Strategische Narrative

Im Oktober finden an der Universität Aarhus die 2. Internationale Konferenz der Reihe „Crisis Communication at the Beginning of the 21st Century“ statt. Auftaktveranstaltung war eine Konferenz vor zwei Jahren, die die internationale Forschungsgruppe Krisenkommunikation, bei der ich als assoziiertes Mitglied registriert bin, an der TU Ilmenau organisiert hatte. Die Konferenz in Aarhus steht unter dem Motto „Communicating Crisis in an Age of Complexity“ und komplex sind die Zeiten, in denen wir leben sicherlich.

Welche Rolle Kommunikation spielt, wenn es darum geht, Komplexität zu erzeugen und zu reduzieren, und welche Möglichkeiten Organisationen und Unternehmen haben, damit umzugehen, ist eines der zentralen Themen des Bendler-Blogs. Um darüber auch einmal aus einer wissenschaftlichen Perspektive nachzudenken, habe ich bei den Veranstaltern ein Abstract (Kurzversion) für einen Aufsatz eingereicht. Dieses Abstract wurde – anonym – von den Veranstaltern begutachtet und angenommen. Das freut mich sehr, heißt aber auch, dass die Arbeit jetzt erst richtig losgeht.

Der Titel des Aufsatzes ist “Breaking News – Crisis as peripety in Strategic Narratives”, was übersetzt heißt: Krise als Handlungswendung in strategischen Narrativen. Die Idee dahinter ist, dass jede Organisation, jedes Unternehmen aus Sicht der Kommunikation auf einer strategischen Erzählung gründet, die für ihre Bezugsgruppen einen zentralen Referenzpunkt bildet. So lange das Publikum dieser Erzählung vertraut, können Unternehmen und Organisationen auch kritische Phasen überstehen. Eine echte, fundamentale Krise ist dagegen durch eine abrupte Wendung (Handlungswendung) gekennzeichnet. Solche Peripetien oder Plot Points kennen wir zur Genüge aus dem Theater oder dem Film. Als Stilmittel geben sie dem Drehbuchautor die Möglichkeit, die Dramaturgie und Dynamik der Erzählung zu gestalten. Während das Publikum diese Spannung bei fiktionalen Formaten häufig goutiert, reagiert es auf entsprechende Entwicklungen im „wirklichen“ Leben ambivalent bis ablehnend. Und weil zu diesem Publikum im Falle von Unternehmen und Organisationen nicht nur externe Beobachter zählen, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist es nicht weiter verwunderlich, dass echte Krisen ein hohes Maß an Kommunikationsstress auslösen und gleichermaßen die Unternehmensführung wie ihre professionellen Beobachter in Alarm versetzen. Aus den „News“, den Nachrichten, werden „Breaking News.“ Derer gibt es zwar nicht so viele, wie der inflationäre Gebrauch des Begriffs nahelegt, aber einige gibt es schon.

Die Kunduz-Bombardierung – eine echte Krise?

Ich werde beispielsweise versuchen, für die Konferenz in Aarhus nachzuzeichnen, warum die Bombardierung in Kunduz im Jahr 2009 in der deutschen Öffentlichkeit eine so große Resonanz fand. Grundsätzlich sollte es ja nicht weiter verwunderlich sein, dass Militär militärische Gewalt einsetzt. Dennoch war die tatsächliche und mediale Erregung in Deutschland erstaunlich groß. Meine Hypothese: Weil das strategische Narrativ der Bundesregierung darauf abzielte, den Afghanistan-Einsatz der Bundewehr als quasi nicht-militärische Friedensmission zu kennzeichnen, stellte der Einsatz von Bomben in Kunduzaus kommunikativer Sicht den größtmöglichen Gegensatz zu dieser Erzählung dar, eine echte „Breaking News“ also.

