Ja, man soll den Tag vor dem Abend weder loben noch verdammen.
Ja, ich nehme mich wichtig, manchmal auch zu wichtig.
Und ja, ich bin auch persönlich enttäuscht – vor allem, wenn man mich um Rat fragt (in diesem Fall die Akademie für Information und Kommunikation der Bundeswehr, AIK) und ihn dann konsequent nicht berücksichtigt.
Ich fange mal mit einer Analogie an. Sie ist vielleicht etwas schief, trifft aber den Kern.
Wenn ein Kaninchenzüchterverein zu einer mehrtägigen Konferenz zum Thema „Erfolgsfaktoren für kaninchenorientierte Zuchtstrategien im Zeitalter der Gentechnik“ einladen würde, gäbe es meines Erachtens nur einen plausiblen Grund, nicht auch Kaninchen als Experten/Referenten einzuladen: Kaninchen können, soweit wir derzeit wissen, nicht über ihre Befindlichkeiten Auskunft geben. Wenn aber Kaninchen sprechen könnten, wären wir als Züchter wohl sehr daran interessiert, davon zu erfahren, was sie darüber denken. Oder?
Bürgernahe Kommunikation – ja, aber bitte ohne Bürger
Dennoch gibt es einen Konferenzveranstalter, der das offenkundig fundamental anders sieht. Es ist die AIK.
Unter dem Titel „Journalismus und bürgernahe Kommunikation im digitalen Zeitalter“ lädt die AIK zu einem dreitätigen Symposium Ende Juni nach Strausberg ein. Es soll Auftakt und Teil einer Veranstaltungsreihe mit dem klingenden Namen GOVERMEDIA werden. Im Kern soll es um die „Kommunikation von Regierung, Ministerien und Behörden im Umfeld neuer Kommunikationsformen“ gehen. So weit, so gut, so wichtig, so richtig.
Mit dem Programm, das nun im Web einsehbar ist, bin ich aus zahlreichen Gründen grundsätzlich unzufrieden.
Das größte Defizit der gesamten Veranstaltung ist , dass – um im schiefen Bild zu bleiben – die AIK keine Kaninchen eingeladen hat.
Im Klartext: In der Lesart der zentralen „Ausbildungs- und Tagungsstätte für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr“ die „sich als ein Forum für den Dialog von Bundeswehr mit Gesellschaft und Politik“ versteht, soll bei einem Symposium zur bürgernahen Kommunikation keiner der Bürger zu Wort kommen.
Das ist ein inhaltlicher Offenbarungseid!
Was Bürger können, was Kommunikation kann – und was die AIK nicht kann
Hat nicht (bei aller Kritik) die re:publica vor kurzem gezeigt, wer das sein könnte? Ist der Erfolg der Petition von Franziska Heine, nicht ein eindrücklicher Beweis, welche Möglichkeiten, das Internet zur Bürgerbeteiligung bietet? Sind nicht Markus Beckedahl und andere, die in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft mitarbeiten, Protagonisten einer Bewegung, die ernst zu nehmen ist? Und haben nicht zwei Blogs in NRW klar gemacht, wie bürgernaher Journalismus wirken kann?
Nicht so bei der Bundeswehr in Strausberg: Bürger kommen im Programm des Symposiums nur als Objekt (von Forschung, Medien, Technik) vor, inhaltliche und gesellschaftliche Fragen – und derer gibt es reichlich – werden konsequent nicht diskutiert.
Angesichts dessen muss man ernsthaft überlegen, ob nicht das AIK-Gelände in Strausberg zum Tal der Ahnungslosen des digitalen Zeitalters zu erklären ist.
Symposium – inhaltlicher Austausch oder Werbeveranstaltung?
Aber das ist noch nicht alles:
Tag 2 des Symposiums könnte man auch unter der Überschrift „Dienstleister der Bundeswehr-Werbetag“ zusammenfassen. Das Unternehmen Google (ohne Frage relevant) darf gleich zweimal seine Produkte bewerben, und ein Vortrag „Bewegtbildstrategien mit YouTube“ koppelt eine wichtige Frage an eine Antwort. Interessanter und deutlich relevanter wäre ein neutraler Blick auf Inhalte und Kanäle.
Fraglich ist auch, wieso der Vortrag zu „Chancen und Herausforderungen für Institutionen“ von einem Vertreter eine zweifelsohne fähigen Agentur (Aperto) kommt, und nicht von einem „Betroffenem“? Oder geht es schon soweit, dass die Behörden auch das Nachdenken über ihre Kernaufgaben „outgesourced“ haben?
Gesellschaft, Journalismus, Kommunikation – is it a mans world?
Mit Blick auf den Abschlußtag frage ich mich (ganz altväterlich), wie die beiden jungen Referentinnen, zu deren Kundenkreis u.a. Designagenturen, Fashion Labels sowie soziale Einrichtungen und Vereine sowie Kunden aus dem Bereich FMCG zählen, inhaltlich in der Lage sein sollen, den Boden für die nachfolgende, ebenfalls wichtige Diskussion zu bereiten. Und um es ganz deutlich zu sagen: Diese Kritik ist geschlechtsneutral, denn wirklich peinlich ist, dass von den insgesamt 25 Expertinnen und Experten nur 5 weiblich sind und die beiden Elefantenrunden zum Auftakt und zum Abschluss des Symposium ausschließlich von Männern besetzt sind.
Um es kurz zu machen: Journalismus und bürgernahe Kommunikation im digitalen Zeitalter ist in den Augen der AIK männlich dominiert, findet ohne Beteiligung der Bürger statt und lässt sich exklusiv als technisches Problem betrachten. Inhalte interessieren dabei nicht. Insofern ist das inhaltsleere Programm zumindest eine authentische Repräsentation des Denkens der Strausberger Kommunikationsverwalter. Dem Minister zu Guttenberg dürfte das nicht gefallen, und mir als Steuerzahler gefällt das auch nicht.
Dennoch wünsche ich der Veranstaltung natürlich ganz diplomatisch ein gutes Gelingen und die Beachtung, die sie verdient. (Nachtrag: Und das meine ich völlig ironiefrei).