Warum die Bundeswehr Social Media Guidelines braucht

Wie interessierte Leserinnen und Leser wissen, ist die Bundeswehr nun auch auf Facebook präsent. Zwar „nur“ mit einer Karriereseite, aber immerhin. Der Start der Seite zeigt unter anderem exemplarisch, dass die Betreiber sich im Vorfeld zu wenig Gedanken gemacht haben, und vor allem nicht augewertet haben, welche Erfahrung andere Unternehmen mit dem Employer Branding in sozialen Netzwerken gemacht haben. Sehr schön hat das Nina Kalmeyer auf ihrem newcruiting-Blog analysiert.

Heute, drei Tage und fast 250 Fans später, wurde ein weiteres Defizit der Bundeswehr im Umgang mit den neuen Medien deutlich. Trotz zahlreicher Bemühungen qualifizierter Kameraden, trotz vielfältiger militärischer Vorbilder u.a. aus den USA sowie ziviler Unternehmen auch in Deutschland wie Daimler und der wirklich umfangreichen Datenbank Social Media Governance, hat die Bundeswehr hier bislang nichts unternommen. Streng genommen ist das fast schon ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherren, in jedem Fall aber ein Fall von Führungsversagen. Deutlich wurde mir das heute auf der Karriere-Seite der Bundeswehr bei Facebook. Ein junger Studierender der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg – das ist die Universität der Bundeswehr – richtete auf Facebook eine Frage an das Redaktionsteam, bat um Rückmeldung via E-Mail und veröffentlichte seine dienstliche E-Mail-Adresse. Statt ihn auf diesen Umstand hinzuweisen, antwortete das Redaktionsteam fröhlich, dass man sich mit ihm via E-Mail in Verbindung setzen werde. Auf meinen Hinweis meldete sich der junge Kamerad mit einer Nachricht bei mir, bedankte sich und löschte den Eintrag. Gut so.

Dieses Beispiel zeigt exemplarisch, dass bei der Bundeswehr im Umgang mit den neuen Medien keinerlei Sensibilisierung vorhanden ist, und warum Social Media Guidelines – ich würde sie eher New Media- oder Kommunikations-Guidelines nennen -, eigentlich eine Selbstverständlichkeit im Rahmen der Corporate Governance von Unternehmen und Organisationen sein sollten (Gute Studie dazu von der Universität Leipzig und der Agentur Fink & Fuchs). Und die Raktion des jungen Kameraden zeigt, dass Mitarbeiter diese Führung gerne annehmen. Was ich aber nicht verstehe ist, warum die Bundeswehr ihr Kommunikationspersonal derart führungslos herum dilletieren lässt. Wenn die Armee genauso mit ihren Panzern, Flugzeugen oder Schiffen umginge (ja, ich weiß, hier gibt es auch einiges an Pleiten, Pech und Pannen), müssten wir täglich Tote beklagen. Es ist an der Zeit, dass die Bundeswehr Kommunikation ernst nimmt – sonst nimmt sie irgenwann niemand mehr ernst.

Bundeswehr-Karriere auf Facebook – die Reise des Benutzers

Nachtrag 7.7.2011: Inzwischen kann zumindest ich über https auf die Seite zugreifen. Gut so.

So. Die Bundeswehr hat nun eine Karriereseite auf Facebook. Wenn ich den Link aufrufe, ist das Erste, was ich sehe:

Während also deutsche Soldatinnen und Soldaten auch meine Sicherheit am Hindukusch verteidigen, deutsche Politikerinnen und Politiker nicht müde werden, auf die Gefahren des Internets hinzuweisen und die aktuelle Titelgeschichte die Deutschen vor der Digitalen Unterwelt warnt, fordert mich die Bundeswehr auf, den digitalen Hades zu überschreiten, um an den Segnungen ihres Facebooks-Auftritts teilzuhaben. Na dann, wagen wir es.

