Innen ist Außen

Weil jedes Handeln von staatlichen Organisationen öffentlich ist, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, besonders relevante Aspekte aktiv öffentlich zu machen. Weil man aber im Verteidigungsministerium teilweise aber immer noch zu glauben scheint, man könne die Öffentlichkeit mit Klischees abspeisen – oder weil man das mit dem Internet (noch ) nicht verstanden hat – haben die so genannten Kommunikationsprofis mal wieder eine Chance verpasst und die neue Fassung der Zentralen Dienstvorschrift zur Inneren Führung der Bundeswehr NICHT veröffentlicht. Dankenswerter Weise hat das Michael Forster übernommen. Dort – und nicht bei der Bundeswehr – gibt es die Unternehmenskultur zum Herunterladen. Hoffentlich klappt der interne Roll-out besser.

Spiegel Leser wissen später auch nicht mehr

Irgenwie dachte ich ja, dass sich der Nachrichtenwert einer Meldung auch nach ihrem Neuigkeitsgehalt richtet. Auch hier setzt der Spiegel mal wieder die Branchengesetzte ausser Kraft und tisch seinen Lesern einen gut abgehangenen Schinken vor. Es geht um das gespannte Verhältnis der Deutschen Marine zu sich selbst, zu dem Kollege Wiegold bereits vor satten 8 Monaten alles gesagt hatte, was es zu sagen gibt. In Ermangelung eigener Recherchen haben die Hamburger Kollegen das Thema nun mit einer kleinen Lästerei aufgewärmt.

Ja sagen …

… muss man zu den beiden explizit auf die Kommunikationsarbeit zielenden Empfehlungen des „van Heyst“-Berichts, die Kollege Forster dankenswerter Weise herausgearbeitet hat.

– Die Arbeitsgruppe empfiehlt, offensiver gezielt Befehlshaber und Kontingentführer oder deren Sprecher für die Informations- und Pressearbeit zur Verfügung zu stellen, um militärische Lageeinschätzungen der Öffentlichkeit mit
Kompetenz aus erster Hand zu vermitteln. (Richtig, denn wenn Kommunikationsprofis nicht in ausreichender Anzahl im Ministerium vorhanden sind, sollte man wenigstens die Einsatzprofis zu Wort kommen lassen, wobei aber genau das explizit nicht gewollt ist.)

– Die Arbeitsgruppe empfiehlt, dezentrale Truppeninformation durch die verantwortlichen Kommandeure als wichtiges Führungsmittel verstärkt zu nutzen. (Auch diese Empfehlung ist richtig, stellt sich nur die Frage, warum die Kommandeure das schon nicht längst selbst tun?)


Wo sind die professionellen Kommunikationsmanager?

Vermutlich, weil sie es nicht können und auch nicht das entsprechend geeignete Personal haben, das sie dabei unterstützen könnte. Das ist zwar schwer zu glauben, denn schließlich dienen in der Bundeswehr deutlich mehr als 1000 Soldatinnen und Soldaten als Kommunikationsarbeiter. Ein Blick auf die Verankerung des Themas Kommunikationsmanagement in den zentralen Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr macht plausibel, woran es fehlen könnte.

– Wie ist es bspw. um die Ausbildung in diesem Bereich u.a. an der Führungsakademie bestellt?

– Was machen die beiden Universitäten? (Ein kurze Suche auf den Webseiten der Universitäten der Bundeswehr wirft genau ein Seminar zum Thema Kommunikationsmanagement am Münchner Marketinglehrstuhl aus).

– Welchen nennenswerten Beitrag leistet die Akademie für Information- und Kommunikation der Bundeswehr? (Substantielle Veröffentlichungen dieser Institution zum Thema gibt es nicht, bzw. sind komplett von Diskurs der Kommunikationswissenschaft abgekoppelt).

