Verbietet die Bundeswehr Soldaten die Teilnahme an einem NATO-Wettbewerb?

Die Hintergründe und Ziele des NATO-Videowettbewerbs „Why Afghanistan Matters“ wurden hier ja schon hinlänglich erläutert. Der Verteidigungsminister zeigte sich, dazu befragt, auf seiner jüngsten Pressekonferenz völlig uninformiert. Und leider verweigert auch der sogenannte Presse- und Informationsstab dazu bislang eine Stellungnahme – zumindest gegenüber Bloggern.  In der Not greift man da gerne auf Gerüchte und ungeprüfte Aussagen zurück, wie beispielsweise diese aus einem Leserkommentar: „Deutschen Einsatzsoldaten ist es gemäß Täglicher Weisung des Einsatzführungskommandos Bw untersagt, an diesem Wettbewerb teilzunehmen …“ Kann das jemand bestätigen?

Davon losgelöst: Der Wettbewerb wendet sich ja nicht nur an aktive Soldaten im Einsatz, sondern auch an Zivilisten und Reservisten. Diese dürften sich außerhalb der Reichweite des Einsatzführungskommandos bewegen. Den Herren dort, empfehlen wir derweil einen Blick auf die YouTube-Seite des Wettbewerbs. Wenn es das ist, was sie für untersagenswert halten, hat die Bundeswehr echte Probleme.

Die Bundeswehr und Social Media

Natürlich hat der Bendler-Blog auch das Bundesverteidigungsministerium gefragt, was es vom Video-Wettbewerb „Why Afghanistan Matters“ hält. Die Mail mit den folgenden drei Fragen, ging am vergangenen Donnerstag raus:

1. Wie bewerten Sie den Wettbewerb grundsätzlich?

2. Welche Beteiligung erwarten Sie sich von Seiten der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr?

3. Wie sind die Freigabeverfahren für deutsche Teilnehmer organisiert?

Heute habe ich endlich keine Antwort bekommen. Nicht gegeben hat sie Dietmar Birkeneder, Sprecher des Verteidigungsministeriums für Grundsatzangelegenheiten und Grundlagen der Pressearbeit der Bundeswehr. Im Auftrag und mit der Bitte um Verständnis schreibt er:

„leider ist es uns nicht möglich, Anfragen von Bloggern und Forenbetreibern zu beantworten.“

Nein, das verstehe ich nicht, vor allem, weil es ja beispielsweise der NATO ebenso möglich ist, wie dem Wehrbeauftragten und Bundestagsabgeordneten. Außerdem verstehe ich in der Regel nur die Dinge, die mir jemand erklärt. Das geschieht hier nicht, so dass ich verstehe, – vor allem, weil ich explizit um Verständnis gebeten werde – dass in Berlin vielleicht jemand Maulkörbe verteilt hat.

Verstanden hätte ich auch, wenn das Ministerium gesagt hätte, dass es den Wettbewerb aus grundsätzlichen Erwägungen nicht unterstützt und deshalb keine Stellung nimmt. Oder wenn es gesagt hätte, ich solle mich als Blogger nicht so wichtig nehmen, und außerdem nicht erwarten könne, eine Antwort zu bekommen, weil ich die Kommunikationsarbeit ohnehin nur kritisiere.

Wie dem auch sei, ich bin gespannt, ob die Vorgabe, Bloggern nicht zu antworten, wenn der neue NATO-Oberbefehlshaber (SACEUR), Admiral James Stavridis, im Bendlerblock anfragt? (Siehe u.a. auch bei Augen Geradeaus)

Interessant und in hohem Maße authentisch

Die Fragen des Bendler-Blog zum NATO-Video Wettbewerb „Why Afghanistan Matters“ hat auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, beantwortet. Ebenso ernsthaft und differenziert wie Robbe sich in den vergangenen Jahren für die Belange der Soldatinnen und Soldaten eingesetzt hat, setzt er sich mit den Chancen des Wettbewerbs auseinander, eine zusätzliche Perspektive in die öffentliche Diskussion um den Afghanistan-Einsatz einzubringen.

Herr Robbe, wie bewerten Sie den Wettbewerb grundsätzlich?

