Fliegenfänger

Soll keiner sagen, die Bundeswehr tue nicht alle, um ihre Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu schützen. Aber wer schützt sie und uns vor den Kommunikationsstrategen im Verteidigungsministerium? Es ist eine Frechheit, am Ende einer Woche, in der erneut drei Soldaten in Afghanistan im Einsatz gestorben sind, einen Beitrag zum Einsatzvideo der Woche zu machen, bei dem Insekten die Hauptrolle spielen. Und es ist einfach nur lächerlich, die mit modernstem Equipment ausgerüsteten Einsatzkameratrupps auf solche Themen anzusetzen.

Was jetzt zu sagen und zu tun ist

Im Februar wurde ich im Rahmen eines Workshops gefragt, wie es aus meiner Sicht als „PR-Experte“ gelingen könnte, die öffentliche Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr zu beleben. Meine etwas flapsige Antwort: Vermutlich müsste eine deutsche Einheit in einen ähnlichen Hinterhalt geraten, wie französische Soldaten im August 2008. So zynisch es damals klang, so genau entspricht es doch der Aufmerksamkeitslogik der Medien, wie die (Medien)Debatte nach dem Tod von weiteren deutschen Soldaten zeigt. Dennoch – oder gerade deshalb – darf sich die Kommunikationsarbeit der Bundesregierung nicht ausschließlich an den aktuellen Schlagzeilen orientieren. Gefordert ist stattdessen eine nachhaltige strategische Ausrichtung, die weitgehend unabhängig von den handelnden Politikern funktioniert. Im Mittelpunkt dieser Strategie müssen (vorbehaltlich einer differenzierten Analyse und Planung) als wichtigste Stakeholder die Soldatinnen, Soldaten und zivilen Angestellten der Bundeswehr sowie deren Angehörige, die Mitglieder des deutschen Bundestages, die Medien sowie die interessierten Bürgerinnen und Bürger stehen.

Vom  Sagen zum Tun

Selbst wenn es etwas aktionistisch wirken mag: Die Regierung, der Verteidigungsminister und die militärische Führung der Bundeswehr haben genau jetzt – mal wieder – eine Chance, schnell wirksame Maßnahmen umzusetzen, die geeignet sind, das Vertrauen in ihre Fähgigkeiten wieder herzustellen bzw. zu stärken. Dazu fünf Vorschläge:

1. Klare Worte

Eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin zum Afghanistaneinsatz u.a. entlang des folgenden Gedankens:

„Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan in einem Kampfeinsatz. Das Ziel dieses Einsatzes ist es, den zivilen Wiederaufbau zu ermöglichen und abzusichern. Denn wir verteidigen in Afghanistan im Einklang mit der internationalen Gemeinschaft nicht nur unsere Freiheit, sondern auch die Grundrechte der dort lebenden Menschen. Das heißt: Wir verteidigen dort unsere Werte, und wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Menschen in Afghanistan die Chance haben, ohne Angst vor Tod und Vertreibung ihr Land gemäß ihrer Werte wieder aufzubauen. Das heißt auch: Afghanistan ist ein Beispiel für das, was Experten als neue Kriege bezeichnen. Darauf müssen wir unsere Soldatinnen und Soldaten ebenso wie die Bevölkerung vorbereiten. Und genauso müssen wir jetzt die Versäumnisse der vergangenen Jahre anerkennen und sie nun mit einem noch größeren Einsatz in allen Bereichen, allen voran den Maßnahmen des zivilen Wiederaufbaus vorantreiben.“

2. Kontinuierliche und umfassende Information

Ergänzend zu den Unterrichtungen des Verteidigungsausschusses und des Parlaments geben die vier Leitministerien ab sofort regelmäßig Quartalsberichte sowie einen Jahresbericht Afghanistan heraus. Die Afghanistan-Webseite der Bundesregierung wird zur zentralen Plattform erweitert, auf dem regelmäßig aktuelle Informationen, Hintergrundberichte, Stimmen von zivilen Aufbauhelfern und Soldaten in Schrift, Bild und Ton zu finden sind.

