Scheitern als Chance

Nun beginnt sie also, die Nachwuchswerbung der Bundeswehr. Die zentrale Botschaft: Wir sind eine total lustige Truppe und die Reform der Bundeswehr ist Deine Chance zum Mitlachen, äh, Mitmachen. Das, was im Amtsdeutsch Vorgesetzter heißt, müsst Ihr auch nicht ernst nehmen, denn das sind nur junge Männer in Uniform, die eigentlich lieber als Comedians arbeiten würden.

Um es kurz zu machen: Das ist Asche, und das einzig nachwuchswerbliche an den Spots ist, dass sie wirken, als hätten Nachwuchswerber (also, solche, die irgendwann einmal gute Werber werden wollen) sie sich ausgedacht und Nachwuchssprecher sie gesprochen. Ausmustern. Sofort. Und die verantwortlichen Personalwerber gleich mit. Die Bundeswehr muss schließlich kleiner werden.

Anhören hier, oder bei Kollege Wiegold.

Morgenappell

Marschbefehl

Zapfenstreich

Kairos

So schnell geht es. Der Bundesverteidigungsminister ist zurückgetreten. Das hätte nicht passieren müssen, wenn er bereits frühzeitig aufgeklärt hätte. Dessen ungeachtet gibt es eine wesentliche eigene Leistung von zu Guttenberg, die für die Bundeswehr hoffentlich wegweisend sein wird. Er hat den „level of ambition“ der Reform auf ein Niveau gehoben, hinter das auch seine Nachfolger nicht zurückfallen können – im Sinne der Soldatinnen und Soldaten ebenso wie der Zivilbeschäftigten. Dafür ehrlichen Respekt. Das Amt ist größer als der Mensch.

Bloggen von der Front – wie Nachwuchswerbung wirklich geht

Gut geklaut, ist besser, als schlecht selbst gemacht. Nein, dass wird kein weitere Kommentar zu Guttenbergs Plagiaten. Dazu habe ich am 18. Februar bereits alles, was nötig war gesagt. Heute könnte man allenfalls ein: „Feuern Sie Ihre Komunikationsberater“ hinterherschicken.

Das gilt im Übrigen auch für die Personalwerber der Bundeswehr bzw. die Agenturen, mit denen sie zusammenarbeiten. Beide stehen vor einem echten Problem. „Die Bundeswehr findet kaum Freiwillige“ fasst das die Financial Times Deutschland treffend zusammen. Detaillierte nimmt Thomas Wiegold die Zahlen auf seinem Blog Augen Geradeaus auseinander.

Bullshit-Bingo statt Kommunikation

Das Kommunikationsprobelm daran: Die einzige Antwort, die den Personalern dazu einfällt, ist Bullshit-Bingo für Anfänger („Employer-Branding“) – das ihnen vermutlich irgendwelche Berater eingepflanzt haben – und Werbung. Frei nach dem Motto, wenn Du nur einen Hammer hast, sieht alles wie ein Nagel aus, hoffen die Bundeswehr-Personaler darauf, dass Werbung weiter wirkt. Ein großer Teil des Budgets wandert daher in klassisch werbliche Formate.

Angesichts der veränderten Mediennutzungsgewohnheiten von Jugendlichen, auf die unter anderem die deutsche Mediaplanungs-Legende Thomas Koch in seinem Blog hinweist, ist diese Hoffnug mehr als trügerisch – selbst wenn Bild, BamS und Glotze grundsätzlich die richtigen Plattformen sind, um Reichweite zu erzielen. Daran ändert auch der durchaus richtige Wunsch der Kommunikationsverantwortlichen nichts, die Präsenz der Bundeswehr im Internet und in sozialen Netzwerken zu stärken. (Dieser Wunsch steht im Attraktivitätsprogrammes, das Staatssekretär Rüdiger Wolf unterzeichnet hat, und ist ebenfalls bei Thomas Wiegold nachzulesen). Das liegt vor allem daran, dass Reichweite nicht alles ist, sondern Reichweite Relevanz als Grundlage braucht. Relevanz, die nur aus den Inhalten entstehen kann. Und die sind das eigentliche Problem der Bundeswehr.

