Medienzentrale reloaded – Ungeist hinter Stahlplatten

Nachtrag vom 2.1.2014:

Weil in der Diskussion um die konzeptionellen Grundlagen der Medienarbeit der Bundeswehr in den Kommentaren immer mal wieder auf angeblich vorliegende Konzepte der Vergangenheit Bezug genommen wird, folgend ein Link auf meine Masterarbeit im Universitätslehrgang PR und Integrierte Kommunikation aus dem Jahre 2006, in der ich mich mit diesem Thema intensiv befasst habe. Schwerpunkt der Studie war der Einsatz von Corporate TV. Ich habe den Text lange nicht mehr gelesen und womöglich ist Einiges, was darin steht, heute überholt, aber vielleicht finden sich darin ja noch einige Anregungen – und wenn es nur für die Debatte hier ist.

Gegen/Bilder: Perspektiven für den Einsatz von Corporate TV im Rahmen eines integrierten Kommunikationsmanagements der Bundeswehr

 

Neue Ministerin, neue Hoffnung. Das gilt auch für die Kameraden und Kollegen der Medienzentrale der Bundeswehr, die sich an ihre Scholle in Sankt Augustin krallen. Ihre Argumente sind durchaus valide. Unter anderem Infrastruktur, gute verkehrstechnische Anbindung, Ausstattung, eine lange Tradition und speziell ausgebildetes Personal, das andernorts nicht so schnell eine neue Stelle findet, haben sie dem Vertreter des CDU-Ortsverbandes in die Feder diktiert, der seiner Parteikollegin auch prompt einen Brief geschrieben hat (Danke für den Hinweis in den Kommentaren).

Leider ist die Argumentation insgesamt von der gleichen überschaubaren Qualität wie viele der Produkte, die die Medienzentrale seit ihrer Gründung produziert hat. Anstatt konkrete Zahlen zu nennen, ist im Brief davon die Rede, dass „In der IMZBw (…) neben den Soldaten auch einige zivile Mitarbeiter beschäftigt (…).“ Nein, wirklich, nicht zu glauben. Warum beantwortet die Medienzentrale, wenn sie doch schon so exzellente Beziehungen zur Lokalpolitik besitzt, nicht mal die wirklich wichtigen Fragen? Wie viele Mitarbeiter, welche Qualifikation? Für welche Produkte steht die Medienzentrale? Wie viele Sendeminuten hat sie im Jahr 2013 mit ihrem tollen Equipment produziert? Wie viele Auszubildende? Wie hoch ist ihr Etat? Was hat sie dafür geleistet? In wie vielen Ländern weltweit waren ihre Mitarbeiter im Einsatz? Wie bewertet das Publikum die Qualität der Beiträge?

Ich vermute: Entweder sie kann es nicht oder sie will es nicht. Und nein, ich will jetzt nicht wieder das Lamento hören, dass man ja so schlecht geführt worden sei. Das ist bekannt und ist auch nicht zu übersehen. Viel besser wäre doch, mal konstruktiv nach vorne zu diskutieren. Also beispielsweise:

– Welche Aufgaben sieht man im Bereich Personal, wenn doch schon ein Teil des Amtes gegenüber einzieht?

– Wie könnte man durch gute Kommunikation die Positionierung der Bundeswehr als Arbeitgeber unterstützen?

– Welche crossmedialen Produkte könnten in der Medienzentrale gedacht und gemacht werden?

– Wie könnte sich die Medienzentrale im Verbund mit dem nur etwa eine Stunde entfernten Standort des Zentrums Operative Information (ab 1.1. Operative Kommunikation) als ein wichtiges Element für eine integrierte Produktionsstätte positionieren?

– Welche Vorteile hätte ein gemeinsamer Ausbildungsverbund, der unter anderem die Nähe zu Köln nutzt, eventuell darüber hinaus noch das Thema Medienstandort NRW adressiert (in den schon viele Millionen versenkt wurden)?

– Welche Rolle könnte die Medienzentrale im mit fast 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland spielen?

Es gibt zahlreiche weitere Argumente, die sehr eindeutig für ein intelligentes Zukunftskonzept sprechen. Das absehbare Scheitern des Medienhauses in Berlin bzw. im märkischen Sand ist das schlechteste, denn die Bundeswehr könnte beides gut gebrauchen. Dass die Akteure in der Medienzentrale nicht in der Lage sind, diese Argumente zu entwickeln und zu formulieren, ist der beste Grund, den Standort zu schließen, denn in den Mauern lebt – hinter „einer inneren Auskleidung des Baukörpers mit 4mm dicken Stahlplatten und mit Spezialtüren zu den einzelnen Räumen“ – ein Ungeist der Zukunftsverweigerung, den zu verlieren, ein Segen für die Medienarbeit der Bundeswehr sein dürfte.

