Totenglocke für bwtv?

Fast hat es den Anschein, als wollte der Leiter des Presse- und Informationsstabes des Verteidigungsministeriums, Thomas Raabe, dem 2002 gestarteten Bundeswehr-TV nun im indirekten Richten den Garaus machen. In der Welt am Sonntag (online hier) lässt er sich mit den Worten zitieren, dass die Bundeswehr „nach spätestens drei Jahren über die Aufnahme des Regelbetriebs oder die Einstellung des Programms (hätte) entscheiden müssen“ und, dass Fernsehen ein extrem anspruchsvolles Medium sei und extrem gut gemacht werden müsse, damit es den Zuschauer erreiche. Mit beidem hat er Recht. Fragt sich nur, warum er sich – immerhin seit November 2005 im Amt – das Elend nun schon mehr als zwei Jahre mit ansieht? Unklar ist auch, warum der Redakteur des Beitrages, Ansgar Graw, diese Aussagen Raabes gegen solche von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan montiert, der im Gegensatz zum Sprecher des Ministeriums über einen Ausbau des Programms nachdenkt.

Vielleicht gibt es ja Antworten auf solche Fragen am 5. Juni anlässlich eines Vortrages von Raabe bei der Hermann Ehlers Stiftung. Titel: „Kommunikation in Zeiten schneller Medien – die Informationsarbeit von BMVg und Bundeswehr.“ Angesichts des langen Leidens und der überwiegend langweiligen Inhalte von bwtv erscheint der Begriff „schnell“ in diesem Zusammenhang etwas euphemistisch.

Einsatzführungstab ohne Kommunikationsressourcen?

Thomas Wiegold lobt zu Recht die geballte Expertise des neuen Einsatzführungsstabes der Bundeswehr und ermöglicht auch einen Blick in dessen Organigramm. Eine zentrale Frage bleibt darin unbeantwortet: Wer verantwortet die Informationsoperationen innerhalb des neuen Superhirns der Bundeswehr? Im Dokument ist zwar davon die Rede, dass „im Unterstützungsbereich I die sog. „Strategic Enabler“ und im Unterstützungsbereich II das Militärische Nachrichtenwesen und die Einsatzunterstützung“ angesiedelt sein werden. Das Thema InfoOps kommt aber in den bislang veröffentlichten Informationen (noch) nicht vor.

Vielleicht handhabt das Verteidigungsministerium die Angelegenheiten ja auch nach Schweizer Art. In ihrer Analyse von Trends und Kontroversen bei Informationsoperationen stellen die Forscher des Netzwerk schweizerische Aussen- und Sicherheitspolitik SSN unter anderem fest, dass trotz der unbestreitbar zunehmenden Bedeutung dieser Disziplin, „die Schweiz den Aufbau eines Armeestabsteils für «Operationelle Informationsführung», d.h. für psychologische Operationen, (…) im Sommer 2007 aufgrund von Unklarheiten im rechtlichen, doktrinalen und finanziellen Bereich zurückgestellt (hat)“
und kommen zu dem Schluß, dass „eine konzeptionelle Einbindung von Informationsoperationen in eine Informationsgesamtstrategie auf Stufe Bund (anzustreben wäre). Allerdings ist die strategische Informations- und Kommunikationspolitik in Krisenzeiten aufgrund von Eigenheiten des Regierungssystems und der föderalen Grundordnung der Schweiz eine schwierige Aufgabe.“ Ein Fazit, das in weiten Teilen eins zu eins auf die Bundesrepublik übertragbar ist.

Es bleibt zu hoffen, dass der „Expertise galore“ (Wiegold) des neuen Stabes in primär militärischen Fragen möglichst bald auch professionelle Kommunikationsressourcen zur Seite gestellt werden.

