltung der Reihe „Govermedia“ statt. Und so sehr ich die Veranstalter im vergangenen Jahr für ihre undurchdachte Programmgestaltung gegeiselt habe, so sehr freue ich mich, dass es in diesem Jahr eine spannende, interessante und lehrreiche Veranstaltung zu werden verspricht.

Was will die digitale Gesellschaft von den Behörden?, fragt zum Aufttakt der Govermedia Markus Beckedahl. Der Gründer des Blogs Netzpolitik, re:publica-Veranstalter und einer der Initiatoren des Vereins, der den Namen Digitale Gesellschaft trägt, hat es geschafft, sich so zu positionieren, dass man ihn bei Themen rund um Politik, Gesellschaft und das Internet, gerne fragt. Die ein oder andere kontroverse Debatte, die er ausgelöst hat, oder der er sich stellen muss, hat sicher dafür gesorgt, dass er zu diesen Themen differenziert Stellung nehmen kann.

Einen Ausblick auf Aktuelle Trends und Entwicklungen in der Online-Kommunikation wird Anke Domscheit-Berg geben. Als eine der Gründerinnen des „Government 2.0 Netzwerk Deutschland“ setzt sie sich kompetent und eloquent dafür ein, dass Regierung und Behörden die Chancen, die das Internet bietet, nutzen, um  sich für Bürgerinnen und Bürgern zu öffnen.

Außerdem stehen eine ganze Reihe von Erfahrungsberichten aus Behördern und Workshops auf dem Programm Veranstaltung, bevor dann das Podium zum Abschluß über Facebook und Twitter: Instrumente für gesellschaftliche Revolution diskutiert.

Insgesamt wirkt die Programmplanung auf mich wesentlich durchdachter als im Vorjahr. Die MWM-Quote (MWM= Mittelalte weiße Männer) ist zwar immer noch hoch, aber mit sieben Expertinnen hat sie sich ebenfalls verbessert. Und obwohl es noch ein weiter Weg ist, bis die Bundeswehr und ich wieder Freunde werden, gebe ich der Govermedia 2011 ein „Like“. Ich weiß nicht, ob ich es in diesem Jahr nach Strausberg schaffe, kann aber jedem empfehlen – vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Behörden (sowie deren Vorgesetzten), sich das Programm genau anzuschauen und hinzugehen. Mehr fachspezifische Kompetenzen an einen Ort, dürfte es in diesem Jahr wohl nicht geben, und die Teilnehmerpauschale von €125.- ist ein echtes Schnäppchen.

Lobmodus aus: Ab jetzt gibt es wieder konstruktive Kritik.

Kein Bock auf Bund – Zukunft der Bundeswehr bei ZDF

Eine vor allem für jüngere Leserinnen und Leser interessante Sendung gibt es heute Abend im Netz bzw. im ZDF-Infokanal.

„Kein Bock auf Bund – Was wird aus der Bundeswehr?“ fragt die Redaktion von ZDF log in. Los geht´s um 21.45. Gast im Studio ist ist Staatssekretär Christian Schmidt. Bereist im Vorfeld kann das Publikum über die Webseite oder die StudiVz-Gruppe Fragen stellen, die dann in der Sendung beantwortet werden sollen.

Interessantes Format, und warum bietet die Bundeswehr so etwas nicht einfach auch mal an? Quasi als Live-Alternative zum Bundeswehr Karriere-Chat.

Elefanten können tanzen

Wie es scheint, kommt Bewegung in das Verhältnis von Bundeswehr und den sozialen Medien. Und die Bewegung geht in die richtige Richtung. Nachdem ich gestern Nachmittag meine Recherchen zu den unklaren Hintergründen einer Bundeswehr-Fanseite auf Facebook veröffentlicht habe, hat sich der Gründer dieser Seite bei mir gemeldet. In einem langen und anstrengenden E-Mail-Verkehr hat er sich glaubhaft darum bemüht, darzustellen, dass er keine Kontakte zu den von mir zu Recht als dubios bezeichneten Personen pflegt.

Nun haben sich die Personalwerber der Bundeswehr auf der Seite gemeldet und angeboten, die Seite zu übernehmen. Gut so.

Screenshot Übernahmeangebot

Dennoch, oder besser gerade deshalb, bleiben noch einige Fragen zu klären. Warum beispielsweise hat der InfoService Bürgeranfragen im Streitkräfteamt versucht, mich zu täuschen? Aus Absicht oder aus Unkenntnis? Und warum hat man Personen, die die Bundeswehr auf die dubiosen Hintergründe der Facebook-Fanpage hingewiesen haben, abgewimmelt? Und warum hat man eine Kooperationsanfrage des Betreibers der Fanpage aus dem Februar zwar „an die zuständigen Ansprechpartner im Bundesministerium der Verteidigung“ weitergeleitet, Sie aber bis jetzt nicht beantwortet?

Was jetzt zu tun ist?

So sehr ich die Initiative der Personalwerber nun begrüße, die Arbeit hat erst begonnen. Die Bundeswehr sollte ernsthaft prüfen, ob sie der Person, die die Facebook-Fanpage aufgebaut hat, eine Perspektive bieten kann, daran weiter mitzuwirken. Voraussetzung dafür ist, dass diese sich von fragwürdigen Verbindungen aus der Vergangenheit glaubhaft distanziert.