Ich bin der Überzeugung, dass das NATO Hauptquartier in Brunssum mit dem Videowettbewerb „Why Afghanistan Matters“ grundsätzlich ein gutes Ziel verfolgt. Wenn wir heute Fernsehen schauen oder die Zeitungen aufschlagen, wird über Afghanistan oftmals nur im Zusammenhang mit Gewalt, Armut oder Tod berichtet – wenig hingegen über den Alltag des Landes. Ich habe in meinen parlamentarischen Funktionen sehr häufig unsere Soldatinnen und Soldaten im ISAF-Einsatz besucht. Dabei blieb mir auch nicht verborgen, welchen Fortschritt es in Afghanistan seit einigen Jahren gibt. Es werden Krankenhäuser eröffnet, nach und nach wird eine funktionierende Infrastruktur aufgebaut, Mädchen besuchen wieder Schulen… Das Bild, das in unseren Köpfen von Afghanistan herrscht, ist ein mediales.

Die Wirklichkeit sieht um einiges positiver aus. Die Mehrheit der Afghanen hofft nach Jahrzehnten des Krieges auf eine friedliche und stabile Zukunft. Um sie darin zu unterstützen, dafür engagieren sich auch die deutschen Soldatinnen und Soldaten am Hindukusch. Der Videowettbewerb könnte, wenn er die persönlichen Sichtweisen der Soldaten vor Ort widerspiegelt, sicher dazu beitragen, das in der westlichen Welt doch etwas schiefe Bild Afghanistans ein wenig „gerade“ zu rücken. Das führt im Ergebnis vielleicht dazu, dass auch die Menschen in unserem Lande noch intensiver informiert werden und den Einsatz sehr viel besser bewerten können. Das jedenfalls wäre ein gutes Ziel.

Welche Beteiligung erwarten Sie sich von Seiten der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr?

Ich kann mir vorstellen, dass der Wettbewerb in den teilnehmenden NATO-Ländern durchaus unterschiedlich bewertet wird. Sicher bestehen hier und da auch Bedenken oder Vorbehalte. Grundsätzlich jedoch kann es eine gute Möglichkeit sein, die vielfältigen Sichtweisen derjenigen einzufangen, die in Afghanistan ihren schwierigen Dienst tun. Das können Soldaten genauso sein wie humanitäre Helfer. Es sollte darum gehen, einem größeren Publikum die persönlichen Erfahrungen, aber auch die großen Herausforderungen dieses Dienstes zu vermitteln. Das Bild, das daraus entstehen kann, stelle ich mir nicht nur interessant, sondern in hohem Maße authentisch vor. Sicher werden auch Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr dem Wettbewerbsaufruf folgen und auf diese Weise mit der zivilen Öffentlichkeit kommunizieren wollen.

Gibt es Bilder aus Afghanistan, die Sie in der öffentlichen Diskussion um den Einsatz vermissen und warum?

Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr verrichten in Afghanistan tagtäglich einen ebenso schweren wie gefährlichen Dienst. Sie sind in höchstem Maße belastet. Wenn ich die Truppe im Einsatz besuche, höre ich sehr oft, dass sich die deutschen Soldaten mehr moralische Unterstützung und mehr menschliche Zuwendung von ihren Landsleuten wünschen. Die wenigsten in unserem Land aber wissen, was die Bundeswehr im ISAF-Einsatz konkret tut. Wenn der Wettbewerb dazu beitragen könnte, den Menschen daheim die tatsächliche Lebens- und Arbeitswelt der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz näherzubringen, wäre das eine positive Sache. Daraus könnte in der Gesellschaft eine größere Akzeptanz für unsere Soldaten und ihren schweren Dienst entstehen. Das würde ich in jeder Hinsicht begrüßen.

„Soldaten wollen ihre Arbeit und Erfolge der Öffentlichkeit präsentieren“

Der Bendler-Blog hat den Video-Wettbewerb zum Anlass genommen, bei politischen Entscheidungsträgern nachzufragen, wie sie diesen Wettbewerb bewerten. Die schriftliche Anfrage ging per E-Mail an die Ombudsleute der Fraktionen im Verteidigungsausschuss sowie einige Mitglieder dieses Gremiums, die sich in jüngster Zeit öffentlich zu sicherheitspolitischen Themen geäußert haben. Außerdem gingen die Fragen an den Wehrbeauftragten des Bundestages sowie den Presse- und Informationsstab des Bundesverteidigungsministeriums – an letzteren bereits vergangene Woche, um die Darstellung der Hintergründe und Ziele des Wettbewerbs durch den Projektmanager beim NATO-Hauptquartier in Brunssum zu ergänzen.

