Meister Propa-ganda?

Interessantes über den Unterschied zwischen interner und externer Kommunikation liefert mal wieder der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Gewohnt optimistisch geben sich die Pressestelle der Bundeswehr in Mazar-e Sharif und die Redaktion der Webseite „Bundeswehr im Einsatz.“ „Die Richtung stimmt“, überschreiben die Hilfspropagandisten ihren Bericht über den Kontingentwechsel des Regionalkommandos Nord Anfang Januar. „Nicht“ ergänzt Kollege Forster diese Überschrift zu Recht mit Verweis auf den Erfahrungsbericht des 14. deutschen Einsatzkontingentes.

Welcher Text stimmt? Beide, denn der Öffentlichkeit möchte das Ministerium Mut machen, obwohl der Truppe der Mut langsam weiter sinkt. Dass diese Strategie unter den nahe liegenden Möglichkeiten des eigenen Handelns im Internet-Zeitalter die am weitesten entfernte ist, kann eigentlich nur noch die Kommunikationsburkaträger in der Führungsebene der Bundeswehr überraschen. Dagegen lernen heute Studierende aller kommunikativen Wissenschaften bereits im ersten Semester, dass prinzipiell alles Handeln von Organisationen öffentlich ist.

Vermutlich ist „Organisation“ auch genau das richtige Stichwort, denn Bundeswehr und Verteidigungsministerium erscheinen immer mehr wie zwei unterschiedliche Organisationen. Es ist also kaum verwunderlich, dass die Bundeswehr von einer One-Voice-Policy entfernt scheint, als Afghanistan von stabilen Verhältnissen. Wie weit, wird unter anderem in dem sehr lesenswerten Artikel von Jochen Bittner zu einem aktuellen internen Bericht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr im Zeit-Weblog deutlich. Folgt man dem Tenor des Artikels, scheint der Bericht so etwas wie die Generalsversion des Buches „Endstation Kabul“ zu sein.

Die Rückkehr des Landserromans

Ein bisschen enttäuscht bin ich ja schon. Hätte der Verlag von „Endstation Kabul“ seine Logistik auch nur halb so forciert wie das Marketing, hätte ich mir das Buch heute morgen am Frankfurter Hauptbahnhof kaufen können. Dennoch: sowohl die Leseprobe des Verlags als auch die im Stern veröffentlichten Passagen erlauben bereits ein Urteil.

Statt einer Enthüllung, die vor allem die voyeuristischen Gelüste befriedigt, liefern Wohlgethan und Schulze vor allem einen dramaturgisch aufgepeppten und gerade deshalb unverfälschten Einblick in den soldatischen „Arbeitsalltag.“ Es sind nämlich genau die Geschichten, die sich Soldaten erzählen, weil sie so viel näher an der empfundenen Wahrheit sind als die toten Texte aus den offiziellen Quellen.

Das vermeintliche „Problem“: Die Erlebnisse von Wohlgethan und Schulze eignen sich nicht zur Skandalisierung, sondern verlangen, dass man sich ernsthaft mit ihnen beschäftigt. Wenn also Spiegel Online über die Endstation heiße Luft klagt, klingt das eher nach Ärger über entgangene Klickraten als nach inhaltlicher Auseinandersetzung.

Genau die fordern die beiden Autoren zu Recht ein, und liefern dafür eine wertvolle Grundlage aus der Sicht der kämpfenden Truppe. Deren Solidarität dürfte ihnen sicher sein, wie einige der Kommentare im Blog des Kollegen Wiegold vermuten lassen. Flapsig gesagt, können wir also die Rückkehr des Landserromans in die deutsche Literatur feiern. Jetzt muss es der Verlag nur noch die Logistik in den Griff bekommen.

Davon losgelöst warten wir weiter auf den ersten echten Enthüllungsroman. Prognose: er wird kommen, er wird aus dem KSK kommen und er wird wieder im Stern vorab veröffentlicht.

Jetz´red i …

… mag sich der scheidende Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, Wolf-Dieter Löser, gedacht haben und hat sich laut Welt online unter Berufung auf dpa für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ausgesprochen. Zu Zeiten, in denen ehemalige Stabsunteroffiziere und Hauptleute die sicherheitspolitische Agenda bestimmen, sicher ein Thema mit einem gewissen Reiz. Unwahrscheinlich, ist, dass der zukünftige Kommandeur des NATO Defense College in Rom, sich damit zufällig in Dissens zur offiziellen Linie des Ministeriums setzt. Angesichts der Herausforderungen in den Einsatzländern ist dieses Ablenkungsmanöver aber ebenso durchsichtig wie inhaltlich unangemessen.

