Das nenne ich doch mal effiziente Amtshilfe der Bundeswehr. Weil es den „Infantrie-Kräften“ der Demonstranten spielend leicht gelang, die Versorgungslinien des Gipfels zu unterbrechen, kamen auch Journalisten nicht ohne weiteres zum Tagungsort. Die Bundesmarine ist zwar klein, aber fein, und selbst wenn viele Schiffe für den Einsatz fern der Heimat nicht wirklich taugen, als Journalistentransporter sind sie ohne Frage geeignet. Eine echte Win-Win-Situation, wie es neudeutsch heißen würde. Die Journalisten kommen dahin, wo sie wollen, und die Bundeswehr macht in friedlichen Gewässern erste Erfahrungen mit „Embedded Journalism“. Außerdem in der Ausbildung durch Amtshilfe inbegriffen: ein Grundkurs Portraitfotografie für Soldaten.
Auf einmal 2 Male
Nach dem die Diskussion um ein Ehrenmal für die im Ausland ums Leben gekommenen Bundeswehrsoldatinnen und – soldaten nun hoffentlich langsam in Tritt kommt, schlägt Friedbert Pfüger (CDU) im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 4. Juni (im Netz nur für Abonnenten) nun vor, zwei Male zu errichten. Eines auf dem Gelände des Verteidigungsministerium, das andere in der Nähe des Reichstags. Das eigentlich interessante des Artikels von Eckart Lohse ist für mich allerdings, das er kurz die Anfänge der Idee eines Ehrenmals darstellt. Schaut man hier genauer hin, wird deutlich, dass vermutlich von Anfang an keine Debatte gewollt war. Vor allem keine, die diejeningen miteinschließt, die es am meisten betrifft – Soldaten und Angehörige.
Recherchiert man auf den Webseiten des Verteidigungsministeriums findet sich die Idee des Ehrenmals erstmals in einer Rede anlässlich der Übergabe der Meisterbriefe der Kreishandwerkerschaft Kassel. Nicht wirklich ein nationales Großereignis, das geeignet wäre, eine Diskussion anzustoßen. Und die Formulierung „Daher beabsichtige ich, ein öffentlich zugängliches Ehrenmal als Ort der Trauer für die Angehörigen in Berlin zu errichten“ ist ein deutlicher Hinweis, dass hier ein Denkmal befohlen werden soll und nicht diskutiert. Auch ein Namensartikel in der Zeit vom 29.6.2006 betont nicht die Notwendigkeit einer Diskussion sondern begründet nur den bereits gefassten Entschluß.
Die gleiche Verkündigungshaltung offenbart sich auch in der internen Kommunikation. So findet sich beispielsweise im gesamten über das Internet zugänglichen Jahrgang 2006 der wöchentlichen aktuell – Zeitung für die Bundeswehr gerade mal ein Hinweis auf das Thema. In der Ausgabe 9 vom 6. März 2006 lässt sich Jung zitieren: Die Bundeswehr und unsere Gesellschaft schulden denjenigen, die hierfür (Frieden und Freiheit) ihr Leben lassen unser ehrendes Gedenken. Aus diesem Grund lasse ich derzeit die Errichtung eines zentralen Ortes des Gedenkens prüfen.
Vermutlich ist es – neben dem politischen Kalkül der Beteiligten – genau diese Politik der vollendeten Tatsachen, die den ernsthaft an einer demokratischen Diskussion über das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft Interessierten momentan sauer aufstösst. Davon abgesehen zeigen sich hier für mich exemplarisch die Defizite in der Kommunikationskultur der Bundeswehr und ihrer politischen Führung. Um die Akzeptanz für die Bundeswehr in der Gesellschaft unter den veränderten Rahmenbedingungen der modernen Medienwelt aufrecht zu erhalten, muss diese sich grundsätzlich wandeln. Weg von einseitigen Beschlüssen über die Köpfe der Betroffenen hinweg, hin zu einem kritisch-konstruktiven Dialog.
Und für den Standort des Ehrenmals sollten genau die Kriterien gelten, die Minister Jung selbst formuliert hat: es sollte öffentlich und zugänglich sein. Das bedeutet, dass keinerlei Zugangsbarrieren bestehen sollten – seien sie auch noch so klein. Als Denkmodell helfen mir da die trauernden Angehörigen. Während am Ministerium die Befehlsgewalt (also die Verantwortlichen) noch sehr konkret sind, und es Überwindung kosten kann, in deren Nähe zu sein, hat das Parlament eindeutig mehr Aufgaben als das BMVg, so dass hier deutlich weniger emotionale Barrieren bestünden. Und wenn dann doch die Entscheidung für einen Standort am Ministerium fallen sollte, wäre es das mindeste zu verlangen, hier einen Zugang ohne Einlaßkontrolle anzulegen.
Militärisches Greenwashing = Agendasetting 2.0?
Es ist schon bemerkenswert. Unter den Themen, die momentan die deutschen Schlagzeilen beherrschen – einen ästhetisch und inhaltlichen Überblick auf Basis der google news gibt es hier – liegen u.a. G8, Doping und der ein oder andere Krieg ganz vorne.