Die Reaktionen sind bemerkenswert, allen voran die der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion und ihres Sprechers Rainer Arnold. In deren Namen antwortet die zuständige Referentin, dass „wir (…) von der NATO weder eingeladen noch aufgefordert worden (sind), uns an dem Wettbewerb zu beteiligen. (…) Deshalb haben Sie sicher Verständnis dafür, dass wir uns auch nicht ‚über Bande‘ durch Ihren blog beteiligen werden. Sehr gerne ein anderes Mal, wenn Sie uns meinen.“ (Anm.: Fettungen sind im Original unterstrichen). Nun waren sie in der Tat gemeint – aber natürlich nicht als potentielle Teilnehmende, sondern als Experten für sicherheitspolitische Fragestellungen. Das hat die SPD-Arbeitsgruppe offensichtlich – auch nach erneuter Nachfrage – nicht verstanden.

Das Verteidigungsministerium dagegen, hast sich die Blöße des Unverständnis erst gar nicht gegeben und schweigt beharrlich, was ja auch eine Antwort ist.

Deutlich klarer orientiert und verständiger ist dagegen Bernd Siebert, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verteidigung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Auf die Frage, wie er den Wettbewerb grundsätzlich bewertet, antwortet er:

Grundsätzlich begrüße ich die verstärkte Auseinandersetzung mit dem Thema Afghanistan. Ich vermisse bisher eine umfassende öffentliche Debatte, die diesen komplexen Einsatz von allen Seiten beleuchtet. Dieser Wettbewerb könnte dazu beitragen, daran etwas zu ändern.

Welche Beteiligung erwarten Sie sich von Seiten der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr?

Ich erhoffe mir eine rege Beteiligung unserer Soldatinnen und Soldaten. Sie leisten einen herausragenden Beitrag für die Sicherheit und Zukunft Afghanistans. Ich bin mir sicher, dass sie ihre Arbeit vor Ort und die dabei erzielten Erfolge gerne und überzeugend der Öffentlichkeit präsentieren wollen.

Gibt es Bilder aus Afghanistan, die Sie in der öffentlichen Diskussion um den Einsatz vermissen und warum?

Die mediale Berichterstattung über Afghanistan ist oft einseitig und tendenziell negativ. Viel zu selten wird von den unübersehbaren Fortschritten berichtet, auch wenn der zivile Wiederaufbau nicht so schnell vorankommt, wie von vielen erhofft. Ebenso gibt es Defizite bei der Darstellung des Alltags der Menschen vor Ort. Es ist nämlich nicht so, dass alle Einwohner Afghanistans entweder Terroristen oder bedauernswerte Opfer sind. Diesem Trugschluss könnte man erliegen, wenn man ausschließlich auf die Bilder aus den Medien vertraut. Die Mehrheit der Bevölkerung bestreitet ihren Alltag hingegen wie überall sonst auch auf der Welt. Es fehlt auch eine Klarstellung der langfristig angestrebten Ziele unseres Afghanistan-Einsatzes und wie Deutschland davon profitiert. Wir engagieren uns in Afghanistan, um der Bevölkerung zu helfen. Unser Ziel ist es, eine selbsttragende Staatlichkeit zu etablieren. Sobald wir das erreicht haben, werden wir Afghanistan wieder verlassen. Wir sind auf dem besten Wege dorthin. Solange wir den Menschen in unserem Land aber nicht vermitteln können, dass Deutschlands Sicherheit auch mit dem Erfolg von ISAF verknüpft ist, werden wir es weiterhin schwer haben, unser Engagement zu rechtfertigen.

„Afghanistan ist mehr als Soldaten und Taliban“

Interview mit Oberstleutnant Tom Brouns vom NATO Hauptquartier in Brunssum zum Videowettbewerb „Why Afghanistan Matters“

Wie berichtet sucht das NATO Joint Forces Command in Brunssum unter dem Motto „Why Afghanistan Matters“ nach den besten Videoclips von Soldaten und zivilen Einsatzkräften. Im E-Mail-Interview mit dem Bendler-Blog erläutert Tom Brouns, Oberstleutnant der US Army und als Projektmanager in Brunssum für den Wettbewerb verantwortlich, Hintergrund und Ziele:

Herr Brouns, dass die NATO Soldatinnen und Soldaten dazu aufruft, eigene Videos bei einem Wettbewerb einzureichen, ist ungewöhnlich. In der Regel sind Streitkräfte eher darauf bedacht, die Kontrolle über Bilder aus dem Einsatz zu behalten. Welche Ziele hat also der Wettbewerb?

