Ein bislang verborgenes Marketing-Genie verdankt dem Sommerloch seine Entdeckung. Klaus-Peter Willsch, CDU-Abgeordneter des Rheingau-Taunus Kreises schafft es, selbst die legendären „Kühlschrank-an-Eskimo-Verkäufer“ locker zu übertrumpfen. Weil er nach eigener Aussage „das Gefühl hatte, nicht ausreichend in den Medien vorzukommen“, legt er seit 2002 seine eigene Postille auf, mit der er rund 90.000 Haushalte im Kreis belästigt. Davon abgesehen, dass ich sie noch nie bekommen habe und vermute, dass das Blättchen das Schicksal vieler Gratispublikationen – von der Druckerpresse in den Altpapiercontainer – teilt, ist auch die journalistische Qualität unterirdisch. Vielleicht liegt es genau an dieser mangelnden inhaltlichen Qualität, dass Herr Willsch bislang zu Recht nicht in einigermaßen anspruchsvollen Medien vorkommt. Davon unabhängig muss das Blatt eine mir und allen seriösen Kommunikationsexperten bislang verborgene Zielgruppe entdeckt haben. Von dieser hat Willsch insbesondere Entscheider bei Rüstungsunternehmen wie Eurojet, MDBA oder auch EADS überzeugt und ihnen pro Anzeige jeweils rund 2.500.- Euro abgeschwatzt (der Hessische Rundfunk hat nachgerechnet und kommt auf insgesamt 35.000 Euro). Weil diesen Sachverhalt mittlerweile unter anderem der SPIEGEL, die FAZ und der Stern aufgegriffen haben, hat Herr Willsch jetzt sicher nicht mehr das Gefühl, nicht ausreichend in den Medien vorzukommen.
Archiv für den Monat: Juli 2007
Lesenswert …
… ist in jedem Fall das Interview mit Wolfgang Schneiderhahn im Spiegel von dieser Woche (Im Netz ist bislang nur die englische Version nachlesbar) – selbst, wenn der Hinweis etwas spät kommt. Zum einen ist es eines der ganz seltenen Gespräche des Generalinspekteurs mit dem Nachrichtenmagazin, zum anderen schafft er es, den Spagat zwischen politischen und militärischen Anforderungen diplomatisch aber dennoch hinreichend präzise darzustellen. In einer idealen Welt wünschte man sich vielleicht noch etwas klarere Worte, aber das Gespräch ist schon mal ein guter Anfang für die Öffentlichkeitsarbeit in der verbleibenden Amtszeit des obersten Soldaten der Bundeswehr.
Rechtlich bedenklich …
… nennt das Bundeswehr-Magazin Y. mit Verweis auf das so genannten „Motherfucker-Video“ die u.a. im Internet zu findenden Videoaufnahmen von, mit und über Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Und damit auch alle gehörig Angst bekommen, die schon mal gefilmt haben, dass bspw. Schlafsäcke und ABC-Schutzmasken nicht nur im Rahmen des gegebenen Auftrages nutzbar sind, informiert die Redaktion über die schrecklichen Konsequenzen, die auf diejenigen warten, die daran denken, solche Aufnahmen zu veröffentlichen. Denn ihnen droht – so die Redaktion – der MAD:
„Videos und Fotos bleiben nicht unentdeckt. Im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben verfolgt der Militärische Abschirmdienst (MAD) Hinweise auch auf Beiträge im Internet. Neben dienstrechtlichen Maßnahmen drohen strafrechtliche Konsequenzen, zum Beispiel bei Gewaltdarstellungen (§ 131 Strafgesetzbuch), Verbreiten eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten (§ 33 Kunsturhebergesetz) oder sicherheitsgefährdendes Abbilden (§ 109g Strafgesetzbuch).
Zentrale Dienstvorschrift 2/30 Sicherheit in der Bundeswehr“
Eine derartige Drohkulisse mag ja den ein oder anderen ambitionierten Jungfilmer erschrecken oder sogar abschrecken. Im Kern offenbart dieser redaktionelle Beitrag aber erneut die grundsätzliche Haltung der Bundeswehr-Kommunikatoren, dass man das, was man nicht kontrollieren kann, am besten verbieten sollte. Außerdem zeigt es, dass es bei den redaktionell für diese Hauspostille des Ministeriums Verantwortlichen, mit journalistischen Standards nicht weit her ist. Im Kern ist nämlich das, was sie mit einem solchen Artikel betreiben Propaganda.
