Tom Enders macht Druck

High Noon in der Rüstungsindustrie. Statt Kugeln fliegen mediale Botschaften. Noch ist unklar, wer der Marshal und wer der Gangster ist, aber die Duellanten haben sich schon postiert. Vor allem Airbus-Chef Thomas Enders erhöht jetzt den öffentlichen Druck. Die Drohung: Ohne substantielle Beteiligung der Besteller an den Kosten für den neuen Militärtransporter A 400 M, wird Airbus das Projekt abbrechen. Das zentrale Argument klingt plausibel. Vor allem die Forderung der Auftraggeber, die Triebwerke durch europäische Unternehmen neu entwickeln zu lassen, habe die Kosten in die Höhe getrieben. Die Wahrheit indes ist komplizierter. Bereits Airbus und der Mutterkonzern EADS sind nicht Produkte des freien Spiels der Marktkräfte, sondern Ausdruck des politischen Willens der beteiligten Staaten. Die Folge sind immer wieder aus betriebswirtschaftlicher Sicht fragwürdige Entscheidungen über die Vergabe von Entwicklungs- und Produktionsaufträge innerhalb des Konzerns.

Worum es derzeit also geht, ist eine möglichst plausible Inszenierung für den Steuerzahler, die es allen Beteiligten ermöglicht, ihr Gesicht zu wahren. Zu Guttenberg tut gut daran, auf die neuerliche Provokation nicht allzu vorschnell zu reagieren. Je länger er mit einer Antwort warte, umso günstiger dürfte die Regierung davon kommen – wenn zu Guttenberg nicht überzieht. Gefragt ist also ein optimales Timing.

Cool Britannia

Wie die Webseite eines Verteidigungsministeriums auch aussehen kann, zeigt das britische Ministry of Defense. Wer auch immer sich im und um das BMVg herum Gedanken über eine konzeptionelle Neuentwicklung der Onlineauftritte der Bundeswehr macht, sollte sich dieses Portal genau anschauen – ebenso wie die Auftritte der Teilstreitkräfte. Das ist – wir übernehmen gerne die Diktion des Ministers an dieser Stelle – Benchmark. Und wer gerade dabei ist: Die Online Engagement Guidelines übersetzen, Stempel drauf und ab an den Großverteiler @bundeswehr.gov

Nachtrag: Ganz viele Social Media Richtlinien gibt es bei Socialmediagovernance.

Die unstrategische Community

Gibt es in Deutschland eine „Strategic Community“? Oder besser: Was soll das eigentlich sein, eine „Strategic Community“? Die sonst allwissende Wikipedia versagt bei dieser Frage ihren Dienst und selbst Google wirft nur knapp leidlich 1.000 deutschsprachige Fundstellen aus. Im digitalen Zeitalter sind die Ergebnisse dieser – zugegeben oberflächlichen – Recherche ein ernst zu nehmendes Symptom.

Ja, sicher, es gibt eine Vielzahl von tatsächlichen oder selbst ernannten Think Tanks. Und es gibt sogar eine staatliche Einrichtung, die sich die Förderung der nicht näher definierten Gemeinschaft auf ihre Fahnen geschrieben hat: Die „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ (BAKS), die von sich behauptet, von Anbeginn „den Aufbau einer in den angelsächsischen Ländern seit langem wohl etablierten ‚Strategic Community‚ im Auge“ zu haben.  In eine ähnliche Richtung argumentierte 2007 der leitende wissenschaftlicher Direktor der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation, Dietmar Ose, der in einem Interview auf die Frage sagte, wie denn die „Strategic Community“ voranzubringen sei, dass „eine öffentliche Befassung mit Themen der Sicherheitspolitik wegweisend werden“ könnte – und deshalb die„Optimierung der Mittel und Methoden der Kommunikation auf dem erweiterten Feld der Sicherheit“ für sein Haus in Anspruch nahm.

Abgesehen davon, dass es angesichts des richtigen und wichtigen Primats der Politik sowie eines erweiterten Sicherheitsbegriffs etwas seltsam anmutet, dass die Bundesregierung, die zentrale Einrichtung zu diesem Thema im nachgeordneten Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums anordnet, liegt darin eine tiefere Logik. Man will das Thema weg organisieren. Diese Methode mag politisch plausibel sein, strategisch könnte sie sich als Fehler erweisen, denn es gibt diese Community, und es könnte sinnvoll sein, diese nicht länger zu ignorieren, sondern einzubinden. Darauf weisen unter anderem zwei Veröffentlichungen aus dieser bislang noch eher virtuellen Gemeinschaft hin.

