Achtung, ein Lob

Manch einer mag es schon bemerkt haben: Derzeit tauchen auf der Webseite der Bundeswehr vermehrt Beiträge anderer Medien auf. Das ist gut, richtig und wer immer dafür verantwortlich ist, hat sich ein großes Lob verdient – nicht nur, weil das einem der vielen Vorschläge entspricht, die ich hier und an anderer Stelle beharrlich gemacht habe.

Im Afghanistanblog greift Boris Barschow unter anderem die Idee des Feeds auf. Eine der Kommentatoren bezweifelt allerdings, ob das im Sinne einer strategischen Kommunikation richtig sei. „Werde da einfach nicht schlau!“ schreibt Leser politisch inkorrekt.

Es ist richtig, denn durch die Einbindung dieser Beiträge, etabliert das Verteidigungsministerium nach Innen und Außen eine Kanal, der sowohl einen Service (Überblick über die Nachrichtenlage) bietet als auch gleichzeitig Gelegenheit gibt, die eigene Position zu kommunizieren. Die Bundeswehr holt sich also den Diskurs ins Haus und macht ein publizistisches Angebot. Anders gesagt: Um den großen Linien der Debatten um Afghanistan und die Bundeswehr zu folgen, reicht es aus, die Webseite der Bundeswehr zu beobachten und von dort aus dann gegebenenfalls die Recherche zu vertiefen. Das ist eine Kernidee des Modells „Bundeswehr als publizistischer Akteur“ und ein wichtiger Baustein einer entsprechenden Content Strategie. Gut so. Danke. Jetzt können wir auf höherem Niveau über die Inhalte und Logistik der sicherheitspolitischen Kommunikation weiter streiten.

Und nein, ich habe keinen Beratervertrag mit dem BMVg – noch nicht 😉 – aber diese Veränderungen zeigen auch, was die Soldatinnen, Soldaten und zivilen Mitarbeiter des Ministeriums können, wenn man sie lässt.

Fortschreibung: Zeit für Appelle

Vorweg: Zunächst einmal freut es mich, dass mein Kommentar zu einer Diskussion über das Selbstverständnis der Bundeswehr und des Berufs des Offiziers auch als Denkanstoß gelesen wird, selbst bzw. gerade weil die Wirkung der von mir gewünschten Appelle angezweifelt wird. So schreibt ein Kommentator: „Ein Appell ist sinnlos so lange sich das deutsche Volk für sein Militär schämt und lieber undifferenzierten Aussagen aus den verschiedensten Lagern anhängt und öffentliche Gelöbnisse Polizeischutz bedürfen.“

Hier muss ich widersprechen. Ein solcher Appell wäre nicht sinnlos. Im Gegenteil: er könnte – abhängig vom Inhalt – dazu beitragen, die vermeintliche Scham bzw. das freundliche Desinteresse der Bevölkerung zu überwinden, die ja auch nur als abstrakte Figur besteht. Bei rund 70.000 Soldatinnen und Soldaten, die bislang bereits im Einsatz waren, kann man sich ausrechnen, dass ein großer Teil der Bevölkerung ein deutlich weitergehendes Interesse hat. Außerdem: in einer Zeit, in der Marketing- und Medienmanifeste und -deklarationen quasi en vogue sind und öffentlichen Widerhall finden, müssen sich die aktiven Soldaten und vor allem die Offiziere fragen lassen, ob sie nicht selbst ein freundliches Desinteresse gegenüber ihrem Beruf pflegen?

Verständlich ist in jedem Fall, dass in einer eher individualistisch geprägten Gesellschaft gewisse Vorbehalte gegenüber kollektiven Äußerungen bestehen. Und dass es nicht leicht ist, zwischen Pathos und Affirmation den richtigen Ton zu treffen, zeigt der Beitrag eines Hauptmann der Division Spezielle Operationen in der Zeitung „Die Welt“ unter der Überschrift „Offizier zu sein ist eine Lebenseinstellung“. Aber das sind keine Gründe, es nicht zu tun.