Auch ohne eine solide Ausbildung als Rechercheur ist es recht schnell möglich, sich einen Überblick über den tatsächlichen Auftrag des MAD zu machen. Zu dessen gesetzlichen Aufgaben im Inland gehört es nicht unbedingt, die Spuren von Videoamateuren im Internet zu verfolgen. Es sei denn, sie bedrohen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder das friedliche Zusammenleben der Völker (detailliert auch im entsprechenden Gesetz nachzulesen).
Abgesehen davon, dass der MAD momentan vermutlich ganz andere Prioritäten setzt und einigermaßen erfahrene Internetnutzer ihre Spuren ausreichend verschleiern können, zeigt die Darstellung in dem einstmals mit dem Anspruch ein Bundeswehr-Focus zu werden gestarteten Blatt, was die Bundeswehr-Blattmacher von ihren Leserinnen und Leser halten. Die müssen in den Augen der Redaktion offenkundig dumm sein, denn sonst würden sie ihnen nicht mit derart billigen Methoden kommen, oder etwa doch?
Wie es besser wäre? Zunächst einmal müssen sich die militärischen Führer auf allen Ebenen fragen lassen, was sie dazu beitragen, dass innherhalb der Organisation offensichtlich soviel Dumpfsinn herrscht, wie er im Eingangs genannten Video zu sehen ist. Denn nicht der Bericht über eine Tatsache ist in aller Regel problematisch, sondern der Sachverhalt an sich. Darüber hinaus ist eine umfassende Schulung aller Soldatinnen und Soldaten zum Umgang mit Medien ebenbso von Nöten, wie ein professionelles, offenenes Kommunikationsverständnis und eine qualitativ hochwertige Ausbildung des Kommunikationspersonals der Bundeswehr. Und – damit wir uns nicht falsch verstehen – eine konsequente Verfolgung tatsächlich sicherheitsgefährdender Tatbestände. Diese dürften aber nur zu einem äusserts geringen Anteil unter den Arbeiten der Hobbyfilmer zu finden sein.
Sommerzeit – Denkmalzeit
Liegt es am drohenden Sommerloch, oder besteht Hoffnung, dass die Debatte um das Ehrenmal der Bundeswehr doch noch stattfindet? Rainer Blasius fasst in seinem Leitartikel für die FAZ auf jeden Fall nochmal die überzeugenden Argumente für einen Standort am Reichstag zusammen. Aus meiner Sicht sehr erfreulich, dass er auch einen Hinweis des SPD-Abgeordneten Thießen aufgreift, der auf die mehr als fragwürdige Symbolik der Erkennungsmarken als äußeres Gestaltungselement hinweist. Denn diese sind schlicht ein Zeichen des industriellen Sterbens. Wie unpassend das für mich aus Sicht eines Soldaten ist, habe ich schon am 14. Juni beschrieben. Jetzt bin ich gespannt, ob es tatsächlich gelingt, die notwendige Diskussion in Gang zu setzen.
Wehrpflicht 2.0
Einen interessanten Einblick in die Bundeswehr ermöglicht Stephan Löwenstein in der FAZ von heute (im Volltext leider nur für Abonnenten). Zwei Sachen fallen bei seinem Portrait des Standortes Munster besonders auf: Wehrpflichtige werden immer stärker zu Zivildienstleistenden in Uniform, die der mehr oder weniger kämpfenden Truppe Routineaufgaben abnehmen, und die Entkopplung zwischen Wehrpflichtigen und dem länger dienenden Offiziernachwuchs schreitet durch die Neuordung der Ausbildung voran. Statt gemeinsam mit den Wehpflichtigen wird der Führungsnachwuchs des Heeres seit 2006 in eigenständigen Offizieranwärterbataillonen ausgebildet. Während die einheitliche Ausbildung grundsätzlich zu begrüßen ist, bleibt zu hoffen, dass die Trennung zwischen Mannschaften, Unteroffizieren und Offizieren nicht eine ähnlichen Entkopplung zwischen Führern und Geführten nach sich zieht, wie sie beispielsweise in den USA, Frankreich oder Großbritannien zu beobachten ist. Aus eigener Erfahrung ist es nämlich genau dieses gemeinsame Erleben, das wesentlich zur Kameradschaft beitrug und eine zentrale Stärke der deutschen Streitkräfte war.