Auch lesen …

… – und zwar sehr aufmerksam – wird man wohl das erste „Enthüllungsbuch“ über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Die kommunikative Burka lüftet der zum Elite-Soldaten stilisierte Achim Wohlgethan. „Endstation Kabul“ heißt das Werk, das heute in Berlin vorgestellt wird. Dass mit so etwas zu rechnen war, hatte ich ja schon verschiedentlich geäußert. Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht. Dass es allerdings der stern als Vorabmitteilung bringt, überrascht nicht. Schließlich bemüht sich das Magazin ja schon seit Jahren um Nähe zu den Spezialeinheiten der Bundeswehr.

Was jetzt – neben der genauen Lektüre des Buches – interessant sein dürfte ist die Reaktion der Bundeswehrführung. Die muss deutlich über das blutleere Statement des Ministeriums hinaus gehen, dass Wohlgethan aufgrund seines relativ niedrigen Ranges, die Sicherheitsstruktur nicht habe überblicken können. Ganz davon abgesehen, dass es eine der vornehmsten Aufgaben innerhalb der inneren Führung ist, allen Soldaten genau diesen Einblick zu geben, eben damit sie wissen, was sie tun. Diese Diffamierung wegen Dienstgrad hilft also nicht weiter.

Die FDP verlangt deshalb zu Recht Aufklärung und Die Linke beweist ihre sicherheitsspolitische Unkenntnis mit der Förderung nach einer Auflösung des KSK, dem Wohlgethan nicht angehörte (Er war Soldat in der 2.Kompanie des Fallschirmjägerbataillons 314 in Oldenburg, das im September 2002 aufgelöst wurde). Meine Prognose: Ein Untersuchungsausschuss des Bundetages sollte es schon sein.

Der wird dann unter anderem die offiziellen Antworten auf die Fragen zur Biographie von Wohlgethan finden, die u.a. Thomas Wiegold stellt. Dabei wird es hoffentlich auch gelingen, Verlags-Marketing und Fakten zu trennen. Noch spannender an diesen Fragen – vor allem aus der Kommunikationsperspektive – sind aber die inoffiziellen Antworten, die ehemalige Kameraden von Wohlgethan geben. In diesen habe ich bislang noch keine Unwahrheit entdeckt, und wenn die nun beginnen, in ihren Fotoalben und Videodateien zu kramen, können wir uns den ein oder anderen Track bald auf YouTube anschauen können. Obwohl sie es gern würden, dürfte es den Strategen im Ministerium schwer fallen, das zu unterdrücken. Darüber hinaus hoffe ich, dass die „Endstation Kabul“ vielleicht zum Startbahnhof einer intensiven öffentlichen Diskussion wird. Es wäre an der Zeit.

Lesen!

Zwei sehr lesenswerte Bücher zum Thema Afghanistan sind in den vergangenen drei Monaten erschienen. Sie vermitteln einen ziemlich unmittelbaren Einblick in einen Konflikt – oder besser Krieg – der die sicherheitspolitische Diskussion in den kommenden Jahren mitbestimmen wird – insbesondere wenn man sie quasi zusammen liest. „Geliebtes, dunkles Land“ von Susanne Koelbl und Olaf Ihlau bietet den analytische Blick professioneller Berichterstatter auf ein Land, das schon seit Jahrhunderten gleichermaßen Spielball wie Akteur in einer Vielzahl von Konflikten ist – und dessen Geschichte auch eine spezifisch deutsche Komponente hat. Den beiden SPIEGEL-Autoren ist ein echtes Reporterbuch gelungen. Es verbindet auf einzigartige Weise, die große und bisweilen sehr abstrakte politische Diskussion mit den Lebensläufen und Schicksalen unterschiedlichster Menschen. Wer wissen will, warum Hamid Karzai, der in den westlichen Medien gerne als politische Variante von George Clooney dargestellt wird, weitaus mehr mit Afghanistan verbindet als seine traditionelle – und ach so schicke – Kopfbedeckung (Kola-i-Pusta, eine Mütze aus Karakulfell) oder warum das vordringliche Problem Afghanistans – leider – nicht die Frauenrechte sind, wird hier ebenso fündig, wie diejenigen, die sich fragen, warum deutsche Soldaten unsere Freiheit auch am Hindukusch verteidigen können (aber nicht müssen!).