Was also könnte, was müsste ein solcher Appell leisten? Wie könnte er aufgebaut sein?

Ich bin überzeugt, dass ein Appell – abhängig von den Absendern – vor allem dazu beitragen kann, das Verhältnis und die Beziehung des Offiziers zu seinem Souverän, dem Volk, und zu seinem Auftraggeber, dem Parlament, zu klären. Genau an dieser Schnittstelle, also den Beschlüssen des Bundestages und der in Meinungsumfragen behaupteten Ablehnung des Afghanistaneinsatzes, herrscht ja eine Ernst zu nehmende Spannung. Ebenso könnte sich ein solcher Appell an weitere gesellschaftliche relevante Gruppen (Parteien, Kirchen, Gewerkschaften), aber auch die Wirtschaftsverbände richten.

Für den Aufbau ist durchaus vorstellbar, sich auf eine konsentierte „Lagefeststellung“ zu einigen, die politisch neutral die wesentlichen Aufgaben benennt, vor denen die Weltgemeinschaft steht. Diesem Bekenntnis zu gemeinsamen Zielen könnte dann eine Darstellung dessen folgen, was der Offizier als Soldat und Staatsbürger zur Bearbeitung dieser Aufgaben beitragen kann und will, wobei auch die Grenzen des Militärischen markiert werden können. An diese strategische Perspektive („Was ist zu tun?“) ließe sich dann ein Bekenntnis zur eigenen Haltung anschließen („Wie will ich es tun?“). Darin läge nicht nur eine Konkretisierung des Eides, sondern auch der Ausdruck eines Willens, treues Dienen unter den Bedingungen einer globalisierten Mediengesellschaft aktiv zu gestalten.

Und ja, da schwänge Idealismus mit, aber die Aufgaben, die wir uns als Gesellschaft stellen, werden wir weder mit reinem Pragmatismus noch Zynismus lösen.Vor allem nicht die Soldatinnen und Soldaten, die sich im Einsatz permanent mit für uns so fernen Fragen wie Tod und Verwundung umgehen müssen.

Abschließen noch zur Erinnerung die Thesen der Leutnante 70. Als Dokumentation, nicht als inhaltliches Bekenntnis.

These 1
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der eine Sache nicht um ihrer selbst willen tut.

These 2
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der es ablehnt, ein Verhalten zu praktizieren, das „Offiziers-like“ sein soll, Vielmehr will ich eine spezifisch offiziersmäßige Rollenerwartung nicht erfüllen.

These 3
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der eine Tradition ablehnt, die lediglich aus epigonaler Reproduktion besteht und auf Neuschöpfung verzichtet.

These 4
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der das Verhalten eines Vorgesetzten in Frage stellen darf und sein eigenes Verhalten von Untergebenen bzw. von jedermann in Frage stellen läßt; ich möchte ein Offizier sein, der nichts selbsverständlich findet.

These 5
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der weder Personen noch Dienststellen, sondern nur dem verfassungsmäßigen Auftrag Loyalität entgegenbringt.

These 6
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der jeden Verstoß gegen ein Wehrkonzept im Rahmen der Gesamtverfassung bestraft sehen will.

These 7
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der nicht nur den Frieden erhalten, sondern auch gestalten will.

These 8
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der eine scharfe Trennung zwischen Dienst und Freizeit beansprucht, weil ich meinen Beruf als verantwortungsvollen und strapaziösen Job sehe.

These 9
Ich will ein Offizier der Bundeswehr sein, der die erforderliche Disziplinierung in einem Heranführen an die Mündigkeit und der aus ihr entspringenden Selbstdisziplin sieht.

