Live diskutieren

An Gesprächsstoff zu sicherheitspolitischen Themen mangelt es derzeit ja nicht wirklich. Wer sich hierbei auch für die journalistische Sichtweise interessiert, dem sei die folgende Veranstaltung des Netzwerk Recherche am 25.1.2011 empfohlen (Anmeldung erforderlich):

Mainzer Mediendisput in Berlin 01/2011

Auslandsberichterstattung im Ausnahmezustand: Was und wie berichten Journalisten noch über Krisen und Kriege?

Wer diktiert die politische Themen-Agenda in Krisenzeiten? Welche Auswahl- und Relevanzkriterien haben Chefredakteure? Laufen Enthüllungsportale wie Wikileaks der Auslandsberichterstattung den Rang ab? Wie nutzen Krisenreporter Blogs, Twitter und Social Networks für ihre Arbeit? Was ist authentisch, was reine Kriegs-PR?

Darüber diskutieren am Montag, 25.01.2011 ab 19 h in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in den Ministergärten 6 in Berlin-Mitte:

Stephanie Doetzer, Ehem. Redakteurin Al Jazeera, Qatar
Christoph Maria Fröhder, freier Fernsehjournalist und Krisenreporter
Astrid Frohloff, Vorstand Reporter ohne Grenzen
Matthias Gebauer, Chefreporter „Spiegel Online“
Susanne Koelbl, Krisenreporterin „Der Spiegel“
Julian Reichelt, Kriegsreporter „Bild“
Prof. Dr. Stephan Weichert ,Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK), Ko-Autor der Studie „Die Vorkämpfer“

Moderation: Prof. Dr. Thomas Leif, Chefreporter Fernsehen SWR Mainz, Vorsitzender Netzwerk Recherche e.V.

Zur vorbereitenden Lektüre hier noch der Link zu meinem Artikel zu den Forward Media Teams der NATO in Afghanistan als Beispiel innovativer Strategien der Militär-PR:

In der Grauzone – Arbeiten an der Schnittstelle von Journalismus und Militär-PR

Kulturkampf statt Kulturwandel

Wenn ich die aktuelle Berichterstattung über Ereignisse, die die Bundeswehr betreffen, richtig bewerte, stehen zu Guttenberg und die neue Führung der Bundeswehr vor einer ersten fundamentalen Krise, gegen die sich die medialen Erregungswellen und Kundus und Kerner harmlos ausnehmen.

Worum geht es? Derzeit werden vor allem drei Fälle öffentlich  diskutiert:

Von Unbekannten vermutlich geöffnete Feldpostbriefe aus Afghanistan
– Der Unfalltod einer Offizieranwärterin der Marine auf dem Segelschulschiff Gorch Fock
Der Tod eines Soldaten in Afghanistan, der vermutlich durch einen Kameraden wegen unsachgemäßen Umgangs mit einer Waffe verschuldet ist.

Warum sind das Zeichen einer fundamentalen Krise?

Im Oktober 2009 habe ich hier geschrieben, dass die Bundeswehr vor einem Kulturwandel stehe. Eineinhalb Jahre und eine Weise-Kommission später zeigt sich nun, dass der Wandel nun zum Kampf wird. Die Indizien sind eindeutig: Nicht der Minister hat die Aufklärung der o.g. Vorfälle aktiv betrieben, sondern der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, hat sie auf die Agenda gesetzt.

Damit bieten sich zwei Lesarten an:

1. Zu Guttenberg hat versucht, die unselige Tradition des Verschweigens und Vertuschens seines Vorgängers Franz-Josef Jung fortzusetzen. Dann hat er jetzt trotz seiner dynamischen Forderungen nach rückhaltloser Aufklärung ernsthafte Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit geweckt.

2. Die Truppe (und ihre Führung) haben das Ministerium nicht ausreichend über die Vorgänge informiert, was nichts anderes bedeutet, als dass sie zu Guttenberg nicht folgen. Strafmildernd könnte hier allenfalls der Umstand sein, dass die Verantwortlichen die Brisanz der Vorgänge unterschätzt haben. Das aber wäre nichts anderes, als den schon vor zu Guttenberg geforderten aktiven Gehorsam verweigert zu haben.