Stunde der Besserwisser

Helmut Michels ist Redakteur der Rheinischen Post und Oberst der Reserve

Helmut Michels ist Redakteur der Rheinischen Post und Oberst der Reserve

Helmut Michels ist Redakteur der Rheinischens Post – und Oberst der Reserve. In dieser Eigenschaft erteilt er Volker Kauder, der aus Juy vor Ursula von der Leyen salutierte, den Rat: „Fähnrich Kauder, zur Formalausbildung, marsch!“ Der militärische Gruß Kauders entsprach laut Michels nicht der Zentralen Dienstvorschrift (ZDV) 3/2 – Formaldienstordnung. Mag sein. Vielleicht sollte sich Michels Kauder anschließen und ebenfalls die Grundausbildung wiederholen, denn auch er nimmt es mit den Vorschriften nicht so genau. Wie so häufig ist es die Eitelkeit, die ihm im Wege steht. Gemäß der ZDV 37/10 – Anzugsordnung der Bundeswehr ist es dem Soldaten nämlich erlaubt, bis zu zwei Tätigkeitsabzeichen über der rechten Brusttasche zu tragen. Herr Michels will un saber wissen lassen, dass er nicht nur Angehöriger der Truppe für Operative Information ist, sondern sowohl aus einem deutschen als auch einem amerikanischen Flugzeug (oder auch einem deutschen mit einem amerikanischen Absetzer, oder einer anderen Konstellation, die es rechtfertig) gesprungen ist, weshalb er sich sowohl das deutsche als auch das amerikanische Springerabzeichen an die Brust heftet. Nun, werden manche Schlaumeier nun sagen, die Springerabzeichen sind ja keine Tätigkeits- sondern Sonderabzeichen und von denen dürfe man ja drei an der Uniform tragen. Das ist prinzipiell richtig. Aber auch hier haben die Vorschriftenhengste der Bundeswehr der Eitelkeit einen Riegel vorgeschoben und verfügt: „Werden Sonderabzeichen (Abschnitt XI) wie Tätigkeitsabzeichen getragen, so dürfen insgesamt über der Brusttasche nur zwei Abzeichen getragen werden.“

Mit dieser wirklich wichtigen Nachricht zurück nach Düsseldorf.

Eine neue neue Chance – Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen

Die CDU geführten Bundesregierungen haben in den vergangenen Jahren konsequent versäumt, Bundeswehr und Gesellschaft auf die veränderten Rahmenbedingungen der Außen- und Sicherheitspolitik einzustellen. Die geplante Bestellung von Ursula von der Leyen zur Bundesministerin der Verteidigung wird daran vermutlich nichts grundsätzlich ändern. Zu groß und komplex ist der Berg von halbherzigen Reformen, gescheiterten Rüstungsprojekten und fehlgeleiteten Missionen, die ihre Vorgänger der neuen Ministerin hinterlassen haben. Dennoch, gerade hier liegt eine neue neue Chance, denn im Unterschied zu ihren Vorgängern weiß Frau von der Leyen, dass sie ihre Machtansprüche nur wird durchsetzen können, wenn sie sich den Aufgaben und vor allem den Menschen wirklich zuwendet und sie nicht, wie Thomas de Maizière und Karl-Theodor zu Guttenberg, nur als Projektionsfläche für Eitelkeiten missbraucht.

Aus Kommunikationssicht dürfte interessant sein, ob von der Leyen ihren langjährigen Vertrauten Jens Flosdorff mit in den Bendlerblock bringt. Angesichts des Wechsels des BMAS zur SPD dürfte sein Abgang beschlossene Sache sein. Unabhängig davon dürfte eine der ersten Aufgaben der neuen Ministerin sein, das Verhältnis des Hauses zur Hauptstadtpresse wieder zu normalisieren. Pressechef Stefan Paris und sein Stellvertreter Kapitän Christian Dienst waren im vergangenen Jahr hauptsächlich damit beschäftigt, so genannte Sprechererklärungen zu formulieren. Die Beziehungsarbeit blieb dabei auf der Strecke. Statt dessen prägte ein beleidigter Unterton die Erklärungen. Über den Sinn einer solchen Kommunikationsstrategie sowie PR-Highlights wie die Lügen-Kampagne nach dem Kundus-Bombardement und das Drohnen-Desaster wird Dienst künftig angeblich als Kommandeur der Akademie für Information und Kommunikation der Bundeswehr in Strausberg nachdenken dürfen. Der Titel der Einrichtung klingt bedeutend. Die Impulse, die in den vergangenen Jahren aus dem Einödstandort in Brandenburg kamen, waren überschaubar.

Ein weiterer Schwerpunkt für von der Leyen wird vermutlich die Umsetzung und vor allem die Vermittlung der Reform der Bundeswehr nach Innen sein. Sie wird sich sehr genau ansehen, welche der Säcke von de Maizière wirklich zu sind und welche neu geschnürt werden müssen. Bleibt es beim zweijährigen Rhythmus, werden wir spätestens im Herbst 2014 auf der Bundeswehrtagung etwas dazu hören. Gespannt darf man darauf sein, welche Rolle dabei einer der engsten Mitarbeiter von der Leyens in den vergangen Jahren spielen wird. Frank-Jürgen Weise, Chef der Arbeitsagentur, war maßgeblich für die zumindest nach Außen hin erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik mitverantwortlich. Als Leiter der Bundeswehr-Strukturkommission und Oberst der Reserve, mit Einplanung im NATO-Stab in Brüssel, bringt er die optimale Mischung aus Nähe und Distanz mit, um gegebenenfalls sogar in einer offiziellen Rolle zu wirken. Auf jeden Fall aber könnte er zu einem wichtigen Berater der Ministerin werden, auch mit Blick auf das Verhältnis zur (Rüstungs)Industrie.

Weitere – auch kommunikative Baustellen – werden die Veteranenpolitik sein, bei der von der Leyen dringend auf die Verbände zugehen sollte und vor allem die Bearbeitungszeiten der Entschädigungsanträge drastisch verkürzen muss sowie die Nachwuchsgewinnung. Bei beiden Themen könnte sich die Ministerin durch ihre verbindliche und konsequente Art recht schnell profilieren und gleichzeitig substantielle Verbesserungen bewirken. Dann dürften auch die zahlreichen Kritiker, die ihre Frauenfeindlichkeit derzeit nur mühsam hinter dem Scheinargument der angeblich fehlenden Fachkompetenz von der Leyens verstecken, rasch verstummen. Auch ihnen bietet sich dann eine neue neue Chance – zu schweigen.