Die Bundeswehr hat ein inhaltliches Problem

Mental ist die Bundeswehr noch nicht in der Mediengesellschaft angekommen. Mehr noch: bei Fragen der strategischen Kommunikation hat sie ein fundamentales Führungsproblem. Oder wie ist sonst zu erklären, dass der Presse- und Informationsstab eine begleitenden Einsatzdokumentation wie beispielsweise bei den Projekte „A Year at War“ oder „Armadillo“aktiv verhindert hat?

 

Wer könnte besser und glaubwürdiger darüber sprechen, was es heute bedeutet, Soldat zu sein, als die Soldaten selbst? Natürlich bedeutet das, die Kontrolle zu verlieren, aber die Kontrolle über die Kommunikation hat die Bundeswehr schon lange verloren (wer daran zweifelt, kann gerne mal im Ministerbüro nachfragen). Einen Umstand, den auch nach vorne denkende Personalstrategen wie Nina Kalmeyer übrigens schon lange erkannt haben.

Konsequente Medialisierung des Militärischen

Was also ist zu tun? Wer ernsthaft daran arbeiten will, das Nachwuchsproblem der Bundeswehr zu lösen, muss zuerst die eigenen Beschränkungen im Denken lösen. Weil nicht zu erwarten ist, dass die Bundeswehr eigenen Stellen, in absehbarer Zeit dazu in der Lage sind, sollte die Bundeswehr einfach plagiieren, beispielsweise durch den Aufbau einer eigenen Blogplattform annalog zu den Army Strong Stories, die nicht nur dem Publikum einen Einblick ermöglicht, sondern alle Soldaten dazu befähigt, ihre eigenen Beiträge zu publizieren – und das sogar mit einer eigenen App. Das Ziel muss die konsequente Medialisierung des Militärischen sein. Nur wenn Soldaten und Soldatinnen auf den relevanten Anerkennungplattformen des Internet-Zeitalters präsent sind, besteht eine realistische Aussicht, das freundliche Desinteresse zu überwinden. Die Bundeswehr hat es in der Hand.

Master-Arbeit

Im Jahr 2006 habe ich unter dem Titel: „Gegen/Bilder: Perspektiven für den Einsatz von Corporate TV im Rahmen eines integrierten Kommunikationsmanagements der Bundeswehr“ an der Donau-Universität Krems eine Masterarbeit im Studiengang PR und Integrierte Kommunikation eingereicht. Ich denke, heute ist ein guter Tag, diese Arbeit online zu stellen. master-thesis-gegen-bilder-30-dezember-2006-final.pdf

Kurzbeschreibung

Bilder sind zum Rohstoff im globalen Wettbewerb der Medien geworden. In einem immer komplexeren Kommunikationsumfeld eröffnen sie Unternehmen und Organisationen die Chance, sich in den öffentlichen Arenen zu positionieren. Gleichzeitig wächst das Risiko, dass Bilder, die nicht dem angestrebten Image entsprechen, die Reputation der öffentlichen Akteure schädigen und ihre Handlungsspielräume einengen. Diese Arbeit untersucht, welche Perspektiven für den öffentlichen Akteur Bundeswehr in diesem visuellen Formatierungswettbewerb bestehen, um durch ein integriertes Management seiner Ressourcen zur Führung und Produktion audiovisueller Medien eigene Bilder in den für ihn relevanten Öffentlichkeiten zu platzieren. Auf Basis des Ansatzes der Unternehmenskommunikation von Zerfaß und gestützt durch eine Expertenbefragung zur Praxis des Corporate TV in Deutschland entwickelt der Verfasser einen strategischen Ansatz für ein erweitertes Corporate TV-Management der Bundeswehr. Dieses ist im Kern ein an den Umfeld-bedingungen ausgerichtetes Content-Management, das die bisher bestehenden Beschränkungen der Informationsarbeit der Bundeswehr aufhebt und den Eintritt der Bundeswehr in den globalen Kommunikationswettbewerb bis hin zur Informationskriegführung postuliert – wenn es die Lage erfordert.

