Neu in der Blogroll: Sicherheit vernetzt

Für alle Leserinnen und Leser, die es noch nicht bei Thomas Wiegold gelesen haben: Die deutsche MilBlogger-Community hat ein neues Mitglied. Kai Peter Schönfeld, studierender Marineoffizier an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, ist seit dem 17. Februar mit „Sicherheit vernetzt“ online. Herzlich willkommen.

Außerdem neu in meiner Blogroll ist das lesenswerte „CH-53-Blog“, das bemerkenswerte Einblicke in die Deltas zwischen politischen Entscheidungen und ihren Auswirkungen ermöglicht.

Wer darf Veteran sein?

In die Debatte um Veteranen der Bundeswehr hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière neuen Schwung gebracht. Mit einem Gedenktag will er – ja, wen eigentlich? – ehren. Genau diese Unbestimmtheit hat bereits erste Diskussionen ausgelöst. Kernfragen sind: Wer soll wofür und wann geehrt werden? Im Rahmen dieser Diskussion hat ein US-amerikanischer Kamerad einen sehr bemerkenswerten Gedanken mit mir geteilt:

„The Bundewehr veterans who ‚held the line‘ at the border during the Cold War are as deserving of their nation’s gratitude as those now deployed in Afghanistan. We were beside them, and I always respected them.“

(frei übersetzt: Die Veteranen, die während des Kalten Krieges die Linie gehalten haben, verdienen die Dankbarkeit ihrer Nation gleichermaßen wie die, die nun nach Afghanistan entsandt sind. Wir waren an ihrer Seite, und ich habe sie immer geachtet.)

Diese Sätze bringen meine Überzeugung auf den Punkt. Wenn wir einen Ehrentag einrichten – und ich denke es gibt gute Gründe dafür -, sollten wir unterschiedlos alle Soldaten der Bundeswehr ehren. Die Alternative wäre eine Zersplitterung des Gedenkens in Partikularinteressen. Minister de Maizière wäre daher gut beraten, neben den etablierten Verbänden wie dem Bundeswehrverband und dem Reservistenverband auch den Bund Deutscher Veteranen an einen Runden Tisch zu bitten, um gemeinsam ein langfristig tragfähiges Programm zu erarbeiten. Ziel müsste es sein, eine angemessene Gedenkkultur zu etablieren, die auch die Bürger aktiv anspricht. Gewissermaßen ein Gegenbild zum Ehrenmal der Bundeswehr, das sich als Manifestation eines Ego-Trips des ehemaligen Ministers Jung hinter dem Zaun des Ministeriums verschanzt.

Unter dem Dach dieses gemeinsamen Ehrentages wäre es einzelnen Gruppen möglich, ihre persönliche Form des Gedenkens zu entwickeln. Den Volkstrauertag halte ich übrigens für ein schlechtes Datum. Er reduziert das Soldatische auf den Tod und die Opfer. Das ist zwar ein wesentlicher Aspekt soldatischer Identität, aber eben nur einer. Ich wünsche mir hier etwas mehr Mut, Neues zu wagen und mit einem Veteranentag vor allem zu betonen, wofür deutsche Soldaten heute kämpfen.

Kosovo – eine europäische Aufgabe

Das Timing war perfekt, ebenso der Referent. Quasi parallel zu einem Referendum, bei dem sich die Kosovo-Serben deutlich gegen eine Zusammenarbeit mit der Zentralregierung in Pristina aussprachen, hatte die Hochschulgruppe Mannheim des Bundesverbandes Sicherheitspolitik an Hochschulen den ehemaligen KFOR-Kommandeur Generalmajor Ehrhard Bühler zu einem Vortrag an die Universität Mannheim eingeladen. Anschaulich und überzeugend stellte Bühler die aktuellen und strategischen Aufgaben der Mission im Kosovo dar. Mein Fazit: Es ist eine europäische Aufgabe, es ist eine langfristige Aufgabe, und es ist trotz aller berechtigten Kritik ein erfolgreicher Einsatz – vermutlich gerade weil er so mühsam ist.

Wesentliche Eindrücke habe ich in Tweets festgehalten und im Folgenden mit Storify zusammengefasst. Interessant fand ich insbesondere die „Kosovo-Heat-Map.“

Soldat sein

Eine ebenso lesens- wie bemerkenswerte Rede hat Generalleutnant Carl-Hubertus von Butler, Kommandeur des Heeresführungskommandos, im vergangenen Jahr am Zentrum für Innere Führung gehalten. Nun – eigentlich viel zu spät – hat der Reservistenverband eine Transkription dieser Rede veröffentlicht. Das Dokument steht unter diesem Link als PDF zum Herunterladen bereit.

Inhaltlich halt eich es für einen wertvollen Beitrag zu der Diskussion über soldatisches Selbstverständnis, die wir hier im Blog schon seit dem Dezember 2011 führen, und ich würde mir wünschen, diese demnächst in einem geeigneten Rahmen fortzusetzen.

Einstimmig?

