Doch kein „Meer. Für Dich.“?

Zur intellektuellen Meisterleistung der Marineführung bei der Konzeption ihrer Kampagne „Meer. Für Dich.“ hatte ich mich bereits an anderer Stelle geäußert. Inzwischen hat auch Spiegel Online das Thema in bewährt süffisanter Weise aufgegriffen. Aber darum soll es hier gar nicht gehen, sondern um die begleitende Kommunikation zur Kampagne.

Am 20. Juni 2013 informierte nämlich das Presse- und Informationszentrum des Marinekommandos in Rostock einen Teil der mehr oder weniger interessierten Öffentlichkeit darüber, dass „alle Produkte zur Kampagne (…) in Kürze auf der Internetseite der Marine  gebündelt zur Verfügung (stehen). Neben der Broschüre und dem Flyer in Lese- und Druckverson finden Sie die Poster, alle Taschenkartenmotive sowie die Filme in verschiedener Auflösung.“

Nun kenne ich mich mit den bei der Marine üblichen Zeitangaben nicht aus, würde mich aber wundern, wenn geschlagene 8 Tage das Kriterium „in Kürze“ noch erfüllen. Ich lasse mich da gerne eines Besseren belehren. Fakt ist jedoch: Bis heute ist es mir nicht gelungen, die entsprechenden Materialien auf der Webseite der Marine zu finden. Weiß da eine Leserin oder ein Leser vielleicht etwas „meer“? Und wo wir gerade schon in der Wortspielhölle gelandet sind: Ist „Meer. Für Dich.“ vielleicht „ins Wasser gefallen“ und hat die Marineführung sich entschlosssen, „zurückzurudern“?

Buchvorstellung Soldatentum

Ich habe heute die Gelegenheit ergriffen und bin der Einladung zur Vorstellung des Buches „Soldatentum“ in den Räumen des Wehrbeauftragten des Bundestages gefolgt. Es war eine gelungene Veranstaltung mit einigen Diskussionsbeiträgen, die durchaus das Potential haben, die ein oder andere Kontroverse auszulösen – es sei denn, es gelingt der politischen Führung weiterhin, das Thema wann und warum wir Streitkräfte einsetzen, aus der Öffentlichkeit herauszuhalten.

Einige Statements habe ich im folgenden Storify dokumentiert (und war, wenn ich das richtig gesehen habe, auch der einziger Twitter-Nutzer im Raum. Ich bin gespannt auf die Resonanz in den Medien und werde entsprechende Links hier ergänzen.

Zum Sammelband, der bei einschlägigen Online-Medienhökern bestellt werden kann, durfte ich auch einen Beitrag leisten. Unter der Überschrift „Heldenlos – soldatische Identität in der Mediengesellschaft“ habe ich ein paar Gedanken zusammengefasst, die sich in den vergangenen Jahren auch durch die Arbeit hier im Blog entwickelt haben.

Nachtrag:

Als Leserdienst greife ich die Anregung aus dem ersten Kommentar gerne auf und stelle ein Inhaltsverzeichnis des Buches zur Verfügung:

Geleitwort des Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch

Geleitwort Soldatentum?! Zur Notwendigkeit einer Debatte, Klaus Naumann

Soldatentum im Rechtsstaat, Klaus Bohn

 

I. Selbstbild

Der Soldat als Gestalt, Felix Springer

Selbstblockaden, Stefan Gerber

Soldat und Söldner. Demokratie und Schlagkraft, Carlo Masala

Armee in zwei Welten, Marcel Bohnert

 

II. Fremdbild

Heldenlos – soldatische Identität in der Mediengesellschaft, Sascha Stoltenow

Kämpfer in postheroischer Zeit, Gottfried Küenzlein

Wofür kämpfen? – Die Notwendigkeit einer nationalen Sicherheitsstrategie, Fabian Schmidt

Bundeswehr und Öffentlichkeit: Militärische Tradition als gesellschaftliche Frage, Cora Stephan

Die Bundeswehr: Rechts und prekär? – Ein (welt)historischer Rahmen, Michael Wolffsohn

 

III. Feindbild

Von der Notwendigkeit des Feindes im Krieg oder Feindschaft und Krieg, Bernhard Schreyer

Der Soldat als Feindbild im Inneren?, Larsen Kempf

Soldat und Partisan als Antibürger, Martin Böcker

 

Nachwort der Herausgeber

 

 


Studie „Unternehmenskommunikation aus der Perspektive des Top-Managements“

Anbei ganz kurz ein Servicelink für die mitlesende Kommunikatoren-Community. Mit Unterstützung der Akademischen Gesellschaft für Unternehmensführung und Kommunikation haben die Universität Leipzig und die Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam mit dem F.A.Z.-Institut insgesamt 602 Entscheidungsträger im Top-Management deutscher Großunternehmen mit über 50 Millionen Euro Jahresumsatz zu ihren Erwartungen an und ihrem Verständnis von Unternehmenskommunikation befragt.

 

Wofür kämpfen? – Bananen, Benzin und Mobiltelefone

Dulce et decorum est pro patria mori. Das war natürlich schon immer Quatsch, denn das Sterben des Kriegers ist entweder schnell, qualvoll oder beides, aber nie süß. Dennoch gibt es Gründe, aus denen Menschen, bereit sind, ihr Leben einzusetzen und andere zu töten. Aber warum? Und wie kann eine Institution wie die Bundeswehr junge Menschen davon überzeugen, sich ihr anzuschließen? Und wie kann sie in der Gesellschaft überzeugend für ihren Auftrag werben?

