Über Anerkennung

Die kontroverse Diskussion um die re:publica und die Bundeswehr lässt mich nicht los. Angeregt durch einen Freund, habe ich auf Facebook einen Kommentar geschrieben, den ich auch hier veröffentliche. Mehr so als Tagebuch für mich, aber es mag vielleicht auch den ein oder anderen interessieren.

Schauen wir doch mal aus der Perspektive einer Soldatin oder eines Soldaten darauf, welche Anerkennung ihr oder ihm generell in der Gesellschaft zu Teil wird. Und prüfen wir mal, in wessen Verantwortung und Möglichkeit – außer uns allen – es vor allem liegt, diese zu fördern. Mir fallen dann als allerstes die Politik und das für die Bundeswehr verantwortliche Ministerium ein. Beim Blick auf die vergangenen knapp 20 Jahre – wir nehmen mal das Jahr 2001 mit dem Terorrangriff in New York als Zeitenwende und die nachfolgenden Einsätze der Bundeswehr als Zäsur – haben diese beiden Akteure eine Geschichte des dramatischen Versagens geschrieben.
 
Am deutlichsten wird das vermutlich an den Männern und Frauen, die schwer traumatisiert aus den Einsätzen zurück kamen, in die die Politik sie geschickt hat. Nicht nur, dass die Kriege aus denen sie kamen lange Jahre nicht Kriege genannt werden durften. Nein, mehr noch, für viele Jahre und selbst heute kämpfen viele von ihnen mindestens drei Kämpfe: gegen ihre Erinnerungen, gegen die Bundeswehrverwaltung um die Anerkennung ihrer seelischen Verwundung und die damit verbundene medizinische und materielle Versorgung sowie um die ideelle Anerkennung der Bevölkerung.
 
Ja, die Lage hat sich verbessert, aber sie ist lange noch nicht so, wie sie sein müsste, und immer noch geben viele diesen Kampf, der ein Kampf um ihr Leben ist für immer auf. (Wer dazu mehr wissen will, kann unter anderem Johannes Clair und Björn Schreiber befragen).
Ein Ausdruck dieser Ignoranz, nein, dieses absoluten Versagens der politischen Führung lieferte der Kommunikationschef des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, vor zwei Jahren. Auf die Frage, wann denn nun das seit fast einem Jahrzehnt versprochene Veteranenkonzept der Bundeswehr endlich verfasst und umgesetzt würde, antwortete der sinngemäß, dass dieses ja bloß eine Maßnahme zur Öffentlichkeitsarbeit für Reservisten und daher nicht dringlich sei.
 
Diese und ähnliche Aussagen kann man sich dann noch mit der Stellungnahme der Ministerin, dass die Bundeswehr ein grundsätzliches Haltungs- und Führungsproblem habe, zusammendenken (Ja, sie hat sich dafür nachträglich entschuldigt, aber der Stich ins Herz heilt halt nicht so leicht). So, und in diesem Klima ist es nun ausgerechnet eine nicht mehr ganz so kleine zivilgesellschaftliche Konferenz mit viel Herzblut unter anderem von Johnny Haeusler ins Leben gerufen, die als Punching-Ball für die fehlende Anerkennung unserer Soldatinnen und Soldaten herhalten soll? Are you fucking kidding me?

Über Kommunikation

Etwas unsortiert noch ein paar Gedanken zum Auftritt der Bundeswehr auf der re:publica (in der Bahn auf Smartphone geschrieben):

Kommunikation plant man unter zwei Prämissen.
1. Die Wirkung vom Ende her denken.
2. Die Wirkung danach definieren, was das (Ziel)Publikum fühlen, denken und tun soll.

Was hat die Bundeswehr gemessen daran erreicht? Wollte sie das erreichen? Und: darf sie das erreichen wollen?

Wenn sie wirklich an einem Dialog mit den Besucherinnen und Besuchern der re:publica interessiert gewesen wäre, hätte sie diese Linie auch trotz der Absage durchziehen müssen. Die re:publica will nicht, dass wir einen Stand aufbauen und in Uniform da rum springen? Ok, dann lassen wir das, ist ja deren Party inkl. Dresscode, aber interessant finden wir die schon, also gehen wir in zivil hin und überlegen uns etwas anderes, wie man erkennt, dass wir mit Auftrag da sind. Machen wir beim Peacekeeping schließlich auch. Leben in der Lage.

