Gegenoffensive des Königshaus

Angriff ist die beste Verteidigung. Das mag man sich im Büro des Wehrbeauftragten gedacht haben, nachdem Amtsinhaber Hellmut Königshaus alles dafür getan hat, ihn nicht mehr ernst nehmen zu müssen. Nun also die mediale Gegenoffensive des Königshaus. Gestern, am 7.8. eine exklusiv platzierte Meldung in der Financial Times Deutschland über Ausrüstungsmängel bei den Spezialkräften, heute kritische Kommentare zu Bundeswehrreform und Nachwuchsgewinnung auf Spiegel Online, bei denen nicht klar ist, ob der Redakteur wirklich mit dem Wehbeauftragten gesprochen hat, oder nur alte Statements aufgewärmt hat. Im Bendler-Block zittert den Kommunikationsstrategen vermutlich schon das Kinn, was als nächstes kommt. Man sollte sich dort entspannt zurücklehnen. Wenn die beiden vorstehenden Themen der Auftakt der Gegenoffensive (und damit die stärksten Wirkmittel) waren, folgt morgen allenfalls ein exklusiver Bericht in der Bäckerblume über die Zustände in der Truppenküche Kundus. Königshaus sollte, statt sich zu wehren, den Weg frei machen für einen Neuanfang. Das Amt des Wehrbeauftragten braucht eine starke, inhaltlich und intellektuell überzeugende Stimme, die sich der kommunikativen Vereinnahmungsstrategie von Thomas de Maizière entgegenstellt. Im Kern war die Kritik von Königshaus am „Ministerialheer“ nämlich richtig, nur der Zeitpunkt der falsche, und der nachfolgende Briefverkehr peinlich.

Zensur zensiert

Ein Kommentar, der am 20. Juli 2012, im Deutschlandradio ausgestrahlt und auf dessen Website veröffentlicht worden war, ist dort wieder zu finden. In dem Radiobeitrag hatte der Journalist Klaus Pokatzky den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus, kritisiert. Daraufhin hatte dieser sich am 23. Juli in einem Brief (nachzulesen bei Thomas Wiegolds Augen geradeaus!) sowohl an Pokatzky als auch die Gremien des Sender gewandt und gefordert, den Kommentar zu löschen. Das geschah dann auch, sorgte aber, nachdem der Vorgang am 3. August öffentlich wurde, für empörte Reaktionen in einigen Medien. Am 6. August schließlich erklärte der Chefredakteur von Deutschlandradio Kultur, Peter Lange, dass die Entscheidung der Redaktion des Deutschlandradios, den Kommentar zu löschen, falsch gewesen sei. Nun ist der Beitrag wieder online.

Treten Sie zurück, Herr Königshaus!

Ich bin ein Dahergelaufener. Um genau zu sein, ich bin schon ganz schön viel dahergelaufen. Das ist das Wesen der Infantrie, dass sie daherläuft. Insgesamt 12 Jahre habe ich als Staatsbürger in Uniform Deutschland gedient. Heute empfinde ich es als meine Bürgerpflicht, ganz ohne Uniform, Sie, Hellmut Königshaus, aufzufordern, das Ihnen anvertraute Amt des Wehrbeauftragten des Bundestages niederzulegen. Mit Ihrer Forderung, einen Ihnen missliebigen Kommentar zu löschen, haben Sie das Amt schwer beschädigt. Wie sollen Ihnen Soldatinnen und Soldaten, deren Anliegen Sie vertreten sollen, noch vertrauen, wenn Sie sich selbst über ein wesentliches demokratisches Grundrecht stellen, weil Sie sich beleidigt fühlen? Wie wollen Sie zukünftig glaubhaft Missstände in der Bundeswehr kritisieren, bei denen beispielsweise Vorgesetzte, die ihnen anvertrauten Soldaten nötigen, unliebsame Meinungen nicht zu äußern? Es gibt diese Vorgesetzten, und sie haben in Ihnen nun ein Vorbild. Wenden Sie weiteren Schaden vom wichtigen und hochgeachteten Amt des Wehrbeauftragten ab und arbeiten Sie daran, Ihre persönliche Integrität wiederherzustellen. Treten Sie zurück, Herr Königshaus!

Der Kommentar

Warum ich dieses Internet so mag? Weil es nichts vergisst. Wer den gelöschten Kommentar von Klaus Pokatzky – der im übrigen ja von meinen Steuern bezahlt wird – hören möchte, kann das nun hier tun. Irgendetwas sagt mir, dass sich so mancher im Bendlerblock nicht wirklich geärgert hat, las er ihn hörte.

Kommentar Pokatzky Wehrbeauftragter Königshaus

Und, schwups, findet auch die Transkription ihren Weg in meinen elektrischen Briefkasten.

Vom Wehr- zum Ego-Beauftragten

Zur Verlegung des Gelöbnisses der Bundeswehr vom Reichstag an den Bendlerblock

Von Klaus Pokatzky

400 Bundeswehrrekruten hätten am Abend so schön am symbolträchtigen Bendlerblock am symbolträchtigen Datum geloben können. Doch der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat mit seiner Kritik an der turnusmäßigen Verlegung des Gelöbnisses dafür gesorgt, dass den ganzen Tag über von einem „Ministerialheer“ die Rede war.

Es gab mal Wehrbeauftragte, von denen erzählen Soldaten heute noch mit leuchtenden Augen. Claire Marienfeld von der CDU war so eine, vor 15 Jahren. Als sich mal Soldaten der Berliner Julius-Leber-Kaserne bei ihr über das schlechte Kantinenessen beschwert hatten, fuhr sie umgehend an der Wache vor: „Ich bin die Wehrbeauftragte und überprüfe jetzt die Truppenküche“.

