Gescheiterte Kommunikationsstrategie?

In der aufgeregten (Medien-)Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan lässt eine Bemerkung des CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg aufhorchen. Im Interview mit Spiegel Online übt er scheinbar deutliche Kritik an der Kommunikationsstrategie. Allein, es wird nicht klar, wen er genau meint, denn er schließt einfach „alle politischen Verantwortungträger“ in seine Kritik ein.

„Unsere Kommunikationsstrategie der letzten Jahre ist gescheitert, wir müssen uns hier definitiv verbessern. Das gilt für alle politischen Verantwortungsträger. In die Bevölkerung hinein und gegenüber den Bündnispartnern muss Deutschland detailgetreuer darstellen, was die Bundeswehr in Afghanistan macht und weshalb sie es tut. In den letzten Jahren wurde von unserer Seite aus mit einer gewissen Schüchternheit kommuniziert, um möglicherweise nach innen keine Verstörungen hervorzurufen. Das hat aber wohl auch dazu geführt, dass die Wahrnehmung bei unseren Bündnispartnern eine falsche ist.“ 

So begrüßenswert die grundsätzliche Einsicht auch ist – sie geht am Kern dessen, was zu verändern ist, vorbei. Zum einen steckt in der Aussage, die Kommunikationsstrategie (wessen eigentlich) sei gescheitert, die Behauptung, es habe überhaupt eine gegeben. Wenn zu Guttenberg damit das Verteidigungsministerium meint, so sollte er dort noch einmal danach fragen, aber nicht allzu enttäuscht sein, wenn er sie nicht findet. Die entsprechenden Konzeptionen und Erlasse des Ministeriums (insbesondere die Teilkonzeptionen Informationsarbeit, Operative Information und Informationsoperationen) sind in weiten Teilen von einer derart bemerkenswerten Unkenntnis und mangelndem Verständnis für das strategische Kommunikationsmanagement geprägt, dass beim besten Willen nicht von einer Kommunikationsstrategie die Rede sein kann. Die Kommunikation der Parteien  kann zu Guttenberg ebenfalls nicht gemeint haben, denn die folgt – richtiger Weise – völlig unterschiedlichen Strategien.

Vom großen Wort der gescheiterten Kommunikationsstrategie bleibt damit nicht viel mehr als ein kleines „wir müssen mehr miteinander reden.“ Das immerhin ist so richtig, dass zu hoffen ist, dass den Worten Taten folgen und sowohl die Abgeordneten als auch das Verteidigungsministerium sich endlich mit der gebotenen Aufmerksamkeit, Professionalität und Nachhaltigkeit diesem Thema widmen. Dann klappt´s auch mit der Strategie.

Milchmädchen und Trockenschwimmer

Weil sich es ja immer so toll anhört, dass Deutschland das drittgrößte Kontingent der ISAF stellt (u.a. hier nachzulesen), jetzt mal eine ganz einfache – und natürlich ebenso falsche – Milchmädchenrechnung. Die USA stellen mit rund 15.000 Soldatinnen und Soldaten die größte Truppe und haben rund 300 Millionen Einwohner, macht einen Soldaten pro 20.000 Einwohner. Deutschland stellt ungefähr einen Soldaten pro 25.000 Einwohner und die Niederlande stellen einen Soldaten pro 10.000 Einwohner. Gemessen an den behaupteten Interessen der deutschen Politik ist das eher ärmlich – oder vielmehr unredlich, wie das Jan Techau und Alexander Skiba in einem Standpunkt der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik treffend herausarbeiten. (Zur Statistik siehe auch den Hinweis von Thomas Wiegold auf den Allied Command Situation Report)

Insbesondere der (erneuten) Forderung nach einer Debatte kann man sich nur anschließen – wobei dabei auch herauskommen kann, dass die Mehrheit der Deutschen den Einsatz ablehnt. Dann aber bitte mit allen – auch materiellen – Konsequenzen, denn das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als den Abschied aus vielen Bereichen der Weltgemeinschaft (und damit auch den Verlust der Rolle eines glaubwürdigen Kritikers bspw. der verfehlten Irak-Politik der USA).

Vielleicht ist die Debattenpolitik der Kommunikationsburkaträger in den Parteien und Ministerien aber nicht nur unredlich und unprofessionell, sondern vor allem darauf bedacht einige unangenehme Tatsachen zu verschleiern. Hinter einem dieser Schleier – dem, dass die Bundeswehr überfordert sei (was sie ist) -, liegen nämlich rund 20 Jahre verfehlter Außen- und Sicherheitspolitik inkl. eines Versagens bei der Transformation der Streitkräfte, den eben letztere nun als Trockenschwimmer ausbaden müssen.