Die Demo vor der Station, vor allem aber die orchestrierte Medienkampagne, ist nicht dialogorientiert sondern auf Spaltung ausgerichtet. Das ist Kreisklasse: Wenn wir nicht mitspielen dürfen, treten wir ihnen wenigstens den Platz kaputt. Jeder, der auch nur ein bisschen etwas von Kommunikation versteht, muss wissen, dass er damit bei den Kritikern noch mehr Ablehnung auslöst und gleichzeitig die Binnensolidarität der Soldatinnen und Soldaten erhöht, inklusive der unflätigen Kommentare gegen „links-versiffte Gutmenschen.“

Wer jetzt sagt, das habe er weder geahnt noch gewollt, ist unterqualifiziert für seinen Job, denn genau das darf die Bundeswehr nicht wollen. So lustig ich das Motiv „Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst“-Motiv nach dem Angriff auf den Showroom fand, so fehl am Platz ist er hier, denn es suggeriert, die Bundeswehr sei von der re:publica angegriffen worden. Wie dämlich ist das denn bitte?

Vier Fragen, die Du dir stellen solltest, wenn Du unbedingt in Uniform auf die re:publica gehen willst

Ich glaube, das ist mein erstes Listicle. Der Anlass ist die Diskussion darüber, warum die Bundeswehr nicht in bestimmter Form auf der Konferenz re:publica präsent sein darf. Möge es nutzen:

  1. Was ist der Sinn von Uniformen, insbesondere des Kampfanzugs, den die Soldaten vor der Station, dem Ort, an dem die re:publica stattfindet tragen?
  2. Wodurch zeichnet sich eine zivilgesellschaftliche Veranstaltung wie die re:publica aus?
  3. Auf welcher Konferenz in Deutschland treten regelmäßig Menschen aus Kriegsgebieten auf, teilweise traumatisiert?
  4. Welche Kleidung wäre für Soldaten auf einer solchen Konferenz angemessen, um Menschen möglichst wenig zu ängstigen?

Pubertärer Protest – die re:publica will nicht mit der Bundeswehr spielen

Nachdem die Bundeswehr im vergangenen Jahr noch ganz überrascht war, dass es die re:publica überhaupt gibt, wollte sie in diesem Jahr gut vorbereitet sein auf Deutschlands größte zivilgesellschaftliche Konferenz zum Leben in der digitalen Welt. Dumm nur, dass die Veranstalterinnen und Veranstalter sie nicht mitspielen lassen wollten. Warum, das lässt die Bundeswehr auf ihren Kanälen, die sie zur Propaganda nutzt, unerwähnt. Dort heißt es nur, den Soldaten sei der Zugang in Uniform verwehrt worden.

Die Version, die Johnny Haeusler, einer der Erfinder der re:publica erzählt, klingt etwas plausibler.Auf Twitter schreibt er:

Wir möchten keinen Rekrutierungsstand auf unserer Veranstaltung. Und Debatten mit verschiedenen Akteuren wollte die BW nicht.

Und wisst Ihr was, liebe Leserinnen und Leser: Angesichts des Auftritts, den die Truppe vor der Station hinlegt und der Art und Weise, wie sie auf den sozialen Medien darüber spricht, gibt sie den Macherinnen und Macher der re:publica im Nachhinein recht. Die Bundeswehr wollte eine zutieftst zivilgesellschaftliche Veranstaltung zur Abspielstation ihrer plumpe Nachwuchswerbung machen und heult nun rum, dass man sie dort nicht haben wollte.

Eine staatliche Institution, die sich wie ein beleidigter Pennäler aufführt, weil sie nicht mitspielen darf, weil sie sich nicht an die Spielregeln halten will, ist intellektuell in der Pubertät stecken geblieben. Wer auch immer das im Ministerium freigegeben hat, ob dessen Sprecher Jens Flossdorf oder der Verantwortliche für die Arbeitgebermarke der Bundeswehr, Dirk Feldhaus, oder jemand anderes – ihnen fehlt die sittliche Reife, die es in dieser Position braucht.

Und, liebe re.publica: Obwohl sich die Bundeswehr hier aufführt, wie die Axt im Wald – Ihr solltet wirklich überprüfen, von wem Ihr wofür Geld nehmt und einheitliche Maßstäbe anlegen, denn auf dem Spielplatz sieht es auch scheiße aus, wenn man immer nur dem reichen Kind, mit dem niemand spielen will, eine reinhaut.