75 Jahre nach Kriegsende – Schluss mit der Tradition um Admiral Johannesson!

Gastbeitrag von Kapitän zur See a.D. Heiko Leopold

Konteradmiral Rolf Johannesson (1900 bis 1989) gilt in der deutschen Marine der Bundeswehr als Vorbild. Vor allem, weil er die Historisch-Taktische Tagung der Flotte initiiert hat. Diese soll die Marinegeschichte kritisch aufarbeiten. Johannesson vertrat das Ziel, des Römers Cicero: „Über Geschichte und Tradition“ nur die Wahrheit zu sagen, aber auch keine Wahrheit zu unterdrücken“. Auch dann, meinte Johannesson, wenn er sich dadurch unbeliebt machen werde.

Hinrichtung von Widerstandsgruppe erbarmungslos durchgewinkt

Seit 2017 ist jedoch bekannt, dass Johannesson als Konteradmiral und Befehlshaber der Nordseeküste im 2. Weltkrieg massiv gegen seinen hehren Anspruch verstoßen hat. Er hat Zeit seines Lebens verschwiegen, dass er als Gerichtsherr der Marine in der NS-Diktatur in den Endsiegterror der Nazis schuldhaft verstrickt war – selbst in seinem Nachkriegsbuch „Offizier in kritischer Zeit“.

Mitte April 1945, Schauplatz Helgoland: Drei Wochen vor Kriegsende wurde eine Widerstandgruppe von vier Soldaten und einem Bürger an die Nazi-SS verraten und zum Tode verurteilt. Die Gruppe hatte das Ziel verfolgt, die Insel vor der Bombardierung durch die Briten durch Funkkontakt mit England zu retten.

Als Seekommandant und Gerichtsherr bestätigte Admiral Johannesson die unmenschlichen Todesurteile, ohne einen Verteidiger vor Gericht zuzulassen. Er ließ sie noch am Tag der Verurteilung in Cuxhaven erschießen.  Getreu der Devise des in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten Endsiegfanatikers Großadmiral Karl Dönitz: „Verteidigung ist nicht nötig, Hinrichtung binnen 24 Stunden.“ Der Bitte des Marinepfarrers in Cuxhaven um Aufschub der Hinrichtung hat Johannesson nicht stattgeben.

Johannesson ist kein Vorbild für die Marine

Johannessons Totschweigen dieses Vorgangs nach dem Krieg war unredlich. Also Vorbild für die Marine der Bundeswehr war er untauglich und hätte 1956 nicht in der Marine der Demokratie wiedereingestellt werden dürfen.

Heute aber steht Johannessons Büste in der Aula der ehrwürdigen Marineoffiziersschule Flensburg-Mürwik neben der des hochgeachteten ehemaligen Generalinspekteurs, Admiral Dieter Wellershoff, sowie der Büste des Korvettenkapitäns Alfred Kranzfelder. Dieser wurde als Widerständler nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 hingerichtet.

Als General a.D. Wolfgang Altenburg, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und später oberster General der NATO in Brüssel, von der Büste in der Aula in Mürwik erfuhr, äußerte er sich empört über die Geschichtsvergessenheit der heutigen Marineführung. Altenburg war bei Kriegsschluss als 16-Jähriger Marinehelfer in Helgoland. Er war befreundet mit einem der erschossenen Soldaten, also Zeuge aller Vorgänge. Auch er ist zu den Vorgängen von der Gestapo verhört worden.

Die Büste in Mürwik muss weg!

Nach meiner Ansicht ist es dringend erforderlich, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ein geschichtswissenschaftliches, unabhängiges Gesamtgutachten der Causa Johannesson in Auftrag gibt. Dieses Gutachten sollte veröffentlicht werden. Vorrangig ist die Entfernung der Büste aus der Marineschule Mürwik.

Es darf einfach nicht sein, dass immer noch gelten soll, was Hans Filbinger, ehemaliger Marine-Oberrichter der Kriegsmarine in Oslo, Norwegen, zu seiner Verkündung und Vollstreckung von Todesurteilen gegen deutsche Soldaten bei Kriegsende gesagt haben soll: „Was damals Rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein!“

Hier geht es zur Resolution „75 Jahre nach Kriegsende – Schluss mit der Tradition um Admiral Johannesson!“

Über den Autor:
Heiko Leopold (geboren am 3.7.1938) trat 1958 als Offiziersanwärter in Glücksstadt/Elbe in die Marine ein. Zu seinen Laufbahnstationen gehörten neben der Ausbildung zum Seeoffizier in Flensburg-Mürwik die Ausbildung zum Marineflieger in Kaufbeuren sowie in den USA. Heiko Leopold wurde zudem an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg-Blankenese zum Admiralsstabsoffizier ausgebildet. Später war er im NATO-Hauptquartier Nord in Oslo sowie im NATO-Militärausschuss in Brüssel tätig. Beim Bundesminister der Verteidigung Hans Apel (1978 bis 1982) war Heiko Leopold Pressesprecher und Leiter des Informations- und Pressestabs. Zuletzt Dozent an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, wurde er 1992 auf eigenen Wunsch als Kapitän zur See a.D. pensioniert.