Brieffreunde

Auch in Zeiten der digital vernetzten Kommunikation erweisen sich Briefe derzeit wieder einmal als eines der wirksamsten Mittel professionellen Kommunikationsmanagements. Es verwundert kaum, dass die Verantwortlichen im Verteidigungsministerium auch diesem Instrument kaum gewachsen scheinen. Treffend charakterisiert Klaus-Dieter Frankenberger in der Samstag-FAZ die Passivität des Ministeriums und der Bundesregierung als „Feigheit vor dem Bürger.“ und öffnet mit einem Artikel über das Schicksal dreier Bundeswehrsoldaten in der Sonntagsausgabe den gesamten Diskussionsraum von der politisch-strategischen bis zur menschlichen Dimension dieses Einsatzes. In der morgigen Ausgabe der FAZ legt dann Michael Rühle, Leiter des Planungsreferats der Politischen Abteilung der Nato in Brüssel, nach. „Am Rubikon der Kampfeinsätze“ überschreibt er seinen Beitrag, und beschreibt damit ziemlich präzise, wo wir in der Diskussion stehen.

Auch zu dem, was nun zu tun ist, äußert sich Rühle: Erstens müssten Auslandseinsätze künftig weitaus sorgfältiger abgewogen werden als bisher. Zweitens müsse die Bundeswehr den Weg zur Einsatzarmee konsequent weitergehen – mental wie materiell. Und drittens und vor allem müsse die Bundesrepublik eine sicherheitspolitische Debatte führen, die sich an den Konflikten des 21. Jahrhunderts orientiert. Klar ist dabei aber auch, dass die deutsche Politik diese Debatte selbst aktiv vorantreiben muss. Wenn sie dies weiter ihren Brieffreunden überlässt, wird sie keine Gestaltungsmacht beanspruchen dürfen. Das bedeutet aber auch, dass sie nicht mehr mäßigend auf die anderen NATO-Partner wird einwirken können.

Innen ist Außen

Weil jedes Handeln von staatlichen Organisationen öffentlich ist, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, besonders relevante Aspekte aktiv öffentlich zu machen. Weil man aber im Verteidigungsministerium teilweise aber immer noch zu glauben scheint, man könne die Öffentlichkeit mit Klischees abspeisen – oder weil man das mit dem Internet (noch ) nicht verstanden hat – haben die so genannten Kommunikationsprofis mal wieder eine Chance verpasst und die neue Fassung der Zentralen Dienstvorschrift zur Inneren Führung der Bundeswehr NICHT veröffentlicht. Dankenswerter Weise hat das Michael Forster übernommen. Dort – und nicht bei der Bundeswehr – gibt es die Unternehmenskultur zum Herunterladen. Hoffentlich klappt der interne Roll-out besser.

Spiegel Leser wissen später auch nicht mehr

Irgenwie dachte ich ja, dass sich der Nachrichtenwert einer Meldung auch nach ihrem Neuigkeitsgehalt richtet. Auch hier setzt der Spiegel mal wieder die Branchengesetzte ausser Kraft und tisch seinen Lesern einen gut abgehangenen Schinken vor. Es geht um das gespannte Verhältnis der Deutschen Marine zu sich selbst, zu dem Kollege Wiegold bereits vor satten 8 Monaten alles gesagt hatte, was es zu sagen gibt. In Ermangelung eigener Recherchen haben die Hamburger Kollegen das Thema nun mit einer kleinen Lästerei aufgewärmt.

Ja sagen …

… muss man zu den beiden explizit auf die Kommunikationsarbeit zielenden Empfehlungen des „van Heyst“-Berichts, die Kollege Forster dankenswerter Weise herausgearbeitet hat.

– Die Arbeitsgruppe empfiehlt, offensiver gezielt Befehlshaber und Kontingentführer oder deren Sprecher für die Informations- und Pressearbeit zur Verfügung zu stellen, um militärische Lageeinschätzungen der Öffentlichkeit mit
Kompetenz aus erster Hand zu vermitteln. (Richtig, denn wenn Kommunikationsprofis nicht in ausreichender Anzahl im Ministerium vorhanden sind, sollte man wenigstens die Einsatzprofis zu Wort kommen lassen, wobei aber genau das explizit nicht gewollt ist.)

– Die Arbeitsgruppe empfiehlt, dezentrale Truppeninformation durch die verantwortlichen Kommandeure als wichtiges Führungsmittel verstärkt zu nutzen. (Auch diese Empfehlung ist richtig, stellt sich nur die Frage, warum die Kommandeure das schon nicht längst selbst tun?)