Besonders erfreulich ist, dass sich Koelbl und Ihlau dabei nicht nur auf das bereits bekannte Personal der „Afghanistan-Soap“ der Regel-Berichterstattung verlassen, sondern überraschend neue Eindrücke vermitteln. Außerdem verzichten sie dankenswerter Weise auf dramatische Appelle, sondern schließen ihr Buch mit einer klugen, realpolitischen Analyse, deren Aufgeklärtheit den Handlungsbedarf umso deutlicher macht. Im Kern wird nämlich deutlich, dass die westliche Staatengemeinschaft in den vergangenen sechs Jahren konsequent die enormen Chancen für den Wiederaufbau verstreichen ließ und nicht mehr getan hat, als absolut nötig, um eine allenfalls symbolisch wirksame Politik zu betreiben.

Zu den wichtigsten Trägern dieser Politik gehörten und gehören die Soldatinnen und Soldaten des deutschen ISAF-Kontingents. Einen sehr authentischen Einblick in das, was dieser Einsatz in einem Menschen auslösen und verändern kann, bietet Boris Barschow in seinem Buch „Kabul, ich komme wieder.“ Der Reporter des ZDF heute-journals hat die Seiten gewechselt und ist als Soldat der Truppe für Operative Information mit der Bundeswehr in den Einsatz gegangen. Auch das Versprechen im Titel seines Buches hat er wahrgemacht. Mittlerweile ist er bereits das zweite Mal in Afghanistan. (Eindrücke von diesem zweiten Einsatz vermittelt u.a. sein Blog bei Phoenix).

Im Unterschied zum professionell-distanzierten Stil von Koelbl und Ihlau, setzt Boris Barschow konsequent auf Nähe und persönliche Betroffenheit. Was sein Buch für mich so lesenswert macht ist deshalb weniger die journalistisch-schriftstellerische Qualität – insbesondere in den letzten Kapiteln hätte ein präziseres Lektorat geholfen, Redundanzen zu vermeiden – als vielmehr die sehr offene Beschreibung, wie der Journalist Barschow zum Soldaten wird. Dieser Prozess, der sich bei ihm in relativ kurzer Zeit vollzieht, ist für Zeit- und Berufssoldaten ein wesentliches Element des beruflichen Selbstverständnis, das sich in der Regel durch eine langjährige Ausbildung entwickelt. Gleichzeitig wird in den Erzählungen deutlich, wie Barschow durch seine Beteiligung am Afghanistan-Konflikt die Neutralität des Berichterstatters aufgibt und er sich immer mehr dazu verpflichtet fühlt, zu intervenieren. Wegen dieses Rollenwechsels überrascht es auch nicht, dass Barschow beschreibt, dass ZDF-Kollegen ihm nun distanzierter gegenüberstehen. Für den fachlich interessierten Leser wird genau hier die Grenze zwischen Medien und Militär deutlich, alle anderen gewinnen einen überzeugenden Eindruck davon, was es bedeutet, im Einsatz zu sein, weshlab es auch nicht verwunderlich ist, dass Barschows Buch insbesondere bei aktiven und ehemaligen Militärs so positiv aufgenommen wird.

Mit Blick auf das Buch von Koelbl und Ihlau ist dem Urteil von Egon Bahr kaum etwas hinzuzufügen: „Pflichtlektüre für die Mitglieder des Deutschen Bundestags, die Bundeswehr und alle, die miteintscheiden, wohin der deutsche Einsatz in diesem Land führen soll und führen kann.“ Und weil es notwendig ist, diese sicherheitspolitische Perspektive um weitgehend ungefilterte Berichte von Soldatinnen und Soldaten zu ergänzen, sei diesen Entscheidern neben den offiziellen Lageberichten auch das Buch von Barschow ans Herz gelegt.

Zauberkünstler

Einen lesenswerten Beitrag dazu, wie sich Sicherheitpolitik inszenieren lässt – das heißt nicht, dass man es so machen soll – finden taz-Abonnenten (leider nicht online verfügbar) in der aktuellen Ausgabe der Le Monde diplomatique. Unter der Überschrift „Weiße Kaninchen aus dem Weißen Haus“ beschreibt der französische Schriftsteller und „Narrationsforscher Christian Salmon ziemlich treffend, wie die US-Regierung und das US-Militär Wirklichkeit konstruieren. Aber vorsichtig: wer jetzt glaubt, dass das deutsche Ministerium auch nur ansatzweise willens und in der Lage wäre, es den USA gleich zu tun, irrt. Wir dürfen gespannt sein, welche Ressourcen der neue Einsatzführungsstab für das Kommunikationsmanagement erhalten wird. Momentan spricht man intern ja lieber nicht davon, was zu tun wäre, sondern wer denn umziehen müsste.

About Jung

In der großartigen Komödie „About Schmidt“ spielt Jack Nicholson einen Chef, bei dem an seinem letzten Arbeitstag alle froh sind, dass er geht. Wenn man den ebenfalls großartigen Artikel von Markus Feldenkirchen im aktuellen Spiegel liest, könnte man auf die Idee kommen, dass der aktuelle Bundesverteidigungsminister bei seinen Kollegen, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit ebenfalls nicht wohlgelitten ist.