Das Pentagon forscht bereits

Auch an anderer Stelle befasst man sich mit strategischen Narrativen. Die Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa) untersucht im Auftrag des Pentagon die Mythen und Erzählungen der al-Quaida. Einen guten Überblick zu dem Projekt STORyNET bietet ein Beitrag auf Zeit Online. In Deutschland bzw. im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministerium ist mir kein vergleichbares Projekt bekannt. Einzig Natascha Zowislo-Grünewald, Professorin für Unternehmenskommunikation an der Universität der Bundeswehr in München, greift meines Wissens entsprechende Ansätze auf. Ein spannendes Feld, von dem wir Kommunikatoren sicher noch einiges zu erwarten haben, zumal es sich deutlich von den unter dem Begriff „Storytelling“ etablierten Kommunikations- und PR-Strategien unterscheidet, bei denen es viel zu oft darum geht, unangenehme Sachverhalte in Geschichten zu verpacken, in der vagen Hoffnung, das Publikum würde sie so leichter hinnehmen. Auch hier zeigt der Afghanistan-Einsatz übrigens, dass dies allenfalls eine Strategie mittlerer Reichweite ist.

re:sonance

Ostern steht vor der Tür. Eine gute Gelegeheit, um freundlich zu sein – auch zu uns selbst. Wie regelmäßige Leserinnen und Leser des Bendler-Blogs wissen, durften Thomas Wiegold und ich eine Session auf der re:publica gestalten. Was mich beeindruckt hat, ist, wie aktiv unser Publikum die Chance ergriffen hat, mitzumachen. Ihr habt mir den Tag gemacht, wie der Engländer sagt (You made my day!).

Auch die Resonanz in der Online-Welt freut mich sehr. Natürlich sind Thomas und ich keine Lobos, keine Duecks und keine Kruses. Aber die Vanity Search, also die eitle Suche nach einem selbst, zeigt, dass doch einige etwas mitgenommen haben. Und legt man über diese Funde die 90-9-1-Regel von Jakob Nielsen, dann danke ich Euch nochmals für die sensationelle re:sonanz.

Danke an:

– Fefe, der sich über eine Konferenz amüsiert „wo ein Bundeswehr-PR-Mensch zusammen mit jemandem vom „Focus“ einen Stuxnet-Vortrag halten darf.“

– Konni, der unseres zu den „Guten Panels“ der großen, bunten re:publica-Show 2011 zählt.

– die Kaltmamsell, die Thomas und mich zu den „beiden großen deutschen Militärbloggern“ ernennt, und ihre GEZ-Gebühren gerne für uns eingesetzt sähe.

– Catharina, die unsere Session auf dem Boden sitzend begleitete und uns – wie viele andere – ihre Mittagspause schenkte.

– Alexander, der eine Erkenntnis genau auf den Punkt bringt, dass „die Gesellschaft (…) heute einen Anspruch auf Transparenz (hat)“, und, dass „diese veränderten Bedürfnisse und Ansprüche (…) gestaltet und nicht bekämpft werden (müssen)“.

Und natürlich auch Danke an Carmen, deren Wortschatz im Wortsparschwein wir bereichern durften.

Oder, um es im Stil von Johnny Haeusler zu sagen: „You rock!“

Google ist ein Arsch. Und dumm.

Der Kreis der deutschen Blogs, die sich mit militärischen Themen befassen, ist überschaubar. Sehr überschaubar. Außer für Google. Google hat da keinen Durchblick. Woran das liegen kann, habe ich am Rande der re:publica von Michael Domsalla gelernt. Der sagte mir: „Kompliziertes löst man mit Technik oder Intelligenz, Komplexes mit Erfahrung.“ Google ist jung und dumm und hochintelligent und technisch spitze. „Don´t be evil“ ist der Schutzzauber, den die Gründer über ihr Werk gelegt haben. Manchmal wünsche ich mir, sie hätten einen zweiten Zauberspruch benutzt: „Don´t be stupid.“ Seit Forrest Gump wissen wir, dumm ist nur, wer Dummes tut. Und das hat Google.