Kompetenz vs. Aufmerksamkeit

Auf ein Neues. Lassen wir 2011 beginnen. Eine Prognose: auch in diesem Jahr werden wir beobachten wie und wo sich die Schere zwischen Kompetenz und medialer Aufmerksamkeit beim Thema Sicherheitspolitik öffnet. So ist beispielsweise der Nachrichtenwert einer Ex-Bischöfin, die (noch) nicht in Afghanistan ist höher als der Besuch eines Bundestagsabgeordneten (und Oberst a.D.) eben dort. Im Klartext: Käßmann zieht, Kiesewetter nicht.

Tweet Kiesewetter

Geschenktip für Krieger

Wer noch nicht weiß, was er einem Afghanistanfahrer zu Weihnachten schenken soll, ich hätte hier einen Tip. Ganz ohne Minister und Kerner gibt es die Möglichkeit, Bilder aus dem Einsatz mitzunehmen. Verboten? Macht nichts. Diejenigen, die das verbieten sitzen ohnehin meist im Lager.

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Kommunikationskulturen

Heute eine kurze Zusammenfassung von nur lose verbundenen Dingen, die dennoch einen Einblick in unterschiedliche Kommunikationskulturen erlauben.

Thomas Wiegold verdanke ich den Hinweis auf ein Videomagazin des französischen Heeres. Die aktuelle Ausgabe von „Mag Terre“ befasst sich mit Aspekten des Einsatzes in Afghanistan und ist auf dem YouTube-Video-Kanal der Armée de Terre zu finden. Der Kanal ist zwar nicht Premium (und damit deutlich billiger) wie der der Bundeswehr, dafür sind die Inhalte ziemlich gut. Bei der Bundeswehr ist es quasi umgekehrt. Dafür stimmt die Quote. Mehr als 10.000 Nutzer haben die Bundeswehr auf YouTube abonniert, nur 200 die französischen Kollegen. Ist wie bei Arte, Qualitätsfernsehen legitimiert sich nicht über die Zuschaueranzahl. Überzeugend wäre es, beides zu kombinieren.

Kurzinterview zu militärischer Öffentlichkeitsarbeit
Zum Thema militärische Öffentlichkeitsarbeit hat mich das Branchenportal PR-Journal befragt. Interessierte Leserinnen und Leser finden meine Antworten hier: „Wir werden noch den ein oder anderen Skandal präsentiert bekommen.“

Fast noch interessanter aber ist, wer der Redaktion des PR-Journal nicht geantwortet hat. Die Kollegen hatten auch beim Bundesverteidigungsministerium (BMVg) in Berlin angefragt. Leider bekamen sie diese Absage: „Vielen Dank für Ihre Anfrage auf ein Projekt mit dem Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung, Herrn MinDirig Steffen Moritz. Herr Moritz begleitet aufgrund der momentanen aktuellen Themenlage eine Vielzahl von Terminen des Bundesministers der Verteidigung zu Guttenberg. Leider muss ich Ihnen daher mitteilen, dass der Sprecher BMVg für das von Ihnen angefragte Projekt auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung steht.“

Das erinnert mich fast schon an eine Absage, die ich im Juli 2009 auf eine andere Anfrage erhalten habe. Damals schrieben die Berliner Kommunikationsprofis: „leider ist es uns nicht möglich, Anfragen von Bloggern und Forenbetreibern zu beantworten.“

Außerdem ist die Absage an das PR-Journal ein glatte Lüge, oder wer glaubt, dass der Sprecher hier die Antworten noch selbst schreibt? Die Herren im Bendlerblock mauern, anstatt einfach zu sagen, dass sie keine Lust haben. Warum sollten wir also annehmen, dass sie uns ins in anderen Angelegenheiten wahrhaftig antworten?

