Aufräumarbeiten im Kunduz-Ausschuss – Schneiderhan kritisiert Raabe

Das ist wirklich bemerkenswert. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, reitet im Kunduz-Untersuchungsausschuß eine Frontalattacke gegen den ehemaligen Leiter des Pressestabes, Thomas Raabe. Laut Bericht auf der Webseite des Bundestages habe Raabe zivile Opfer des Luftangriffs zunächst bestritten und dann nur als Eventualität in Betracht gezogen, obwohl dem Pressestab alle Unterlagen des Planungs- und des Einsatzführungsstabs vorgelegen hätten. Schneiderhan bilanziert: ”Die Aktivitäten des Herrn Raabe in den ersten Tagen nach dem Bombardement trugen nicht unbedingt zu einem geordneten Verwaltungshandeln bei. (…) Der Pressestab hat an uns vorbeiagiert“.

Nur zur Erinnerung: Thomas Raabe ist nach wie vor Vizepräsident des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher, der wiederum einer der Träger des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR) ist. Der DRPR versteht sich als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der in Deutschland tätigen PR-Fachleute. Das ehrenamtliche tätige Gremium ist nicht unumstritten und hat zuletzt eine Richtlinie zur Online-PR veröffentlicht. Weil in Bezug auf das professionelle Verhalten Raabes meines Erachtens der Anfangsverdacht gegeben ist, dass dieser gegen mehrere Verhaltensgrundsätze der Ethik-Kodizes auf die sich der DRPR beruft, habe ich am 16. April 2010 den Rat gebeten, den Fall zu untersuchen. (Bereits am 19. März hatte ich Raabes Agieren in einem Kommentar zu PR und Ethik bewertet).

Durch die Aussage Schneiderhans gewinnt das Thema erneut an Aktualität. Die Mitglieder des PR-Rats wollen sich laut Stellungnahme vom 30. Juni 2010 im Oktober, bei ihrer nächsten Sitzung mit dem Fall befassen. Allerdings ist es mehr als fraglich, ob sie ernsthaft an einer Klärung interessiert sind. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung – immerhin steht das Verhalten eines Präsidiumsmitglieds eines der Trägerverbände in Frage – wäre eine schneller Befassung angemessen gewesen. Der PR-Rat aber hat sich bewusst entschieden, dies nicht zu tun. Weil aber die Dimension Zeit in der Kommunikation eine immer stärkere Rolle spielt, sind grundsätzliche Zweifel sowohl am Vermögen als auch am Willen des Rates angebracht, die selbst gesetzten Ziele zu erreichen – es sei denn, die wahren Ziele unterschieden sich von den explizit genannten.

In der Grauzone – Arbeiten an der Schnittstelle von Journalismus und Militär-PR

In den vergangenen Jahren haben Krisen und Kriege wiederholt zu Innovationen in der militärischen Öffentlichkeitsarbeit geführt. Bemerkenswert ist, dass diese in ähnlicher Form später auch von Unternehmen und Organisationen adaptiert wurden. Mit den Forward Media Teams hat auch der NATO-Einsatz in Afghanistan ein neues Instrument hervorgebracht, das exemplarisch für ein verändertes Kommunikationsmanagement in einer Medienlandschaft im Umbruch sein könnte. Im gleichen Maße wie – nicht nur militärische – Organisationen und Unternehmen journalistische Arbeitsweisen übernehmen, wächst aber auch der Druck auf Journalisten und andere Kommunikatoren, sich darüber klar zu werden, was das für ihre jeweilige professionelle Arbeit und Rolle bedeutet. Nicht nur, aber auch, weil zahlreichen ökonomisch attraktiven Tätigkeiten in der Grauzone zwischen Journalismus und (Militär)-PR, ein zunehmender Legitimationsdruck durch Verfechter der jeweils „reinen Lehre“ gegenübersteht. Vielleicht ist es an der Zeit, alte Dogmen fallen zu lassen und sich darauf zu verständigen, dass beide Professionen mehr verbindet als trennt. Genau weil das so ist, sind alle Seiten gefordert, situativ für Transparenz zu sorgen. Wenn sie es nicht tun, schaffen sie systematisch Skandalisierungspotential und untergraben damit das Vertrauen, auf das sie eigentlich angewiesen sind.