Sie haben dem Kollegen Thomas Wiegold auf sein Ansinnen, sein Blog „Augen geraderaus!“ in Google News zu führen, geschrieben: „Wir haben Ihren Antrag erhalten und können diese Quelle derzeit nicht in Google News aufnehmen. Wir nehmen keine Seiten auf, die lediglich von einer einzelnen Person geschrieben und verwaltet werden. Wir nehmen derzeit nur Artikel von Quellen auf, die als Organisation angesehen werden. Diese sind durch mehrere Autoren und Redakteure, Informationen über das Unternehmen und zugängliche Kontaktinformationen gekennzeichnet.“

Dagegen führ Google News unter anderem den Blog „Soldatenglück“, der sich vor allem dadurch auszeichnet, Inhalte von anderen Medien zu übernehmen, statt eigene Geschichten (von Nachrichten ganz zu schweigen) zu veröffentlichen. (Außerdem frage ich mich, ob bei Soldatenglück schon mal das Thema Urheberrechte thematisiert wurde, während bspw. gleichzeitig die FAZ gegen die Perlentaucher zu Felde bzw. vor Gericht zieht. Und ja, warum Soldatenglück meine Kommentare löscht frage ich mich auch. Nur um mal hier eine Privatfehde offenzulegen.)

Wie dem auch sei. Googel ist ein Arsch, weil es den Kollegen Wiegold so dämlich abmeiert, und es ist dumm, weil es nicht auf die Qualität und Originalität der Inhalte achtet.

Warum dienen? – Und was das mit Behördenkommunikation zu tun hat

„Wir brauchen eine Debatte über die Rolle der Bundeswehr in der Gesellschaft.“ So überschreibt der Deutschlandfunk das sehr lesenswerte Interview der Woche mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière vom 17. April 2011. Mit Blick auf die Rolle dieser Gesellschaft sagt er unter anderem: „Wir können noch so gute Werbebroschüren schreiben, wir können noch so gut ethisch begründen, warum man Soldat werden soll, wir können noch so gut bezahlen, wenn Freunde und Eltern und Arbeitgeber sagen, Junge oder Mädchen, geh da nicht hin, dann wird es keinen Erfolg haben. Wenn wir noch so gut Staatsbürger in Uniform sein wollen und uns der Gesellschaft öffnen und die Gesellschaft zeigt uns als Bundeswehr die kalte Schulter, dann wird die Neuausrichtung der Bundeswehr nicht gelingen.“ Und er hat Recht damit. Allerdings ist er dabei auf die Innensicht der ihn umgebenden Blase seines Ministeriums beschränkt. Genau das aber markiert eine der bislang ungelösten strategischen Probleme der Bundeswehr: sie weigert sich systematisch, sich selbst zu beobachten, was wiederum dazu führt, dass sie sich von der Gesellschaft entkoppelt.

Offenbar wird dies exemplarisch an Antworten, die – der Presse- und Informationsstab spricht nicht mit Bloggern – vom Streitkräfteamt InfoService Bürgeranfragen auf meine Fragen zur Nutzung von sozialen Netzwerken im Internet bekomme. „Das BMVg nimmt die von Ihnen angesprochenen und vergleichbare Aktivitäten auf Plattformen der multidirektionalen Meinungsbildungsmedien im Internet mit Interesse zur Kenntnis, sind dies doch nach derzeitiger Bewertung Medien, die als Informationsmedien für eine regierungsamtliche Informationsarbeit nicht optimal geeignet sind.“ Das genau ist das Problem. Informationsarbeit, so wie sie das Ministerium versteht, ist alles, nur nicht geeignet, um eine Debatte anzustoßen. Im Gegenteil: Sie verhindert die Debatte.

Dass Bürgerinnen und Bürger aber genau daran interessiert sind, hat mir – erneut – die Session, die ich gemeinsam mit Thomas Wiegold auf der re:publica veranstalten durfte, gezeigt. Mit sehr klugen und interessierten Fragen hat das Publikum einen, wenn nicht gar den wesentlichen Beitrag geleistet, damit wir mit unserem Vortrag eines der zentralen Ziele erreichen konnten: Wir sind mit mehr Fragen aus der Session gegangen, als wir mit hinein genommen haben. (Einen ausführlicheren Bericht, der auch auf die Fragen der Leser dieses Blogs eingeht, schreibe ich später.)

