Der folgende Beitrag wäre ohne die tätige Mithilfe externer Experten nicht zu Stande gekommen. Aus guten Gründen bleiben deren Namen anonym. Das soll interessierte Leserinnen und Leser allerdings nicht davon abhalten, sich in den Kommentaren oder per -Mail an der Diskussion zu beteiligen. Im Gegenteil: ohne alarmistisch klingen zu wollen, ist es plausibel, anzunehmen, dass eine hervorragende Institution der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr vor grundlegenden Veränderungen steht. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Stimmen derjenigen, die als Jugendoffiziere täglich erleben, welches Bild junge Menschen in Deutschland von der Bundeswehr haben, während der anstehenden Umbaumaßnahmen der Streitkräfte nicht ausreichend Gehör finden. In diesem Sinne würde ich mich freuen, wenn der folgende Beitrag Impulse zu einer konstruktiven Diskussion gibt.
Die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr steht regelmäßig in der Kritik, zuletzt wegen gesponserten Veranstaltungen im Zusammenhang mit den Young Leaders-Seminaren für Nachwuchsredakteure. In zahlreichen Beiträgen in diesem Blog wurden die teilweise unprofessionelle Aufbereitung von Themen durch das Ministerium ebenso bemängelt, wie Ansätze zur Verbesserung genannt – auch unter Beteiligung vieler Leserinnen und Leser dieses Blogs, die nun auf deren Umsetzung hoffen.
Eine Institution, die in der Vergangenheit häufig mit Lob für ihre Arbeit bedacht wurde, sind die Jugendoffiziere der Bundeswehr. Diese 94 in ganz Deutschland tätigen jungen Oberleutnante und Hauptleute haben den Auftrag, Sicherheitspolitik in den weiterführenden Schulen im Rahmen des Unterrichts auf Einladung der Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln.
Das Thema, welches am Häufigsten von den Schulen nachgefragt wird, ist der Afghanistaneinsatz, so dass Jugendoffiziere in zahlreichen Veranstaltungen Rede und Antwort den Schülerinnen und Schülern standen. Dabei waren bereits viele Jugendoffiziere im Einsatz und können in den Schulen somit aus erster Hand von den Herausforderungen vor Ort berichten. Dass andere Themenangebote der Jugendoffiziere hinter dem Afghanistaneinsatz hinten anstehen, zeigt auch, dass das Interesse an dem Einsatz in Afghanistan in den Schulen weit größer zu sein scheint, als man für gewöhnlich denkt. Hilfreich scheint hier vor allem der Lehrplan zu sein, der eine Auseinandersetzung mit dem Thema Bundeswehr im Auslandseinsatz von den Schulen verlangt.
Kommunikative Herausforderungen
Der Erfolg der Jugendoffiziere hat jedoch auch Kritiker auf den Plan gerufen. Denn zahlreiche Gruppierungen haben sich diese nunmehr als Hauptbetätigungsfeld für ihre kommunikativen Vorstöße gegen die Bundeswehr auserkoren. Vorneweg marschieren die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) sowie die DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen), die die Hauptträger der kommunikativen Feldschlacht gegen den Einsatz von Jugendoffizieren in den Schulen zu sein scheinen. Bei genauer Betrachtung sind die Argumente der Kritiker leicht zu widerlegen. Darauf soll hier im Einzelnen nicht eingegangen werden , da dies einen eigenen Beitrag rechtfertigen würde.
Eine kommunikative Herausforderung stellen sie jedoch allemal dar, besonders dann, wenn sie mit spektakulären Auftritten von sich reden machen oder Schulen gar dazu übergehen, sich zu bundeswehrfreien Zonen zu erklären, wie das Robert-Blum-Gymnasium Berlin.
Jugendoffiziere und Web 2.0
Die Frage ist nun, was die Bundeswehr den zahlreich auftauchenden Internetseiten der Kritiker kommunikativ im Web 2.0 entgegen zu setzen hat?
Ein Blick auf die offizielle Internetseite der Jugendoffiziere macht hier wenig Hoffnung, denn die letzte Aktualisierung datiert vom 29.11.2010 – im Zeitalter von Twitter und Facebook ein Jahrhundert alt. Dieser Punkt wird auch im aktuell vorgestellten Bericht der Jugendoffiziere bemängelt, der – bezeichnender Weise – zuerst von einer Bundeswehr kritischen Seite publiziert wurde! Insgesamt ist die Information über Arbeit und Inhalte der Jugendoffiziere von Seiten des Ministeriums im Internet stark verbesserungswürdig, denn aktuelle Informationen finden sich hier kaum wieder.