Auch ein weiter gefasster Blick in die (wissenschaftliche) Literatur und Forschung fällt ernüchternd aus. Bis auf die Arbeitsgruppe um Martin Löffelholz an der TU Ilmenau scheint sich kaum jemand nachhaltig mit Fragen von Militär und Kommunikationsmanagement zu befassen. Wenn dann mal etwas erscheint, wie bspw. der u.a. von Walter Jertz und Carsten Bockstette herausgegebene Sammelband „Strategisches Informations- und Kommunikationsmanagement“, dann sind die Beiträge eben dieser beiden das einzige Highlight in einem ansonsten echten Trauerspiel mangelnder bzw. unfundierter Befassung mit dem Thema.

Man kommt nicht umhin, den Kommentar des Wehrbeauftragten zu seinem 47. Jahresbericht gleichermaßen wegen der grundsätzlichen Richtigkeit zu loben, wie angesichts der traurigen Realität weiterhin als Wunschdenken sehen zu müssen.
„Eine immer größere Bedeutung im Hinblick auf die Darstellung nach innen und außen kommt den Medien der Bundeswehr zu. Neben der Beförderung von Informationen und Meinungen helfen sie in ganz wesentlichem
Maße dabei, die Leitsätze der Inneren Führung und den Prozess der Transformation nicht nur in die Truppe hinein-
zutragen, sondern auch mit Leben zu füllen. Dies geschieht mit großer Professionalität und mit persönlichem
Engagement aller Beteiligten. Ich halte es für eine Aufgabe von wachsender Bedeutung, den Medien der Bundeswehr optimale Rahmenbedingungen für ihre Arbeit zu schaffen. Hierzu gehört insbesondere eine ausreichende finanzielle, technische und personelle Ausstattung der Redaktionen.“

Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages
Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/850, Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2005 (47. Bericht), 14.03.2006, S. 45.

Mal wieder ein Film

Die Informations- und Medienzentrale der Bundeswehr hat mal wieder einen Film gedreht. Im Visier der Kameras war diesmal das Deutsche Heer. Der Anspruch klingt ambitioniert: „Der Film wurde eigens zur Verwendung in einer beweglich gelagerten Kabine, einem „Großraumsimulator“ entwickelt und wird noch in diesem Jahr auf verschiedenen Messen und Ausstellungen mit Bundeswehrbeteiligung zu sehen sein.“ Hoffentlich ist das fertige Stück besser als das, was wir in jüngster Zeit von den vermeintlichen Spezialisten der Medienzentrale zu sehen bekommen zu haben. Hoffen wir das beste.

Stille Tage in Klischee

Wer schreibt denn bitte so etwas? „Noch nie war sie so wertvoll wie heute“ lautet die Überschrift eines Namensartikels von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung zur Neufassung der Zentralen Dienstvorschrift 10/1 Innere Führung. Entweder das Ministerium beschäftigt fröhliche Praktikanten als Redenschreiber, oder die Lust des Stammpersonals am Kalauern war mal wieder größer als die Lust am Nachdenken. Oder wollte da jemand auf subtile Art und Weise die Innere Führung kritisieren?

Zur Redensart haben den Satz auf jeden Fall die Werber für Klosterfrau Melissengeist gemacht. Da hieß er noch: „Noch nie war er so wertvoll wie heute.“ Und weil das eigentlich jeder mitbekommen haben muss, der auch nur im Entferntesten etwas mit professioneller Kommunikation zu tun hat, ist die Überschrift einfach nur dämlich und dem Thema völlig unangemessen. Dass der Artikel selbst nur aus einer Aneinanderreihung ebenso wohlfeiler wir inhaltsleerer Sätze besteht, überrascht dann auch nicht mehr.

Bild-Macht

Wenn die Bundeswehr denn dann ausreichend über Panzer nachgedacht hat, empfehle ich einen Blick in das vermutlich beste militärische Media-Portal. Unter http://www.dvidshub.net/ bieten die US-Streitkräfte umfassende Informationen aus ihren Einsatzländern. Und falls sich in Berlin gerade jemand fragt, ob und welchen Sinn Satelliten-Verbindungen haben könnten, wird er dort ebenfalls eine Antwort finden. Die Perspektive des Ganzen muss ein professionelles Management der (Bewegt)Bilder der Bundeswehr sein. Warum das so ist und wie das geht habe ich in meiner Master-Thesis zum Thema Corporate TV der Bundeswehr an der Donau-Universität in Krems auch nach Meinung externer Experten ziemlich präzise beschrieben. Wer mehr lesen möchte als die Zusammenfassung im Anhang, kann mir gerne schreiben.