In diesem Sinne ist es sicherlich nicht unangemessen, wenn ich die Forderung de Maizière umdrehe und sie gleichwertig neben seine stelle: „Wir brauchen eine Debatte über die Rolle der Gesellschaft in der Bundeswehr.“ Eindrücklich macht dies ein Fundstück deutlich, das Thomas Wiegold ausgegraben hat. Ein Brief des Kreiswehrersatzamtes an einen wehrpflichtigen Staatsbürger. Es ist ein Dokument des Scheiterns. Und wer bislang dachte, die von einer Agentur zu verantwortenden Werbemaßnahmen seien schlecht (was sie sind), dem wird nun vor Augen geführt, dass es auch noch schlechter geht. Insofern hat der Minister auch unrecht mit seiner Aussage, die Bundeswehr können noch so gute Werbebroschüren schreiben, denn offenkundig kann sie ja noch nicht einmal das.

Brief des Kreiswehrersatzamtes an einen Wehrpflichtigen

Behördenkommunikation (digital) gestalten

Unbeabsichtigt setzt dieser Brief einen fast schon ironischen Kontrapunkt zu einer anderen Veranstaltung der Bundeswehr. Zum zweiten Mal lädt die Akademie für Information- und Kommunikation der Bundeswehr (AIK) zur Govermedia nach Strausberg ein. Als Leitthema haben die Macher in diesem Jahr das Motto „Behördenkommunikation digital gestalten – Optimierung von Inhalten, Strukturen und Anwendungen“ gewählt, und es wäre nicht nur ein Leichtes, sondern dringend geboten, an vorstehendem Brief zu analysieren, welche Defizite bei der Bundeswehr bei Inhalten, Strukturen und Anwendungen bestehen – und zwar nicht nur digital sondern analog. Das wäre eine mindestens ebenso ergiebige Session, wie auf der re:publica.

Was davon unabhängig bei der für dieses Jahr geplanten Govermedia erfreulich ist: Die Veranstalter haben wesentliche Impulse, die unter anderem ich im Vorfeld (und auch im Nachgang) der Auftaktveranstaltung gegeben haben, aufgegriffen. So gibt es Programmschwerpunkte bei Strategien und Konzepten sowie Technologie und außerdem will man die Nutzer in den Fokus nehmen. Klasse finde ich das Angebot, die vorgeschlagenen Themen in einem Forum zu diskutieren und neue Themen vorzuschlagen, wobei das verwendete Captcha-Tool mich bei der Anmeldung an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Absolut ernüchternd – auch für die Veranstalter – dürfte dagegen sein, dass bislang noch niemand die Möglichkeit, sich einzubringen, wahrgenommen hat. Vor allem, weil die Kernzielgruppe – so war es zumindest im vergangenen Jahr – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Behörden inklusive der Bundeswehr sind. Haben diese eventuell gar kein Interesse an einer Debatte? Manche Antwort aus dem Ministerium (s.o.) legt diese Vermutung nahe.

Bewegende Worte und Fragen zum redaktionellen und kommunikativen Selbstverständnis der Bundeswehr

Ein Tweet machte mich aufmerksam auf eine Rede, die der Schauspieler Gregor Weber, u.a. bekannt als Tatort-Kommissar und Stephan Becker (der Sohn des Übersaarländers Heinz Becker aka Gerd Dudenhöfer), hielt. Die Bundeswehr berichtete davon auf ihrer Webseite. Was daran seltsam ist: Der Redakteur schreibt zwar, dass dies ein Auszug aus einer viel beachteten Rede sei, verschweigt aber, wann, wo und aus welchem Anlass Weber die Rede hielt und teilt den Leserinnen und Lesern auch nicht mit, wer diese Rede denn vielbeachtete und was denn außer dem Auszug noch darin gesagt wurde. Warum?