3. Intensivere und offenere Pressearbeit des Verteidigungsministeriums

Statt quasi täglich die Medien nur darüber zu informieren, welche Einheit der Minister heute besucht, lädt das Einsatzführungskommando ab sofort mindestens wöchentlich zu einer Pressekonferenz ein. Darüber hinaus werden Journalisten in den Einsatzländern keine Restriktionen auferlegt. Einschränkungen der Berichterstattung sind allenfalls dann möglich, wenn die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten gefährdet ist. Entsprechende Entscheidungen sind gegenüber den Redaktionsleitungen zu begründen. Außerdem können Journalisten, die das wollen und eine entsprechende Vorausbildung durchlaufen haben, embedded mit den Einsatzkräften arbeiten.

4. Intensivierung der Bildberichterstattung/Ausbau und gezielte Beauftragung der Einsatzkameratrupps

So schnell wie möglich müssen so viele Patrouillen wie möglich mit Einsatzkameratrupps oder anderen Möglichkeiten der einsatzbegleitenden Bilddokumentation ausgerüstet werden. Formate wie Live-Schaltungen/Diskussionen mit Besuchergruppen werden über den Standort Berlin hinaus flächendeckend in Deutschland angeboten. Der interne Sender bwtv wird zum Vollprogramm ausgebaut. Zusätzliche Inhalte werden durch die Zusammenarbeit mit zivilen Sendern und insbesondere der Deutschen Welle beschafft. Auf einem eigenen YouTube-Channel werden Videoberichte angeboten, die das gesamte Spektrum der Einsätze der Bundeswehr zeigen. Soldaten erhalten die Möglichkeit, hier eigenes Material zu veröffentlichen.

5. Verzahnung der Bundeswehrmedien in einem „virtuellen“ Medienhaus

Sämtliche Bundeswehrmedien stellen sich ihre Inhalte über ein gemeinsames System gegenseitig zur Verfügung. Die inhaltliche Verantwortung verbleibt dezentral. Eine Zentralredation bedient sich jedoch aus diesem Pool und produziert eine zentrale Website im Sinne eines redaktionellen Mediums. Dabei greift sie auch auf Inhalte des gemeinsamen Portals der Regierung zu bzw. liefert Inhalte dorthin.

Das mal zum Anfang. Wer Einwände hat, darf sie gerne behalten. Warum sich diese Vorschläge alle nicht umsetzen lassen, weiß ich selbst. Bedenkenträger dürfen also ihre Bedenken gerne weiter tragen. Ich werde sie ihnen nicht abnehmen. Das werden andere tun. Alle anderen sind herzlich zum Diskutieren und vor allem Machen eingeladen.

Gutes Format – schlechte PR

Folgt man der offiziellen Lesart, hat das Verteidigungsministerium eine neue Veranstaltungsreihe gestartet. Unter dem Titel „Forum Besucherdienst“ sollen zukünftig regelmäßig Bürger an Gesprächsrunden mit einem prominenten Gast teilnehmen können. Besonderes Merkmal: eine Live-Schaltung in ein Einsatzland der Bundeswehr.

Das ist ein gutes Format. Und bwtv und die (teuren) Satellitenkapazitäten der Bundeswehr werden endlich sinnvoll genutzt. Loben wollte ich die Idee schon früher, denn zum ersten Mal ging bwtv bereits am 5. Mai im Bendlerblock live auf Sendung. Wenn am 17. Juni also Premiere gefeiert wurde, war der 5. Mai vermutlich die Generalprobe – um mal in der Theaterterminologie zu bleiben. So gut und richtig ich das finde, hinterlässt das Faktum, dass die Nachricht erst heute, also eine Woche nach dem Start, prominent auf der Webseite der Bundeswehr platziert wurde, einen schalen Beigeschmack. Mir ist der erneute Versuch, Minister Jung hier zu positionieren etwas zu vordergründig (selbst wenn es den Eindruck machen sollte, dass ich an allem etwas zu meckern habe).