In der aktuellen Ausgabe des relaunchten Magazin des Reservistenverbandes „loyal“ analysiert Martin Löffelholz, Professor an der TU Ilmenau die Kommunikationsarbeit des Verteidigungsministerium in den vergangenen Jahren als „Weder strategisch noch modern“ (Dokument hier, online auch im Afghanistanblog des Kollegen Boris Barschow, lesenswert in loyal auch der Bericht von Marco Seeliger, online bei Thomas Wiegold).

Noch etwas grundsätzlicher in ihrer Kritik an der sicherheitspolitischen Kultur Deutschlands wird Constanze Stelzenmüller in ihrem Beitrag für das Magazin Internationale Politik. Unter dem Titel „Die selbstgefesselte Republik“ entwickelt die ehemalige Redakteurin der Zeit und aktuell Fellow beim German Marshall Fund in Berlin treffend fünf Thesen und Empfehlungen zur zukünftigen Sicherheitspolitik. Der Appell an die Politik etwas schnodderig zusammengefasst lautet: Fangt an, das Thema endlich Ernst zu nehmen, beispielsweise indem, so eine von Stelzenmüllers These, Deutschlands unterentwickelt sicherheitspolitische Eliten und Institutionen zielgerichtet gefördert werden. Dazu gehört auch, – ganz im Sinne dieses Blogs – es den Menschen zu erklären, denn die strategische Community sind wir alle.

Statt freundlichem Desinteresse – Das Beispiel Kanada

Ist es Zufall, dass in Kanada – einem Land, in dem die Regierung regelmäßig über den Afghanistan-Einsatz ihrer Streitkräfte informiert – auch die Öffentlichkeit etwas interessierter an den Soldatinnen und Soldaten scheint? Vielleicht. Es ist dennoch überaus bemerkenswert, wie kanadische Bürger trotz ihrer Skepsis (im Sommer 2007 sprachen sich bei einer Umfrage 59 Prozent gegen den ISAF-Einsatz aus) den im Einsatz getöteten Soldaten ihren Respekt erweisen.

Die Leichname der „Fallen Canadians“ werden per Flugzeug auf die Luftbasis Trenton in der Nähe von Toronta überführt. Dort nehmen Fahrzeuge die Särge auf und transportieren sie von dort über den Highway 401  in die zentrale Pathologie in Toronto. Die Angehörigen der Getöteten begleiten diesen Konvoi. Seit 2002 versammeln sich Menschen aus den anliegenden Gemeinden entlang dieses Weges. Es sind Anwohner, Polizisten, Feuerwehrleute, Bauarbeiter, Veteranen – quasi ein Querschnitt der kanadischen Bevölkerung – die am Straßenrand oder auf Brücken stehen, um „ihren“ Soldaten die letzte Ehre zu erweisen. 2007 wurde der Autobahnabschnitt offiziell in „Highway of Heroes“ umbenannt. Dieses Ritual mag für die deutsche Gesellschaft seltsam oder sogar pathetisch anmuten, es ist aber in jedem Fall bewegend. Ein Blick auf die entsprechenden Videos bei YouTube ist sehr zu empfehlen.

„Liebling, wir müssen reden!“

Wer diesen Satz hört, weiß, dass es im Beziehungsgebälk knirscht. Wenn sich nun die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann und Verteidigungsminister zu Guttenberg diesen Satz öffentlich zurufen – und dabei gleichzeitig fast schon darüber streiten, wer denn nun wen gerufen hat – ist es wohl ernst. Auch der medial vermittelte Austausch zwischen Verteidigungsministerium und dem Flugzeugbauer EADS über den Airbus A 400 M nutzt geschickt die Lücke zwischen den Ende der Feiertage und dem Arbeitsbeginn des Untersuchungsausschusses zu Kunduz. So weit, so gut, denn grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass zu Guttenberg den Dialog sucht. Allerdings muss er aufpassen, dass sich seine Politik nicht im bloßen Symbolhandeln erschöpft. BamS, Bild und Glotze reichen weder, um eine nach wie vor skeptische Öffentlichkeit vom Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zu überzeugen, noch das Vertrauen der Soldaten in die politische Führung zu stärken.

Der Kommunikationsoffensive des neuen Ministers müssen nun Taten folgen, denn das „Wir müssen reden“ gilt nicht nur dort, wo ein glanzvoller Außenauftritt winkt, sondern ebenso für die Mühen der Ebene, sprich: Mit Parlament und Bürger. Das schließt übrigens die anderen mit dem Thema Afghanistan befassten Ressorts mit ein. Eine im Vergleich zu Deutschland beispielhafte und ernsthafte Auseinandersetzung leistet u.a. die kanadische Regierung, die vierteljährlich einen Bericht zu ihrer Afghanistanpolitik vorlegt. Ein entsprechendes Dokument der Bundesregierung wäre auch in seiner symbolischen Wirkung überzeugender als weitere ministerielle Fotoshootings.