Mangelnde Sorgfalt, schlechte Ausbildung, oder bewusstes Verschweigen? Die Antwort kennt nur der Redakteur.

Die eigentliche Nachricht aber ist ganz einfach, und die Rede ist aller Beachtung wert, die sie bekommen kann. Weber hielt sie am 3. April auf dem PTBS-Infotag in Berlin, organisiert vom Reservistenverband. Die Rede ist hier nachzulesen. Es lohnt sich.

Interessant ist dabei – es geht schließlich um Anerkennung -, eine Passage, in der Weber explizit auf den Einsatz von Soldaten der Luftlandebrigade 26 in Afghanistan eingeht. Also genau der Soldaten, deren Begleitung durch ein professionelles Kamerateam der Presse- und Informationsstab des Bundesverteidigungsministeriums trotz verbindlicher Absprachen in letzter Minute gestoppt hatte – und damit genau das verhinderte, was auch Weber zu Recht in seiner Rede forderte: Anerkennung. „Denn sie sind unsere Soldaten.“ Offenbar aber nicht die Soldaten des Presse- und Informationsstabes bzw. einzelner Akteure darin. Bedauerlich.

re:publica 2011: x – 7 für Ihre Fragen zu „Krieg im Netz“

Der ein oder andere wird es bereits mitbekommen haben. Thomas Wiegold und ich dürfen auf der re:publica XI eine Session zum Thema „Krieg im Netz“ gestalten. Worum es uns dabei vor allem geht, ist, interessante, spannende und erhellende Fragen zu formulieren, denn Erkenntnis endet nicht mit einem geschriebenen Text, einem Vortrag oder einer Session auf der re:publica – sie beginnt dort!

In diesem Sinne freue ich mich sehr, wenn Sie/Ihr uns möglichst viele Fragen stellt. Hier im Blog, und kommenden Freitag in Berlin.

Zur thematischen Orientierung füge ichhier noch den Text ein, mit dem wir die Session beschrieben haben:

Krieg im Netz – Stuxnet, WikiLeaks und Bloggen von der Front

Wie das Netz die Sicherheitspolitik verändert

Das Internet hat nicht nur eine militärische Vergangenheit (ARPANET) sondern auch in Gegenwart und Zukunft spielt das Internet bei Fragen der inneren und äußeren Sicherheit eine zentrale Rolle. Im militärischen Kontext wird die Nutzung offener und geschlossener Netzwerke zur eigenen Operationsführung zunehmend wichtiger.

Mit Blick auf den gesellschaftlichen Diskurs spielen vor allem inhaltliche Aspekte eine zentrale Rolle. Akteure in Kriegen und Krisen versuchen gezielt, Medien zu nutzen, um ihre Ziele durchzusetzen. Gleichzeitig können heute Soldaten quasi live von der Front bloggen, und das Netz bietet zivilgesellschaftlichen Akteuren die Chance sich gegenüber staatlicher Kommunikation und den klassischen Medien zu emanzipieren.

Ziel des moderierten Panels ist es, das vorstehend skizzierte Spannungsfeld zu vermessen und gemeinsam mit dem Publikum eine möglichst umfassende Fragensammlung zu erstellen und erste Antworten/Hypothesen entlang der folgenden Leitfragen zu entwickeln.

– Cyberwar, wie empfindlich ist das Netz?
– Medienkrieg, wie empfindlich sind Gesellschaften? (inkl. Politik und Wirtschaft)
– Der Mensch im Krieg, wie empfindlich ist das Individuum?

Abschließend noch eine Empfehlung zum Thema Cyberwar. Dazu wird Sandro Gaycken ebenfalls am Freitag unter dem Titel „Cyberwar und seine Folgen für die Informationsgesellschaft“ halten.

Zu viele Köche in der militärischen Social Media-Küche?