„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ Dieses Zitat von Hanns-Joachim Friedrich ist nicht umsonst der Leitspruch des nach dem ehemaligen Moderator der Tagesthemen benannten Journalistenpreises. Es soll gleichermaßen Anspruch wie Selbstverpflichtung eines der Wirklichkeit und nicht Partikularinteressen verpflichteten Journalismus sein. Die Realität ist komplexer. Nicht umsonst formuliert der Verein netzwerk recherche, der sich als Interessenvertretung investigativ arbeitender Journalisten  versteht, in seinem 2006 veröffentlichten Medienkodex: „Journalisten machen keine PR

Offensichtlich tun sie es doch, denn sonst müsste niemand darauf hinweisen. Eine zusätzliche Bestätigung erfährt diese Forderung zudem durch die Kritik derer, die sich in der durch das netzwerk recherche markierten Grauzone vermutlich komfortabel eingerichtet haben. Die zielt nämlich in der Regel stärker auf die Protagonisten des nr und ihre vermeintlichen und tatsächlichen Verfehlungen als die Sache selbst.

Militärische PR als Innovationstreiber

Betätigungsfelder an der Schnittstelle von Journalismus und PR sind nicht auf die Kommunikation von Unternehmen beschränkt. Im Gegenteil: Gerade die politische Öffentlichkeitsarbeit und hier insbesondere das militärische Kommunikationsmanagement haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Innovationen hervorgebracht. Zwar reichen die Geschichte der Kriegsberichterstattung – und damit auch die Entwicklung entsprechender militärischer Gegenstrategien weit zurück – wesentliche Impulse wurden aber in den vergangenen 20 Jahren gesetzt. Wurde nach den Erfahrungen mit einem fast uneingeschränkten Zugang von Journalisten zum Kampfgebiet in Vietnam, deren Anwesenheit in der Folge stark reglementiert oder verboten, begann mit dem ersten Golfkrieg eine vorsichtige Öffnung. Im Rahmen des Pool-Systems brachten die US-Streitkräfte ausgewählte Journalisten (die dann zum Pool gehörten) an ebenso ausgewählte Orte im Kampfgebiet, wo sie unter Aufsicht recherchieren konnten. Das dabei produzierte Material wurde anschließend mehreren Medien zur Verfügung gestellt. Der Beginn des zweiten Irak-Krieges 2003 markierte dann mit dem Konzept des Embedded Journalism eine publizistische Wende. Journalisten wurden direkt einzelnen Einheiten zugeordnet (eingebettet) und konnten in diesem Rahmen relativ frei berichten. Beide Entwicklungen wurden vielfältig diskutiert und kritisiert. Besonders interessant ist freilich, dass vergleichbare Konzepte auch in deutlich friedlicheren Kontexten mittlerweile gang und gäbe sind.

Angefangen bei Interview-Arrangements für Superstars, denen teilweise 20 und mehr Journalisten gegenüber sitzen und die anschließend so genannte Einzelinterviews veröffentlichen oder ausstrahlen, bis hin zum Deutschen Fußballbund, der zu Großereignissen ebenfalls Journalisten-Pools bildet. Auch Embedded Journalism ist schon lange nicht mehr auf die militärische Kommunikationsarbeit beschränkt. Ob ein Hamburger Kupferhersteller eine Barkasse mietet, um Journalisten an eine unzugängliche Stelle im Hafen zu bringen, an der ein mit Chemikalien beladenes Frachtschiff gesunken ist, oder ob Automobilhersteller die Kollegen der schreibenden Zunft zu Testfahrten in attraktive Länder einladen – konzeptionell ist beides dem Embedded Journalism eng verwandt.