Zunächst möchte ich klarstellen, dass sich nicht nur Militärangehörige am Wettbewerb beteiligen können. Im Gegenteil: Wir möchten alle ansprechen, die in Afghanistan im Einsatz sind oder waren – Zivilisten ebenso wie Militärs. Dabei verfolgen wir mit “Why Afghanistan Matters” eine ganze Reihe von Zielen.

Die ursprüngliche Idee zu diesem Wettbewerb ist entstanden weil wir erkannt haben, dass Soldaten unterschiedlichster Nationen ohnehin schon sehr viele Videos auf Seiten wie YouTube veröffentlichen. Wenn sie bei YouTube nach den Begriffen „ISAF“ und „Afghanistan“ suchen und die Treffer nach der Anzahl der Aufrufe sortieren, ist es wirklich erstaunlich wie viele und vor allem wie viele verschiedene Beiträge zum Militär dort zu finden sind. (Anm. der Redaktion: Wir haben das hier schon mal gemacht). Mit dem Wettbewerb möchten wir das fördern und Militärangehörige und Angehörige von anderen staatlichen und nichtsstaatlichen Organisationen ermutigen, die Erfahrungen und die Herausforderungen, denen sie sich täglich gegenübersehen, einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Ist das – gerade für Soldaten – nicht ein bisschen zuviel Ausdruckfreiheit?

Überhaupt nicht. Dadurch, dass wir das gezielt fördern, kann sich die Öffentlichkeit ein viel besseres Bild davon machen, was in Afghanistan geschieht. Das führt letztendlich dazu, dass Menschen besser informiert sind und besser entscheiden können, was sie vom Einsatz dort halten.

Rechnen Sie nicht mit Widerstand in den Ländern, deren Soldaten sie jetzt zur Teilnahme aufrufen?

Nicht unbedingt Widerstand, eher Bedenken. Und die sind auch verständlich, denn für die meisten militärischen Organisationen ist die Nutzung von Social Media ziemlich neu und ungewohnt. Von daher ist es verständlich, wenn der Wettbewerb nicht bei allen der 28 NATO-Partnerländern auf ungeteilte Zustimmung trifft. Dahinter verbirgt sich auch das zweite Ziel des Wettbewerbs. Wir wollen Erfahrung im Umgang mit Social Media sammeln und überprüfen, ob und wie sie sich eignen, um mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. In einer Medienlandschaft, in der fast alle Bürger Inhalte selbst herstellen und veröffentlichen können und sich die Rolle der Medien rasant ändert, kommen sie mit herkömmlichen Pressemitteilungen nicht weit. Die Techniken des Web 2.0 ermöglichen es den Menschen dagegen, direkt und interaktiv sowohl miteinander als auch mit Institutionen zu kommunizieren, was dazu führt, dass die traditionellen Hierarchien abflachen. Hierarchische Organisationen wie das Militär müssen sich auf diese veränderte Medienlandschaft einstellen, wenn sie nicht riskieren wollen von der neuen „global conversation“ ausgeschlossen zu werden.

Mit welcher Beteiligung rechnen Sie?

Unser Ziel ist es, dass sich Soldatinnen und Soldaten ebenso wie Zivilisten aus möglichst allen Ländern beteiligen, die sich in Afghanistan engagieren. Rein theoretisch hätten wir dazu auch selbst Videos drehen oder eine Produktionsfirma damit beauftragen können. Wir sind aber überzeugt, dass es wesentlich interessanter ist, die vielfältigen Perspektiven derjenigen einzufangen, die dort vor Ort im Einsatz sind. Die Medienkompetenz der Menschen, die in Afghanistan arbeiten, ist sehr hoch. Dadurch sind sie in der Lage, ein Bild von ihrer Arbeit zu vermitteln, das sowohl authentisch als auch interessant ist. Das könnten wir so gar nicht. Darüber hinaus wissen wir, dass die Truppen in Afghanistan vielfach Dinge sehen und erleben, von denen wir hier in Europa und den USA gar nichts mitbekommen, von denen wir aber jede Menge lernen können. Genau deshalb hoffen wir, dass sich möglichst viele am Wettbewerb beteiligen und die militärische und politische Führung in den Herkunftsländern der Soldaten das auch aktiv fördert. Wir sehen den Wettbewerb nämlich auch als ein Mittel, um zu dokumentieren, dass der Einsatz in Afghanistan von vielen Staaten getragen wird.

