„Kommunikation ist das A und O“ …

… sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, in dem sehr lesenswerten Portrait „General Loyal“von Hanns-Bruno Kammertöns in der aktuellen Zeit. In diesem Text wird außerdem zweierlei deutlich: Der Erfolg Schneiderhans beruht auf einer hohen Ernsthaftigkeit und Demut, mit der er sein Amt ausfüllt – was ihn gleichzeitig ein wenig inkompatibel zur Aufgeregtheit der Medien und den Eitelkeiten der Politiker macht. Und: Kommunikation bedeutet nicht, immer über alles mit jedem zu sprechen, sondern vor allem, Schweigen zu können und dann zur rechten Zeit das Richtige zu sagen. Genau das hat Schneiderhan jetzt getan.

Das Schneiderhan diese Kommunikation beherrscht, wird besonders deutlich an seiner Stellungnahme zu der Debatte über den Gebrauch der richtigen Bezeichnungen für das, was den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ausmacht. Die formuliert er als Frage. Wörtlich: „Warum nicht die soldatische Sprache benutzen, wenn es den Kameraden hilft, Motivation zu finden? Warum nicht sagen, jemand ist verwundet oder gefallen – wenn man sie mit diesen Worten heraushebt aus dem Kreis jener, die sich mit ihrem Dienstfahrzeug bei einem Unfall in der Heimat verletzen?“

Ja, warum nicht? Diese Frage muss die politische Führung der Bundeswehr beantworten. Und man kommt nicht umhin, zu fragen, warum sich sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Außenminister bislang hierzu nicht wirklich eindeutig geäußert haben, und Verteidigungsminister Jung erst so spät – aber immerhin – damit begonnen hat, seinen verbalen Eiertanz zu beenden. Das sind einige Fragen, die auch hinter den Fragen Schneiderhans stehen, und die deutlich machen, dass Kritik nicht immer laut sein muss, um – hoffentlich – gehört zu werden.

Eine gute Rede

Unter den zahlreichen Artikel zur Trauerfeier für die beiden in Afghanistan gefallenen Soldaten fällt ein Beitrag von Robin Alexander auf Welt Online auf. Alexander gelingt es sehr gut, einen Eindruck von den Gefühlen und der Stimmung vor Ort zu vermitteln. Und während die Agenturmeldungen den Umstand betonen, dass Verteidigungsminister Jung nun endlich den Begriff „Gefallen“ verwendet habe, ist vor allem hervorzuheben, dass er einfach eine gute Rede im Gepäck hatte. Zwar vermeidet er auch in dieser das Wort „Krieg“ und hält an dem abstrakten Begriff der „vernetzten Sicherheit“ fest, aber es ist nicht auszuschließen, dass diese Rede und die Trauerfeier in Zweibrücken einen Wendepunkt zu mehr Klarheit in der Diskussion um den Kampfeinsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten markieren wird.

Seltsam fremd

Während ich die aktuelle Berichterstattung über den Anschlag in Afghanistan verfolge, kommt mir ein Gedanke in den Kopf, warum die politische Führung sich so schwer tut, angemessene und überzeugenden Worte für das, was dort passiert, zu finden. Es scheint, als sei ihr alles Militärische, alles Soldatische fremd. Sie weiß nicht, was es bedeutet im Einsatz zu sein, dort zu leben, denn sie ist immer nur mal für ein paar Tage dort. Das ist nicht verwerflich. Das ist im Kern eine Folge des – richtigen – Primats der Politik. Verwerflich ist der Mangel an Empathie, an der Fähigkeit, sich in die Situation der Soldatinnen und Soldaten einzufühlen. Was Empathie ist, und wie fremd der Politik das Militär ist, zeigt eindrücklich die Stellungnahme des Kommandeurs des Fallschirmjägerbataillons 263, Holger Bonne, die u.a. auf Bild.de zu finden ist. So spricht man zu Soldatinnen und Soldaten und findet gleichzeitig die richtigen Worte, um die Notwendigkeit des Einsatzes deutlich zu machen.

Peter Struck hatte – und hat – diese Fähigkeit, wie er unter anderem erneut in der Sendung „Menschen bei Maischberger“ bewies.