Auch im Hinblick auf die Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft, ermöglicht der Artikel von Löwenstein eine Prognose. Durch die Konzentration der Bundeswehr auf einige größere Standorte, ist – ähnlich wie in den USA – zu erwarten, dass sukzessive quasi zivil-militärische Communities entstehen. Dennoch wäre es zu begrüßen, dass mit dem Rückzug der Bundeswehr aus der Fläche nicht der Rückzug aus der Gesellschaft beginnt. Der Rückzug aus der Wehrpflicht – und das lässt sich auch in diesem Artikel deutlich zwischen den Zeilen lesen – hat dagegen schon begonnen. Es wäre an der Zeit, auch diese neue Realität intensiver und nachhaltiger als bisher zu dikutieren, anstatt wie bisher das ein oder andere politische Sommer- wie Winterloch damit zu stopfen.
Kontinuität im Wandel
Das ist doch mal eine gute Nachricht aus dem Bendlerblock. Laut Pressemitteilung des Verteidigungsministeriums bleibt Wolfgang Schneiderhan ein Jahr länger als geplant Generalinspekteur der Bundeswehr. Während Thomas Wiegold vor allem die damit verbundenen politischen Aspekte beleuchtet, ist für mich vor allem interessant, dass Schneiderhan – so er denn wirklich bis zum Ende im Amt bleibt – als Generalinspekteur mit der längsten Dienstzeit in dieser Rolle in die Geschichte eingehen wird. Länger selbst als Ulrich de Maizìere, dessen Namen als einer der Väter des Konzeptes der Inneren Führung auch heute noch in der Bundeswehr präsent ist.
Schneiderhans lange Amtszeit stellt angesichts der dynamischen Entwicklung in den Jahren seit seinem Antritt am 1. Juli 2002 eine bemerkenswerte Kontinuität dar. Weil aber reine Ausdauer noch keine Wert an sich ist, bleibt abzuwarten, wie diese dann sieben Jahre im Nachhinein bewertet werden. Bei aller (öffentlichen) Zurückhaltung, die die Dienstgeschäfte des aktuellen Generals bisher prägte, wäre es vielleicht ein legitimes Ziel für die verbleibenden beiden Jahre, die Bundeswehr stärker in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Die stabile politische Großwetterlage bietet dafür optimale Voraussetzungen.
Verliebt in Berlin – oder Masar-i-Scharif
So langsam wird mir klar, warum das Bundesfinanzministerium der Verfilmung des Hitler-Attentats mit Tom Cruise als Claus Schenk Graf Stauffenberg keine Drehgenehmigung für den Bendlerblock erteilt hat. Dort laufen nämlich momentan die Dreharbeiten für eine andere Seifenoper. Kein Wunder also, das u.a. Stern und Bild ganz schnell auf den schmierigen Stoff angesprungen sind, der unter dem Arbeitstitel „Verliebt in Masar-i-Scharif“ neue Maßstäbe für Formatentwickler setzen wird. Verbindet der Plot doch erstmals Elemente von Boy-meets-Girl mit einer öffentlichen Exekution nach dem Muster Knieschuß – Bauchschuß – Kopfschuß.
Nun hat die öffentliche Hinrichtung von Offizieren im Bendlerblock ja durchaus Tradition. Allerdings geschah das nach dem Hitler-Attentat 1944 noch relativ profan durch ein einfaches Erschießungskommando. Heute kommen dazu – wie im Orts- und Häuserkampf üblich – vornehmlich Heckenschützen zum Einsatz. Außerdem hat sich deren Munition geändert. Statt der 7,92 mm Munition des Karabiners 98k nutzen diese heute Urlaubsanträge, die sie quasi im indirekten Richten an Medien wie die „Bild am Sonntag“ weitergeben. Oder aber sie informieren die Kollegen des Berliner Büros der Leipziger Volkszeitung exklusiv über interne Ermittlungen. Wohlwissend, dass diese damit in Ermangelung echter journalistischer Qualität die bundesrepublikanische PR-Maschinerie anwerfen werden.