Nachtrag:

Zur vergleichenden Kulturanalyse passt natürlich auch die Berichterstattung über den Besuch der Kanzlerin. Die Kollegen von Soldatenglück und Augen Geradeaus weisen zu Recht darauf hin, dass es im Jahr 2010 nicht zuviel verlangt wäre, eine zeitnahe Hofberichterstattung zu ermöglichen. Stattdessen, ein verlorenes Fitzelchen Information bei bundeswehr.de Ja, bei dem Minister ist es schon nicht leicht, das rechte Maß zwischen zu viel und zu wenig zu finden. Aber dass am Wochenende beim Bund nichts läuft außer der Nase, wissen wir doch schon lange.

Apropos Kulturkonflikt: Den zwischen Kampftruppe und Lagerinsassen in Afghanistan hat Michael Schmidt für den Tagesspiegel eindrucksvoll beschrieben, und damit auch eine Konfliktlinie vermessen, an der zu Guttenberg scheitern könnte – wenn er überhaupt scheitert.

Still gesessen!

Das Schöne an öffentlicher Kommunikation ist ja, dass sie uns ganz ohne Wikileaks zeigt, wer wir wirklich sind. Heute kehrt mal wieder die BILD ihr innerstes nach außen und zeigt auf ihrer Titelseite statt der üblichen Wichsvorlage die Frau des Bundesministers der Verteidigung. Passend zum Sujet verfällt die BILD in den Befehlston und ruft uns noch denkenden Menschen zu: „Einfach mal die Klappe halten!“ Sie hätte auch „Hirn ausschalten!“ befehlen können. Als ehemaliger Fallschirmjäger weiß ich, dass das manchmal wirklich sehr hilfreich sein kann. Wenn es aber darum geht, sich ernsthaft mit dem Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch zu befassen, wäre nichts schädlicher.

In a nutshell: Der Ministerbesuch nebst Gattin und Hofnarr ist eine geniale Kommunikationsleistung. Ich hätte es genau so gemacht, aber – da hat Gabriel recht – ich hätte auch die Katzenberger mitgenommen (oder wen auch immer sich die Soldaten im Einsatz per Voting gewünscht hätten).

Dazu, die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten anzuerkennen, gehört aber auch, sie zunächst wahrzunehmen. Die „Nörgler, Neider, Niederschreiber“ tun genau das, kompensieren aber durch ihr Nörgeln, Neiden, Niederschreiben ihr schlechtes Gewissen, dass sie im achten Jahr des Einsatzes immer noch keine dauerhafte Präsenz am Hindukusch zeigen, sondern sich vor allem aus warmen Hauptstadtbüros äußern. Ihnen jetzt jedoch den Mund verbieten zu wollen ist anmaßend, denn noch hat zu Guttenberg nicht gezeigt – oder zeigen können – dass der Anerkennung auch Taten folgen, beispielsweise bei der nicht nur symbolischen sondern materiellen Anerkennung von verwundeten und traumatisierten Soldaten.

Nun ist klar, dass sich zu Guttenberg durch sein Handeln auch Machtpotentiale sichern will, um die in Teilen zynische und menschenfeindliche Wehrverwaltung auf links drehen zu können. Das wird ihm aber mit Kampagnenjournalismus á la Bild allein nicht gelingen. Hier wird er kritische Journalisten brauchen, die vom Geschäft etwas mehr verstehen als den Unterleib. In diesem Sinne wäre die Bild gut beraten, jetzt mal selbst die Klappe zu halten.

Fortschrittsberichte

13.12.2010 – Acht Jahre nach Beginn des deutschen Afghanistan-Einsatzes legt die Bundesregierung ihren ersten Fortschrittsbericht vor. (Zum Herunterladen bei REGIERUNGOnline bitte hier klicken)

Eine inhaltliche Bewertung braucht etwas mehr Zeit, weil dazu auch unbedingt die Stellungnahmen von Winfried Nachtwei zum Stand der zivilen Krisenprävention zu lesen sind. (Hier das Wortprotokoll der Anhörung im Bundetag sowie hier seine Stellungnahmefür den Auswärtigen Ausschuß).