Klare Worte?

Nach dem drei weitere Soldaten in einem Gefecht in Afghanistan getötet wurden, scheint es, als käme nun eine längst überfällige Debatte ins Rollen. Der Erste, der klare Worte fordert, ist der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe. Im Interview mit Bild.de wünscht er sich unter anderem ein Bekenntnis von Kirchen, Gewerkschaften und der Wirtschaft zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Man muss Robbe zugestehen, dass er in den vergangenen Wochen sein Amt dazu genutzt hat, hierbei in Vorlage zu gehen. Dennoch: Vor der Forderung an andere gesellschaftliche Akteure müssen zunächst die politische und militärische Führung der Bundeswehr klare Worte finden, und auch den Bundestagsabgeordneten stünde es gut zu Gesicht, wenn sie sich zu ihrer Entscheidung, deutsche Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz zu schicken, ebenso klar bekannten, wie beispielsweise die Linke diesen ablehnt.

Kampfeinsatz – mindestens

Das Gegenteil ist der Fall. Allen voran beweist Verteidigungsminister Jung, dass er die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat, und lehnt es unter anderem im ARD/ZDF-Morgenmagazin ab, das Wort Krieg zu gebrauchen. Damit beweist er – wie in seinem Interview mit der Frankfurter Rundschau im Mai dieses Jahres erneut, dass er sich mit dem damit verbundenen Diskurs entweder nicht befasst hat, oder ihn schlicht nicht versteht (Kommentar dazu hier). Stattdessen klammert sich Jung fast schon verzweifelt an den Begriff der „Vernetzten Sicherheit“. So richtig und plausibel das zu Grunde liegende Konzept inhaltlich auch ist, es sind keine klaren Worte, die daraus folgen, sondern ein hilfloses Rumgeeiere. Das ist nicht alleine Jung anzulasten, dem in der Tat abzunehmen ist, dass ihn der Tod der deutschen Soldaten wirklich betroffen macht. Genau deshalb sind jetzt sowohl in der Regierung als auch im Verteidigungsministerium die (Kommunikations) Verantwortlichen gefordert, eine neue Sprachregelung zu finden, die allen Seiten gerecht wird.

Ein Formulierungs-Vorschlag:

Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan in einem Kampfeinsatz. Das Ziel dieses Einsatzes ist es, den zivilen Wiederaufbau zu ermöglichen und abzusichern.
(Und wenn man wirklich die Diskussion von vorne führen will)
Damit ist Afghanistan ein Beispiel für das, was Experten als neue Kriege bezeichnen. Darauf müssen wir unsere Soldatinnen und Soldaten ebenso wie die Bevölkerung vorbereiten.

Warum?

Davon losgelöst muss die Politik nach wie vor eine überzeugende Begründung für den Einsatz liefern. Die Landser-Roman-Rhetorik, der sich beispielsweise die Bild bedient, ist dabei die schlechteste aller Möglichkeiten. Wenn Rolf Kleine unter der Überschrift „Ihr Tod war nicht umsonst“ kommentiert, dass der Ruf nach einem Rückzug aus Afghanistan Verrat wäre: „Verrat an den jungen Männern, die für die Sache von Freiheit und Menschenrecht im Morast von Kundus ihr Leben gelassen haben. Wenn ihr Leben und Sterben einen Sinn gehabt hat, dann ist es ein Auftrag an uns alle: nicht nachzugeben, der Fratze des Terrors nicht zu weichen.“ ist das nichts anderes als der Versuch, den Einsatz aus sich selbst heraus zu legitimieren. Die Motivation, die sich hinter solchen Worten verbirgt, ist eher Rache als Recht und folgt in der Tat der Logik, dass der Krieg sich auch in diesem Bereich selbst ernährt. Statt blumiger Formulierungen brauchen wir klare Ziele für den Einsatz, ein deutliches Bekenntnis der politisch Verantwortlichen – allen voran der Bundeskanzlerin -, eine angemessene Ausstattung der Bundeswehr und eine deutliche Stärkung der Polizeikräfte und des zivilen Wiederaufbaus in Afghanistan. Wenn das geschieht, und die Erfolge sichtbar werden (an die verlorenen Jahre bis heute darf man dabei nicht denken) werden auch andere gesellschaftliche Gruppen bereit sein, sich zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan (und wo auch immer sonst in Zukunft) zu bekennen. Ansonsten wird uns nichts anderes übrig bleiben, als das politische Versagen mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen zu bestaunen.

