Sneak Preview auf das neue Y. …

… auf der Webseite der Bundeswehr, inklusive einer „Gebrauchsanleitung“ und Vorwort des Ministers.

Titelseite des neugestalteten Bundeswehrmagazins Y. 

Der erste Eindruck: sehr klar und sauber und etwas „militärischer“. Ich bin gespannt, wie das Heft insgesamt wirkt und hoffe, dass es nicht zu klinisch wird (Mehr zu sehen gibt es bei Kollege Wiegold).

Und warum sind eigentlich die Hinweise auf die Neugestaltung noch nicht auf der Webseite des Magazins angekommen?

Was ist Krieg?

Joseph König, Chefredakteur von „Kompass. Soldat in Welt und Kirche“, der Zeitschrift der Katholischen Militärseelsorge, verdanke ich den Hinweise auf die Märzausgabe der Zeitschrift. Unter der Frage „Was ist Krieg?“ finden sich sehr lesenswerte Beiträge, die den Bogen von Clausewitz zu Münkler nicht nur spannen, sondern auch tiefgründiger untersuchen, als das hier möglich ist – und auch tiefgründiger als das offensichtlich an der Spitze des Ministeriums diskutiert wird.

Si tacuisses

Verteidigungsminister Jung hat der Frankfurter Rundschau ein Interview gegeben. Unter der Überschrift „In Afghanistan ist kein Krieg“ liefert er überzeugenden Argumente. Nur leider nicht dazu, was stattdessen in Afghanistan ist, oder warum deutsche Soldatinnen und Soldaten dort sein sollten, sondern dazu, warum unabhängig vom Ausgang der kommenden Bundestagswahl ein Wechsel in der Führung des Ministeriums dringend angebracht ist.

Hat Jung bislang statt des Wortes „Krieg“ die Bezeichnung „asymmetrische Bedrohungslage“ gebraucht, schwenkt Jung nun um, und nennt es „Stabilisierungseinsatz.“ Krieg, so Jung, sei es nicht, weil ein Krieg nur militärisch geführt werde. Kann man eindrucksvoller beweisen, dass man sich nicht mit der Literatur der vergangenen 200 Jahre von Clausewitz bis Münkler befasst hat? Ohne in tiefere Wortklaubereien einsteigen zu wollen: Clausewitz ist vollständig im Projekt Gutenberg hinterlegt und auch ohne viel Mühe findet man dort unter anderem diesen Satz: „Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.“ Und was, bitte, wollen wir in Afghanistan anderes, als den bzw. die Gegner zu zwingen, das zu tun, was unserer Meinung nach für die Menschen dort vor Ort gut ist?

Gravierender als diese Diskussionen um Definitionen ist jedoch, dass der Minister entweder die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik nicht kennt (unwahrscheinlich) oder aber die Leserinnen und Leser der FR für dumm verkaufen will. So befürwortet Jung eine Änderung des Grundgesetzes unter anderem, weil es „keine Hindernisse für einen Einsatz der Bundeswehr im Inland geben (dürfe), um einer Terrorgefahr zu begegnen, die die Fähigkeiten der Polizei übersteigt.“ Jung tut hier so, als sei Polizei nur der bürgernahe Beamte in dunkelblau und unterschlägt die Fähigkeiten und die paramilitärische Ausbildung und Ausrüstung von Sondereinheiten und Bundespolizei. Eine Antwort darauf, was deutsche Soldaten besser oder auch nur annähernd gleich gut leisten könnten, wie diese Spezialeinheiten, gibt er nicht.

Quasi als Krönung der eigenen Überforderung gibt Jung schließlich zu, warum es bislang keine überzeugende Begründung für den Afghanistan-Einsatz gab. Auf die Frage nach einem Abzugsdatum sagt er: „Ich bin froh, dass wir in der Nato nun das erste Mal klare Ziele vereinbart haben, die wir erreichen wollen, um über einen möglichen Abzug nachdenken zu können.“ Im Klartext: Seit 2002 haben tausende deutsche Soldatinnen und Soldaten ihr Leben riskiert, ohne das klar war, warum, womit sich dann doch wieder der Kreis zu Clausewitz schließt.

Endspiele und Wahlkämpfe

Erleben wir derzeit eine Militarisierung der Politik oder eine Politisierung des Militärs? Und was wäre der Unterschied? Unter anderem diese Fragen wirft ein Blick auf die aktuelle öffentliche Debatte zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf.

Relativ viel öffentliche Aufmerksamkeit fand in der vergangenen Woche ein Artikel des Spiegel über den abgebrochenen Einsatz der GSG 9 zur geplanten Befreiung des Frachters „Hansa Stavanger“ vor Somalia. Der Bericht war der Auftakt zu einer Debatte, in der einige Politiker ihr Kämpferherz entdeckten, und sich bar jeder Kenntnis in ihren Vorschlägen und Forderungen zu einem verstärkten Einsatz von Spezialkräften fast überboten. Hauke Friedrichs entlarvt diese Debatte in der Zeit als das, was sie ist: Populismus.