Formal bemerkenswert ist, dass sich die Bundesregierung ausdrücklich auf das Engagments Nachtweis bezieht: „Der Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Lage in Afghanistan dient der Unterrichtung des Deutschen Bundestags. Dort wurde (durch Nachtwei, Anm. des Bendler-Blogs) die Forderung erhoben, eine umfassende Bestandsaufnahme des deutschen Engagements vorzunehmen.“

Ein Verweis auf einen ähnlich gelagerten Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen dagegen fehlt ebenso wie der auf eine entsprechende durch mich initiierte und von 782 Bürgerinnen und Bürgern mitgezeichnete Petition.

Letzteres ist verständlich, ersteres eine Frechheit.

Eine Frage des Herzens

Die Wiedereinführung des Gefühligen in die Politik betreibt dagegen der Verteidigungsminister. Dass er seine Frau mit zum Truppenbesuch nach Afghanistan nimmt, begrüße ich. Sehr. Nicht aber, dass sie dabei die Rolle der obersten Krankenpflegerin und Beichtschwester spielen will. „Stephanie zu Guttenberg will während des Aufenthaltes in Afghanistan ein Feldlazarett besuchen und sich vor allem mit deutschen Soldatinnen austauschen“, sagt laut Stern das Verteidigungsministerium. Und dass die Hamburger-Qualitätsjournalisten den Quatsch mit Soße, der ihnen da präsentiert wird, mit „Afghanistan-Besuch als „Frage des Herzens“ übertiteln, zeigt, dass das Blatt seine Rolle als Bravo für Ältere konsequent spielt. Wann kommt der Guttenberg-Starschnitt?

Ach, dafür ist ja die BILD zuständig, die Frau von Guttenberg zur mutigsten Frau Deutschlands erklärt. Angst um die Frisur braucht sie jedenfalls nicht zu haben. Die sitzt, wie man hier sehen kann. Und nur damit wir uns nicht falsch verstehen. Das ist keine Kritik am Menschenfischer und seiner Frau, sondern eine knallharte Beschimpfung des Publikums, dass sich diesen Kitsch verkaufen lässt.

Wo werden Helden geboren? In Afghanistan oder bei Wetten Dass?

So abwegig die Frage auch scheint, sie ist es nicht. Während ganz Deutschland Anteil am Schicksal eines jungen Mannes nimmt, der aus Ruhm- und Abenteuerlust der Nation zeigen wollte, was man als Bürger mit der am Hindukusch gut verteidigten Freiheit so alles anfangen kann, haben es die Verteidiger dieser Freiheit nicht immer leicht, wenn sie in die Heimat zurückkehren. Wer sich darüber genauer informieren will, findet Informationen unter anderem beim neu gegründeten Bund Deutscher Veteranen. So seltsam und aus der Zeit gefallen dieser Name auch klingt, der Verband und einige seiner Mitgliedsvereine haben bislang durch gründliche Arbeit überzeugt, und dabei insbesondere – ganz ohne Wikileaks – enthüllt, wie die deutsche Wehrverwaltung mit im Einsatz verwundeten Soldaten umgeht.

Im Unterschied zur deutschen Militärbürokratie ist das ZDF, als öffentlich-rechtlicher Sender ja ebenfalls im Staatsauftrag tätig, etwas schneller. Dem verunfallten Samuel Koch wurde nicht nur deutlich mehr Aufmerksamkeit für sein tragisches Schicksal zu Teil, sondern auch eine schnelle, unbürokratische beträchtliche Soforthilfe. Das sei ihm mehr als gegönnt, aber können wir uns darauf einigen, dies in Zukunft auch bei Soldatinnen und Soldaten so zu handhaben?

Und sonst? Ist nicht viel passiert.

Sex im Einsatz – ein afghanischer Sommernachtstraum

Von Gewalt und Tod in Afghanistan haben wir schon viel gehört. Von Sex nicht. Die Redaktion von tagesschau.de lüftet jetzt den Schleier. Zum Vorschein kommen „lange Wimpern und dunkle, samtige Augen“. Sie gehören zu Hermann, einem Esel. Erstanden von deutschen Soldaten auf dem Markt von Char Darah. 70 Euro soll er gekostet haben. „Etwas besseres als den Tod findest du überall“ mag sich der Esel in Erinnerung an seinen Verwandten bei den Bremer Stadtmusikanten gedacht haben, bevor er Teil des deutschen Sommernachtstraums im afghanischen Winter wurde. Emma, übernehmen sie.