Zu Guttenberg muss Minister bleiben

Die besten Lehrmeister für Soldaten sind Soldaten, die im Gefecht standen und es überlebt haben. Der beste Verteidigungsminister für die Bundeswehr in der Mediengesellschaft ist ein Politiker, der alle Höhen und Tiefen dieser Gesellschaft ausgelotet hat. Zu Guttenberg hat dies in bemerkenswert kurzer Zeit erlebt. Auch deshalb gibt es keinen besseren Verteidigungsminister – wenn er sich nun in Demut zu seinen Fehlern bekennt, rückhaltlos aufklärt, und diejenigen, die er enttäuscht hat, um Verzeihung bittet. Auch für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gibt es dann keinen besseren Minister mehr, denn sie können sich sicher sein, dass sie sobald nicht mehr als Staffage der Selbstinszenierung des Ministers missbraucht werden.

Mehr als ein Schiff

Besatzungsfoto Gorch Fock

Quelle: http://www2.gorchfock.de/

Die Gorch Fock ist mehr als ein Schiff. Sie ist ein Bündel von allem, was wir über sie sagen, vor allem aber ein Bündel der Erfahrungen und Erlebnisse all der Männer und Frauen, die auf ihr gefahren sind. Und es ist eine fast unfassbare Verkehrung der Tatsachen, dass das Bild der Gorch Fock derzeit vor allem von denen geprägt wird, die an ihr gescheitert sind. Damit das nicht so bleibt, hat die Besatzung dem alles entgegen gestellt, was sie hat – sich selbst. Ein starkes, ein verzweifeltes Signal. Ein Signal, auf das die Marine, auf das jeder Soldat und jede Soldatin stolz sein kann. Und ein Signal dafür, dass der Primat der Politik tunlichst nicht durch den Primat des Boulevard ersetzt werden sollte. Die Folgen wären unabsehbar.

Was wir an der Diskussion über die Gorch Fock über Kommunikation lernen können

Wer die Diskussion über die Gorch Fock verfolgt hat, kommt nicht umhin, sich damit auseinander zu setzen, was das denn nun bedeutet, und ob, und wenn ja was, man daran über (Unternehmens)Kommunikation in der Mediengesellschaft lernen kann. Hierzu ein paar Anregungen:

– Nach dem die Bild noch einmal mit dem Wasserski fahrenden Kapitän versucht hat, nachzulegen, hat das PIZ Marine  der Story den Stecker gezogen. Gut, dass zu Guttenberg nicht auch noch über dieses Stöckchen gesprungen ist, das die Redaktion ihm hingehalten hat.

– Wir haben gelernt, dass die Bild kein Freund des Militärs, sondern der Auflage ist (was interessanterweise auch bedeutet, dass die Bild und andere Medien eigentlich die einzigen sind, die konsequent ihrer Linie folgen. Damit kann und muss man arbeiten)

– Wir haben gelernt, dass der Minister unter Druck Fehler macht und im Zweifelsfall eher seine Offiziere verrät, als sich mit ihnen zu beraten. Das Publikum und vor allem die Truppe spüren den Verrat genau, sind aber dennoch bereit zu verzeihen, weil zu Guttenberg in der Tat verspricht, mehr zu bewegen, als seine Vorgänger. Außerdem ist ein Minister mit einem schlechten Gewissen ein besserer Verhandlungspartner.