Achtung, ich werde Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt desillusionieren. Bei all den größeren und kleineren Geschichten, die sich um das Militär ranken, ist die wohl größte Lüge oder Täuschung, die Annahme, dass es dort ordentlich zugehe. Ordentlich in dem Sinne, dass es streng organisiert sei, und dass man, um etwas zu bewirken, nur etwas befehlen müsse. Oder, dass dort straff geführt werde. Vergessen Sie es. Es ist mehr Bienenstock oder Ameisenhaufen, mit dem Unterschied, dass wir uns bei den Bienen und Ameisen noch einreden können, dass dort eine phantastische Koordinationsleistung erfolge.

Beim Militär ist das anders. Es ist permanter Versuch und Irrtum, gekleidet in Uniform, die bei vielen die Illusion auslöst, dort geschehe etwas geplant. Dem ist nicht so. Militär ist eine gewaltige Inszenierung. Näher an absurdem Theater als an abstrakter Kunst. Letztere ist nämlich streng logisch und zentral gesteuert – durch das Gehirn des Künstlers.

Warum ich das sage? Der ein oder andere mag mit dem Begriff „Gefecht der verbundenen Waffen“ noch etwas anfangen können. Mancher kann sich sogar unter „Joint Combined Operations“ etwas vorstellen können. Deren Quintessenz, ist auch für Zivilisten verständlich: Zusammen geht es besser. In der Kommunikationsbranche nennen sich die Äquivalente „Integrierte“ oder „Orchestrierte Kommunikation.“ Ganze Agenturen greifen das auf, um ihre Marke damit aufzuladen. Da gibt es „The Orchestra of Ideas“ oder die „Föderation der Ideen.“

Nun lösen sich ja bekanntlich in der Medienwelt derzeit die altbekannten Strukturen auf, wegen dieses Internets. Und, wie es scheint, führt das auch bei der Bundeswehr zu Zerfallserscheinungen. Wie ich darauf komme? Nun, es gibt einige Indizien, die ich hier mal in der gebotenen Zurückhaltung ansprechen möchte:

– So soll die Akademie für Information und Kommunikation der Bundeswehr bis zum Jahresende eine Konzeption für die Nutzung sozialer Netzwerke durch die Bundeswehr erarbeiten. (Randbemerkung: Das heißt also auch, dass bspw. der YouTube-Channel der Bundeswehr ohne Konzept betrieben wird? Das erklärte so einiges.) Dazu hat sich die AIK angeblich sogar durch einen Offizier aus der Truppe für Operative Information verstärkt.

– Im Einsatzführungskommando tut seit neuestem ein Social Media-Offizier Dienst.

– Die Personalwerber sollen, so der Abschiedsbrief des ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg, die sozialen Netzwerke ebenfalls nutzen, um jungen Menschen den Weg zur Bundeswehr zu ebnen.

– Die von der Bundeswehr beauftragte Media-Agentur soll ebenfalls eine Studie zu dem Thema erstellen bzw. erstellt haben, weiß davon aber nichts.

– In den Teilstreitkräften haben – teilweise schon seit Jahren – kluge Köpfe seitenweise Papier zu diesemThema schwarz gemacht, und auch im Ministerium dürften einige daran arbeiten.

– Fragen dazu, wie die Bundeswehr mit verschiedenen Gruppen auf Facebook umgeht, die sich einen halb-offiziellen Anstrich geben, beantwortet der Presse- und Informationsstab nicht, bzw. nicht direkt. Wenn ein Blogger sie stellt, bekommt er mit einiger Verspätung elektronische Post aus dem Streitkräfteamt vom InfoService Bürgeranfragen, der praktischer Weise im Haus der Informations- und Medienzentrale sitzt.

Mein Appell: Sprecht doch mal miteinander. Vielleicht sogar in einer geschlossenen Facebook-Gruppe. Es hilft. Wirklich! Und es tut auch gar nicht weh. Und vielleicht erbart sich ja auch mal jemand im Ministerium, den ganzen Köchen in der militärischen Social Media-Küche etwas Führung angedeihen zu lassen. Ich weiß, einige von ihnen sind wirklich gut, und es würde mich sehr freuen, wenn es bald einen Chefkoch gäbe, der sie nicht dauernd bei ihrer Arbeit behindern würde.