Innovative PR oder Next Propaganda? – Forward Media Teams

Aus Sicht des militärischen Kommunikationsmanagements hat sich auch beim Einsatz der NATO in Afghanistan ein neues PR-Instrument etabliert. Die Innovation trägt den Namen Forward Media Team (FMT). Im Kern handelt es sich dabei um regionale Korrespondenten der Combined Joint Psychological Operations Task Force (CJPOTF) der International Security Assistance Force – ISAF. Hauptaufgabe der FMT ist die Produktion von Beiträgen für den NATO-Radiosender Sada e-Azadi (Stimme der Freiheit) sowie die gleichnamige Printpublikation. Unter Leitung eines internationalen Journalisten erstellen zwei afghanische Mitarbeiter die Beiträge. Nach Angaben der CJPOTF sind derzeit 12 FMT in Afghanistan tätig. Die FMT sind den insgesamt fünf Regionalkommandos der NATO zugeordnet. Von dort werden sie je nach Lage den Regionalen Wiederaufbauteams (Provincial Reconstruction Teams – PRT) zugewiesen. Die Verträge mit den internationalen Journalisten laufen mindestens 12 Monate, einige von ihnen bleiben aber auch mehrere Jahre in Diensten der NATO. Im Unterschied zu den nationalen PSYOP-Kräften, mit denen die FMT eng zusammenarbeiten, werden die FMT direkt durch das Hauptquartier in Kabul geführt und sind aus der nationalen Befehlskette heraus gelöst. Zudem arbeiten die Mitglieder der FMT in Zivilkleidung, weisen sich aber als Angehörige der ISAF aus. Darüber hinaus erstellen die FMT auch örtliche Stimmungsbilder für das Hauptquartier in Kabul, die so genannten „atmospherics“. Entsprechende Berichte bis zum Juni 2010 sind teilweise auf einer vom ISAF Joint Command betriebenen Web-Plattform – Ronna, auch das ein interessantes Instrument des militärischen Wissensmanagement – nachzulesen.

Interessante berufliche Perspektive für Journalisten …

Vor allem für die internationalen Journalisten ist die Tätigkeit als FMT Leader auch ökonomisch attraktiv. Knapp über 100.00 Euro netto und steuerfrei, kostenlose Unterbringung sowie 31 Tage Urlaub pro Jahr wecken vermutlich nicht nur die Abenteuerlust. Zudem eröffnen sich auch langfristige berufliche Perspektiven. Die ehemalige Welt-Redakteurin Christiane Buck war nach ihrer Tätigkeit als Leiterin eines FMT Leiterin der ISAF Training Section. Auch die Fotojournalistin Veronika Picmanova hat als FMT-Leiterin in Mazar e-Sharif gearbeitet, nach dem sie zuvor für die Deutsche Welle Akademie in Afghanistan tätig war. In Afghanistan ist derzeit auch wieder die Berliner Journalistin Kerstin Tomiak, die die Erlebnisse ihres ersten Einsatzes in dem Buch „Drachenwind“ aufgeschrieben hat.

… und ein verändertes Rollenverhalten

So engagiert sie ihr Buch nach Erscheinen vermarktet hat, so verschlossen gibt sich Kerstin Tomiak, wenn man sie zu den Gründen und Anforderungen ihrer Arbeit in Diensten der NATO befragt. Über ihre „license to speak“ entscheidet die militärische Führung, und die erteilt keine Freigabe. Auch Veronika Picmanova zieht es vor, zu schweigen. Genau an dieser Stelle wird es aber interessant.

Wie lässt sich ein journalistisches Selbstverständnis mit Maulkörben durch Auftraggeber verbinden? Warum reagieren Journalisten häufig genau so, wie sie es sonst Unternehmen vorwerfen, wenn sie selbst zum Gegenstand einer Recherche werden? Kann man überhaupt journalistisch arbeiten – was vom militärischen Auftrag- und Arbeitgeber gefordert ist – auch wenn das heißt, sich mit einer Sache gemein zu machen? Und wie kann man bei alldem seine professionelle Integrität wahren?

Wechselnde Identitäten – Auf dem Weg zu einem neuen Rollenverständnis?