Wie haben die am ISAF-Einsatz beteiligten Länder auf Ihre Aufforderung reagiert?

Wie nicht anders zu erwarten war – vielfältig. Einige haben unsere Initiative sehr begrüßt, andere waren eher zurückhaltende und einige haben klar gesagt, dass sie ihren Soldatinnen und Soldaten davon abraten werden, sich an dem Wettbewerb zu beteiligen.

Warum?

Da gibt es eine Vielzahl von Gründen. Als NATO Hauptquartier können wir aber nur für uns sprechen. Warum einzelne Staaten so oder so entscheiden, müssen sie deren Entscheidungsträger fragen.


Gibt es Bilder aus Afghanistan, die Sie in der öffentlichen Diskussion um den Einsatz dort vermissen und warum?

Mein Eindruck ist, dass die Medien dazu neigen, zu stark über Gewaltakte und zu wenig über den Alltag, über „Human Interest Stories“, zu berichten. Das ist nicht Neues, und ich kritisiere sie nicht dafür. Das Mediengeschäft ist Gewinn getrieben, und die Verlage und Sender wissen selbst am besten, was sich verkauft. Andererseits laufen die Medien im Zeitalter der Bürgerjournalisten selbst Gefahr an Relevanz und damit langfristig auch an Gewinn zu verlieren, wenn sie sich nicht weiterentwickeln. Wenn wir weiterhin auf die Methoden des Industriezeitalters setzen und glauben, wir könnten den Nachrichtenfluss steuern, dann übersehen wir die Tatsache, dass große Unternehmen und Organisationen schon längst nicht mehr das Informations- und Publikationsmonopol besitzen. Ganz offen gesagt, sind es genau diese Versuche, die Berichterstattung aus Afghanistan einzuschränken und den Soldatinnen und Soldaten kaum Möglichkeiten zu geben, sich mitzuteilen, die dazu geführt haben, dass die Öffentlichkeit davon überzeugt ist, Afghanistan bestehe nur noch aus Soldaten und Taliban. Wir scheinen vergessen zu haben, dass es noch rund 30 Millionen ganz normale Afghanen gibt, die versuchen ihre Familien zu ernähren und nach 30 Jahren Krieg auf eine friedliche Zukunft hoffen. Mein persönlicher Wunsch ist, dass sich dieses verzerrte Bild von Afghanistan ändert.

Stichwort Meinungsfreiheit: Werden Sie alle Videos, die Sie bekommen, veröffentlichen?

Zunächst hoffe ich, dass wir möglichst viele Beiträge bekommen werden. Darüber hinaus bin ich zuversichtlich, dass unsere Soldatinnen und Soldaten mit ihrer Meinungsfreiheit verantwortlich umgehen, denn mit dem was sie sagen und tun können sie theoretisch sich selbst, ihre Kameraden, ihre Familien gefährden, ja sogar die Legitimation des Einsatzes selbst. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass das, was ein Einzelner tut, die weltweite Meinung beeinflussen kann – im Guten wie im Schlechten. In Militärkreisen gibt es dafür das geflügelte Wort des „strategischen Gefreiten“. In Afghanistan gibt es fast 70.000 strategische Gefreite, und eine unsere Aufgaben als militärische Führung ist es, ihnen deutlich zu machen, was das bedeutet. Auch deshalb machen wir diesen Wettbewerb. Selbstverständlich sind wir nicht mit allen Videos von Soldaten, die derzeit im Netz kursieren, glücklich und ebenso selbstverständlich werden wir als Veranstalter ein Auge darauf haben, dass keine unangemessenen Bilder veröffentlicht werden.

Das war der Plan

Ein bisschen neidisch wird man da ja, wenn man sieht, was die Schweden da in kürzester Zeit an Combat Camera auf die Beine stellen. Das war in etwa auch unser ursprünglicher Plan, und man könnte glatt einen Antrag auf Wiedereinstellung stellen – vorausgesetzt man bekäme eine umfassende License to Operate.  😉 Tempi pasati, aber wer weiß, irgendwer nimmt es sich vielleicht zum Vorbild.

bwtv – zu früh gefreut

Das Lob für die aktuelle bwtv-Reportage gilt weiterhin, selbst wenn das Ende etwas schwächelt. Nur, es ist gar keine bwtv-Reportage. Gemacht hat ihn eine externe, zivile Produktionsfirma. Deren Name ist in der Miniauflösung aber – absichtlich? – unleserlich. Wer kann zur Aufklärung beitragen, mit welchen Federn sich hier bwtv schmücken will?