Plastikdeutsch

Es gab einmal eine klare Aussage eines deutschen Verteidigungsministers. Die hieß: „Deutschlands Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Der Minister hieß Peter Struck. Dieser Satz mag inhaltlich umstritten sein. Unstrittig ist, dass er gut ist, etwas auf den Punkt bringt. Es ist womöglich einer der wenigen Sätze, die sich in der Diskussion um das deutsche Afghanistanengagement einigermaßen im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung verankert haben. Die Unfähigkeit der verantwortlichen Regierungspolitiker, eine Aussage zu formulieren, die auch nur in die Nähe dieses Satzes kommt dokumentiert eine aktuelle Presseerklärung der Bundesregierung.

„Vernetzte Sicherheit ist unser Ziel“, lässt sich Strucks Nachfolger Franz-Josef Jung dort zitieren, und man kann schon am Klang dieses Satzes verspüren, wie er Millionen von Menschen in Deutschland und Afghanistan begeistert, die sich, wenn man sie denn fragte, nichts sehnlicher wünschten als – vernetzte Sicherheit.

Das ist einfach lächerlich, unpolitisch, menschenfern, Plastikdeutsch. Im Vergleich zu den Technokraten, die in der politischen Führungsspitze des Verteidigungsminiteriums die Macht über die Worte übernommen haben, ist der Terminator eine umgängliche Plaudertasche.

AKTUALISIERUNG

Entsprechende Kommentare haben unter anderem Nico Fried in der Süddeutschen Zeitung und Ulrich Ladurner in der Zeit verfasst.

Das Wort hat: Der Minister

Eine interessante Aussage ließ sich heute morgen den Nachrichten bei hr-info entnehmen (leider kein „Beleg“ online). Demnach habe die Bundeswehr mit einer offiziellen Stellungnahme zum jüngsten Anschlag in Afghanistan gewartet, bis Bundesverteidigungsminister Jung aus dem Urlaub zurück war. Die entsprechenden Ausschüsse von Regierung und Bundestag seien dagegen unmittelbar und umfassend informiert worden – nicht aber die Medien.

Sieht man das positiv, wollte Jung nach dem Motto „Führen von vorne“, die offizielle Position des Ministeriums und der Regierung klar abstecken. Dieser Anspruch ist grundsätzlich richtig, setzt aber voraus, dass er die richtigen Worte findet, um sowohl den Angehörigen und Kameraden der Gefallenen als auch der Öffentlichkeit diese Position zu erklären. Betrachtet man ein Ergebnis dieser Kommunikationsstrategie, das Interview mit  Marietta Slomka im heute journal (hier in der ZDF-Mediathek), muss man diese zumindest in Frage stellen. Jung agiert zwischen Betroffenheit („hinterhältiger, feiger Anschlag“, mehrmals – Gibt es eigentlich auch offene, mutige Anschläge?) und abstraktem Plastikdeutsch (Die viel beschworene „vernetzte Sicherheit“). Er versucht die Logik des konkreten Einsatzes der Patrouille auf der Mikroebene zu erklären („Sie haben zwei Raketen gefunden, und mit Raketen wurden wir zuvor angegriffen.“ Vor allem verwahrt er sich aber vehement gegen das böse K-Wort („Krieg“) sowie gegen die Frage, ob die Soldaten gefallen seien. In Afghanistan, das sei nicht Krieg. „Das ist etwas völlig anderes“ sagt der Minister. Das sei … ja was denn? Eine „asymmetrische Bedrohungslage.“

Wow. Das sitzt. Man kann sich förmlich vorstellen, wie diese Wortschöpfung in den Kasernen der Bundeswehr die Runde machen wird, wie sie zum zentralen Orientierungspunkt junger Soldatinnen und Soldaten wird, wenn sie sich selbst und ihren Angehörigen erklären, warum es sich lohnt, sein Leben in Afghanistan zu riskieren, wie es an den Stammtischen der Republik die Herzen und Köpfe der Menschen für die Bundeswehr gewinnt. „Asymmetrische Bedrohungslage.“ Ist das alles, was den Kommunikationsverantwortlichen des Ministeriums zum Einsatz, zum Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan einfällt? Einem Einsatz, den die Soldatinnen und Soldaten längst als Krieg bezeichnen, worauf auch die sonst so nette Frau Slomka sehr deutlich hinweist, und als Antwort von Jung erhält, dass das der ein oder andere in der Bundeswehr so sehe?