Hier ist sie also die Karriere-Seite der Bundeswehr auf Facebook. Was sofort ins Auge fällt: Während das Ministerium mit allen ihm zur Verfügung stehenden Medien mehr schlecht als Recht versucht, das neue Selbstverständnis von Truppe und Verwaltung – „Wir.Dienen.Deutschland.“ -, zu kommunizieren, findet es hier einfach nicht statt. Stattdessen wird das sattsam bekannte „Karriere mit Zukunft“ mit dem Ende des Claims „Bundeswehr-Reform, Ihre Chance“ zusammengekleistert, dass es jedem professionellen Gestalter Angst und Bange wird. Ergänzt um den Fahndungsaufruf „Wir suchen Sie!“Auch auf der offiziellen Info-Seite kein Hinweis zu „Wir.Dienen.Deutschland.“

Wer gesucht wird, zeigt das Video auf der Startseite. Mannschaftssoldaten. Die meinen also gar nicht mich – wenn ich Abitur habe, wenn ich Offizier oder Unteroffizier werden will, wenn ich mich über Karrieremöglichkeiten für Kinder, Bekannte, etc. umsehen möchte, weil diese mich als Ehemaligen fragen, was ich davon halte, dass sie zur Bundeswehr wollen.Sämtliche Unterseiten sind dann nur via iFrame eingebetteten Links zu den offiziellen Bundeswehrseiten. Legitim, aber eine weitere verpasste Chance.Erster Eindruck: Dilettantisch. Kein Bezug zu strategischen Themen des Ministeriums. Schlichtweg ungenügend.

Wir.Machen.Das.Mit.Den.Fähnchen.

Ist heute ein guter Tag für die Kommunikation der Bundeswehr? Einerseits ja, denn nachdem Verteidigungsminister Thomas de Maizière bereits in der vergangenen Woche bei einem Beförderungsappell in Hamburg die Stärke der neuen Kernbotschaft der Bundeswehr “Wir.Dienen.Deutschland.” in der Praxis erlebbar macht, beginnt nun die Verbreitung. Die aber, und das ist das Andererseits, ist wieder so langweilig, wie wir es von der Bundeswehr gewohnt sind. Nicht inhaltlich, sondern formell macht sie das mit den Fähnchen: eine Broschüre. Die ist ordentlich geschrieben, aber ein starker Auftakt für eine Kommunikation, die ein neues Selbstverständnis prägen soll, sieht anders aus. Und – am Rande bemerkt – eine professionell gestaltete Broschüre der Bundeswehr sollte vielleicht eine andere Dateibezeichnung haben als “Wir.Dienen.Deutschland._barrierefrei_final_Juni 2011_neu”

Mit ganz herzlichem Dank an Benjamin Wittorf für die Rekonstruktion des Textes aus dem Google Reader.

Strafe muss sein

Klassisches Eigentor. Habe ich heute noch über die Unfähigkeit der Bundeswehr im Umgang mit Twitter gelästert, habe ich es gerade geschafft, meinen lästerlichen Eintrag über die langweilige Gestaltung der Bundeswehr zum neuen Selbstverständnis „Wir.Dienen.Deutschland.“ selbst zu löschen. Ich finde, das geschieht mir ganz recht. Was der Blogger nicht im Kopf hat, hat er in den Fingern und muß es neu schreiben. Oder wie es immer in Altenstadt beim Springerlehrgang hieß – ich hoffe, es heißt auch noch so -, wenn man Mist gebaut hat: Durch die Holzattrappe noch mal hoch. In diesem Sinne …

Der Geist in der Maschine

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass eine Institution wie die Bundeswehr, die noch vor wenigen Tagen zur Konferenz Govermedia einlud, um über die Frage, wie Behördenkommunikation digital zu gestalten sei, ihre digitale Kommunikationnicht in den Griff bekommt. „Optimierung von Inhalten, Strukturen und Anwendungen“ lautete der Untertitel der Govermedia. Aber was kann man von einer Institution erwarten, die selbst von Twitter überfordert ist? Und nein, nicht von einem Twitter-Account, wie ihn die Deutsche Bahn unter @DB_Bahn betreibt, und der täglich zeigt, dass es möglich ist, in 140 Zeichen kluge Fragen zu stellen, aber sehr schwer, auch kluge Antworten zu geben (Und das Twitter-Team dort macht einen guten Job).