Nachtrag:

Schön wäre es gewesen, wenn zum Abschluss des Berichtes aktuelle Bilder aus Kunduz zu sehen gewesen wären. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den ganzen Feuergefechten der vergangenen Wochen keine einzige Kamera in der Nähe gewesen ist. Vielleicht sollte man diese Bilder mal bwtv schicken. Oder sie im Rahmeneine kleinen Berichtes beim Video-Wettbewerb „Why Afghanistan Matters“ der NATO einreichen. Da kann ja wohl niemand etwas dagegen haben, oder?

Bundeswehr im Einsatz – eine abstrakte Debatte

Titelseite Wir Gutkrieger

Eric Chauvistré ist ein kluger Beobachter der sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland. Das beweist er unter anderem in seinen Kommentaren für die tageszeitung. In seinem Anfang März veröffentlichten Buch „Wir Gutkrieger“ versucht Chauvistré darzulegen, warum die Bundeswehr seiner Einschätzung nach im Ausland scheitern wird.

Nun gibt es sehr viele Gründe, warum dies tatsächlich so sein könnte, und die Diskussion um die Auslandseinsätze der Bundeswehr ist aktueller denn je. Dennoch greift Chauvistrés Argumentation zu kurz, denn er beschränkt sich darauf, den öffentlichen – und damit im Kern den medialen – Diskurs der vergangenen Jahre zu referieren. Das gelingt ihm gut, und er verdient sich für seine Zusammenfassung eine uneingeschränkte Leseempfehlung für ein bislang eher oberflächlich interessiertes Publikum, dass jetzt etwas tiefer einsteigen möchte. Um aber wirklich zu überzeugen, fehlen Chauvistré mindestens zwei Perspektiven. Das sind zum einen der Einblick in das Land und seine Mensch, den unter anderem Susanne Koelbl und Olaf Ihlau in ihrem Buch „Geliebtes, dunkles Land“ eindrucksvoll vermitteln, und zum anderen die Binnenperspektive der Bundeswehr.

Letzteres ist Chauvistré nicht anzulasten. Im Grunde genommen gibt es nämlich bislang bis auf einige sehr wenige Zeitungsartikel keine überzeugende Darstellung dazu, wie die deutschen Soldatinnen und Soldaten ihren Einsatz in Afghanistan erleben. („Kabul, ich komme wieder“ von Boris Barschow ist dafür zu sehr aus der profesionellen Rolle des Journalisten verfasst, „Endstation Kabul“ von Achim Wohlgethan etwas zu sensationalistisch und darüber hinaus, hat sich die Situation in Afghanistan mittlerweile grundlegend verändert). „Wir Gutkrieger“ dagegen beschränkt sich auf einen abstrakt-wissenschaftlichen Blick. Dieser ist als solcher durchaus interessant. Aber nicht etwa, weil er Erhellendes zur Leistungsfähigkeit oder gar inneren Verfasstheit der Bundeswehr bietet, sondern weil es genau dieser distanzierte Ton ist, der die bundesdeutsche Debatte prägt, und der sich in zahllosen Stellungnahmen von Instituten, Experten und auch Politikern findet.

Die Distanz zum eigentlichen Gegenstand der Betrachtung wird unter anderem auch an der Quellenauswahl deutlich. So zeigt die Montage der deutschen Berichterstattung gegen offizielle Dokumente des US-Militärs (Airpower Summaries) zwar einen feinen Sinn für Ironie, es bleibt aber eine Beschränkung auf öffentlich zugänglich Quellen, eine Beobachtung zweiter Ordnung im besten Sinne. Dass man auch aus dieser Distanz Wichtiges erkennen kann, lässt sich nicht bestreiten, und Chauvistrés Forderung nach einer grundsätzlichen Debatte über den Ziele und Zwecke der Einsätze der Bundeswehr kann man nicht genug Nachdruck verleihen. Allerdings sollte diese Forderung nicht allein aus den rhetorischen Defiziten der politischen, militärischen und medialen Akteure in Deutschland begründet werden, sondern aus der Integration der unterschiedlichen Perspektive. Dazu gehört zwingend das soldatische Erleben. Denn wenn Chauvistré – zu Recht sorgenvoll – prognostiziert, dass die Personalrekrutierung der Bundeswehr Gefahr läuft, zu einer Auswahl der Geringqualifizierten zu werden, reicht es nicht aus, an Resentiments zu appellieren – dann müssen lebendige Geschichten her.