Das sind keine banalen Fragen. Damit verbieten sich auch banale Antworten, wie beispielsweise Propagandavorwürfe oder normative Formulierungen wie die im Medienkodex des netzwerk recherche. Einen praktikablen Weg zu einer integren Kommunikation weisen vielleicht 10 Gebote, des ungekrönten Königs der deutschen Spindoktoren, Klaus Kocks, die dieser im April 2009 als Glosse im PR Magazin veröffentlicht hat. So einfach sie daher kommen, und so unterhaltsam sie sich auch lesen mögen: das Denken, dass nötig war, sie hervorzubringen, ist nicht jedem gegeben. Es ist aber nötig, um Transparenz und Tiefenschärfe in die durch das noch in Teilbereichen vorherrschende Schweigegebot erzeugten Grauzonen zu bringen. Tun Organisationen wie die NATO das nicht, schaffen sie systematisch Skandalisierungspotential und untergraben damit das Vertrauen, auf das sie eigentlich angewiesen sind. Und tun es Journalisten nicht, müssen sie sich fragen lassen, warum.

Militär (und Unternehmen) als publizistische Akteure

Unabhängig von diesen Fragen können die Forward Media Teams der NATO in Afghanistan durchaus als zukunftweisendes Instrument des Kommunikationsmanagements gesehen werden. In dem Maße wie unter anderem durch das Internet quasi jedem die Möglichkeit gegeben ist, publizistisch tätig zu werden, müssen auch Unternehmen und Organisationen beginnen, sich über ihre Rolle als publizistische Akteure Gedanken zu machen. Wenn, und dafür spricht einiges, die klassischen Rezepte der Einwegkommunikation und des Marketings (wobei beides zu oft identisch ist) dem Publikum nicht mehr schmecken, müssen neue Köche ran. Diese wiederum sind gut beraten, sich bei ihrer Arbeit auf ihr journalistisches Handwerkszeug zu verlassen, denn wenn sie wirklich wirksam werden wollen, müssen sie ihre Auftraggeber in der Regel härter befragen, als dies selbst der investigativste Journalist je tun könnte. Affirmation wird damit zur denkbar schlechtesten Haltung für Auftragskommunikatoren.

Journalistische (Un-)Logik

Eins sehr unterhaltsames Gespräch zwischen Hans Leyendecker, Marc Felix Serrano (Süddeutsche Zeitung) und Bild-Chefredakteur Kai Diekmann gibt es auf jetzt.de

Was es für die sicherheitspolitische Kommunikation interessant macht, ist, dass ein Mini-Disput zur Berichterstattung über den Bombenabwurf in Kunduz Einblick in das journalistische Selbstverständnis der beiden SZ-Redakteure gibt. Der Umstand, dass die SZ für ihre Kunduzberichterstattung einen Medienpreis bekommen hat, soll nämlich ein Beweis dafür sein, dass nicht Bild die Affäre aufgedeckt hat (vermutlich unter tätiger Mithilfe von Bundeswehr-Angehörigen).

Wie verquer und selbstbezüglich (und damit gleichzeitig vermutlich Symptom wie Ursache für den Status des sicherheitspolitischen Diskurses in Deutschland).

Keine Angst vor Social Media

In der vergangenen Woche haben die Agentur Fink & Fuchs und die Universität Leipzig eine Studie zum Status der Social Media Governance im deutschsprachigen Raum vorgestellt (Download der Studie als PDF). Befragt wurden die Empfänger des Magazins Pressesprecher sowie die Mitglieder des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher. Eines der wesentlichen Ergebnisse der Studie: Im Umgang mit dem Social Web gibt es noch viele Unsicherheiten. Daher schlagen die Verfasser vor, dass Unternehmen und Organisationen, einen Ordnungsrahmen, eben die Social Media Governance, für ihre Aktivitäten im Netz entwickeln.

Warum eine Social Media Governance für die Bundeswehr hilfreich sein könnte

Auch für die Bundeswehr würde es sich lohnen, über einen solchen Ordnungsrahmen nachzudenken und zwar nicht nur, weil es andere Streitkräfte bereits tun, wie sich der der Datenbank socialmediagovernance.com entnehmen lässt. Aus verschiedenen Richtungen höre ich derzeit, dass es insbesondere unter den Aktiven noch unklar ist, wie sie sich persönlich in Debatten im Netz einbringen können, ohne dabei mit dem Soldatengesetz in Konflikt zu kommen. Die Möglichkeit, anonym zu bleiben, ist ein Weg, schwächt aber bisweilen die Argumente, weil unklar bleibt, in wessen Auftrag der Sprecher handelt und trägt nicht dazu bei, Handlungssicherheit zu vermitteln. Im Rahmen der Fürsorgepflicht wäre aber genau das zielführend.

