Govermedia 2011 – „Was könnten wir denn kommunizieren, was die Bürger interessiert?“

Pascal Ziehm, Studierender an der TU Dresden und engagierter Reserveroffizier war vom 20. bis zum 22. Juni auf der Govermedia in Strausberg. Weil ich leider nicht selbst teilnehmen konnte (viele meiner Anregungen und Hinweise aber bei der Veranstaltung gewirkt haben), freut es mich, das Pascal sich neben seiner Live-Berichterstattung via Twitter die Zeit genommen hat, seine Eindrücke aufzuschreiben.  

Vorbei ist sie, die zweite Auflage der GOVERMEDIA, veranstaltet vom Verteidigungsministerium mit Unterstützung vom Fraunhofer Fokus und der Technischen Universität Ilmenau, ausgerichtet an der AIK. Seit einer Woche sind sie nun wieder in ihren Ministerien und Behörden, die angereisten Mitarbeiter der Pressestellen. Viele werden ihren Referatsleitern hoffentlich erzählt haben, was ihnen auf der Konferenz vermittelt wurde: „Behördenkommunikation digital gestalten“.

Wie wohl die vorgesetzten Kommunikationsverantwortlichen reagiert haben? Mit Argwohn, mit Angst oder schnödem Desinteresse? Immer wieder viel die Forderung nach einem „Kulturwandel“ – vor allem bei den Verantwortlichen. Zu wenig Zeit, zu wenig Personal, zu wenig Geld. Dabei gab es unter den Behördenkommunikatoren so manchen, der längst wusste, was Facebook ist, wie man Twitter nutzt und was YouTube kann. Aber dann gibt es auch jene, die die Schultern zucken: „Was könnten wir denn kommunizieren, was die Bürger interessiert?“ Autsch.

Das starre Vorlesungsprinzip der GOVERMEDIA 2010 wurde aufgebrochen. In diesem Jahr standen die Workshops im Mittelpunkt: Learning by doing! Vor allem Agenturen stellten sich vor und erklärten das Social Web. Nein, sie priesen es an und blähten es nach Agenturmanier gehörig auf. So manche Statistik durfte man nur mit allergrößter Vorsicht genießen: Ganz Deutschland macht quasi nichts anderes mehr, als sich auf Facebook zu tummeln. Da wünscht man sich mehr von der Sorte Michael Praetorius, der dazu aufrief: „Hören Sie mit dieser Agenturengläubigkeit auf – werden Sie selbst kreativ!“ Aber dann gab es auch noch ein wenig wissenschaftlichen Input durch Professor Löffelholz und seiner IRGoCC, die vor allem zur Krisenkommunikation im Internet fundiert berichten konnten.

Eine Neuauflage der GOVERMEDIA im kommenden Jahr ist geplant. Ob die Bundeswehr dann eine Erfolgsstory mit ihrer Facebook-Seite zum Besten geben darf – die angeblich am 4. Juli startet –, bleibt abzuwarten (wünschen wir es ihr!).

Bundeswehr – Karriere mit Facebook

Das ist doch mal eine gute Nachricht: Anfang Juli startet eine Karriereseite der Bundeswehr bei Facebook. Bestätigt hat diese Information, die im Rahmen der Veranstaltung Govermedia kursierte, die Kommunikationschefin der Vivaki-Gruppe, zu der auch die Mediaagentur Zenith gehört. Deren Chefin hatte mit der Aussage, „Bei Schokolade sagt ihnen auch keiner, dass sie fett werden“, ein etwas seltsames Verständnis von Werbung für den Soldatenberuf offenbart.

Wie dem auch sei, nun will die Bundeswehr also auf Facebook um Nachwuchs werben. Damit sind natürlich Chancen und Risiken verbunden. Das größte Risiko liegt vermutlich darin, dass die Bundeswehr sich auf Facebook nicht auf die Personalwerbung wird beschränken können. Ähnlich wie die Bahn mit ihrem Chefticket erfahren musste, dass sie die Diskussion um Stuttgart 21 nicht von ihrer Facebook-Seite fernhalten konnte, wird die Bundeswehr sich auch unangenehmen Fragen stellen müssen. Diesen Sachverhalt hat u.a. der Kollege Thomas Wiegold mehrfach thematisiert, und es bleibt zu hoffen, dass die Bundeswehr hier genau zugehört hat.