Die Bundeswehr braucht einen Kommunikationschef

Nach der kommunikativen Aufrüstung des Ministerbüros und der Aufwertung des militärischen Beraters der Kanzlerin, wünscht man sich beim allgemeinen Planstellenschießen der Bundesverwaltung noch einen echten Wirkungstreffer. Es wäre ein Aufbruchsignal für die militärischen Kommunikatoren der Bundeswehr, wenn dem neuen Generalinspekteur Volker Wieker ein Kommunikationschef im Range eines Generals mit einer eigenen Abteilung zur Seite gestellt werden würde. In Zeiten, in denen sich der Minister via Facebook direkt an seine „Fans“ wendet, sollte die militärische Führung dem nicht nachstehen.

Zeit für Appelle

Wer die aktuelle Zeit noch nicht gelesen hat, sollte das schnellstmöglich tun. Das Dossier „Das Kundus-Syndrom“ ist vermutlich das Beste, was man über die Aufgabe, vor der die Bundeswehr in Afghanistan steht, bislang in einer Zeitung zu lesen bekommen hat. Weder die Regierung noch die Abgeordneten des deutschen Bundestages können fortan behaupten, sie wüssten nicht, was auf die Soldatinnen und Soldaten zukommt. Nicht nur rhetorisch zerbröselt die so genannte Afghanistan-Strategie Deutschlands an diesem eindrucksvollen Stück von Anita Blasberg und Stefan Willeke, die zeigen, was Journalismus vermag.

Allerdings können sich auch die Offiziere der Bundeswehr nicht mehr länger weg ducken. Während die Führung des Bundesverteidigungsministeriums seit Antritt des neuen Ministers in die mediale Offensive geht, und – richtiger Weise – verstärkt Generäle in den Medien zu Wort kommen lässt, verharrt die Truppe anscheinend in Schreckstarre. Wo sind die Beiträge studierender Offiziere der Bundeswehruniversitäten zur Debatte? Warum artikulieren sich weder die Kompaniechefs noch die Bataillonskommandeure, von den Admiral- und Generalstabslehrgängen ganz zu schweigen? Ihre Appelle werden dringend gebraucht, und sie müssen nicht, nein sie dürfen nicht, nur der medialen Verwertungslogik folgen. Aber nach Innen und Außen muss die Bundeswehr als Armee im Einsatz ihr Selbstverständnis neu gründen und darf sich nicht weiter durch die politische Konsensmaschine ihrer Identität entledigen lassen. Sonst drohen weitere Einsätze ohne Ziel, deren Ursachen u.a. Klaus Naumann präzise beschreibt, und aus dem – richtigen – Primat der Politik wird die kritiklose Unterwerfung unter kurzatmige Mandate einer Führung ohne erkennbare Strategie.

Bewegend

Wer wissen will, was so genannte kriegsähnliche Zustände mit Menschen machen, muss sich dringend die 37 Grad-Reportage des ZDF anschauen. Das ist exzellentes Fernsehen. Und es vermittelt einen nachhaltigen Eindruck vom Spannungsverhältnis zwischen abstrakten politischen Formulierungen und dem konkreten Erleben der Soldaten in Afghanistan. Außerdem zeigt der Beitrag mit dem Titel „Kein Schritt ohne Risiko“ sehr kluge und tapfere und vor allem reflektierte Soldaten. Vorbildlich.

Dazu noch ein weiterer Gedanke: Das, was deutsche (und andere) Soldatinnen und Soldaten dort erleben, erleben die Menschen in Afghanistan schon seit Jahrzehnten.

Nebel im Kopf

Nur ganz kurz: So genannte Journalisten wie die aus der Politik-Redaktion des Kölner Stadt-Anzeigers, die aus der möglichen Tatsache, dass der neue Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, als Chef des Stabes der ISAF seinen Job gemacht hat, eine Beteiligung an „Vernebelungsversuchen“ konstruieren wollen, haben vor allem Nebel im Kopf. Vielleicht wollen sie auch nur mal auf den Busch klopfen. Man kann nur hoffen, dass sich in Berlin niemand von derart dilettantischen Versuchen, einen Skandal zu produzieren, nervös machen lässt.