Vor allem, wenn es darum geht, wie sich die Bundeswehr selbst im Netz äußert, könnte eine spezifische Social Media Governance hilfreich sein. Exemplarisch deutlich wird dies am YouTube-Kanal der Bundeswehr. Dieser ist seit Anfang August online und hat derzeit fast 6.000 Abonnenten. Ein echter Erfolg. Andererseits wecken so einige der offiziellen Kommentare der Redaktion leise Zweifel daran, dass es verbindliche Moderationsregeln gibt. Abhängig von der Tagesform schwanken die Moderatoren zwischen Defensive und Belehrung. Selbst wenn viele Kommentare nahelegen, dass Letzteres dringend nötig ist, halte ich wenig davon, manche Nutzer spüren zu lassen, dass sie eigentlich keine Ahnung haben. Auch Formulierungen wie: „Sie haben nicht ernsthaft eine Freischaltung Ihres Beitrages erwartet? Alles hat seine Grenzen – auch Geschmacklosigkeiten“ mögen zwar inhaltlich richtig sein, zeugen aber nicht von Souveränität im Umgang mit dem Medium. Ein sachliches „entspricht nicht den Diskussionsregeln“ hätte gereicht. Darüber hinaus lassen sich durch eine reduzierte Moderation Inkonsistenzen in der Außendarstellung vermeiden.

Auch inhaltlich ist es wünschenswert, dass die Bundeswehr ihre Online-Kommunikationsaktivitäten auf ein qualitativ höheres Niveau hebt. Manches, was publiziert wird, erreicht noch nicht einmal das Niveau von Schülerzeitungen, und bspw. der Flickr-Stream wäre mit „Karl-Theodors Fotoalbum“ treffender bezeichnet. Warum eine qualitative Ausrichtung der Kommunikation so wichtig ist, habe ich mit Bezug auf die Disziplin Public Relations auf dem Blog Digital Conversation mit einem Beitrag versucht zu begründen, den ich im folgenden leicht gekürzt nun auch hier zur Diskussion stellen möchte.

Was sind Public Relations?

Für den Begriff PR gibt es unendlich viele Definitionen, die jeder, der mag, nachlesen kann. Darunter findet sich viel Kluges, teilweise reichlich Abstraktes und auch manches, das eher Wunschdenken ist als zutreffende Beschreibung. Was sich bislang nicht findet ist, dass PR als einzige Kommunikationsdisziplin das angestrebte Ergebnis ihres Wirkens im Namen tragen. Pressesprecher, Werber, Journalisten, Kommunikationsmanager und auch Social Media-Experten sprechen über sich selbst oder die Technik, die sie einsetzen. Public Relations heißen so, wie das, was sie erreichen wollen – die öffentlichen Beziehungen von Menschen und Institutionen gestalten.

Es geht darum, Strategien zu formulieren, also eine angemessene, überzeugende Übersetzung für strategische Ziele herzustellen, Themen intellektuell zu entwickeln und mit Hilfe eines redaktionellen Handwerkszeugs in unterschiedlichste mediale Formate zu übersetzen, um so die Beziehungen zu den relevanten Bezugsgruppen zu gestalten. Und wenn also PR eine Kommunikationsform darstellen, die Inhalte und Beziehungen zu einem aktiven Publikum und nicht Maßnahmen, Kanäle und passive Zielgruppen zum Ausgangspunkt der Überlegungen machen, sollte auch klar sein, dass sich daran im Kern durch die neuen Techniken nur wenig ändert.