Stattdessen formuliert Chauvistré einen 10-Punkte-Katalog, in dem er festhält, was seiner Auffassung nach zu tun ist:

1. Es gelte anzuerkennen, dass Deutschland im Krieg sei.

2. Es gelte anzuerkennen, dass sich das Bild von Kriegen und Konflikten grundlegend verändert habe. (Neue Kriege)

3. Es gelte, sich von moralischer Überheblichkeit zu verabschieden. (Wir, die Guten, Amerikaner die Bösen)

4. Die deutsche Politik dürfe sich nicht länger hinter äußeren Zwängen verstecken.

5. Es müsse über die Effektivität militärischer Einsätze debattiert werden.

6. Es bedürfe einer besseren Informiertheit der Öffentlichkeit.

7. Jede Mission der Bundeswehr müsse evaluiert werden.

8. Mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen von dauerhaften Auslandseinsätzen müsse ehrlich umgegangen werden.

9. Die Debatte müsse mit mehr Bescheidenheit und Demut geführt werden.

10. Die Beweislast für die Erfolgsaussichten militärischer Einsätze müsse umgekehrt werden. (Also nicht die Skeptiker müssten beweisen, dass die Einsätze ihre Ziele nicht erreichten, sondern die Befürworter müssten beweisen, dass sie es doch tun.)

Diese Forderungen sind eigentlich in allen Politikfeldern richtig. Statt eines neuen Wirkstoffs für die Debatte präsentiert Chauvistré also ein politisches Generikapräparat. Eigentlich bemerkenswert ist daher, dass diese Selbstverständlichkeiten nicht erfüllt sind. Die Verantwortung dafür tragen die Bundesregierung und das Verteidigungsministerium ebenso wie die Parlamentarier (und in Teilen auch die militärische Elite). Vielleicht ist der eigentliche Verdienst von Chauvistré darauf erneut hinzuweisen. In seiner Distanziertheit ist sein Buch jedoch auch Teil des Problems, das es – bisweilen sehr zutreffend – zu beschreiben versucht.

Bilder wirken

Es geht doch. Eine aktuelle Videoreportage des Bundeswehrfernsehens bwtv findet eine sehr angemessene Form, um den Einsatz der schnellen Eingreiftruppe (Quick Reaction Force) in Afghanistan darzustellen. Der nun veröffentlichte erste Teil einer auf drei Folgen angelegten Reportagereihe verbindet Übungsbilder aus Afghanistan mit Eindrücken aus der Einsatzvorbereitung in Deutschland. Das ist sowohl inhaltlich als auch von der Machart eine neue Qualität, und man kann die Verantwortlichen nur ermutigen, diesen Ansatz weiter zu verfolgen. Angenehm fällt die Tonalität auf, die weniger „hollywoodesk“ und nicht ganz so „trigger happy“ (schießwütig) wie vergleichbare Filmbeiträge aus dem anglo-amerikanischen Umfeld ist. An der manchmal etwas gestelzten Sprache („Feindliche Kräfte werden durch die Maschinenkanone ausgeschaltet“) lässt sich bestimmt noch arbeiten. Ich bin wirklich gespannt auf die kommenden Teile der Serie, in der die Autoren den Bogen zur aktuellen Situation in der Region um Kunduz schlagen wollen.

Wer solange nicht warten mag, findet vielleicht den SAT 1-Beitrag von heute Abend noch hier online.

Das Ehrenkreuz der Bundeswehr für Eitelkeit geht an …

… Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, weil nicht seine Sommerreise eine Nachricht ist, sondern das, was die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr weltweit leisten. Einem Amt Gesicht und Stimme zu geben, bedeutet außerdem auch, eine angemessene Zurückhaltung zu wahren und nicht bei jeder Gelegenheit zu betonen, man selbst habe sowohl den Bau des Ehrenmals der Bundeswehr als auch die Stiftung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr für Tapferkeit initiiert – es sei denn, man nimmt sich selbst wichtiger als seine Aufgabe.