Selbstverständlich sollten die Realität dieses Einsatzes und die Leistungen der Bundeswehr nicht zum Gegenstand von Wortklaubereien werden. Die eigentlichen Wortklauber aber sitzen in Berlin, denn sie schaffen es nicht, Worte zu finden, die Trost spenden und Solidarität mit der Bundeswehr erzeugen. Gleichzeitig soll die Bundeswehr, nach Aussage des Ministers, in Zukunft noch viel stärker die Herzen und Köpfe der Menschen in Afghanistan gewinnen. Wer, bitte, glaubt ernsthaft, dass ein Presse- und Informationsstab, dessen Leitung noch nicht mal in der Lage ist, Worte zu finden, die die Herzen und Köpfe der eigenen Bevölkerung gewinnen, dies bei einer uns völlig fremden Kultur zu erreichen in der Lage ist. Für dieses zentrale Versagen in alle Richtungen ist der Auftritt des Ministers ein eindrückliches und gleichzeitig bedrückendes Signal. Es ist höchste Zeit die richtigen Worte zu finden –  sonst werden sie einem entzogen.

Bundeswehr offline

Medien melden einen tödlichen Anschlag auf deutsche Soldaten in Afghanistan und die komplette Bundeswehr geht offline? Nicht wirklich ergiebig, diese Fehlermeldung. Friendly fire oder Attacke aus dem Cyberspace? Oder hunderte von Webseiten aber nur ein Content Management System. Erklärungen sind sehr willkommen.

AKTUALISIERUNG (man könnte auch Update schreiben)

Die Seiten sind wieder online (seit etwa 15 Uhr). Allerdings: Stand 17 Uhr berichten Medien bereits weitere Details und zitieren ISAF-Quellen. Das Verteidigungsministerium belässt es bei einem knappen Dreizeiler: „Am 20. Oktober gegen 13:00 Uhr Ortszeit wurde ein Selbstmordanschlag auf eine deutsche Patrouille verübt. Der Anschlag ereignete sich im Raum Kunduz. Nähere Angaben können derzeit noch nicht gemacht werden, die Ermittlungen laufen.“ Das ist zu langsam und zu wenig. Warum integriert der Presse- und Informationssstab nicht beispielsweise über einen so genannten Feedreader die aktuelle Berichterstattung ausgewählter Leitmedien – und ergänzt laufend die eigene Informationslage. So wäre es möglich, hier nach Innen und Außen eine Kanal zu etablieren, der einen Service (Überblick über die Nachrichtenlage) bietet und gleichzeitig Gelegenheit, die eigene Position zu kommunizieren.

Webseite der Bundeswehr am 20. Oktober 2008, 14.30 Uhr

ZEIT, zu lesen

Die vermutlich beste, mit Sicherheit aber kontinuierlichste Berichterstattung über Afghanistan und den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch liefert meines Erachtens die ZEIT. Das zeigt exemplarisch der Artikel „Pflicht, Mut und sehr viel Frust“ von Theo Sommer in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung. Bereits mit seinem ersten Satz bringt Sommer ein zentrales Dilemma dieses Einsatzes und die kommunikativen Versäumnisse der Bundesregierung auf den Punkt. „Wer behauptet, Deutschland führe in Afghanistan keinen Krieg, verdrängt die Wirklichkeit und verprellt die Soldaten.“

Ganz besonders die politischen und militärischen Führungsspitzen der Bundeswehr, aber auch Parlamentarier und Soldatinnen und Soldaten, sollten sich die Zeit (Achtung, Wortspiel) nehmen und einmal eine halbe Stunde über diesen Satz nachdenken. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der morgendlichen Runde im Presse- und Informationsstab des Ministeriums ebenso wie Bataillonskommandeure und Kompaniechefs. Anschließend sollten sie versuchen eine Frage zu beantworten? Welches Maß und welche Art von Information und Kommunikation brauche ich ganz persönlich, um die Zweifel über das, was der Staat von mir verlangt und wofür ich bereit bin, im Ernstfall mein Leben zu geben, als sinnvoll und richtig zu betrachten. Vielleicht lassen sich dazu auf einer Seite die wesentlichen Stichpunkte notieren. Und diese Liste vergleiche man dann mit den tatsächlichen Kommunikationsaktivitäten der Bundeswehrführung, wie beispielsweise diesen:

„Über vieles, was sie von zu Hause hören, können sie nur den Kopf schütteln. Dass sie, die draußen in den Dörfern und Bergen den Kopf hinhalten, genauso bloß 92 Euro täglichen Einsatzzuschlag erhalten wie einer, der nur Schreibstubendienst tut. Dass es keine Tapferkeitsauszeichnung gibt, ja nicht einmal ein Verwundetenabzeichen. Und dass sie, wenn sie in den lehmfarbenen Bergen des Hindukuschs getötet werden, aufgrund einer ministeriellen Verfügung nicht als »gefallen« bezeichnet werden dürfen, sondern lediglich als »ums Leben gekommen« – wie der Soldat in der Heimat, der sich im Wochenendverkehr zu Tode fährt. Da wünschen sie sich doch mehr Verständnis. Sie fühlen sich nicht gewürdigt.“

Ganz zu schweigen vom Umgang mit den Soldaten, die Anfang August an einem Checkpoint eine Frau und zwei Kinder erschossen haben und nach der rechtlich zwingend vorgeschriebenen Anklage der Staatsanwaltschaft von der Bundeswehr keinen Anwalt, aber, so Sommer, einen zinslosen Kredit zur Finanzierung der Anwaltskosten angeboten bekamen.

Losgelöst von allen Sachzwängen, strukturellen Unzulänglichkeiten, Besserwissereien und Spötteleien – wer hier nicht dringend Handlungsbedarf sieht, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Auch die Ausrede, man habe das ja alles nicht so genau wissen können, gilt nicht. Man kann. Und wer will, findet im Online-Themendossier der Zeit einen hervorragenden Startpunkt für weitergehende Recherchen. (Etwas, das im Übrigen in vielen Bereichen auch für das gemeinsame Afghanistan-Portal der Bundesregierung gilt.)

Unverständlich bleibt hingegen, warum es der Bundeswehrführung nicht gelingt, ihren Soldatinnen und Soldaten ein Angebot zu machen, dass ihre Sorgen, Ängste, Nöte und Erwartungen ernst nimmt. So bleibt es Autoren wir Theo Sommer alleine überlassen – und das ist keine Kritik an Sommer, denn er macht das hervorragend – diesen Menschen eine Stimme zu geben. Vielleicht muss man aber schon damit zufrieden sein, dass die Bundeswehr immerhin das zulässt.

Wer kommuniziert, führt

Welche Möglichkeiten für den professionellen Medieneinsatz in Ministerien bestehen zeigt derzeit das Auswärtige Amt (AA). Mit Unterstützung von Deutsche Welle TV hat das Ministerium eine rund 12 Minuten lange Dokumentation über das Engagement Deutschlands in Afghanistan produziert. Im Unterschied zu Produktionen der Bundeswehr überzeugt der Film – trotz einiger etwas pathetischer und vordergründiger Momente ( Wasser, Kinder und Hunde gehen immer) durch eine klare inhaltliche Struktur und professionelle Gestaltung. Konkrete Beispiele statt Behauptungen, klare Aussagen und Menschen, die ihre Geschichten erzählen – also alles, was professionelles Fernsehen ausmacht (und bei Bundeswehrproduktionen so selten zu finden ist). Das ist besonders deshalb so interessant, weil die Bundeswehr auch im Film des AA eine zentrale Rolle spielt. Weil die Bundeswehrführung offensichtlich weder willens noch in der Lage ist, ihre Geschichte zu erzählen, erzählen eben andere diese Geschichte. Frei nach dem Motto „Wer nicht handelt, wird behandelt“ findet das Primat der Politik hier gewissermaßen seine kommunikative Entsprechung.

Selbstverständlich ist auch dieser Film Regierungs-PR und kein Journalismus im eigentlichen Sinne (und die Deutsche Welle auch kein völlig unabhängiger Sender). Durch den Einsatz journalistischer Mittel gelingt es dem Auswärtigen Amt jedoch durch den Einsatz journalistischer Mittel eine Führungsrolle einzunehmen. Im gleichen Maße disqualifiziert sich die Bundeswehr durch ihr Nichthandeln als professioneller Ansprechpartner für ihre Anspruchsgruppen (neudeutsch: Stakeholder) – angefangen bei den eigenen Soldatinnen und Soldaten bis hin zu den Medien. Es sollte niemanden verwundern, wenn diese auch in künftigen kritischen Situationen sich nicht mehr an die militärische sondern an andere Ansprechpartner wenden werden. Führung ist etwas anderes.