Folgt man Vizeadmiral Axel Schimpf, dem Inspekteur der Marine, sind die besten Argumente, die ihm dazu einfallen, Bananen, Benzin und Mobiltelefone. Auf diese Objekte nämlich verdichtet sich eine Meisterleistung moderner Unternehmenskommunikation, deren Zielsetzung Schimpf wie folgt umreisst:

„Jetzt gilt es, das Ruder herumzureißen. Wir alle müssen unsere leistungsstarke Marine einer breiten Öffentlichkeit nahe bringen und ihre hohe Bedeutung für Sicherheit und Wohlstand Deutschlands und damit eines jeden einzelnen Bürgers verdeutlichen. Diesem Ziel dient die Imagekampagne, die einfach und plakativ den Bürger in persönlichen Lebenssituationen ansprechen und damit eine Brücke zur Marine schlagen soll.“

Wir sehen: Die Situation ist dramatisch. Deshalb hat sich die Marine auch der brillantesten Köpfe der deutschen Kommunikations- und Medienwelt bedient, um diese äußerst anspruchsvolle Aufgabe zu lösen:

„Eine professionelle Kampagne basiert immer auf einem eigenen Konzept. Das Konzept der neuen Imagekampagne wurde in der Planungsphase intensiv von zivilen Medien- und Werbeprofis unterstützt. Gerade die Kompetenz dieser externen Experten hat dazu beigetragen, die bekannten Gewässer zu verlassen und einen neuen kommunikativen Kurs einzuschlagen.“

Mit diesem Vorgehen positioniert sich Schimpf als eigensinniger Visionär und grenzt sich scharf von seinem Minister Thomas de Maizière ab, der nicht müde wird, zu betonen, dass die von ihm verantwortete Kampagne „Wir.Dienen.Deutschland“ ohne externe Hilfe entstanden sei. (Oder hat ihn sein Haus auch da belogen?).

Noch ist nicht viel von der neuen Kampagne zu sehen, aber die Diskussion hat bereits begonnen, unter anderem bei Thomas Wiegold. Dort gibt es in den Kommentaren neben Kritik auch einige, die die Kampagne verteidigen. Dabei werfen diese den Kritikern vor, es doch besser zu machen. Ich will mich an dieser Stelle nicht in handwerklich-stilistischer Kritik verlieren. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass bereits die Machart der Spots, bei jedem, der regelmäßig andere Sender als den örtlichen Offenen Kanal oder Regional- und Schülerfernsehen sieht, ein leichtes Ziehen in den Geschmacksnerven verursachen sollte. Deutlich affirmativer sind dagegen der Seefahrer-Blog sowie das Blog des Deutschen Maritimen Instituts.

Wirklich gravierend ist im Vergleich zur bescheidenen Machart der Filme das intellektuelle Versagen, das der Kampagne zu Grunde liegt und das in letzter Konsequenz der höchste Soldat der Marine zu verantworten hat. Wer jetzt einwendet, die Kampagne habe doch klare Kernbotschaften, dem gebe ich gerne Recht. Um diese zu formulieren reicht jedoch eine mittlere Lese- und Schreibkompetenz aus, denn sie stehen bereits in den Verteidigungspolitischen Richtlinien, wie der Kommentator Schraubendrehn bei Augen Geradeaus richtig anmerkt. Es geht bei professioneller Kommunikation jedoch nicht darum, Richtlinien zu bebildern, sondern darum, sie zu übersetzen. Genau daran aber scheitern die Filme dramatisch.

Die Verfügbarkeit von Bananen, Benzin und Mobiltelefone in Deutschland ist nämlich nur eine Konsequenz eines freien Welthandels und eines ungehinderten Zugangs zu natürlichen Ressourcen. Zu diesem Handel jedoch gehören viele. Diejenigen, die Bananen anbauen, verpacken, verschiffen, verkaufen. Diejenigen, die Öl- und Gas explorieren, erschließen, fördern, transportieren, raffinieren. Und diejenigen, die Mobiltelefone entwickeln, gestalten, programmieren. Handel verbindet Menschen. Wirtschaft gibt Menschen Chancen. Je freier beides ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können (im Rahmen einer entsprechenden Wirtschafts- und Sozialordnung). In diesen Kontext muss die Marine ihre Leistungen stellen, nicht in den einer Konsumkultur, deren Grenzen derzeit immer deutlicher werden.

Das Gute im Bösen: Wir müssen einfach davon ausgehen, dass die Marine, allen voran ihre Führung, derzeit nicht besser über sich nachdenken kann, als so. Sie hat vermutlich weder das Geld noch die Köpfe, die sie bräuchte, um ihre Stärken überzeugend zu kommunizieren. Die Marine ist im Jahr 2013 vermutlich genau so, wie sie sich in den Spots darstellt. Unterfinanziert, intellektuell überfordert und schlecht geführt. Es ist zumindest eine Leistung von Axel Schimpf, uns allen diese ungeschminkte Wahrheit zeigen zu wollen.

Beautiful War

Während der  re:publica hatte mich Patrick Breitenbach von der Karlshochschule in sein offenes Podcast-Studio eingeladen, um über die Ästhetisierung und Gamifizierung von Krieg und Propaganda zu sprechen. Den Podcast sowie ergänzende Links hat er nun auf den Karlsdialogen veröffentlicht.

Direkt zum MP-3-File des Podcasts geht es hier