Eine Behelfslösung der Jugendoffiziere durch Erstellung eigener regionaler Internetseiten, wird durch das BMVg vorläufig toleriert, obwohl es hiermit nicht glücklich ist, da diese sich dem Einfluss des Ministeriums entziehen und keine offizielle Internetpräsenz darstellen (Vgl. Diskussion zu der Facebook-Seite hier im Blog). Die Kommunikation mit dem Nutzer ist leider auf diesen selbst erstellten Seiten bisher nicht möglich und die redaktionelle Gestaltung variiert auch sehr stark. Es bleiben eben Auftritte, die mit dem privaten Engagement von Jugendoffizieren stehen und fallen. Letzteres vor allem dann, wenn Expertise den Dienstposten verlässt und neue nicht in Sicht ist.
Welche Handlungsmöglichkeiten bieten sich? Vielleicht lässt sich in naher Zukunft eine Kommunikation via Facebook etablieren, die redaktionell professionell durch die Jugendoffiziere betreut wird und technisch durch geschulte Mediendesigner unterstützt wird. Die Zielgruppe der Jugendoffiziere ist zumeist heute schon zu fast 100% auf Facebook zu finden, so dass sich hier sicher neue Möglichkeiten der Interaktion bieten könnten. Nicht zu unterschätzen sind jedoch auch die potentiellen Gefahren der Interaktion im Web 2.0, da eine Kommentarfunktion auch betreut werden will. Erste Erfahrungen hierzu konnte die Bundeswehr bereits auf ihrem Youtube-Auftritt sammeln.
Jugendoffiziere in der Strukturreform
Betrachtet man die technische Ausstattung der Jugendoffiziere, so sind diese zumeist für ihren Auftrag gut gerüstet. Bundesverteidigungsminister De Maizière sprach im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Nachwuchswerbung in den Kreiswehrersatzämtern davon, dass dieses Personal in Zukunft einen Laptop und einen Dienstwagen benötigt und weniger ein Büro im Kreiswehrersatzamt, um somit näher an der Zielgruppe sein zu können. Für Jugendoffiziere gilt dies bereits heute, denn sie sind allesamt mit einem Laptop, einen Beamer, einem Diensthandy und einem Dienstfahrzeug ausgestattet. Das Büro dient ihnen als fester Anlaufpunkt.
Einen entscheidenden Unterschied scheint es jedoch zu geben zwischen der Nachwuchsorganisation und den Jugendoffizieren der Bundeswehr: Erstere wird personell vermutlich um 100% durch die Integration von freiwerdendem Zivilpersonal aus den Kreiswehrersatzämtern aufwachsen und materiell deutlich besser ausgestattet werden, um auch in Zukunft die personelle Regeneration der Bundeswehr sicherstellen zu können. Die Zukunft der Jugendoffiziere hingegen scheint in den Überlegungen des Inspekteurs der Streitkräftebasis (SKB) weit weniger Vorrang zu genießen.
Zur Erklärung: Die Jugendoffiziere sind allesamt Angehörige der Streitkräftebasis (SKB), werden fachlich durch das Streitkräfteamt und den Arbeitsbereich 2 im BMVg geführt, disziplinarisch jedoch in den vier Wehrbereichskommandos geführt. Absicht des Inspekteurs der SKB ist es, statt 94 Jugendoffiziere nur noch 57 Jugendoffiziere in Deutschland einzusetzen. Betrachtet man die teilweise heute schon sehr langen Anfahrtswege der Jugendoffiziere im ländlichen Raum zu den Schulen von bis zu 2 Stunden, würden diese sich durch Reduzierung der Dienstposten nochmals deutlich vergrößern.
Reduzierung der Dienstposten von 94 auf 57?
Ob die Verringerung der Dienstposten im Anbetracht des zu erwartenden weiteren Abbaus der Präsenz in der Fläche der Bundeswehr klug ist, muss nun im Ministerium geklärt werden. Logisch erscheint der Abbau nur aus fiskalischen Gründen zu sein. Die Personalkosten für 94 Jugendoffiziere belaufen sich aktuell im Jahr 2010 auf 4 072 910 Euro (laut BT-Drucksache 17/6311, Antwort zu Frage 18).