Die Ikone des digitalen Scheiterns der Bundeswehr ist der Twitter-Account @bundeswehrRSS. Wie an der Timeline dieses Accounts leicht nachzuvollziehen ist, steht er in seiner Spam-Frequenz den auf Twitter allgegenwärtigen Porno-Starlets in nichts nachsteht. Und: auf diesen Umstand haben schon sehr viele der Bundeswehr wohlgesonnene Twitter-Nutzer das Team der zentralen Online-Redaktion hingewiesen. Dieses hat auch Besserung gelobt, aber offensichtlich gelingt es ihnen nicht, den Geist in der Maschine zu besiegen. Für die aktuelle Spam-Welle scheint die Teilstreitkraft Luftwaffe verantwortlich zu sein, und man mag sich gar nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn die ihre Jets so flögen, wie sie das Internet nutzen. Vielleicht sollten sie noch ein paar Jahre in einer der Fernschreibstellen der Bundeswehr üben, bevor sie sich wieder an das Thema Internet wagen. Vor dem im Rahmen der Govermedia angekündigten Start einer Facebook-Seite der Bundeswehr muss man da fast schon Angst haben. Ist vielleicht das der Grund, warum die Innenminister angeblich diskutiert haben, Facebook-Parties zu verbieten?

Ohne Euch läuft nichts

1. Juli 2011. Deutschland setzt die Wehrpflicht aus. Statt rund 15.000 Wehrpflichtigen rücken am 4. Juli nur 3.419 junge Männer und Frauen zur Bundeswehr ein. Was die Ausbilder nun machen, bleibt offen. Welche Bedeutung aber die Wehrpflichtigen und insbesondere die Mannschaftsdienstgrade haben, hat Pascal Ziehm in einem Beitrag für JS – Das Magazin für junge Soldaten lesenswert aufgeschrieben. Der Text steht beim Reservistenverband online, schöner ist aber das PDF des Originals.

Govermedia 2011 – „Was könnten wir denn kommunizieren, was die Bürger interessiert?“

Pascal Ziehm, Studierender an der TU Dresden und engagierter Reserveroffizier war vom 20. bis zum 22. Juni auf der Govermedia in Strausberg. Weil ich leider nicht selbst teilnehmen konnte (viele meiner Anregungen und Hinweise aber bei der Veranstaltung gewirkt haben), freut es mich, das Pascal sich neben seiner Live-Berichterstattung via Twitter die Zeit genommen hat, seine Eindrücke aufzuschreiben.  

Vorbei ist sie, die zweite Auflage der GOVERMEDIA, veranstaltet vom Verteidigungsministerium mit Unterstützung vom Fraunhofer Fokus und der Technischen Universität Ilmenau, ausgerichtet an der AIK. Seit einer Woche sind sie nun wieder in ihren Ministerien und Behörden, die angereisten Mitarbeiter der Pressestellen. Viele werden ihren Referatsleitern hoffentlich erzählt haben, was ihnen auf der Konferenz vermittelt wurde: „Behördenkommunikation digital gestalten“.

Wie wohl die vorgesetzten Kommunikationsverantwortlichen reagiert haben? Mit Argwohn, mit Angst oder schnödem Desinteresse? Immer wieder viel die Forderung nach einem „Kulturwandel“ – vor allem bei den Verantwortlichen. Zu wenig Zeit, zu wenig Personal, zu wenig Geld. Dabei gab es unter den Behördenkommunikatoren so manchen, der längst wusste, was Facebook ist, wie man Twitter nutzt und was YouTube kann. Aber dann gibt es auch jene, die die Schultern zucken: „Was könnten wir denn kommunizieren, was die Bürger interessiert?“ Autsch.

Das starre Vorlesungsprinzip der GOVERMEDIA 2010 wurde aufgebrochen. In diesem Jahr standen die Workshops im Mittelpunkt: Learning by doing! Vor allem Agenturen stellten sich vor und erklärten das Social Web. Nein, sie priesen es an und blähten es nach Agenturmanier gehörig auf. So manche Statistik durfte man nur mit allergrößter Vorsicht genießen: Ganz Deutschland macht quasi nichts anderes mehr, als sich auf Facebook zu tummeln. Da wünscht man sich mehr von der Sorte Michael Praetorius, der dazu aufrief: „Hören Sie mit dieser Agenturengläubigkeit auf – werden Sie selbst kreativ!“ Aber dann gab es auch noch ein wenig wissenschaftlichen Input durch Professor Löffelholz und seiner IRGoCC, die vor allem zur Krisenkommunikation im Internet fundiert berichten konnten.

Eine Neuauflage der GOVERMEDIA im kommenden Jahr ist geplant. Ob die Bundeswehr dann eine Erfolgsstory mit ihrer Facebook-Seite zum Besten geben darf – die angeblich am 4. Juli startet –, bleibt abzuwarten (wünschen wir es ihr!).