Weiterhin sollte die Bundeswehr von Facebook klar und  deutlich einfordern, andere Seiten, die sich einen offiziellen Anstrich geben, insbesondere diese Seite https://www.facebook.com/pages/Bundeswehr/93628496650 auf die Bundeswehr zu übertragen, bzw. deren Administratoren darauf hinweisen, die Seiten umzubenennen und insbesondere in den Kontaktseiten keine Verbindung zu den offiziellen Seiten herzustellen

Außerdem sollte die Bundeswehr prüfen, inwiefern Domaingrabber ihre Namensrechte verletzen und auf Übertragung der entsprechenden Domains drängen. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist www.streitkraefteamt.de (Danke für den Hinweis an Leser J.)

Und schließlich sollte die Bundeswehr endlich allgemein verbindliche Richtlinien für Soldatinnen und Soldaten zum Verhalten in den neuen Medien erarbeiten und in Kraft setzen. Beispiele für diese Social Media Guidelines gibt es genug, und auch innerhalb der Bundeswehr zahlreiche kompetente Ansprechpartner, die sich darüber bereits Gedanken gemacht haben. Diese gilt es nun einzubinden.

Eine gute Vorlage bietet beispielsweise das „Social Media Handbook“ der US Army. Hier könnte das Ministerium mal wieder zum Kopierer greifen.

Army Social Media Handbook 2011

View more documents from U.S. Army

Bundeswehr in der Facebook-Falle?

Dass die Bundeswehr mit den neuen Medien fremdelt, ist nichts Neues. Wer aber angesichts der anstehenden Veränderungen ein Feld derart kampflos preisgibt und darüber hinaus gegenüber wohlgesonnten Bürgerinnen und Bürgern hinhaltend, verschleiernd und unehrlich agiert, darf sich weder über Kritik noch die Frage wundern, wie ernst das Ministerium es mit dem Dienen so meint. Oder anders gesagt: Wer die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch verteidigen will, täte gut daran, dies auch auf Facebook zu tun.

Worum geht es?
Auf Facebook gibt es eine Seite, die nicht nur oberflächlich betrachtet sehr offiziell daher kommt. Man findet sie hinter diesem Link. Seit dem Start der Seite, haben sich mehr als 21.000 Nutzerinnen und Nutzer entschlossen, die Seite zu „liken.“ So weit, so gut, denn es zeigt auch, dass man in der digitalen Welt einer Institution der Bundeswehr vertraut. Schade nur, dass die Bundeswehr gar nicht hinter dieser Seite steht. Doch wer dann?

Wer steckt hinter der Bundeswehr auf Facebook?
Das ist gar nicht so leicht herauszufinden. Auch mir ist es nicht letztendlich gelungen. Aber bereits das Kratzen an der digitalen Oberfläche bringt einen unbedarften Nutzer wie mich schnell in Ecken des Netzes, die eher schmuddelig sind. So ist beispielsweise auf der nicht-offiziellen Facebookseite der Bundeswehr eine E-Mail-Adresse bei der Domain soldatenvz.com angegeben. Als Administrator dieser Seite ist ein Billy Wong in Beijing (Nachtrag: Dahinter verbirgt sich ein sogenannter Domainguard-Service) angegeben. Der ist auch als Admin der Seite „wir-sagen-danke“ angegeben, auf der man seiner Solidarität mit Soldaten Ausdruck verleihen kann, und deren Macher auch eine Facebook-Seite betreiben. Weil man bei „wir-sagen-danke“ seine E-Mail-Adresse angeben muss, scheint die Unterstützung nicht ganz so groß zu sein. Interessant wird es aber, wenn man an der Aktion zweifelt und seine Unterstützung zurückziehen will. Dann bekommt man nämlich Post von einem „David K.“ oder „Feivel“. Und wenn man wissen will, wer das ist, landet man quasi automatisch auf Seiten, deren linke und rechte Grenze mit den Begriffen „Nazi“ und „Porno“ recht treffend beschrieben sind, und bei denen – wen wunderts – wieder Billy Wong der Administrator ist. Genau da habe ich aber auch aufgehört, weiterzusuchen, und angefangen, beim Presse- und Informationsstab der Bundeswehr nachzufragen.