Gegen/Bilder: Perspektiven für den Einsatz von Corporate TV im Rahmen eines integrierten Kommunikationsmanagements der Bundeswehr

Abstract:
Bilder sind zum Rohstoff im globalen Wettbewerb der Medien geworden. In einem immer komplexeren Kommunikationsumfeld eröffnen sie Unternehmen und Organisationen die Chance, sich in den öffentlichen Arenen zu positionieren. Gleichzeitig wächst das Risiko, dass Bilder, die nicht dem angestrebten Image entsprechen, die Reputation der öffentlichen Akteure schädigen und ihre Handlungsspielräume einengen. Diese Arbeit untersucht, welche Perspektiven für den öffentlichen Akteur Bundeswehr in diesem visuellen Formatierungswettbewerb bestehen, um durch ein integriertes Management seiner Ressourcen zur Führung und Produktion audiovisueller Medien eigene Bilder in den für ihn relevanten Öffentlichkeiten zu platzieren. Auf Basis des Ansatzes der Unternehmenskommunikation von Zerfaß und gestützt durch eine Expertenbefragung zur Praxis des Corporate TV in Deutschland entwickelt der Verfasser einen strategischen Ansatz für ein erweitertes Corporate TV-Management der Bundeswehr. Dieses ist im Kern ein an den Umfeld-bedingungen ausgerichtetes Content-Management, das die bisher bestehenden Beschränkungen der Informationsarbeit der Bundeswehr aufhebt und den Eintritt der Bundeswehr in den globalen Kommunikationswettbewerb bis hin zur Informationskriegführung postuliert – wenn es die Lage erfordert.

Anhang 1: Modell eines integrierten Corporate TV der Bundeswehr Download hier
Anhang 2: Vom Corporate TV zum Content- und Kontextmanagement Download hier

„Auch über P(anze)R nachdenken“

Thomas Wiegold diskutiert unter Verweis auf das FAZ-Interview mit General Kasdorf hauptsächlich die Frage, wie es die Bundeswehr mit dem gezielten Ausschalten gegnerischer Zielpersonen hält und warum der Einsatz von Panzern in Afghanistan eventuell sinnvoll sein könnte.

Mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit weckt bei mir die folgende Aussage von Kasdorf: „Die andere Frage ist: Wie sieht das eigentlich mit unserer eigenen Bevölkerung aus? Ist die bereit, das so lange durchzustehen und die Unterstützung zu gewähren. Das ist immer eine ganz schwierige Angelegenheit. Es war für mich eine besondere Erfahrung, wie wesentlich die Öffentlichkeitsarbeit ist und wie geschickt unsere Gegner vorgegangen sind. Wir haben eine Menge angestellt, um uns besser zu positionieren, aber ich denke, dass wir da auch noch weiter zulegen müssen, um deutlich zu machen, welche Fortschritte erzielt worden sind.“

Ich bin gespannt, ob und in wie weit diese Erkenntnisse umgesetzt werden. Vielleicht ist es an der Zeit auch über eine Communications Quick Reaction Force nachzudenken. Deren Kernaufgabe ist es nicht, Einzelpersonen gezielt auszuschalten, sondern in einen zielgerichteten Dialog mit der Öffentlichkeit zu treten.

Meister Propa-ganda?

Interessantes über den Unterschied zwischen interner und externer Kommunikation liefert mal wieder der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Gewohnt optimistisch geben sich die Pressestelle der Bundeswehr in Mazar-e Sharif und die Redaktion der Webseite „Bundeswehr im Einsatz.“ „Die Richtung stimmt“, überschreiben die Hilfspropagandisten ihren Bericht über den Kontingentwechsel des Regionalkommandos Nord Anfang Januar. „Nicht“ ergänzt Kollege Forster diese Überschrift zu Recht mit Verweis auf den Erfahrungsbericht des 14. deutschen Einsatzkontingentes.