Propagandavorwürfe der Journalistengewerkschaft

Offensichtlich ist die Nachrichtenlage aus Sicht des Deutschen Journalisten Verbandes derzeit eher dünn. Vielleicht richtet der stets um Lautsprecherthemen bemühte Vorsitzende der Journalistengewerkschaft Michael Konken deshalb seine Aufmerksamkeit derzeit öfter mal auf militärische Themen. Dass er davon erkennbar wenig versteht, stört ihn nicht, solange die Schlagzeile stimmt. Anfang April warf er dem neuen (und schlechten) Videoangebot natochannel.tv vor, Propaganda zu betreiben. Jetzt unterstellt Konken der Bundeswehr das Gleiche. Der Propgandavorwurf trifft die so genannten Informationswehrübungen, ein Angebot, das es zivilen Führungskräften ermöglicht, mal in die Truppe reinzuschnuppern. Das, so Konken, „sei nichts anderes als eine deutsche Version des amerikanischen Propagandainstruments embedded journalism.“ Weil anerkannte Wehrdienstverweigerer von einer Akkreditierung für diese Veranstaltungen ausgeschlossen sind, wirft Konken der Bundeswehr vor, „potentielle Kritiker des Militärs fern zu halten.“

Die Frage, wie die Bundeswehr im Rahmen einer professionellen Pressearbeit mit Kritikern umgeht, ist sicher diskussionswürdig. Angesichts der vielfältigen Angebote der Bundeswehr für Journalisten, ist der Propagandavorwurf allerdings grotesk, nur weil diejenigen, die den Dienst an der Waffe – in der Regel aus guten und nachvollziehbaren Gründen – verweigert haben, nun kein Gewehr in die Hand nehmen dürfen. Das Beste wäre es vermutlich, auch diese zu integrieren und zuschauen zu lassen. Das Interesse dürfte sich in Grenzen halten und Konkens schwache Argumentation wäre als das entlarvt, was sie eigentlich ist: Propaganda.

Finger weg von bewegten Bildern

Was keine Quote macht, fliegt raus. Und Kommunikationsmanagement heißt nicht, alles, was man jemals geschrieben, fotografiert und gefilmt hat, ins Internet zu stellen oder anderweitig zu verbreiten. Selbst diese banalen Erkenntnisse scheinen für das um seine Existenzberechtigung kämpfende Bundeswehr-Fernsehen noch zu hoch zu sein. Anstatt sich die Zeit zu nehmen und ein grundlegendes Konzept für den Einsatz und die Nutzung von Bewegtbildern der Bundeswehr zu erarbeiten, wird jeder Mist publiziert. Die neueste Idee der Hobbyfilmer ist ein Videoarchiv der Bundeswehr. Abgesehen davon, dass es auf meinem Mac nicht läuft, ist die Nutzerführung und Präsentation derart altbacken und unansprechend, dass die Frage erlaubt sein muss, ob die Verantwortlichen in den vergangenen 10 Jahren zumindest einmal eine Website wie YouTube, MyVideo oder Sevenload besucht haben. Das sind die eigentlichen Videoarchive der Bundeswehr, und wer sein eigenes Bild in diesem Wettbewerb erfolgreich platzieren will, muss sich daran orientieren – oder es endlich einfach sein lassen, wenn es offensichtlich nicht möglich ist, es richtig zu machen.

Terminhinweis

Morgen kann man in Berlin etwas über Kommunikation in Kriegs- und Krisengebieten aus Persepktive eines Fotografen erfahren. Ich weiß nicht, wie das inhaltlich ist, aber wenn Berlin hier wäre, wäre ich wohl da.

Thema: Krieg und Frieden Embedded forever?
Referent: Thomas Grabka, Fotograf in Krisenregionen
Moderation: Manfred Protze, Sprecher des dju-Bundesvorstandes

Der Fotograf Thomas Grabka erzählt von seinen Arbeitsbedingungen in Kriegs- und Krisengebieten und zeigt Fotos, die er dort geschossen hat. Thomas Grabka ist erst vor wenigen Tagen aus Afghanistan zurückgekehrt und kann auch über die aktuelle Situation vor Ort berichten.

Wann?
Donnerstag, 8. Mai, ab 18 Uhr

Wo?
ver.di-Mediengalerie, Dudenstraße 10, 10963 Berlin
(direkt am U-Bahnhof Platz der Luftbrücke)

Veranstalter?
dju in ver.di