Bundeswehr im Einsatz – Wo sind die Bilder?

Die Zahl der Gefechte in Afghanistan steigt. Thomas Wiegold hat nachvollzogen, dass bisher insgesamt 18 Soldaten im Einsatz gefallen sind. Soldaten, die in unserem Namen und mit Mandat des Bundestages ihren Dienst in Afghanistan leisteten. Doch welches Bild machen wir uns eigentlich von diesem Einsatz? Wie schon verschiedentlich angesprochen, liegt bei der Auslandsberichterstattung der deutschen Medien, insbesondere der Fernsehsender einiges im Argen. (Eine positive Ausnahme, allerdings einen Print-Beitrag, ist der Beitrag von Jochen Zepelin in der Financial Times Deutschland vom 18. Juni). Beiträge zu Afghanistan laufen, wenn überhaupt, in der Sendeschiene ab o.30 Uhr. (Dass es anders geht, zeigen die zahlreichen Videos, die britische oder niederländische Truppen im Einsatz zeigen, auf YouTube sehr leicht zu finden. Auch der regelmäßige Blick auf Soldatenglueck.de ist hier lohnenswert.)

Kein realistisches Einsatzbild

Auch die Bundeswehr tut nicht wirklich viel, um ein realistisches Bild der Einsätze und vor allem der Gefechte zu vermiteln. Zwar ist ausdrücklich zu loben, dass im Videoarchiv auf der Bundeswehr-Webseite regelmäßig aktuelle Bewegtbilder aus Afghanistan zu sehen sind. Diese beschränken sich aber ausschließlich darauf, das Gelingen zu zeigen. Aus Sicht der Regierungs-PR mag das genügen. Sie genügen aber nicht, um der Bevölkerung einen Einblick in die Entbehrungen und Gefahren des Einsatzes zu vermitteln und auch nicht, um den Einsatz zu legitimieren. Die mangelhafte Kommunikation des Verteidigungsministeriums ist damit mit-ursächlich für die Ablehnung des Einsatzes in der Bevölkerung. Darüber hinaus verweigert das Ministerium seinen Soldatinnen und Soldaten durch das „Bilderverbot“ die dringend nötige Anerkennung – etwas, was vor dem Hintergrund der umstrittenen Äußerungen von Generalinspekteur Schneiderhan besonders nötig wäre.

Was machen eigentlich die Einsatzkameratrupps?

Eine Frage, die sich in disem Zusammenhang stellen muss: Was machen eigentlich die Einsatzkameratrupps (EKT)? Angesichts der aktuellen Beiträge der EKT auf der Webseite der Bundeswehr frage ich mich ernsthaft, was das noch mit der ursprünglich beabsichtigten einsatzbegleitenden Dokumentation zu tun hat, die sich am Vorbild der Combat Camera Teams orientieren sollte? Entweder werden die EKT falsch eingesetzt, oder ihre Bilder werden unter Verschluß gehalten. Beide Lesarten sind geeignet, das Vetrauen in die Führung der Bundeswehr zu untergraben.