Bundeswehr – Karriere mit Facebook

Das ist doch mal eine gute Nachricht: Anfang Juli startet eine Karriereseite der Bundeswehr bei Facebook. Bestätigt hat diese Information, die im Rahmen der Veranstaltung Govermedia kursierte, die Kommunikationschefin der Vivaki-Gruppe, zu der auch die Mediaagentur Zenith gehört. Deren Chefin hatte mit der Aussage, „Bei Schokolade sagt ihnen auch keiner, dass sie fett werden“, ein etwas seltsames Verständnis von Werbung für den Soldatenberuf offenbart.

Wie dem auch sei, nun will die Bundeswehr also auf Facebook um Nachwuchs werben. Damit sind natürlich Chancen und Risiken verbunden. Das größte Risiko liegt vermutlich darin, dass die Bundeswehr sich auf Facebook nicht auf die Personalwerbung wird beschränken können. Ähnlich wie die Bahn mit ihrem Chefticket erfahren musste, dass sie die Diskussion um Stuttgart 21 nicht von ihrer Facebook-Seite fernhalten konnte, wird die Bundeswehr sich auch unangenehmen Fragen stellen müssen. Diesen Sachverhalt hat u.a. der Kollege Thomas Wiegold mehrfach thematisiert, und es bleibt zu hoffen, dass die Bundeswehr hier genau zugehört hat.

Die große Chance besteht darin, dass die Bundeswehr eine der bestehenden privaten Fanseiten übernehmen kann, und damit sowohl die Leistung des Gründers, vor allem aber die rege Community von 26.000 Fans, anerkennen kann. Wie erfolgreich ein solches Vorgehen sein kann, zeigt das Beispiel des Twitter-Accounts von ZDF-Online. Es wäre erfreulich, wenn wir im kommenden Jahren auf den zahlreichen Social Media-Konferenzen, eine Bundeswehr-Success-Story hören könnten.

Gelungenes Crowdsourcing

Ein Lob geht kurz vor dem Wochenende an das Team, dass für das Projekt „Bw Webauftritte mitgestalten“ verantwortlich ist. Folgt man dem Ursprungsartikel der Bundeswehr-Website, könnte das die Akademie für Information und Kommunikation sein, die, unterstützt von den Marktforschern von TNS Emnid, das Projekt verantwortet. Das, was TNS Emnid da macht, wirkt methodisch sehr durchdacht. Das Community-Management ist verbindlich und professionell, und die Teilnehmenden werden regelmäßig über Zwischenergebnisse informiert. Man darf gespannt sein, inwiefern sich das auf die Umsetzung auswirkt. Die Meßlatte liegt hoch.

Kontrolliertes Risiko – Blogs und Filme aus Afghanistan

Jetzt will also auch die Bundeswehr aus dem Einsatz bloggen lassen. Die Blogger sind gut gewählt: ein junger Feldwebel, eine nur etwas ältere Kameradin im Dienstgrad Oberfeldwebel und ein erfahrener Hauptfeldwebel. Die Videoportraits der drei Soldaten auf der Webseite der Bundeswehr vermitteln nicht nur ein sehr glaubhaftes Bild des deutschen Militärs, sondern stellen auch eine echte Nähe her. Da gehen also drei Menschen, die wir uns alle auch als unsere Nachbarn vorstellen können, nach Afghanistan. Definitiv keine Medienprofis, etwas unsicher im Auftritt vor der Kamera, aber durchaus freudig gespannt, so, wie viele deutsche Soldaten wohl sind. Der Umstand, dass zwei von ihnen vornehmlich in den Feldlagern Dienst tun werden, schmälert ihre Leistung in keiner Weise, verweist aber auf den Kontrollwillen der militärischen und politischen Führung. Rein statistisch ist es weniger wahrscheinlich, dass diese Soldaten zu Schaden kommen – und es fördert das politische Ziel, den Einsatz als zwar anstrengend und fordern, aber doch nicht ganz so kriegerisch erscheinen zu lassen.

Entsprechende Bilder will die Bundeswehr selber steuern. Folgt man dem Bericht des Medienmagazins Zapp (Zusatzinformationen, wie bspw. ausführliche Interviews gibt es auf hier auf der Zapp-Seite), werden wir in Zukunft verstärkt mit Bildern von Helmkameras aus dem Einsatz rechnen müssen. Ich begrüße diese Entwicklung, denn wir brauchen Bilder dieses Krieges. Nur wenn wir diese Bilder haben, können wir ernsthaft darüber diskutieren, was wir unseren Soldatinnen und Soldaten zumuten wollen.