Was sagt die Bundeswehr?
Auf meine Frage, ob die Seite ein offizielles Angebot der Bundeswehr sei, antwortete man mir: „Es gibt derzeit keinen offiziellen Auftritt des BMVg oder der Bundeswehr bei Facebook.“

Auf meine nachgeschobene Frage, wie das Bundesverteidigungsministerium rechtlich die Verwendung von Symbolen der Bundeswehr auf der nicht-offiziellen Seite bewerte, antwortete man mir: „Bei der noch laufenden von amtswegen eingeleiteten Prüfung ist noch ergebnisoffen, ob die Rechte des BMVg durchgesetzt werden müssen oder ob die Verwendung von Symbolen der Bundeswehr administrativ (nachträglich) geheilt werden soll oder gar die Möglichkeit einer kooperativen Lösung im Hinblick auf die Ziele der Personalwerbung und Nachwuchsgewinnung in Betracht zu ziehen ist.“

Auf meine Frage, warum das BMVg in diesem Fall von Amts wegen prüfe, erfuhr ich: „Ein Tätigwerden „von Amts wegen“ erfolgte, weil es zum Tätigwerden keines Anstoßes von Außen bedurfte.“

Auf meine Frage, seit wann genau das Verteidigungsministerium in dieser Sache prüfe, erhielt ich die Auskunft: „Mit Bekanntwerden des Vorganges.“

Worauf ich mich erdreistete nach dem Datum zu fragen und die Antwort bekam, „Soweit noch erinnerlich hat das Ministerium wohl in der 12./13. Kalenderwoche Kenntnis von der facebook Seite bekommen.“

Das wiederum war, auch abzüglich der üblichen Gedächtnisschwächen und Erinnerungslücken eine Ministeriums, ein glatter Täuschungsversuch, denn die Person, die mich auf die Zusammenhänge und Hintergründe der inoffiziellen Facebook-Seite hingewiesen hat, hatte diese bereits im Februar 2011 an das Ministerium herangetragen, war aber ebenso hinhaltend behandelt worden, zum anderen hatte es ja zuvor noch geheißen, dass es zum Tätigwerden keines Anstoßes von Außen bedurfte. (Offenlegung: ich habe diese Rechercheergebnisse dem Ministerium nicht erneut präsentiert).

Was bedeutet das nun?
In der Gesamtschau zeigt auch dieser Vorgang wieder die kommunikative Überforderung des Ministeriums bei allen Themen, die über die reaktive Pressearbeit hinausgehen. Der Erfolg der inoffiziellen Facebook-Seite wiederum zeigt, dass User sehr naiv mit dem Netz umgehen, gerade bei Seiten, zu denen sie thematisch ein hohe Affinität haben. Außerdem wird deutlich, dass das Netz das ideale Propagandamedium ist, weil der normale Nutzer kaum eine Chance hat, herauszufinden, wer eine Seite betreibt und mit welcher Motivation er das tut. Gerade im militärischen Umfeld ist es nicht völlig unplausibel, zu vermuten, dass nicht alle dies voller wohlmeinender Absichten tun. Genau hier aber wird es wirklich kritisch, denn nach meinem Verständnis ist es die Pflicht des Ministeriums im Verbund mit den zuständigen Behörden die Nutzer vor fragwürdigen Betreibern zu schützen, und ihnen gegebenenfalls das Handwerk zu legen. Statt offen auf diejenigen zuzugehen, die der Bundeswehr wohlgesonnen sind, wiegelt das Ministerium ab, antwortet ausweichend, täuscht, und gefährdet damit eine der wertvollsten Ressourcen, die die Bundeswehr trotz kontroverser Diskussionen immer noch hat – ihren guten Ruf.

Was ist zu tun?
Der Presse- und Informationsstab sollte, im Zusammenwirken mit anderen Stellen, die dubiosen Hintergründe der inoffiziellen Facebook-Seite der Bundeswehr aufklären, die Rechte an der Seite über Facebook einfordern (ein Anruf genügt da in der Regel) und alle Nutzerinnen und Nutzer über dieses Vorgehen informieren. Oder kurz gesagt: Die Bundeswehr muss auf Facebook, und zwar schnell, offen und professionell.

Die Stimme der Soldaten

Soll keiner auf die Idee kommen, das Ministerium könne nicht wissen, was Soldatinnen und Soldaten bewegt. Das fragt das nämlich regelmäßig ab. Weil das wissenschaftlich sauber geschieht – ja, Minister müssen Vorbild sein – dauert die Auswertung immer etwas länger. Mitte 2010 hast das SoWi die Ergebnisse der Streitkräftebefragung 2009 vorgelegt. Eine lohnende Lektüre, die auch deutlich macht, dass die Pflicht zum treuen Dienen nicht alles ist, und die Wirklichkeit der Bundeswehr zur Letztbegründung nicht nur auf Slogans wie „Wir. Dienen. Deutschland.“ oder „Bundeswehr – Deutschland dienen“ verkürzt werden kann.

Leserbriefe – oder so …

Wer schreibt, weiß nie so genau, ob und wen das Geschriebene interessiert. Wer ins Internet schreibt, hat es besser, denn die Leserinnen und Leser können kommentieren. Jetzt hat mich ein ungewöhnlicher Kommentar errreicht, und ich kann kaum ausdrücken, wie sehr ich mich darüber freue, dass Geschriebenes die Gedanken anderer bewegt und sie etwas tun macht.

Bundeswehr Nachwuchswerbung 1

Bundeswehr Nachwuchswerbung 2

Bundeswehr Nachwuchswerbung 3

Bundeswehr Nachwuchswerbung 4

Bundeswehr Nachwuchswerbung 5

Bundeswehr Nachwuchswerbung 6

Die gesammelten Motive als PDF können unter dem folgenden Link heruntergeladen werden: Bundeswehr – Deutschland dienen