– Wir haben gelernt, dass der Inspekteur Marine weder das Rückgrat noch die Ideen hatte, wie er den Minister hätte davon überzeugen können, dass die Einbestellung von Schatz in der Sache nicht falsch, aber von Anfang an falsch kommuniziert war. Stattdessen hat er sich nacheilend in peinlicher Gefechtsfeldlyrik (oder wie auch immer das Gefechtsfeld bei der Marine heißt) ergangen, die vor Metaphern nur so strotzte, um die fehlende Substanz zu kompensieren. En passant hat der Inspekteur damit offenbart, dass quasi in der gesamten Admiralität und Generalität der Bundeswehr keinerlei Willen oder Kompetenz mit Blick auf ein professionelles Kommunikationsmanagement vorhanden ist.

– Wir haben gelernt, dass der teure Stab Strategische Kommunikation des Ministers ein fulminanter Schlag ins Wasser ist, weil die dort dienenden Leichtmatrosen beim ersten Sturm über Bord gegangen sind, auch, weil sie keinerlei Gespür für das Soldatische haben.

– Wir haben gelernt, dass die Opposition nicht satisfaktionsfähig, weil intellektuell überfordert ist.

– Und wir haben gelernt, dass die bemerkenswerte Ahnungslosigkeit des Ministers über das nicht immer appetitliche Wesen des Militärs bemerkenswert mit der bemerkenswerten Ahnungslosigkeit des Publikums (freundliches Desinteresse war also ein Euphemismus sondergleichen) korrespondiert, und die Beliebtheitswerte des Ministers deshalb vermutlich bemerkenswert stabil bleiben werden, denn im Kern misstraut der deutsche Michel seinen Soldaten noch mehr als seinen Politikern, vor allem, wenn sie gut aussehen.

Soviel Klarheit war also nie, und zu Guttenberg bleibt im Amt, weil er gerade noch die Kurve bekommen hat.

Mir gefällt das, denn es zeigt mal wieder, warum sich Soldaten selbst nach Kriegen verstehen – sie teilen die Gewissheit, von der Regierung verarscht worden zu sein. Habe ich wen vergessen? Glück Ab!

Mal wieder kein Fernsehen

Wer lernen möchte, wie Fernsehen nicht funktioniert, dem sei dieses Propaganda-Video des Bundeswehr eigenen Senders bwtv empfohlen. Das passiert, wenn man Archivmaterial zusammenschneidet und ohne Pause einen toten Text darüber quatscht. Das erreicht noch nicht einmal Praktikantenniveau, und wer auch immer den Beitrag freigegeben hat, müsste sich jetzt vor einer Abberufung fürchten – wenn irgendwer die Medienmacher der Truppe noch ernst nähme.

Verlorenes Vertrauen

Der Politikstil von Verteidigungsminister zu Guttenberg ist gescheitert. Dass er noch im Amt ist, verdankt er der erschreckenden intellektuellen Schwäche der Opposition, die nicht vermag, ihre Kritik auf den Punkt zu bringen und den fehlenden personellen Alternativen der Regierungsparteien. Vor allem in der Truppe hat er mit seiner katastrophalen Kommunikationspolitik Vertrauen verspielt. Soldaten und Soldatinnen spüren sehr genau, wenn sie von der Führung verraten werden. Andererseits ist zu Guttenberg noch sehr jung und unerfahren. Vielleicht schafft es der Minister, mit ehrlicher Arbeit nach innen doch noch ein professionelles Vertrauensverhältnis zu seinen Offizieren herzustellen. Genau das fehlte nämlich bisher, was die euphemistisch als „Kommunikationspannen“ bezeichneten Störungen deutlich zeigten. Wenn zu Guttenberg seine ehrgeizigen Reformpläne umsetzen will, muss er aber einen grundlegenden Wandel einleiten. Weg vom Primat des Boulevard, hin zu den Sorgen und Nöten der Soldaten, die er mit den Interessen der Industrie, den Sparvorgaben der Regierung und nicht zuletzt der Rolle des Parlaments in Einklang bringen muss. Mit seiner bisherigen autokratischen und selbstbezüglichen Art wird das nicht gelingen. Der Reformation der Bundeswehr muss die Reform der zu Guttenberg-Methode stehen.