Die große Chance besteht darin, dass die Bundeswehr eine der bestehenden privaten Fanseiten übernehmen kann, und damit sowohl die Leistung des Gründers, vor allem aber die rege Community von 26.000 Fans, anerkennen kann. Wie erfolgreich ein solches Vorgehen sein kann, zeigt das Beispiel des Twitter-Accounts von ZDF-Online. Es wäre erfreulich, wenn wir im kommenden Jahren auf den zahlreichen Social Media-Konferenzen, eine Bundeswehr-Success-Story hören könnten.

Gelungenes Crowdsourcing

Ein Lob geht kurz vor dem Wochenende an das Team, dass für das Projekt „Bw Webauftritte mitgestalten“ verantwortlich ist. Folgt man dem Ursprungsartikel der Bundeswehr-Website, könnte das die Akademie für Information und Kommunikation sein, die, unterstützt von den Marktforschern von TNS Emnid, das Projekt verantwortet. Das, was TNS Emnid da macht, wirkt methodisch sehr durchdacht. Das Community-Management ist verbindlich und professionell, und die Teilnehmenden werden regelmäßig über Zwischenergebnisse informiert. Man darf gespannt sein, inwiefern sich das auf die Umsetzung auswirkt. Die Meßlatte liegt hoch.

Kontrolliertes Risiko – Blogs und Filme aus Afghanistan

Jetzt will also auch die Bundeswehr aus dem Einsatz bloggen lassen. Die Blogger sind gut gewählt: ein junger Feldwebel, eine nur etwas ältere Kameradin im Dienstgrad Oberfeldwebel und ein erfahrener Hauptfeldwebel. Die Videoportraits der drei Soldaten auf der Webseite der Bundeswehr vermitteln nicht nur ein sehr glaubhaftes Bild des deutschen Militärs, sondern stellen auch eine echte Nähe her. Da gehen also drei Menschen, die wir uns alle auch als unsere Nachbarn vorstellen können, nach Afghanistan. Definitiv keine Medienprofis, etwas unsicher im Auftritt vor der Kamera, aber durchaus freudig gespannt, so, wie viele deutsche Soldaten wohl sind. Der Umstand, dass zwei von ihnen vornehmlich in den Feldlagern Dienst tun werden, schmälert ihre Leistung in keiner Weise, verweist aber auf den Kontrollwillen der militärischen und politischen Führung. Rein statistisch ist es weniger wahrscheinlich, dass diese Soldaten zu Schaden kommen – und es fördert das politische Ziel, den Einsatz als zwar anstrengend und fordern, aber doch nicht ganz so kriegerisch erscheinen zu lassen.

Entsprechende Bilder will die Bundeswehr selber steuern. Folgt man dem Bericht des Medienmagazins Zapp (Zusatzinformationen, wie bspw. ausführliche Interviews gibt es auf hier auf der Zapp-Seite), werden wir in Zukunft verstärkt mit Bildern von Helmkameras aus dem Einsatz rechnen müssen. Ich begrüße diese Entwicklung, denn wir brauchen Bilder dieses Krieges. Nur wenn wir diese Bilder haben, können wir ernsthaft darüber diskutieren, was wir unseren Soldatinnen und Soldaten zumuten wollen.

Studie zur Nachwuchswerbung

Zur aktuellen Nachwuchswerbung der Bundeswehr habe ich eine recht eindeutige Meinung. Das heißt natürlich nicht, dass ich Recht habe. Deshalb freue ich mich sehr, dass ein Team am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Dresden sich des Themas annimmt. Unter https://www.soscisurvey.de/bwstudie gibt es einen Fragebogen, in dem man noch bis zum 14.
Juni unter anderem seine persönliche Einschätzung von Claims wie „Bundeswehr-Reform – Ihre Chance“ und „Wir.Dienen.Deutschland.“ vornehmen kann. Je mehr Menschen – Zivilisten ebenso wie Soldatinnen und Soldaten – daran teilnehmen, umso aussagekräftiger werden die Ergebnisse sein – auch auf die Gefahr hin, dass sich meine Bewertung als Minderheitenmeinung erweist.

