Die unstrategische Community

Gibt es in Deutschland eine „Strategic Community“? Oder besser: Was soll das eigentlich sein, eine „Strategic Community“? Die sonst allwissende Wikipedia versagt bei dieser Frage ihren Dienst und selbst Google wirft nur knapp leidlich 1.000 deutschsprachige Fundstellen aus. Im digitalen Zeitalter sind die Ergebnisse dieser – zugegeben oberflächlichen – Recherche ein ernst zu nehmendes Symptom.

Ja, sicher, es gibt eine Vielzahl von tatsächlichen oder selbst ernannten Think Tanks. Und es gibt sogar eine staatliche Einrichtung, die sich die Förderung der nicht näher definierten Gemeinschaft auf ihre Fahnen geschrieben hat: Die „Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ (BAKS), die von sich behauptet, von Anbeginn „den Aufbau einer in den angelsächsischen Ländern seit langem wohl etablierten ‚Strategic Community‚ im Auge“ zu haben.  In eine ähnliche Richtung argumentierte 2007 der leitende wissenschaftlicher Direktor der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation, Dietmar Ose, der in einem Interview auf die Frage sagte, wie denn die „Strategic Community“ voranzubringen sei, dass „eine öffentliche Befassung mit Themen der Sicherheitspolitik wegweisend werden“ könnte – und deshalb die„Optimierung der Mittel und Methoden der Kommunikation auf dem erweiterten Feld der Sicherheit“ für sein Haus in Anspruch nahm.

Abgesehen davon, dass es angesichts des richtigen und wichtigen Primats der Politik sowie eines erweiterten Sicherheitsbegriffs etwas seltsam anmutet, dass die Bundesregierung, die zentrale Einrichtung zu diesem Thema im nachgeordneten Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums anordnet, liegt darin eine tiefere Logik. Man will das Thema weg organisieren. Diese Methode mag politisch plausibel sein, strategisch könnte sie sich als Fehler erweisen, denn es gibt diese Community, und es könnte sinnvoll sein, diese nicht länger zu ignorieren, sondern einzubinden. Darauf weisen unter anderem zwei Veröffentlichungen aus dieser bislang noch eher virtuellen Gemeinschaft hin.

In der aktuellen Ausgabe des relaunchten Magazin des Reservistenverbandes „loyal“ analysiert Martin Löffelholz, Professor an der TU Ilmenau die Kommunikationsarbeit des Verteidigungsministerium in den vergangenen Jahren als „Weder strategisch noch modern“ (Dokument hier, online auch im Afghanistanblog des Kollegen Boris Barschow, lesenswert in loyal auch der Bericht von Marco Seeliger, online bei Thomas Wiegold).

Noch etwas grundsätzlicher in ihrer Kritik an der sicherheitspolitischen Kultur Deutschlands wird Constanze Stelzenmüller in ihrem Beitrag für das Magazin Internationale Politik. Unter dem Titel „Die selbstgefesselte Republik“ entwickelt die ehemalige Redakteurin der Zeit und aktuell Fellow beim German Marshall Fund in Berlin treffend fünf Thesen und Empfehlungen zur zukünftigen Sicherheitspolitik. Der Appell an die Politik etwas schnodderig zusammengefasst lautet: Fangt an, das Thema endlich Ernst zu nehmen, beispielsweise indem, so eine von Stelzenmüllers These, Deutschlands unterentwickelt sicherheitspolitische Eliten und Institutionen zielgerichtet gefördert werden. Dazu gehört auch, – ganz im Sinne dieses Blogs – es den Menschen zu erklären, denn die strategische Community sind wir alle.

7 Gedanken zu „Die unstrategische Community

  1. Die BAKS ist eine dröge Fortbildungsstätte, an der Verwaltungspersonal konsensfähige Ideen auf deutsch-provinzielle und für mich viel zu politisch korrekte Art vermittelt. Tatsächlich vorgenommene Versuche zur Förderung einer „Strategic Community“ sind m.E. bereits in Ansätzen stecken geblieben.

    Wie die AIK zur „Strategic Community“ beiträgt, ist für mich nicht erkennbar. Von Strausosibirsk aus ist das auch eher schwierig. Ab und zu sicherheitspolitische Ideen der 90er Jahre in Seminaren zu erklären bringt doch niemanden weiter.

    Auch darüber hinaus sehe ich wenig, was mich begeistert. Die SWP scheint mir zu zögerlich zu sein, die wirklich relevanten Fragen anzugehen, zumindest nicht öffentlich. Ist man zu sehr von der Regierung abhängig?

    Die Stiftungen oder die wenigen anderen „Think Tanks“ sind mir persönlich ebenfalls politisch zu korrekt und in Amtsdenken erstarrt. Ich besuche regelmäßig Tagungen etc. und schlafe jedesmal fast ein, so steril ist der Diskurs. Frische Ideen finden sich nur selten, auch wenn man sich gerne gegenseitig gerne selbiges bescheinigt. Ich kann das von Karriere aspekten aus gesehen sogar verstehen.

    Im internationalen Vergleich empfinde ich die deutsche „Strategic Community“, wenn man ihr denn diesen Namen verleihen will, größtenteils als rückständig, oberflächlich, moralisierend und affirmativ (gegenüber dem vermuteten moralischen Konsens).