Wo sind die professionellen Kommunikationsmanager?

Vermutlich, weil sie es nicht können und auch nicht das entsprechend geeignete Personal haben, das sie dabei unterstützen könnte. Das ist zwar schwer zu glauben, denn schließlich dienen in der Bundeswehr deutlich mehr als 1000 Soldatinnen und Soldaten als Kommunikationsarbeiter. Ein Blick auf die Verankerung des Themas Kommunikationsmanagement in den zentralen Ausbildungseinrichtungen der Bundeswehr macht plausibel, woran es fehlen könnte.

– Wie ist es bspw. um die Ausbildung in diesem Bereich u.a. an der Führungsakademie bestellt?

– Was machen die beiden Universitäten? (Ein kurze Suche auf den Webseiten der Universitäten der Bundeswehr wirft genau ein Seminar zum Thema Kommunikationsmanagement am Münchner Marketinglehrstuhl aus).

– Welchen nennenswerten Beitrag leistet die Akademie für Information- und Kommunikation der Bundeswehr? (Substantielle Veröffentlichungen dieser Institution zum Thema gibt es nicht, bzw. sind komplett von Diskurs der Kommunikationswissenschaft abgekoppelt).

Auch ein weiter gefasster Blick in die (wissenschaftliche) Literatur und Forschung fällt ernüchternd aus. Bis auf die Arbeitsgruppe um Martin Löffelholz an der TU Ilmenau scheint sich kaum jemand nachhaltig mit Fragen von Militär und Kommunikationsmanagement zu befassen. Wenn dann mal etwas erscheint, wie bspw. der u.a. von Walter Jertz und Carsten Bockstette herausgegebene Sammelband „Strategisches Informations- und Kommunikationsmanagement“, dann sind die Beiträge eben dieser beiden das einzige Highlight in einem ansonsten echten Trauerspiel mangelnder bzw. unfundierter Befassung mit dem Thema.

Man kommt nicht umhin, den Kommentar des Wehrbeauftragten zu seinem 47. Jahresbericht gleichermaßen wegen der grundsätzlichen Richtigkeit zu loben, wie angesichts der traurigen Realität weiterhin als Wunschdenken sehen zu müssen.
„Eine immer größere Bedeutung im Hinblick auf die Darstellung nach innen und außen kommt den Medien der Bundeswehr zu. Neben der Beförderung von Informationen und Meinungen helfen sie in ganz wesentlichem
Maße dabei, die Leitsätze der Inneren Führung und den Prozess der Transformation nicht nur in die Truppe hinein-
zutragen, sondern auch mit Leben zu füllen. Dies geschieht mit großer Professionalität und mit persönlichem
Engagement aller Beteiligten. Ich halte es für eine Aufgabe von wachsender Bedeutung, den Medien der Bundeswehr optimale Rahmenbedingungen für ihre Arbeit zu schaffen. Hierzu gehört insbesondere eine ausreichende finanzielle, technische und personelle Ausstattung der Redaktionen.“

Reinhold Robbe, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages
Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/850, Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2005 (47. Bericht), 14.03.2006, S. 45.

Mal wieder ein Film

Die Informations- und Medienzentrale der Bundeswehr hat mal wieder einen Film gedreht. Im Visier der Kameras war diesmal das Deutsche Heer. Der Anspruch klingt ambitioniert: „Der Film wurde eigens zur Verwendung in einer beweglich gelagerten Kabine, einem „Großraumsimulator“ entwickelt und wird noch in diesem Jahr auf verschiedenen Messen und Ausstellungen mit Bundeswehrbeteiligung zu sehen sein.“ Hoffentlich ist das fertige Stück besser als das, was wir in jüngster Zeit von den vermeintlichen Spezialisten der Medienzentrale zu sehen bekommen zu haben. Hoffen wir das beste.

Stille Tage in Klischee

Wer schreibt denn bitte so etwas? „Noch nie war sie so wertvoll wie heute“ lautet die Überschrift eines Namensartikels von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung zur Neufassung der Zentralen Dienstvorschrift 10/1 Innere Führung. Entweder das Ministerium beschäftigt fröhliche Praktikanten als Redenschreiber, oder die Lust des Stammpersonals am Kalauern war mal wieder größer als die Lust am Nachdenken. Oder wollte da jemand auf subtile Art und Weise die Innere Führung kritisieren?