Natürlich ist der Artikel unfair, und natürlich zeigt er eindrucksvoll, wie die Tendenz zur Personalisierung der Politik die Sachthemen überlagert. Aber ein Satz wie der folgende ist immer auch ein Indiz für ein völliges Versagen der verantwortlichen Kommunikationsmanager. „Jung kann (…) leidenschaftlich reden über Eintracht Frankfurt, über Hessen, Helmut Kohl, die Deutsche Einheit, den deutschen Weinbau oder den deutschen Wahlkampf. Er redet dann doppelt so schnell, die Sätze folgen einer klaren Grammatik, der Wortschatz weitet sich, Jung glüht auf. Dann sind interessante Gespräche mit ihm möglich, voller Kenntnis, voller Leidenschaft. — Es sollte eben nur nicht um Außen- und Sicherheitspolitik gehen.“

Was werden die so genannten Presseprofis in Berlin nun tun? Abgesehen davon, dass Feldenkirchen bei der nächsten Ministerreise vermutlich etwas länger für ein Ticket wird anstehen müssen, oder gar zur persona non grata erklärt werden wird, dürften sie vermutlich weiterhin hilflos bleiben. Wie hilflos, unterstreicht der bereits gestern erwähnte Bericht auf der Webseite des Ministeriums, dass sich damit rühmt, vom Forschungsinstitut Medien Tenor unter anderem dafür ausgezeichnet worden zu sein, „ein eigenständiges Medienimage aufzubauen, das nicht vom jeweiligen Minister abhängig war. Hierbei konnte das Verteidigungsministerium mit deutlichem Abstand den Spitzenplatz erringen.“

In Zahlen ausgedrückt bedeutet dieser deutliche Abstand, so der Spiegel, dass 39 Prozent der Deutschen noch nie von Jung gehört haben, er mithin der unbekannteste Minister des Kabinetts sei. Das nennt man wohl „Hidden Champion“, wobei die Frage erlaubt sein muss, worin denn die Meisterschaft besteht. In der Kommunikationspolitik sicher nicht.

Presse (Kriegs)-Erklärung: Wie unbedarfte Journalisten die Medienarbeit der Bundeswehr bewerten

Steven Hutchings, der an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach im Rahmen seiner Diplom-Arbeit einen engagierten aber nicht wirklich erhellenden Film über die Informations- und Medienarbeit der Bundeswehr gedreht hat, verbreitet seine Thesen von der medialen Allmacht der Bundeswehr nun auch im eigentlich sehr fundierten e-zine TELEPOLIS. Der zentrale Vorwurf: die Bundeswehr betreibt Integrierte Kommunikation.

Wenn es doch nur so wäre. Jetzt beginnt die die Bundeswehr mit ungefähr 10 Jahren Verspätung damit, ihre Medienarbeit zu professionalisieren, und schon holt ein unbedarfter Schreiberling die Verschwörungstheorie-Keule hervor, um zwar chronologisch sauber sortiert, aber intellektuell überfordert, ein paar Fakten aufzuschreiben und daraus zu schließen, dass nun der vernetzte Medienkrieg begonnen habe.

Schön wäre es, denn dann müsste sich die bundesrepublikanische Öffentlichkeit endlich einmal ernsthaft mit dem Einsatz der Bundeswehr beschäftigen. Bis es soweit ist, können überforderte Journalisten weiter von der vermeintlichen medialen Macht des Militärs schwadronieren. Die ist zwar nicht wirklich existent, aber die bloße Behauptung ist derart wirkmächtig, dass sie eine gründliche Recherche und kritische Analyse leicht ersetzt. Und das ist die eigentliche Macht der Medien der Militärs: die Unfähigkeit der Beobachter, sie zu beobachten und zu verstehen.

Gar nicht dazu passen will die jüngste Auszeichnung, die die Bundeswehr für ihre angeblich gelungene Medienarbeit erhalten hat. Folgt man dem Forschungsinstitut Media Tenor, ist es dem Bendlerblock nämlich unter allen Ministerien am besten gelungen „ein eigenständiges Medienimage aufzubauen, das nicht vom jeweiligen Minister abhängig war.“ Da freut sich der Chef doch, oder?

Vielleicht lohnt sich hier aber auch der Blick in das ewige Archiv Internet. Dort findet sich beispielsweise ein interessanter Bericht aus der Neuen Zürcher Zeitung zur Wissenschaftlichlichkeit solcher Erhebungen.