Wir alle spielen Theater

Es ist vermutlich bezeichnend, dass viele der klügsten Gedanken, derer sich die PR bedienen können, nicht aus der Disziplin selbst kommen. Eines der besten Modelle, um die soziale Wirklichkeit zu untersuchen (und also auch, um sie zu gestalten) hat der Soziologe Erving Goffmann entworfen. Er konstruiert Interaktion als Handeln in Rollen auf einer öffentlichen Bühne und bezieht sich dabei explizit auf einen Großmeister der PR: Shakespeare, bei dem wir im Stück “As you like it” den folgenden Gesanken finden:

“All the world’s a stage,
And all the men and women merely players:
They have their exits and their entrances;
And one man in his time plays many parts“

Wenn nun öffentliche Beziehungen als Aufführung zu denken sind, gelten für diese die Regeln des Theaters. Aufmerksamkeit wird dem zuteil, der auffällt. Applaus erhält der, der überzeugt. Mal zählt die Form, mal der Inhalt, und immer hat das Publikum recht. An der zugrunde liegenden Struktur ändert jedoch auch das Internet nichts. Im Gegenteil: Es beschleunigt eine Entwicklung, bei der sich Strukturelemente des Theaters flächendeckend durchsetzen. Was zählt, ist die Performance, das Prinzip der Casting Show wird zum übergeordneten Orientierungspunkt und wir alle müssen darauf hoffen, in den Re-call zu kommen.

Denken hilft

In meinem Viertel fährt ein Piaggio Ape herum. Darauf steht ein Joseph Beuys zugeschriebenes Zitat: „Vor der Frage ‚Was können wir tun?’ steht die Frage ‚Wie müssen wir denken?’“ Und vielleicht ist genau das beängstigende von Social Media für die PR-Branche. Sie denkt nicht nach. Statt darüber nachzudenken, was ihre Aufgabe ist, flüchtet sie in Aktionismus. Statt über die Qualität dessen, was gesagt und geschrieben wird, zu debattieren, sondert sie Halbgares über alle Kanäle ab, und wundert sich, dass das Publikum den Klamauk erkennt und sich dagegen wehrt, diesen als sinnvolle Kommunikation anzuerkennen. Unternehmen, Organisationen und ihre Berater sind damit aufgerufen, Qualität zu liefern. Sie müssen ihr Publikum ernst nehmen, um selbst ernst genommen zu werden. Wer nur so tut als ob, wird über kurz oder lang entlarvt. Und vielleicht ist genau das ein Grund, warum sich die PR doch vor Social Media fürchten müssen. Nicht, weil wir anders Denken müssen, sondern weil alle mitbekommen, was passiert, wenn wir es nicht tun.

Praktikanten-Fernsehen

Knapp 10 Jahre ist es her, dass die Bundeswehr damit begonnen hat, die so genannten Einsatzkameratrupps (EKT) aufzubauen. Ausreichend Zeit, sollte man meinen, gewisse Qualitätsstandards zu definieren und einzuhalten. Warum also, muss man fragen, erinnert ein aktueller Beitrag auf dem hochpolierten YouTube-Kanal der Bundeswehr dann eher an einen Offenen Kanal als an professionelle Arbeit?

Das Thema – Kampf- und Rettungshubschrauber – ist super. Die Bilder sind gut. Selbst die deutschen Protagonisten sprechen flüssig in die Kamera und haben wirklich etwas zu sagen. Umso deutlicher fällt auf, dass der Redakteur weder eine Idee noch Talent dazu hat, aus diesem Material eine gute Story zu machen. Hölzern stammelt der Sprecher sinnentleerte Sätze voller Substantive in sein Mikrofon. Spannung gleich null, und die zentrale Botschaft an das Publikum, dass im Raum Kunduz nun echte Kick-Ass Feurkraft für die Jungs und Mädels am Boden verfügbar ist, geht unter.Unverständlich daran ist gleich zweierlei:
1. Warum ist es nicht möglich, Profis diese Arbeit machen zu lassen?
2. Warum werden die Redakteure, die den YouTube-Kanal betreiben, ihrer Verantwortung nicht gerecht und veröffentlichen solche Praktikanten-Beiträgen erst gar nicht?

Oder will man der Öffentlichkeit vorführen, dass man vor den Bundeswehr-Medienkriegern wirklich keine Angst haben muss?