Einige Fragen bleiben: wird Viereck auch einen Platz im Ehrenmal der Bundeswehr bekommen, wo er doch nun quasi öffentlich für Frieden, Recht und Freiheit gefallen ist? Und: sollte ich mich wirklich so geirrt haben, und das Ministerium beherrscht tatsächlich die hohe Kunst des Kommunikationsmanagements auf Augenhöhe mit den Intrigantenstadeln deutscher Großkonzerne? (Vgl. den Artikel „Halt die Presse“ im Manager Magazin 06/07, auf der Website des Magazins kostenpflichtig, bei den Verlagskollegen von media.spiegel.de aber momentan kostenfrei zum Download). Wie dem auch sei, man wird den Verdacht nicht los, dass das eigentliche Anschlagsziel der Minister selbst ist. Während die Frage noch offen ist, ob die Querschläger aus seinem Hause auch ihn treffen, habe ich aber schon mal einen Vorschlag für den Titelsong seiner als Telenovela getarnten Amtszeit: „Killing me softly.“
Klarer Blick
Ein sehr präzisen Beitrag zur sicherheitspolitischen Debatte von Brigadegeneral Klaus Wittman, „Director Academic Planning and Policy“ am NATO Defence College in Rom, ist in der FAZ von heute zu lesen (leider nur für Abonnenten). Unter dem Titel „Ein neues Strategisches Konzept“ definiert er insgesamt 12 Themenfelder, die in der überfälligen strategischen Neu-Konzeption der NATO zu berücksichtigen sind. Allerdings sieht er auch ziemlich klar, dass die Handlungsmöglichkeiten begrenzt sind, wenn er schreibt: „Selbst wenn nicht auf allen genanten Feldern eine rasche Einigung zu erwarten ist, so hätte doch schon der Prozess der intensiven, zielgerichteten Debatte über diese Themen einen großen Wert. Auch ein auf Konsens angelegtes Bündnis kann (…) nicht auf eine konstruktive Streitkultur verzichten.“
Dies gilt nicht nur für die Debatte innerhalb der NATO. Insbesondere in Deutschland sollten Beiträge wie dieser als Grundlage einer weiterführenden Diskussion genutzt werden. Dies nicht nur innerhalb der sicherheitspolitischen Community, sondern auch in der weiteren Öffentlichkeit. Und weil die heute bereits den Parlamentariern beginnt, von denen viele augenscheinlich mit viel Meinung und wenig Sachverstand ausgestattet über den Einsatz der Bundeswehr entscheiden, sei ihnen der Artikel von Wittman als Pflichtlektüre ans Herz gelegt.
Zahlen sind auch nur Buchstaben
So, so, da hat der Minister also zwei gesagt, die Luftwaffe aber sieben gehört (u.a. hier nachzulesen). Wenns einer mehr gewesen wäre, hätte ich es ja noch verstanden, schließlich hieß es ja G(eh) 8. Oder auch G 36, denn das hatten einige Soldaten wohl dabei, um sich mit 60 Schuß Munition vor Demonstranten zu schützen, wie Thomas Wiegold berichtet. Kein Wunder also, dass bei diesen ganzen Zahlen Verwirrung aufkommt. Gar nicht vorstellen will ich mir, welche Pannen uns noch über die Sicherung der Daten der Einsätze in Heiligendamm offenbart werden. Dagegen war der Millenium Bug vermutlich Topfschlagen. Dass das Ganze nun zum Kommunikationsproblem erklärt werden soll, macht es 1. hier zum Thema und 2. zum Beweis, das Zahlen halt auch nur Buchstaben sind, bei denen es 3. immer auf die Interpretation ankommt.
Meine Interpretation: Die Luftwaffe war froh, dass sie endlich mal wieder fliegen und nicht warten, also reparieren, musste.