Nachdem Verteidigungsminster Thomas de Maizière im Zuge der Veröffentlichung des Standortkonzeptes bewiesen hatte, dass er die „Quasselbuden“ Bendler-Block und Hardthöhe kommunikativ im Griff hat, wirken aktuelle Äußerungen des Hauses etwas erratisch. So appellierte der Minister unlängst in einem Interview mit dem Tagesspiegel vor allem an die Führungskräfte der Bundeswehr, Verantwortung zu übernehmen und das auch noch mit Freude, und anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz forderte er eine nüchterne Debatte über Deutschlands Rolle in der Welt und die sicherheitspolitische Lage. Gleichzeitig berichtet das Handelsblatt – exklusiv, wie es eigens betont – von einer Entscheidung des Lenkungsausschusses zur Bundewehrreform, der sich gegenüber den Inspekteuren der Streitkräfte „einer direkten Kommunikation der Inspekteure in den politisch-parlamentarischen Raum“ die Führung vorbehält. Das ist, wenn es diese Weisung wirklich gibt, wie das Handelsblatt richtig schreibt, ein Maulkorb.

Nun sind Führungsvorbehalte für das Militär nichts grundsätzlich Neues, und angesichts einiger unglücklicher Äußerungen vor allem aus dem Bereich der Marine, erscheint es sogar ratsam, den kommunikativen Eifer der Admiralität respektive Generalität zu bremsen, aber es ist ja nun nicht so, dass sich aktive Generale und Admirale ständig in die öffentliche Debatte einmischen. Im Gegenteil: Die meisten finden ihre Stimme erst dann wieder, wenn sie ihren Dienstgrad um das Kürzel „a.D.“ (außer Dienst) ergänzt haben (mal von denen abgesehen, die sich eben dieses Kürzel durch öffentliche Äußerungen quasi im Schnelldurchgang „erarbeitet“ haben).

Also, was soll diese Anweisung, warum kommt sie gerade jetzt, und wer ist der Absender? Letzere Frage ist noch am einfachsten zu beantworten. Der Lenkungsausschuss besteht aus den beiden (beamteten) Staatssekretären Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf sowie dem Generalinspekteur General Volker Wieker. Vor allem Beemelmanns, der erst seit Anfang 2011 im Amt ist, hat sich bislang nur wenig über die Bundeswehr eigenen Medien hinaus, Gehör verschaffen können, und auch Wieker ist niemand, der sich mit und in den Medien wohlzufühlen scheint. Das ist kein Fehler. Nicht jeder ist für das Rampenlicht geeignet, in dem darüber hinaus de Maizière mit seiner sachlichen Art und seinem trockenen Humor eine hervorragende Figur macht.

Allerdings schafft es auch der Minister nicht, die Sollbruchstellen seiner Reform zu kitten. Vor allem an den „teuren“ Standorten, also denjenigen, bei denen es um Infrastruktur geht, regt sich derzeit Widerstand. Ein Widerstand, der darüber hinaus auch die besseren Argumente zu haben scheint. Exemplarisch dafür dürften die Heeresflieger in Rheine stehen, die sich gegen den Umzug nach Holzdorf wehren. In einer als Diskussionsveranstaltung angekündigten Befehlsausgabe ging unlängst der stellvertretende Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Norbert Finster, argumentativ baden (Mehr dazu auch im hervorragenden CH-53 Blog).

Für den außenstehenden Betrachter ergibt sich daraus das Bild, dass die Bundeswehrreform nun in eine entscheidende Phase tritt, in der abweichende Meinungen nicht nur unerwünscht sind, sondern eine hohe politische Sprengkraft besitzen. Nur: durch ein Äußerungsverbot verschwinden diese Meinungen nicht, sie vermehren sich eher. Und so sinnvoll dem ein oder anderen auch eine One-Voice-Policy erscheinen mag, sie lässt sich nicht erzwingen. Wer will, dass Soldaten Verantwortung übernehmen, und wer will, dass die Bundeswehr die gesellschaftlicher Anerkennung erfährt, die sie verdient, wäre gut beraten, Vielfalt zuzulassen, zumal das letzte Wort in einer im Kern hierarchischen Organisation sowieso immer der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, also der Minister, haben wird. Die Alternative ist nämlich nicht Einstimmigkeit, sondern Einfalt. Und einfältige Offiziere kann sich die Bundeswehr nicht mehr leisten.

Oder um es mit Kurt von Hammerstein-Equord zu sagen:

„Ich unterscheide vier Arten. Es gibt kluge, fleißige, dumme und faule Offiziere. Meist treffen zwei Eigenschaften zusammen. Die einen sind klug und fleißig, die müssen in den Generalstab. Die nächsten sind dumm und faul; sie machen in jeder Armee 90 Prozent aus und sind für Routineaufgaben geeignet. Wer klug ist und gleichzeitig faul, qualifiziert sich für die höchsten Führungsaufgaben, denn er bringt die geistige Klarheit und die Nervenstärke für schwere Entscheidungen mit. Hüten muss man sich vor dem, der gleichzeitig dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten.“