    Herrn Löffelholz und sein Umfeld finde ich da schon interessanter, auch wenn er sich nur auf einen kleinen Bereich fokussiert.

    Frau Stelzenmüllers Beobachtungen stimme ich größtenteils zu, halte aber ihre Forderung für wenig relevant. Warum sollte die Politik das Thema Sicherheitspolitik ernster nehmen? Der Wähler hört es nicht gerne bzw. es ist ihm nur als Form der globalen Sozialhilfe vermittelbar, und die Entscheidungen treffen auf globaler Ebene sowie andere, womit man bislang ja auch gut gelebt hat. Wer sich als Politiker inhaltlich vernünftig zu sicherheitspolitischen Themen äußert, kann m.E. kurzfristig nur verlieren.

  2. Wie könnte denn die Alternative aussehen?

    Frische Ideen und Kreativität finde ich eher abseits, so in einem Artikel aus der Brand Eins vom November 2009 über den Mediziner und Denktrainer Edward de Bono. Gefragt nach einem anderen Lösungsansatz für den Palästina Konflikt lautet der Vorschlag: „Oder nehmen wir diese Idee: Es ist eine Lösungsmöglichkeit für den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Die könnte so aussehen, dass die Länder, die Israel damals mit zu gründen halfen, jedes Jahr insgesamt drei Milliarden Dollar an Palästina überweisen. Doch für jede Rakete, die auf Israel abgeschossen wird, werden 50 Millionen Dollar von diesem Betrag abgezogen.“ http://www.brandeins.de/archiv/magazin/denken/artikel/wir-denken-um-die-wahrheit-zu-beweisen.html

    Das wäre doch auch mal ein Ansatz zu Afghanistan.

  3. @ weblog sicherheitspolitik

    Welches könnte Gründe sein, die zu dieser Bewertung führen. Haben Sie eine Vermutung?

  4. mE. hat Weblog Sicherheitspolitik genau die richtige Frage gestellt: „Warum sollte die Politik das Thema Sicherheitspolitik ernster nehmen? Der Wähler hört es nicht gerne bzw. es ist ihm nur als Form der globalen Sozialhilfe vermittelbar, und die Entscheidungen treffen auf globaler Ebene sowie andere, womit man bislang ja auch gut gelebt hat.“ Daran wird sich nur etwas ändern, wenn der Wähler anderes will. Und genau das müsste durch vernünftige Aufklärung- oder meinethalben auch Öffentlichkeitsarbeit angezielt werden. Denn der beklagte Mangel an „Communitiy“ ist ja nicht weiter als ein blinder Fleck: Es gehört einfach nicht zum normalen Programm, sich laufend über dieses Thema zu informieren wie über die Wirtschaft oder die Lokalpolitik. Nur ein Beispiel: Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet allenfalls interessante Länderkunde über „irgendwie“ sicherheitspoltisch relevante Weltgegenden. Eine Basisinformation vergleichbar zu dem was zu den Bereichen Verfassung, Wirtschafts- und Sozialpolitik geboten wird, findet man nicht. Hier ist aber ein ganz wichtiger Anknüpfungspunkt, wenn etwa Lehrer ihren Schülern etwas zur materiellen Verfassung und Politik der Bundesrepublik beibringen wollen. Konsequenz: Schon das kleine Einmaleins (was ist die Nato, was die Uno, wie funktionieren die beiden, welche Rechte&Pflichten ergeben sich jeweils) ist nicht Allgemeingut sondern Spezialistenwissen. Wenn man mit diesen Basics selbstverständlicher in die Öffentlichkeit ginge, wäre schon viel geschafft. Mal eine Utopie: Jedes Jahr nehmen wenigstens 10.000 Schüler der Klassenstufen 10-13 an einem vernünftig strukturierten Zweitagesseminar der Bundes/Landeszentralen teil, mit dem Titel: „Deutsche Sicherheitspoltik und Funktion der Bundeswehr“ (NB: Sicherheitspolitik ist mehr als Wehr&Waffen). Jede Wette, dass wir mit so einem Programm in spätestens 10 Jahren einen ganz anderen Diskussionsstil der Politik erleben würden, weil die Wähler andere Ansprüche stellen.

  5. @ Zivi: Wenn wir „Funktion der Bundeswehr“ aus dem Titel streichen und auch das „Deutsche“ weglassen, haben wir bereits Stoff für ein ganzes Schuljahr. Unter der Überschrift „Sicherheitspolitik“ ließe sich zudem auch etwas ideologiefreier diskutieren.

  6. @sascha_stoltenow: Das „deutsche“ ist kein muss, mehr eine nützliche Beschränkung auf das nächstliegend wichtige. Wenn man erst mal eingestiegen ist, kommen die weiteren Fragen dann von ganz alleine. Und dass es für mich die BW nicht sein muss, . . .
    Allerdings bin ich der Überzeugung, dass sich ohne solche Graswurzelarbeit nicht viel bewegen wird. Wie Weblog S m.E. völlig richtig heraus stellt, kommt es am Ende darauf an, welchen Politikstil die Wähler honorieren. Und dass man letztlich wohl sogar ein geruhsames und fruchtbares Gelehrtenleben mit diesem Thema verbringen kann, will ich ja gar nicht in Zweifel ziehen. Mir geht es allerdings um dem Anstoß, den man hier sehr wohl erreichen kann. Und da sind wir doch wohl nicht mehr so weit auseinander ?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.