Konzern Bundeswehr? – Schlüsselkompetenz Kommunikation

Folgt man der Pressemitteilung des Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV), hat Bundeswehr-Generalinspekteur anlässlich der DBwV-Bundestagung gemahnt, „die Streitkräfte müssten, wie viele andere Großkonzerne auch, Kommunikation als Schlüsselkompetenz erkennen.“

Dem ist natürlich grundsätzlich zuzustimmen, allerdings wirft diese Mahnung verschiedene Fragen auf:

– Ist die Bundeswehr ein Konzern?
– Und wenn ja, was ist sein Kernangebot? (Eine These: Ein militärischer Gewalt-Dienstleister)
– Welche Vorstellung von Kommunikation in Konzernen hat der Generalinspekteur?
– Welche Folgerungen sind daraus für die Bundeswehr abzuleiten?

In diesem Zusammenhang  bietet sich ein Hinweis auf ein gerade anlaufendes Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an. Wissenschaftler der TU Ilmenau, der TU Braunschweig und der Universität Freiburg untersuchen in einer vergleichenden Studie die Beziehungen zwischen Medien und Militär bei der Bundeswehr und den US-Streitkräften. Der Lehrstuhl von Professor Martin Löffelholz und die  diesem angeschlossene internationale Forschungsgruppe Krisenkommunikation bemühen sich schon sehr lange darum, die Bundeswehr-Kommunikation zu untersuchen. Auf Seiten des Verteidigungsministeriums war man da in der Kooperation bislang eher zögerlich (Konzerne mit einer professionellen Kommunikation sind das in der Regel nicht), aber nun sind die Beteiligten zuversichtlich, dass es hier voran geht. Insofern sollte man hier auch den Generalinspekteur beim Wort nehmen.

Was soll erforscht werden?

Im Kern soll es laut Pressemitteilung der TU Ilmenau darum gehen, die Frage zu untersuchen, wie und aus welchen Gründen  sich die Medienbeziehungen der Bun­des­wehr im Vergleich zu den US-Streit­kräf­ten von 1990 bis zur Gegenwart verändert verändert haben. Das Forschungs­vorhaben, an dem insgesamt zehn Wissenschaftler mitwirken werden, besteht zwei Teilprojekte, die in einen größeren Forschungszusammenhang zum Thema „Militär und Medien im 20. Jahrhundert“ inte­griert sind. Die DFG bewilligte dafür Forschungsmittel in Höhe von insgesamt rund 500.000 Euro.

Löffelholz, der sich seit rund 20 Jahren mit militärischem Kommunikationsmanagement und Kriegskommunikation beschäftigt, ist zuversichtlich, dass auch die Bundeswehr von diesem Projekt profitieren wird:. „Ich bin überzeugt, dass unser Forschungsvorhaben nicht zuletzt für die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium von großem Interesse sein wird – vor allem, weil die Beziehungen von Militär und Medien in diesem Umfang bisher noch nicht untersucht worden sind.“

Bärendienst

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Auch ich habe mich in meiner aktiven Dienstzeit darüber aufgeregt, dass (Offizier)Kameraden sich nach drei Tagen vom Einzelkämpferlehrgang ablösen ließen – und dennoch schnell befördert wurden oder Zuckerlehrgänge besuchen durften, sich vorgeblich nur wegen „der Kohle“ in den Auslandseinsatz begaben, oder motzten, dass sie sich an der Offizierschule am Freitagnachmittag einen Vortrag zur Ethik des Soldatenberufes anhören „mussten“. Diese und viele andere Fälle, die bei mir den Eindruck hinterlassen haben, dass hier einige nicht richtig mitziehen, sind ursächlich dafür, dass ich mich entschieden habe, andere berufliche Optionen zu verfolgen. Wer mich kennt, weiß, dass ich dabei kein Blatt vor den Mund genommen habe, diese Dinge intern anzuprechen – und mir oft genug die Zunge verbrannt habe.