Derweil etablieren wir Zivilisten eine freiwillige Expertenkommission. Wir nennen Sie: AKSR – Arbeitsstab Kommunikations-Strukturreform.

Nachwuchswerbung: Online-Avertorial bei bild.de

Advertorials, das sind in der Regel die Werbemittel, die man einsetzen muss, wenn man eine Geschichte erzählen will, die niemanden interessiert. Zumindest nicht bei Medien, die ihre redaktionelle Arbeit ernst nehmen. (Dass dies nicht bei allen Medien der Fall ist, dokumentiert aktuell die taz , deren Redakteur gezielt nach den Möglichkeiten für Schleichwerbung recherchierte unf vielfach fündig wurde).

Es wundert also nicht, dass sich auch die Bundeswehr Advertorials bedient, denn die Kommunikationsverantwortlichen tun sich in der Regel schwer, interessante Geschichten zu erzählen. Mehr noch: Sie setzen in der Regel alles daran, zu verhindern, dass Soldatinnen und Soldaten ihre Geschichte erzählen, wie das beispielsweise im auch hier schon vielfach verlinkten Projekt „A Year at War“ der New York Times geschieht. Einer, der es dennoch regelmäßig und mit zunehmender Reichweite tut, ist Marco Seliger, Chefredakteur von loyal, dem Magazin des Reservistenverbandes. Als freier Autor arbeitet er unter anderem auch für die FAZ, die seinen Berichten aus Afghanistan mittlerweile die Reichweite verschafft, die den Texten und den darin portraitierten Soldaten angemessen ist.

Im Rahmen der auch hier kontrovers diskutierten Kampagne der Bundeswehr zur Nachwuchswerbung, ist nun ein Online-Advertorial bei bild.de gestartet. Und, um das Urteil vorweg zu nehmen: Es ist ganz ordentlich geworden – aber auch nicht mehr. Wie bei einem Advertorial üblich, simuliert es das redaktionelle Umfeld des Trägermediums. Leider – und das passiert häufig, wenn man sich die Werbefläche kauft – scheitern die verantwortlichen Texter daran, das journalistische Niveau der Bild-Redakteure zu erreichen. Bemüht und etwas leblos, behördlich also, stellen die Werber verschiedene Jobprofile vor.

Was auffällt: Geschossen, gekämpft oder gar getötet wird bei dieser Bundeswehr nicht. Stattdessen: „Die Tätigkeit des Scharfschützen gliedert sich auf in Annäherung an ein Objekt, das Beobachten und Aufklären mit dem Ziel der Schussabgabe.“

Positiv zu vermerken: Der Einsatz wird thematisiert. Negativ daran: Nicht die Einsatzrealität, sondern die damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten. Die Risiken bleiben zwischen den Zeilen eines Zitates unausgesprochen: „Dieser Einsatz war die größte Herausforderung meines bisherigen Lebens. Man lernt die schönen Dinge im Leben schätzen und die Schlimmsten kennen.“  

Außerdem gibt es noch ein schmissiges Musikvideo, das aus Archivmaterial zusammengeschnitten wurde. Nicht schlecht, aber Dutzendware und keine wirklicheWerbung, zumal die Idee in der Eingangssequenz Schule – Schule Bundeswehr, Luftfrachtlogistik – militärische Logistik, Automechaniker – militärische Wartung/Instandsetzung, das Klischee, Soldatsein sei ein Job wie jeder andere, nur in Uniform, bedient.

Das für manche Interessent erfreulichste an diesem Filmchen: Es läuft im bild.de-Video-Channel und an der Spitze der aktuellen Empfehlungen steht derzeit ein Video mit Julia aus Wittenberg, die als Bild-Girl blank zieht und damit jungen Männern das zeigt, was sie vermutlich am meisten interessiert.