Gefährliche Kommunikation 2.0

Nun läuft sie also, die Propagandakampagne gegen die Kameraden in Bad Reichenhall. Das ganze Elend bringt der Artikel auf taz.de auf den Punkt. Trotz wirklich dämlicher konstruierter Zusammenhänge wie beispielsweise dem Hinweis, dass Kinder an einem Maschinengewehr spielten, dessen Vorgängermodell bereits die Wehrmacht genutzt hat (das muss man in der taz so schreiben, um das Weltbild der Kernleserinnen und Kernleser nicht allzu sehr zu erschüttern), zeigt der Text quasi lehrbuchhaft, wie die Bundeswehr kommunikativ auszuhebeln ist. Der – so weit ich weiß ungeprüfte – Hinweis, dass ein Bundeswehrsoldat ein Video vom Tag der offenen Tür auf YouTube eingestellt hat, ist zwar journalistisch problematisch, wirklich spannend wird es aber, wenn der Kanalbetreiber „Gegengift“ tatsächlich Soldat wäre, denn das, was auf dem Kanal sonst noch so zu sehen ist, überschreitet für mich die Grenze dessen, was Teil des demokratischen Diskurses sein muss.

Und: Mann muss die sich abzeichnende Kommunikationskatastrophe unbedingt mit diesem Text von Klaus Naumann in der FR parallel lesen.

Gefährliche Kommunikation

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass das vordere Ende einer Kamera gefährlicher sein kann, als das einer Waffe, verdanken wir den Kameraden in Bad Reichenhall. Wer bei einem Tag der offenen Tür Besucher auf eine Ortschaft mit dem Schild „Klein-Mitrovica“ schießen lässt, ist nicht Opfer linker Propaganda oder der political correctness, sondern einfach nur dämlich. Dabei macht es im Übrigen keinen Unterschied, ob die Gastschützen Kinder oder Erwachsene sind. Und: Das Problem liegt zwischen den Ohren derer, die die Szene aufgebaut haben.

Redakteure töten – Unsere Waffe ist das AdWord

Mit Bezug auf die Berichterstattung im Fall Kachelmann hat Thomas Knüwer gestern einen lesenswerten Beitrag über „die Mär vom unvoreingenommenen Journalismus“ verfasst. Ebenso lesenswert ist eine Rede, die Klaus Kocks an der Macromedia Hochschule in München unter dem Titel „Journalisten machen PR und wissen es nicht mal“ gehalten hat. In beiden Texten geht es auch um die Macht des Wortes. Die Macht des AdWords hingegen thematisiert Felix Zwinzscher auf Zeit Online. In seinem Stück „Komm zum Bund, da geht´s rund“ wirft er den Nachwuchswerbern der Bundeswehr – und diese sind ganz bestimmt nicht meine Freunde – vor, dass sie auf YouTube mit Begriffskombinationen wie „Taliban töten“ das Publikum auf den YouTube-Kanal der Bundeswehr locken wollten. Denn, wenn ich nach diesen Begriffen suche, erscheint in der Tat an oberster Stelle ein Video der Bundeswehr. Zwinzscher konstruiert daraus den Vorwurf, die Bundeswehr wolle vor allem blutrünstige Killer anlocken.

Damit ist der Text, um es klar zu sagen, mit der dümmste Mist, den ich je über das Thema Nachwuchswerbung der Bundeswehr gelesen habe. Eine Institution, die solche Kritiker hat, braucht keine professionellen Öffentlichkeitsarbeiter, sondern kann einfach den Hausmeister schicken, um die Frage solcher Journalisten zu beantworten. Das Stück ist nicht nur ein eindrückliches Dokument eines voreingenommen Journalismus, es stellt auch in Frage, inwieweit die Zeit ihren Anspruch, Qualitätsjournalismus zu liefern, 100-prozentig umzusetzen bereit ist.

Über die Internet-Kompetenz von Felix Zwinzscher decken wir lieber den Mantel des Schweigens, denn es steht zu befürchten, dass er in seinem nächsten Text den Verfassungsschutz auffordern wird, gegen die Bundeswehr wegen Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu ermitteln. Warum das? Nun, wenn ich die Begriffskombination bundeswehr+zeit+redakteure+töten suche, erscheint an oberster Stelle ebenfalls das besagte Video der Bundeswehr.