Dennoch hat der Generalinspekteur mit seiner Kritik an Einsatzbereitschaft und Kommunikationsverhalten den Soldatinnen und Soldaten einen Bärendienst erwiesen, und das offensichtlich auch deshalb, dass er keine professionelle Unterstützung bzw. Beratung bei der Wahl seiner Worte hatte, denn ich kann mir nur schwer vorstellen, dass er dieses mediale Echo auslösen wollte:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,630849,00.html

http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/deutschland/?sid=i6emhe03tvbnla2ah8onsvcc00&em_cnt=1431531

http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Bundeswehr-Schneiderhan;art122,2824928

http://www.mainpost.de/nachrichten/politik/main-posttitelseite/General-rueffelt-die-Bundeswehr;art9484,5167554

http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Startseite/Artikel,-General-kritisiert-inneren-Zustand-der-Bundeswehr-_arid,1665078_regid,2_puid,2_pageid,4288.html

http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/europe/article6514742.ece

http://www.pnp.de/nachrichten/artikel.php?cid=29-24365817&Ressort=pol&BNR=0

http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article1054410/General-Viele-Soldaten-jammern-auf-hohem-Niveau.html

Oder etwa doch?

Udpate: Schneiderhan macht es sich zu einfach

Das Redemanuskript Schneiderhans ist hier veröffentlicht. Obwohl er hier den Kontext natürlich weiter fasst, bleiben die Aussagen zum „Rundum-Wohlfühlangebot“ für mich sehr problematisch – und zwar grundsätzlich, nicht nur, weil sie in der Berichterstattung bevorzugt herausgegriffen wurden.

Ein anderes Argument der Rede muss ebenfalls zum Nachdenken anregen. Schneiderhan sagt: „Der andere Punkt, der mich mindestens so beschäftigt, hat mit der Kommunikationsstruktur oder Kommunikationskultur in der Bundeswehr zu tun. Gespräch, Meldung oder Beschwerde auf den Ebenen, wo der Mangel entsteht und wo die Instrumente zur raschen Abstellung zur Verfügung stehen, scheint nicht überall gut zu funktionieren und deshalb die Hinwendung ans Parlament oder die Öffentlichkeit. Wenn der Wehrbeauftragte in diesem Zusammenhang von Vertrauensverlust redet, muss das für uns mehr als ein Wecksignal sein.“ Im Klartext: Schneiderhan sieht es als Defizit an, wenn sich Soldaten an die Öffentlichkeit wenden und möchte Probleme intern lösen. Dieser Reflex ist aus Konzernen und Großorganisationen aller Coleur bekannt, aber unter den Bedingungen einer modernen Mediengesellschaft einfach anachronistisch.

Damit man mich nicht falsch versteht: Als (Reserve)Offizier bin ich ein Freund klarer Worte und auch überzeugt, dass die meisten Probleme des militärischen Alltags intern gelöst werden können. Allerdings habe ich schon sehr früh in meiner Dienstzeit erfahren (müssen), dass auch die Institution des Wehrbeauftragten nicht zwingend auf Seiten der Soldaten steht. (Dass ich es dennoch als SaZ12 zum Enddienstgrad gebracht habe, mag als Indiz dienen, dass diese Beschwerde nicht meinem renitenten Charakter geschuldet war.)

Die eigentliche strategische Herausforderung ist unter anderem die Frage, wie sich die Bundeswehr unter den Bedingungen der Mediengesellschaft führen lässt. Die Antworten, die die Bundeswehr bislang anbietet, sind alles andere als überzeugend.

Schneiderhan macht es sich zu einfach

Wenn die aktuelle Berichterstattung, beispielsweise in Bild.de und Zeit online den Tenor eines Vortrages von Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan beim Jahresempfang des Wehrbeauftragten der Bundesregierung richtig wiedergibt, macht er es sich zu einfach. Angeblich kritisiert Schneiderhan die mangelnde Einsatzbereitschaft von Soldaten, und führt als Beispiel u.a. Beschwerden über mangelhafte Ausrüstung wie beispielsweise ungeeigneter Schlafsäcke für den Kongo-Einsatz an, die zwar von medialem Interesse sei, aber „keine parlamentarische Betroffenheit auslösen“ sollte, so Zeit online.