Gute Gelegenheit, mal einen Kontrapunkt zu setzen, mögen sich die Verantwortlichen von Bundeswehr.de da gedacht haben. Unter der Überschrift Der Umwelt verpflichtet beschreibt die Redaktion aktuell, dass auch das Militär am 5. Juni den Internationalen Tag der Umwelt begeht. Gleich darunter ein Bericht einer 9. Klässlerin, die zwei Wochen lang die – hoffentlich emissionsarme – Luftwaffe besucht hat. Und wo Kinder sind, dürfen Tiere nicht fehlen, weshalb Fallschirmjäger Rex im Blickpunkt zu Wort kommt. „Wau“ kann man da nur sagen, und den Hut ziehen vor der Themensicherheit der militärischen Kommunikationsmanager.
Oder eben woanders Interessantes lesen. So beispielsweise bei Thomas Wiegold, der einen Artikel in der Volksstimme Magdeburg gefunden hat. Dort, also in Magdeburg, zieht sich die Bundeswehr am 1. Juni aus der Öffentlichkeit zurück, um junge Staatsbürger geloben zu lassen, die Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Begründet wird der Rückzug mit Bedenken wegen der angespannten Sicherheitslage. Die Volksstimme zitiert Fregattenkapitän Rüdeger Schomburg, Vizekommandeur des Burger Logistikregiments mit den Worten „Da wollen wir nicht zusätzlich Öl ins Feuer gießen.“ Aus umweltschutztechnischen Gründen (s.o) ist diese Metapher natürlich brillant. Inhaltlich aber eher schwach, denn die, die sich mit der inneren Sicherheitslage auskennen, befürchten keine Gefährdung.
Aus der Vogelperspektive betrachtet, kann man hier fast schon eine Strategie erkennen. Ein geplantes Ehrenmal verstecken wir auf dem Gelände des Ministeriums, unsere Rekruten verstecken wir hinter den Zäunen ihrer Kasernen, und die gesamte Institution hinter Bildern von Bäumen, Kindern und Tieren. In der PR nennt man das u.a. Greenwashing. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es diese Strategie schon bis in die Spitze der deutschen Streitkräfte geschafft haben soll, oder?
Woran denken wir?
Den Versuch, eine Diskussion abzuwürgen, die gerade erst entsteht, ist sicherlich kein schlechter Anlass, um die ersten Schritte in die Blogosphäre zu wagen. Selbst wenn der eigentliche Anlass eher heikel ist. Es geht um das Bundeswehrehrenmal.
Die Diskussion für beendet erklären möchte u.a. Christian Thiels im tagesschau-Blog.
Dem widerspricht – wie ich finde zu Recht – Thomas Wiegold.
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie wir (als Gesellschaft) der im Einsatz getöteten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gedenken wollen. Und eigentlich ist diese Formulierung schon ungenau. Geht es nur um die Soldatinnen und Soldaten, oder auch um die anderen Angehörigen der Bundeswehr? Geht es nur um die von anderen im Kampf Getöteten, oder auch um diejenigen, die bei Unfällen sterben? Und wollen wir dieser Menschen nur gedenken, oder sie – wie der Begriff Ehrenmal nahelegt – ehren? Oder ist Gedenken bereits ehren, und ehren wir dann auch solche, die sich eventuell gar nicht ehrenvoll verhalten haben?
Man mag diese Einwände für zu theorielastig halten, aber dann möge man sie bitte schnell und pragmatisch vollständig beantworten. Genau weil das so leicht nicht möglich sein wird, besteht Diskussionsbedarf.
Wie verkürzt Herr Thiels argumentiert, zeigt u.a. sein Verweis auf das Vietnam-Memorial, wenn es um die Frage einer namentlichen Nennung der Toten geht. Eventuelle Sorgen von Angehörigen bescheidet er damit, dass dies in den USA auch nicht problematisiert wurde. Dabei vergisst er, dass das Vietnam-Memorial zum Gedenken an einen vergangenen, abgeschlossenen Krieg errichtet wurde, das Ehrenmal der Bundeswehr aber auch in die Zukunft gerichtet ist. Außerdem gab und gibt es sehr wohl Diskussionen darum, wie schon bei einer einfachen Wikipedia-Recherche deutlich wird.
Die bislang überzeugendste Argumentationskette liefern für mich diejenigen, die den Standort des Denkmals aus dem Status der Bundeswehr als Parlamentsarmee ableiten wollen. Ein Denkmal, das vor dem Reichstag steht, ist zweierlei: Erinnerung und Mahnung zugleich. Diese doppelte Bedeutung könnte auch die Tradition einer modernen Erinnerungskultur begründen, die gleichermaßen zivile wie militärische Züge trägt. Diese könnte genau die Schnittstelle markieren, an der die Bundeswehr entstanden ist, und die auch heute noch ihr Alleinstellungsmerkmal unter den Streitkräften der demokratischen Staaten ist. Denn die Bundeswehr ist eben nicht die Armee des Verteidigungsministers bzw. der Regierung, sondern die des deutschen Volkes, dessen Vertreter im Reichstag über ihren Einsatz entscheiden. Und weil diese Einsätze weltweit stattfinden, und die Entscheidungen in fast allen Fällen ohne genaue Kenntnisse der Lage vor Ort fallen müssen, ist ein Ort, der zum Denken anregt in unmittelbarer Nähe der politischen Entscheidungen genau der richtige.