Da lacht das Herz des Soldaten: Das waren noch Wehrbeauftragte. Oder der Sozialdemokrat Reinhold Robbe, bis vor zwei Jahren. Der wusste genau, dass er als vom Deutschen Bundestag Gewählter die höchste Vertrauensperson der deutschen Soldaten ist. Dass er für die Soldaten da ist – und nicht umgekehrt. Das waren noch Wehrbeauftragte, da fühlten sich die Soldaten sehr ernst genommen.

Heute gibt es einen Wehrbeauftragten, der vor allem sich selber sehr wichtig nimmt. Jahrelang haben am 20. Juli Hunderte Rekruten im Berliner Bendlerblock ihr Gelöbnis abgelegt. Da residiert nicht nur der Bundesminister der Verteidigung, da erinnert auch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand an den militärischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Das war immer ein schönes Bekenntnis zur Demokratie, eine Absage an das Nazitum.

Vor vier Jahren gab es das erste Feierliche Gelöbnis vor dem Reichstag. Das war ein schönes Bekenntnis für die Parlamentsarmee. Nun sollen beide Symbolorte kombiniert werden.

Dem Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus passt das nicht. Offenbar ist dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages bisher entgangen, dass der Bendlerblock eben nicht nur der Arbeitsort für Ministerialbeamte ist, sondern auch der Ort, an dem seit einigen Jahren ein Ehrenmal für jene Soldaten steht, die im Dienst ihr Leben gelassen haben – ein Ehrenmal also auch für die Soldaten, die gefallen sind in kriegerischen Einsätzen, in die sie die Abgeordneten des Bundestages geschickt haben.

Offenbar weiß der Wehrbeauftragte auch nicht, dass der Bendlerblock der Ort war, an dem heute vor 68 Jahren Claus Schenk von Stauffenberg den Versuch unternommen hat, das Hitler-System zu beseitigen. Und offenbar weiß der Wehrbeauftragte schon gar nicht, dass dieser militärische Widerstand und das Gedenken daran für die Bundeswehr eine ihrer wichtigsten Traditionslinien ist.

400 Rekruten aus ganz Deutschland hätten heute Abend so schön an einem symbolträchtigen Ort am symbolträchtigen Datum geloben können. Der Wehrbeauftragte hat dafür gesorgt, dass den ganzen Tag über von seinem „Ministerialheer“ die Rede war. Das ist eine Beleidigung der Freiwilligen, die heute Abend geloben. Das ist eine Verhöhnung des Widerstandes. Früher gab es mal Wehrbeauftragte. Heute gibt es einen Ego-Beauftragten.

Königshaus im Streisand

Prima gemacht, Herr Königshaus. Dank Ihres Briefes an den Deutschlandfunk, weiß ich nun, was Sie von der Pressefreiheit halten. Und ich weiß, dass nicht nur das Bundesverteidigungsministerium Schwierigkeiten damit hat, souverän zu kommunizieren, sondern auch derjenige, den das Parlament zum „Anwalt der Soldaten“ erklärt hat. Schade nur, dass Sie mit Ihrem Schreiben die steile These des Kollegen Klaus Pokatzky, nämlich stark an sich interessiert zu sein, bestätigen. Willkommen in der Dementifalle. Außerdem zeigt der Vorgang, dass Sie zwar einer liberalen Partei angehören, Freigeister aber nicht wirklich gut ertragen können. Hierarchie ist Ihnen lieber, denn da kann man unliebsame Meinungen zwar nicht verbieten, aber zumindest unterdrücken – dachten Sie. Doch siehe da, statt das Feuer zu löschen, sind Sie mitten im Streisand gelandet. Und wer bis jetzt noch nicht wusste, dass Sie sich zu wichtig nehmen, weiß es jetzt. Vielleicht hätten Sie, statt Pokatzkys Kommentar entfernen zu lassen, besser ein Medientraining bei ihm gebucht. Das macht er nämlich auch, und dient dabei sogar noch Deutschland. Das behaupten Sie ja auch von sich, und daran habe ich keine Zweifel. Allerdings bin ich mir über die Motivation Ihres Dienstes als Wehrbeauftragter jetzt nicht mehr im Klaren. Tun Sie es für sich, Ihre Partei oder für die Soldaten? Das, was letztere nämlich am wenigsten gebrauchen können, sind Politiker, die sich auf ihre Kosten profilieren wollen. Es ist an der Zeit, dass Sie diese Fragen für sich klären. Die – zugegeben schwere – intellektuelle Trennungvon Amt und Person gehört dazu.

Wer Klaus Pokatzky – im Unterschied zu mir – noch nicht kennt, sollte sich diese tolle Video anschauen, das die Bundeswehr im Rahmen ihrer Wir.Dienen.Deutschland.-Kampagne produziert hat, anschauen. Am besten schnell, bevor Herr Königshaus es löschen lässt. Denn das geht ja gar nicht, das ein Journalist, der ihn kritisiert, Vorbild ist.

Nachtrag:
Nur mal so zur Frage von Beleidigen und Beleidigtsein: Laut Bild sagte Königshaus: „Auch ein Amtsträger muss sich nicht alles bieten und sich von jedem Dahergelaufenen beleidigen lassen.“ Klaus Pokatzky, der wirklich viel für und in der Truppe geleistet hat – vermutlich mehr als Königshaus – ist also ein „Dahergelaufener.“ Interessante Meinung, Herr Königshaus.