Welcher Text stimmt? Beide, denn der Öffentlichkeit möchte das Ministerium Mut machen, obwohl der Truppe der Mut langsam weiter sinkt. Dass diese Strategie unter den nahe liegenden Möglichkeiten des eigenen Handelns im Internet-Zeitalter die am weitesten entfernte ist, kann eigentlich nur noch die Kommunikationsburkaträger in der Führungsebene der Bundeswehr überraschen. Dagegen lernen heute Studierende aller kommunikativen Wissenschaften bereits im ersten Semester, dass prinzipiell alles Handeln von Organisationen öffentlich ist.

Vermutlich ist „Organisation“ auch genau das richtige Stichwort, denn Bundeswehr und Verteidigungsministerium erscheinen immer mehr wie zwei unterschiedliche Organisationen. Es ist also kaum verwunderlich, dass die Bundeswehr von einer One-Voice-Policy entfernt scheint, als Afghanistan von stabilen Verhältnissen. Wie weit, wird unter anderem in dem sehr lesenswerten Artikel von Jochen Bittner zu einem aktuellen internen Bericht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr im Zeit-Weblog deutlich. Folgt man dem Tenor des Artikels, scheint der Bericht so etwas wie die Generalsversion des Buches „Endstation Kabul“ zu sein.

Die Rückkehr des Landserromans

Ein bisschen enttäuscht bin ich ja schon. Hätte der Verlag von „Endstation Kabul“ seine Logistik auch nur halb so forciert wie das Marketing, hätte ich mir das Buch heute morgen am Frankfurter Hauptbahnhof kaufen können. Dennoch: sowohl die Leseprobe des Verlags als auch die im Stern veröffentlichten Passagen erlauben bereits ein Urteil.

Statt einer Enthüllung, die vor allem die voyeuristischen Gelüste befriedigt, liefern Wohlgethan und Schulze vor allem einen dramaturgisch aufgepeppten und gerade deshalb unverfälschten Einblick in den soldatischen „Arbeitsalltag.“ Es sind nämlich genau die Geschichten, die sich Soldaten erzählen, weil sie so viel näher an der empfundenen Wahrheit sind als die toten Texte aus den offiziellen Quellen.

Das vermeintliche „Problem“: Die Erlebnisse von Wohlgethan und Schulze eignen sich nicht zur Skandalisierung, sondern verlangen, dass man sich ernsthaft mit ihnen beschäftigt. Wenn also Spiegel Online über die Endstation heiße Luft klagt, klingt das eher nach Ärger über entgangene Klickraten als nach inhaltlicher Auseinandersetzung.

Genau die fordern die beiden Autoren zu Recht ein, und liefern dafür eine wertvolle Grundlage aus der Sicht der kämpfenden Truppe. Deren Solidarität dürfte ihnen sicher sein, wie einige der Kommentare im Blog des Kollegen Wiegold vermuten lassen. Flapsig gesagt, können wir also die Rückkehr des Landserromans in die deutsche Literatur feiern. Jetzt muss es der Verlag nur noch die Logistik in den Griff bekommen.

Davon losgelöst warten wir weiter auf den ersten echten Enthüllungsroman. Prognose: er wird kommen, er wird aus dem KSK kommen und er wird wieder im Stern vorab veröffentlicht.

Jetz´red i …

… mag sich der scheidende Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, Wolf-Dieter Löser, gedacht haben und hat sich laut Welt online unter Berufung auf dpa für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ausgesprochen. Zu Zeiten, in denen ehemalige Stabsunteroffiziere und Hauptleute die sicherheitspolitische Agenda bestimmen, sicher ein Thema mit einem gewissen Reiz. Unwahrscheinlich, ist, dass der zukünftige Kommandeur des NATO Defense College in Rom, sich damit zufällig in Dissens zur offiziellen Linie des Ministeriums setzt. Angesichts der Herausforderungen in den Einsatzländern ist dieses Ablenkungsmanöver aber ebenso durchsichtig wie inhaltlich unangemessen.