Warum nicht Fusion? – Deutsche Welle und Bundeswehrmedien

Folgt man der aktuellen Berichterstattung, steht dem neben der Bundeswehr größten Kommunikationsapparat deutscher Politik, der Deutschen Welle, in den kommenden Jahren ein grundlegender Umbau bevor. Warum also nicht im Sinne einer vernetzten Sicherheitspolitik mal zusammen denken, was zusammen gehört? Konkret: In die Überlegungen über eine engere zivil-militärische Zusammenarbeit auch die Ressourcen bei der Medienproduktion mit einbeziehen und beispielsweise eine Einrichtung wie die Medienzentrale der Bundeswehr organisatorisch mit den Auslandsrundfunkern verschmelzen. Es gibt da zwar einige Passagen im Deutsche-Welle-Gesetz, die noch nicht ausreichend kompatibel mit Einsatzaufträgen sind, aber die Aufforderung von Verteidigungsminister zu Guttenberg, etwas unverkrampfter an das Thema Deutsche Sicherheitsinteressen heranzugehen, könnte hier sicher die ein oder andere Verspannung lösen. Außerdem unterstützt zum Beispiel DW-TV bereits regelmäßig die Regierungs-PR, der Schritt ist also nicht so groß. Und für die Medienmacher der Bundeswehr wäre damit in jedem Fall eine deutliche Professionalisierung verbunden.

Nachtrag:
Das mit der Professionalisierung ist übrigens sehr ernst gemeint. In diesem Zusammenhang noch ein Hinweis auf das Blog „lab“ von Marcus Bösch und Steffen Leidel. Warum fällt es den Bundeswehrkommunikatoren so schwer, ähnliche Impulse zu setzen, wo es Ihnen doch so leicht fällt, tote Pferde mit staatstragendem Anspruch wie die Initiative Govermedia zu zeugen und zu satteln?

Zu Guttenbergs riskante Strategie

Die Berichte über zu Guttenbergs jüngsten „Frontbesuch“ und das Portrait eines Hauptgefreiten der Task Force Kunduz in der FAZ vom 6. November 2010 müssen parallel gelesen werden, um die Gefahren des deutschen Afghanistan-Einsatzes richtig einschätzen zu können. Mit seinen regelmäßigen Reisen nach Afghanistan appelliert zu Guttenberg an einen Kernpunkt der militärischen Identität, nicht nur der Bundeswehr: Führen von vorne. Die Besuche sind richtig, aber sie sind auch Teil einer riskanten Strategie. Nicht, weil der Minister dort übermäßig gefährdet wäre. Wenn er es wäre, wäre er nicht dort. Gefährlich sind seine charismatischen Auftritte, weil sie zeigen, dass der Regierung die Argumente für den Einsatz ausgehen – so sie denn je welche hatte. Und so ist es nicht verwunderlich, dass zu Guttenberg bereits rhetorisch den Rückzug vorbereitet. Er nennt das Übergabe in Verantwortung. Diese wird spätestens dann stattfinden, wenn das  afghanische Abenteuer zu beenden, Stimmen im kommenden amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf verspricht. „Declare victory and pull out“ wird es dann in Washington und Berlin heißen.

Der Krieg, der nie zu Ende geht

Diese Diskussionen sind dem Hauptgefreiten Johannes C. vermutlich egal. Für ihn und seine Kameraden sind der Einsatz, die Gefechte, die Gefahr bereits jetzt zum Sinn stiftenden Selbstzweck geworden. Und ihr Krieg, der auch unser ist, wird nie zu Ende gehen. Bereits jetzt leben zahlreiche Veteranen in unserer Gesellschaft. Ihnen und ihren Angehörigen wird zu Guttenberg (und nicht nur er) schon bald erklären müssen, warum ihr Leiden sinnvoll war. Charisma, geschliffene Worte und Habitus werden dabei nur wenig helfen. Die Glaubwürdigkeit von Karl-Theodor zu Guttenberg wird dann von konkreten Taten abhängen, und er wird sie nicht alleine bewerkstelligen können. Das macht seine Strategie so riskant.