Die vermutlich beste, mit Sicherheit aber kontinuierlichste Berichterstattung über Afghanistan und den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch liefert meines Erachtens die ZEIT. Das zeigt exemplarisch der Artikel „Pflicht, Mut und sehr viel Frust“ von Theo Sommer in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung. Bereits mit seinem ersten Satz bringt Sommer ein zentrales Dilemma dieses Einsatzes und die kommunikativen Versäumnisse der Bundesregierung auf den Punkt. „Wer behauptet, Deutschland führe in Afghanistan keinen Krieg, verdrängt die Wirklichkeit und verprellt die Soldaten.“
Ganz besonders die politischen und militärischen Führungsspitzen der Bundeswehr, aber auch Parlamentarier und Soldatinnen und Soldaten, sollten sich die Zeit (Achtung, Wortspiel) nehmen und einmal eine halbe Stunde über diesen Satz nachdenken. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der morgendlichen Runde im Presse- und Informationsstab des Ministeriums ebenso wie Bataillonskommandeure und Kompaniechefs. Anschließend sollten sie versuchen eine Frage zu beantworten? Welches Maß und welche Art von Information und Kommunikation brauche ich ganz persönlich, um die Zweifel über das, was der Staat von mir verlangt und wofür ich bereit bin, im Ernstfall mein Leben zu geben, als sinnvoll und richtig zu betrachten. Vielleicht lassen sich dazu auf einer Seite die wesentlichen Stichpunkte notieren. Und diese Liste vergleiche man dann mit den tatsächlichen Kommunikationsaktivitäten der Bundeswehrführung, wie beispielsweise diesen:
„Über vieles, was sie von zu Hause hören, können sie nur den Kopf schütteln. Dass sie, die draußen in den Dörfern und Bergen den Kopf hinhalten, genauso bloß 92 Euro täglichen Einsatzzuschlag erhalten wie einer, der nur Schreibstubendienst tut. Dass es keine Tapferkeitsauszeichnung gibt, ja nicht einmal ein Verwundetenabzeichen. Und dass sie, wenn sie in den lehmfarbenen Bergen des Hindukuschs getötet werden, aufgrund einer ministeriellen Verfügung nicht als »gefallen« bezeichnet werden dürfen, sondern lediglich als »ums Leben gekommen« wie der Soldat in der Heimat, der sich im Wochenendverkehr zu Tode fährt. Da wünschen sie sich doch mehr Verständnis. Sie fühlen sich nicht gewürdigt.“
Ganz zu schweigen vom Umgang mit den Soldaten, die Anfang August an einem Checkpoint eine Frau und zwei Kinder erschossen haben und nach der rechtlich zwingend vorgeschriebenen Anklage der Staatsanwaltschaft von der Bundeswehr keinen Anwalt, aber, so Sommer, einen zinslosen Kredit zur Finanzierung der Anwaltskosten angeboten bekamen.
Losgelöst von allen Sachzwängen, strukturellen Unzulänglichkeiten, Besserwissereien und Spötteleien – wer hier nicht dringend Handlungsbedarf sieht, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Auch die Ausrede, man habe das ja alles nicht so genau wissen können, gilt nicht. Man kann. Und wer will, findet im Online-Themendossier der Zeit einen hervorragenden Startpunkt für weitergehende Recherchen. (Etwas, das im Übrigen in vielen Bereichen auch für das gemeinsame Afghanistan-Portal der Bundesregierung gilt.)
Unverständlich bleibt hingegen, warum es der Bundeswehrführung nicht gelingt, ihren Soldatinnen und Soldaten ein Angebot zu machen, dass ihre Sorgen, Ängste, Nöte und Erwartungen ernst nimmt. So bleibt es Autoren wir Theo Sommer alleine überlassen – und das ist keine Kritik an Sommer, denn er macht das hervorragend – diesen Menschen eine Stimme zu geben. Vielleicht muss man aber schon damit zufrieden sein, dass die Bundeswehr immerhin das zulässt.