Mit einer solchen Aussage, so sie denn richtig wiedergegeben ist, zieht Schneiderhan – übrigens in der selben medialen Logik – die tatsächlichen Sorgen der Soldatinnen und Soldaten ins Lächerliche und liefert den „mehreren hundert Gästen aus Politik, Bundeswehr, Wirtschaft und Gesellschaft“ quasi frei Haus ein Alibi, um sich wie bisher einer grundsätzlichen Debatte über Sinn und Zweck sowie konkrete Ausgestaltung der Auslandseinsätze der Bundeswehr zu entziehen. Beschwerden über ungeeignete Schlafsäcke sind so alt, wie die Bundeswehr. Erhebliche private Ausgaben von Soldatinnen und Soldaten für bessere Ausrüstung ebenfalls (man braucht dazu nur die wachsende Zahl von Anbietern militärischer Ausrüstung nachvollziehen. Beides sind aber nur Symptome einer wachsenden Unzufriedenheit damit, dass es keine starke Stimme in der Öffentlichkeit gibt, die sich das Anliegen der Soldatinnen und Soldaten zu eigen macht. Es wäre bedauerlich, wenn nun auch der Generalinspekteur auf die technokratische und teilweise deligimitierende Richtung der politischen Führung des Verteidigungsministeriums einschwenkte.

Nachtrag:

Stephan Löwenstein bloggt auf Faz.net, dass Schneiderhan gesagt habe, dass es ein „Überangebot an Kümmerern“ gebe, die den Soldatinnen und Soldaten einen „Fluchtweg aus der eigenen Verantwortung“ anböten. Löwenstein bewertet diese Aussage als etwas für ihn Unangenehmes, erkennt also die Medienschelte darin und hält sie also für richtig?

Wie dem auch sei: In einer Parlamentsarmee kann es gar nicht zu viele geben, die sich versuchen, um die Belange der Soldatinnen und Soldaten zu kümmern. Es kann aber zu viele geben, die das aus fragwürdigen Motiven tun, und zu viele, die erkennbar nicht wissen, wovon sie sprechen und schreiben.

Werbung selbstgemacht

In Zeiten von User Generated Content ist ja alles erlaubt. Ob es auch sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Einen aktuellen Beweis dafür liefert unter anderem die Führungsakademie der Bundeswehr. Dort hat sich offensichtlich der Nationale Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst in einem Seminar mit der Kommunikation der Luftwaffe beschäftigt. Aufgabe war es „Möglich­keiten zur Dar­stellung der Relevanz von Luft­macht in lauf­enden und künf­tigen Einsätzen“ aufzuzeigen.

Nun ist es natürlich grundsätzlich erfreulich, dass ein solches Thema auf dieser Ebene Beachtung findet. Das Ergebnis weckt allerdings nachhaltige Zweifel daran, dass damit das Ausbildungsziel, „den Offizier zu befähigen, Aufgaben im Generalstabs-/Admiralstabsdienst (…) kritisch-reflexiv, selbständig, verantwortlich und kompetent wahrzunehmen.“ erreicht wurde.

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Nicht das Motiv an sich ist es, dass die vorgenannten Zweifel weckt, denn mittlerweile hat vermutlich schon jeder von uns mal beim Bier überlegt, wie Werbung für seine Lieblingsmarke aussehen könnte. Nichts also gegen die intellektuelle Lockerungsübung an sich. Wirklich problematisch ist aber, dass die zukünftigen Generale und Admirale der Bundeswehr nicht über die Form der Werbung selbst hinauskommen und das auf den Seiten der FüAk auch noch für alle sichtbar dokumentieren. Die eigentliche Kommunikationsaufgabe der Luftwaffe ist nicht, den Mangel an Emotion zu überwinden, sondern die strategischen Defizite in der Legitimation ihrer Einsätze abzubauen. Die lassen sich nicht mit Postern überkleben.