Aber es steckt mehr dahinter. In Zeiten allgemeiner Verunsicherung, scheint es, dass die Regel, dass in Deutschland mit dem Krieg keine Wahlen zu gewinnen, wohl aber zu verlieren sind, nicht mehr zu gelten. Ungewöhnlich offen berichtet das Verteidigungsministerium über einen erfolgreich genannten Einsatz des Kommandos Spezialkräfte (KSK). Dadurch offenbar ermuntert, möchte Verteidigungsminister Jung Kommandoeinheiten permanent auf Schiffen der Marine stationieren. Innenminister Schäuble unterstützt das Vorhaben, die Aufgabe der Piratenbekämpfung von der Bundespolizei zur Bundeswehr verlagern, und möchte mal wieder das Grundgesetz ändern. Diese Forderung – und das ist wirklich bemerkenswert – scheint auch die Bundeskanzlerin zu unterstützen. Das alles wirkt erstmal dynamisch, und der deutsche Stammtisch könnte darauf durchaus anspringen – wir können uns ja schließlich nicht alles gefallen lassen.

Auch die Kontrahenten in diesem ungleichen Kampf haben schon die Handschuhe ausgezogen. Nach Informationen der Taliban-Hotline an der Brandstwiete in Hamburg planen die afghanischen Kämpfer  angeblich eine massive Offensive. Deren Vorboten seien die beiden jüngsten Anschläge, denen angeblich eine neue Angriffstechnik zugrunde läge. Via BILD-Zeitung erklärt der verantwortliche Kommandeur, Brigadegeneral Jörg Vollmer, umgehend, dass die Bundeswehr bereit sei, diesen Kampf anzunehmen – so lange es nicht in den Süden des Landes gehe. Dort wiederum sollen unter anderem US-amerikanische Truppen dafür sorgen, dass die Bilanz des Afghanistan-Einsatzes dereinst nicht nur negativ sein wird.

Wie das gehen soll, erklärt wiederum General David Petraeus in einem bemerkenswerten Interview mit der Zeit. (Ein Gespräch, das im Übrigen zur Pflichtlektüre bei der Ausbildung deutscher Generale werden sollte, denn es offenbart gleichermaßen militärische Klugheit, diplomatisches Geschick und professionellen Umgang mit Medien. Männer und Frauen solchen Formats fehlen in der deutschen Debattenarena.)

Ein Ergebnis dieser medialen Offensive auf allen Seiten: Soviel Krieg war selten in der deutschen Presse in den vergangenen Jahren. Das wirklich Erstaunliche – das passiert alles ohne neue Begründung. Die bleibt die Politik weiterhin schuldig. Dieses Defizit wird besonders deutlich, wenn man sich ernsthaft mit den Argumenten gegen die Expeditionen der wetslichen Welt im Allgemeinen und die Auslandseinsätze der Bundeswehr im Besonderen beschäftigt, die unter anderem Jürgen Todenhöfer in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 3. Mai 2009 vorbringt (leider nicht online verfügbar). Todenhöfer macht einmal mehr deutlich, wie fundamental das Versagen der militärischen Interventionen bislang ist. Gleichzeitig liefert er damit eigentlich das beste Argument für veränderte Einsätze, denn um seine Vorstellungen von einer friedlichen Entwicklung im Irak und Afghanistan umzusetzen, ist ein sicheres Umfeld eine wesentliche Voraussetzung. Ebenfalls lesenswert sind die Gründe, die Wolram Weimer, Herausgeber des Magazins Cicero für einen raschen Abzug aus Afghanistan anführt.

Aber statt mutig den Weg zu einer veränderten Begründung und damit auch zu einer grundlegend neuen konzeptionellen Ausrichtung der Einsätze (und der Streitkräfte) den Weg zu bereiten, beschränken sich deutsche Politiker darauf, Piraten, die in Lumpen gekleidet den Golf von Aden unsicher machen und Krieger in Sandalen als Feindbilder aufzubauen und -bauschen. Bedenklich daran ist – es könnte klappen. Wobei wir bei der Ausgangsfrage angekommen wären. Während wir uns in Afghanistan vermutlich tatsächlich einem entscheidenden Endspiel nähern, scheint sich die Politik in Deutschland vor allem darum zu sorgen, welche militärische Karte sie spielen kann (und wie sie sie spielen kann), um den Wahlkampf zu gewinnen, und dass auch gerne auf Kosten der Soldatinnen und Soldaten, die dafür ihr Leben riskieren. Und das, ohne dass sich bislang eine ernstzunehmende Stimme aus Kreisen der Bundeswehr dabei zu Wort gemeldet hätte, um zumindest etwas militärischen Sachverstand in die Debatte einzubringen. Genau das würde nämlich den Unterschied zwischen einer Militarisierung der Politik oder eine Politisierung des Militärs markieren. So bleibt es auf absehbare Zeit bei Letzterem, was mancher sogar als zivilisatorischen Fortschritt sehen mag. De facto führt das in der deutschen Variante jedoch dazu, dass militärische Fähigkeiten systematisch nicht entwickelt werden.