Militärisches Greenwashing = Agendasetting 2.0?

Startseite www.bundeswehr.de vom 31.5.2007

Es ist schon bemerkenswert. Unter den Themen, die momentan die deutschen Schlagzeilen beherrschen – einen ästhetisch und inhaltlichen Überblick auf Basis der google news gibt es hier – liegen u.a. G8, Doping und der ein oder andere Krieg ganz vorne.

Gute Gelegenheit, mal einen Kontrapunkt zu setzen, mögen sich die Verantwortlichen von Bundeswehr.de da gedacht haben. Unter der Überschrift Der Umwelt verpflichtet beschreibt die Redaktion aktuell, dass auch das Militär am 5. Juni den Internationalen Tag der Umwelt begeht. Gleich darunter ein Bericht einer 9. Klässlerin, die zwei Wochen lang die – hoffentlich emissionsarme – Luftwaffe besucht hat. Und wo Kinder sind, dürfen Tiere nicht fehlen, weshalb Fallschirmjäger Rex im Blickpunkt zu Wort kommt. „Wau“ kann man da nur sagen, und den Hut ziehen vor der Themensicherheit der militärischen Kommunikationsmanager.

Oder eben woanders Interessantes lesen. So beispielsweise bei Thomas Wiegold, der einen Artikel in der Volksstimme Magdeburg gefunden hat. Dort, also in Magdeburg, zieht sich die Bundeswehr am 1. Juni aus der Öffentlichkeit zurück, um junge Staatsbürger geloben zu lassen, die Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Begründet wird der Rückzug mit Bedenken wegen der angespannten Sicherheitslage. Die Volksstimme zitiert Fregattenkapitän Rüdeger Schomburg, Vizekommandeur des Burger Logistikregiments mit den Worten „Da wollen wir nicht zusätzlich Öl ins Feuer gießen.“ Aus umweltschutztechnischen Gründen (s.o) ist diese Metapher natürlich brillant. Inhaltlich aber eher schwach, denn die, die sich mit der inneren Sicherheitslage auskennen, befürchten keine Gefährdung.

Aus der Vogelperspektive betrachtet, kann man hier fast schon eine Strategie erkennen. Ein geplantes Ehrenmal verstecken wir auf dem Gelände des Ministeriums, unsere Rekruten verstecken wir hinter den Zäunen ihrer Kasernen, und die gesamte Institution hinter Bildern von Bäumen, Kindern und Tieren. In der PR nennt man das u.a. Greenwashing. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es diese Strategie schon bis in die Spitze der deutschen Streitkräfte geschafft haben soll, oder?

Woran denken wir?

Den Versuch, eine Diskussion abzuwürgen, die gerade erst entsteht, ist sicherlich kein schlechter Anlass, um die ersten Schritte in die Blogosphäre zu wagen. Selbst wenn der eigentliche Anlass eher heikel ist. Es geht um das Bundeswehrehrenmal.
Die Diskussion für beendet erklären möchte u.a. Christian Thiels im tagesschau-Blog.

Dem widerspricht – wie ich finde zu Recht – Thomas Wiegold.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir (als Gesellschaft) der im Einsatz getöteten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gedenken wollen. Und eigentlich ist diese Formulierung schon ungenau. Geht es nur um die Soldatinnen und Soldaten, oder auch um die anderen Angehörigen der Bundeswehr? Geht es nur um die von anderen im Kampf Getöteten, oder auch um diejenigen, die bei Unfällen sterben? Und wollen wir dieser Menschen nur gedenken, oder sie – wie der Begriff Ehrenmal nahelegt – ehren? Oder ist Gedenken bereits ehren, und ehren wir dann auch solche, die sich eventuell gar nicht ehrenvoll verhalten haben?

Man mag diese Einwände für zu theorielastig halten, aber dann möge man sie bitte schnell und pragmatisch vollständig beantworten. Genau weil das so leicht nicht möglich sein wird, besteht Diskussionsbedarf.

Wie verkürzt Herr Thiels argumentiert, zeigt u.a. sein Verweis auf das Vietnam-Memorial, wenn es um die Frage einer namentlichen Nennung der Toten geht. Eventuelle Sorgen von Angehörigen bescheidet er damit, dass dies in den USA auch nicht problematisiert wurde. Dabei vergisst er, dass das Vietnam-Memorial zum Gedenken an einen vergangenen, abgeschlossenen Krieg errichtet wurde, das Ehrenmal der Bundeswehr aber auch in die Zukunft gerichtet ist. Außerdem gab und gibt es sehr wohl Diskussionen darum, wie schon bei einer einfachen Wikipedia-Recherche deutlich wird.

Die bislang überzeugendste Argumentationskette liefern für mich diejenigen, die den Standort des Denkmals aus dem Status der Bundeswehr als Parlamentsarmee ableiten wollen. Ein Denkmal, das vor dem Reichstag steht, ist zweierlei: Erinnerung und Mahnung zugleich. Diese doppelte Bedeutung könnte auch die Tradition einer modernen Erinnerungskultur begründen, die gleichermaßen zivile wie militärische Züge trägt. Diese könnte genau die Schnittstelle markieren, an der die Bundeswehr entstanden ist, und die auch heute noch ihr Alleinstellungsmerkmal unter den Streitkräften der demokratischen Staaten ist. Denn die Bundeswehr ist eben nicht die Armee des Verteidigungsministers bzw. der Regierung, sondern die des deutschen Volkes, dessen Vertreter im Reichstag über ihren Einsatz entscheiden. Und weil diese Einsätze weltweit stattfinden, und die Entscheidungen in fast allen Fällen ohne genaue Kenntnisse der Lage vor Ort fallen müssen, ist ein Ort, der zum Denken anregt in unmittelbarer Nähe der politischen Entscheidungen genau der richtige.