Das Wort hat: Der Minister

Eine interessante Aussage ließ sich heute morgen den Nachrichten bei hr-info entnehmen (leider kein „Beleg“ online). Demnach habe die Bundeswehr mit einer offiziellen Stellungnahme zum jüngsten Anschlag in Afghanistan gewartet, bis Bundesverteidigungsminister Jung aus dem Urlaub zurück war. Die entsprechenden Ausschüsse von Regierung und Bundestag seien dagegen unmittelbar und umfassend informiert worden – nicht aber die Medien.

Sieht man das positiv, wollte Jung nach dem Motto „Führen von vorne“, die offizielle Position des Ministeriums und der Regierung klar abstecken. Dieser Anspruch ist grundsätzlich richtig, setzt aber voraus, dass er die richtigen Worte findet, um sowohl den Angehörigen und Kameraden der Gefallenen als auch der Öffentlichkeit diese Position zu erklären. Betrachtet man ein Ergebnis dieser Kommunikationsstrategie, das Interview mit  Marietta Slomka im heute journal (hier in der ZDF-Mediathek), muss man diese zumindest in Frage stellen. Jung agiert zwischen Betroffenheit („hinterhältiger, feiger Anschlag“, mehrmals – Gibt es eigentlich auch offene, mutige Anschläge?) und abstraktem Plastikdeutsch (Die viel beschworene „vernetzte Sicherheit“). Er versucht die Logik des konkreten Einsatzes der Patrouille auf der Mikroebene zu erklären („Sie haben zwei Raketen gefunden, und mit Raketen wurden wir zuvor angegriffen.“ Vor allem verwahrt er sich aber vehement gegen das böse K-Wort („Krieg“) sowie gegen die Frage, ob die Soldaten gefallen seien. In Afghanistan, das sei nicht Krieg. „Das ist etwas völlig anderes“ sagt der Minister. Das sei … ja was denn? Eine „asymmetrische Bedrohungslage.“

Wow. Das sitzt. Man kann sich förmlich vorstellen, wie diese Wortschöpfung in den Kasernen der Bundeswehr die Runde machen wird, wie sie zum zentralen Orientierungspunkt junger Soldatinnen und Soldaten wird, wenn sie sich selbst und ihren Angehörigen erklären, warum es sich lohnt, sein Leben in Afghanistan zu riskieren, wie es an den Stammtischen der Republik die Herzen und Köpfe der Menschen für die Bundeswehr gewinnt. „Asymmetrische Bedrohungslage.“ Ist das alles, was den Kommunikationsverantwortlichen des Ministeriums zum Einsatz, zum Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan einfällt? Einem Einsatz, den die Soldatinnen und Soldaten längst als Krieg bezeichnen, worauf auch die sonst so nette Frau Slomka sehr deutlich hinweist, und als Antwort von Jung erhält, dass das der ein oder andere in der Bundeswehr so sehe?

Selbstverständlich sollten die Realität dieses Einsatzes und die Leistungen der Bundeswehr nicht zum Gegenstand von Wortklaubereien werden. Die eigentlichen Wortklauber aber sitzen in Berlin, denn sie schaffen es nicht, Worte zu finden, die Trost spenden und Solidarität mit der Bundeswehr erzeugen. Gleichzeitig soll die Bundeswehr, nach Aussage des Ministers, in Zukunft noch viel stärker die Herzen und Köpfe der Menschen in Afghanistan gewinnen. Wer, bitte, glaubt ernsthaft, dass ein Presse- und Informationsstab, dessen Leitung noch nicht mal in der Lage ist, Worte zu finden, die die Herzen und Köpfe der eigenen Bevölkerung gewinnen, dies bei einer uns völlig fremden Kultur zu erreichen in der Lage ist. Für dieses zentrale Versagen in alle Richtungen ist der Auftritt des Ministers ein eindrückliches und gleichzeitig bedrückendes Signal. Es ist höchste Zeit die richtigen Worte zu finden –  sonst werden sie einem entzogen.

Ein Gedanke zu „Das Wort hat: Der Minister

  1. Absolut richtig!

    Es ist beschämend, wie sich Minister und IP-Stab verhalten.

    In Afghanistan lassen unsere Kameraden ihr Leben im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland und der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, der nichts anderes zu fürchten hat, als eine offene Debatte und den Verlust an Reputation, hat nicht mehr zu bemerken, als das es ihn betroffen macht, daß – siehe die entsprechenden Pressemitteilungen – die Bundeswehr vom gepanzerten Fahrzeug bis zum Arzttrupp nichts versäumt hat und die Angriffe feige und hinterhältig waren.

    Ich erwarte nicht, daß der Befehlshaber in der Öffentlichkeit Beteuerungen der eigenen Unschuld vor sich herschiebt. Ich erwarte keine öffentliche Betroffenheit oder gar Tränen. Was ich aber erwarte, ist, das der, auf dessen Befehl hier gehandelt wird, den Tod seiner Männer, seiner guten Männer beklagt, Männer, die für eine gute Sache gestorben sind, die ein Opfer gebracht haben, das wir ehren müssen und nicht vergessen dürfen. Wenn der Minister das nicht öffentlich, an erster Stelle sagen kann, wenn er dazu nicht in der Lage ist, dann muß er gehen.

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