Zur Redensart haben den Satz auf jeden Fall die Werber für Klosterfrau Melissengeist gemacht. Da hieß er noch: „Noch nie war er so wertvoll wie heute.“ Und weil das eigentlich jeder mitbekommen haben muss, der auch nur im Entferntesten etwas mit professioneller Kommunikation zu tun hat, ist die Überschrift einfach nur dämlich und dem Thema völlig unangemessen. Dass der Artikel selbst nur aus einer Aneinanderreihung ebenso wohlfeiler wir inhaltsleerer Sätze besteht, überrascht dann auch nicht mehr.

Bild-Macht

Wenn die Bundeswehr denn dann ausreichend über Panzer nachgedacht hat, empfehle ich einen Blick in das vermutlich beste militärische Media-Portal. Unter http://www.dvidshub.net/ bieten die US-Streitkräfte umfassende Informationen aus ihren Einsatzländern. Und falls sich in Berlin gerade jemand fragt, ob und welchen Sinn Satelliten-Verbindungen haben könnten, wird er dort ebenfalls eine Antwort finden. Die Perspektive des Ganzen muss ein professionelles Management der (Bewegt)Bilder der Bundeswehr sein. Warum das so ist und wie das geht habe ich in meiner Master-Thesis zum Thema Corporate TV der Bundeswehr an der Donau-Universität in Krems auch nach Meinung externer Experten ziemlich präzise beschrieben. Wer mehr lesen möchte als die Zusammenfassung im Anhang, kann mir gerne schreiben.

Gegen/Bilder: Perspektiven für den Einsatz von Corporate TV im Rahmen eines integrierten Kommunikationsmanagements der Bundeswehr

Abstract:
Bilder sind zum Rohstoff im globalen Wettbewerb der Medien geworden. In einem immer komplexeren Kommunikationsumfeld eröffnen sie Unternehmen und Organisationen die Chance, sich in den öffentlichen Arenen zu positionieren. Gleichzeitig wächst das Risiko, dass Bilder, die nicht dem angestrebten Image entsprechen, die Reputation der öffentlichen Akteure schädigen und ihre Handlungsspielräume einengen. Diese Arbeit untersucht, welche Perspektiven für den öffentlichen Akteur Bundeswehr in diesem visuellen Formatierungswettbewerb bestehen, um durch ein integriertes Management seiner Ressourcen zur Führung und Produktion audiovisueller Medien eigene Bilder in den für ihn relevanten Öffentlichkeiten zu platzieren. Auf Basis des Ansatzes der Unternehmenskommunikation von Zerfaß und gestützt durch eine Expertenbefragung zur Praxis des Corporate TV in Deutschland entwickelt der Verfasser einen strategischen Ansatz für ein erweitertes Corporate TV-Management der Bundeswehr. Dieses ist im Kern ein an den Umfeld-bedingungen ausgerichtetes Content-Management, das die bisher bestehenden Beschränkungen der Informationsarbeit der Bundeswehr aufhebt und den Eintritt der Bundeswehr in den globalen Kommunikationswettbewerb bis hin zur Informationskriegführung postuliert – wenn es die Lage erfordert.

Anhang 1: Modell eines integrierten Corporate TV der Bundeswehr Download hier
Anhang 2: Vom Corporate TV zum Content- und Kontextmanagement Download hier

„Auch über P(anze)R nachdenken“

Thomas Wiegold diskutiert unter Verweis auf das FAZ-Interview mit General Kasdorf hauptsächlich die Frage, wie es die Bundeswehr mit dem gezielten Ausschalten gegnerischer Zielpersonen hält und warum der Einsatz von Panzern in Afghanistan eventuell sinnvoll sein könnte.

Mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit weckt bei mir die folgende Aussage von Kasdorf: „Die andere Frage ist: Wie sieht das eigentlich mit unserer eigenen Bevölkerung aus? Ist die bereit, das so lange durchzustehen und die Unterstützung zu gewähren. Das ist immer eine ganz schwierige Angelegenheit. Es war für mich eine besondere Erfahrung, wie wesentlich die Öffentlichkeitsarbeit ist und wie geschickt unsere Gegner vorgegangen sind. Wir haben eine Menge angestellt, um uns besser zu positionieren, aber ich denke, dass wir da auch noch weiter zulegen müssen, um deutlich zu machen, welche Fortschritte erzielt worden sind.“

Ich bin gespannt, ob und in wie weit diese Erkenntnisse umgesetzt werden. Vielleicht ist es an der Zeit auch über eine Communications Quick Reaction Force nachzudenken. Deren Kernaufgabe ist es nicht, Einzelpersonen gezielt auszuschalten, sondern in einen zielgerichteten Dialog mit der Öffentlichkeit zu treten.