Andererseits sägt damit der Inspekteur SKB eventuell an einem der Äste, auf denen er sitzt. Denn letztlich bedeuten 94 Jugendoffiziere auch etwa 177 000 Personen, die durch die Jugendoffiziere unmittelbar erreicht wurden. Das heißt, 177 000 Personen konnten sich mit der Bundeswehr oftmals zum ersten Male auseinandersetzen und persönliche Positionen zur sicherheitspolitischen Ausrichtung im kritischen Dialog mit den Jugendoffizieren überprüfen.
Im Bericht der Jugendoffiziere heißt es hierzu:
Kritische Ansichten zu sicherheitspolitischen Themen werden nur von einer Minderheit vertreten; diese Stimmen sind vor allem in der Sekundarstufe II der Gymnasien zu hören. In den Haupt-, Real-/Werkreal- und Mittelschulen besteht im Gegensatz zum Gymnasium häufiger ein spürbarer Mangel an Allgemeinbildung und grundlegendem Wissen zu politi-schen und sicherheitspolitischen Geschehnissen und Zusammenhängen. Es fällt auf, dass mehrere Jugendliche des Öfteren stereotype und zum Teil auch polemische bis hin zu radikalen Argumenten unreflektiert übernehmen. Hier müssen Informationen folgen, damit der Prozess der Auseinandersetzung mit der Thematik zur eigenständigen, im Ergebnis ggf. auch kritisch-ablehnenden Meinungsbildung führt. Dazu leisten die Jugendoffiziere durch ihre Arbeit im Rahmen der politischen Bildungsarbeit einen fundierten Beitrag, der von der anfragenden Lehrerschaft im Bundesgebiet breite Anerkennung findet.
In einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem der Bundeswehr mit freundlichem Desinteresse begegnet wird, kann es nur richtig sein, diesem Desinteresse mit dem Diskussionsangebot der Jugendoffiziere entgegen zu treten. Eine Beschneidung dieser Fähigkeiten würde sicherlich die jetzige Situation eher verschlechtern, als verbessern und somit langfristig auch Auswirkungen auf die Anziehungskraft der Marke Bundeswehr haben.
Organisatorische Herausforderungen …
Inhaltlich stehen die Jugendoffiziere vor vielfältigen Herausforderungen. Die Kernthemen für das Jahr 2011 sind sicherlich wiederum der Afghanistaneinsatz, ergänzt um die Strukturreform der Bundeswehr und der neuen Wehrform sowie der Attraktivität des Dienstes (Wir.Dienen.Deutschland). Zu klären ist auch, wie das Verhältnis zur Nachwuchswerbung der Bundeswehr in Zukunft aussehen soll. Bestrebungen zu einer Verschmelzung mit der Öffentlichkeitsarbeit erscheinen aus Gründen der Akzeptanz in der Zielgruppe, aber auch aus rechtlichen Gründen eher unwahrscheinlich (Vgl. Studien des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages März 2010 und September 2010). Letztlich gibt es jedoch sehr enge Berührungspunkte in Anbetracht der Tatsache, dass sowohl die Nachwuchswerbung als auch die Öffentlichkeitsarbeit die Marke Bundeswehr kommunizieren.
Im täglichen Dienst werden Anfragen von Schülerinnen und Schülern zu Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr von den Jugendoffizieren an die Wehrdienstberater weiter geleitet. Daher macht es sicherlich auch Sinn, die Betreuungsbereiche aufeinander abzustimmen. Denn bisher kommt es durchaus vor, dass Jugendoffiziere in ihrem Betreuungsbereich gleich zwei zuständige Wehrdienstberater haben. Durch den zahlenmäßig zu erwartenden Aufwuchs der Nachwuchswerbung und der eventuellen Verringerung der Jugendoffiziere, ist hier jedoch Gegenteiliges zu erwarten. Es bleibt die Hoffnung, dass bei Schließung der Kreiswehrersatzämter, die Jugendoffiziere auch weiterhin Tür an Tür mit den Wehrdienstberatern sitzen werden.
… und neue inhaltliche Perspektiven?
Mit Blick auf die an der vernetzten Sicherheit beteiligten Ministerien stellt sich aus Sicht der Jugendoffiziere oftmals die Frage nach einem Äquivalent in der Kommunikation mit dem Bürger. Das BMVg leistet sich derzeit 94 Jugendoffiziere, die in den Schulen aktiv über die Auslandseinsätze berichten. Das Erstaunen der Schülerinnen und Schüler ist groß wenn sie im Unterricht hören, dass die Bundeswehr in Afghanistan nur eines von vier vor Ort tätigen Ministerien ist, da das Auswärtige Amt (AA), das Bundesministerium des Inneren (BMI) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) ebenso in Afghanistan aktiv sind. Eine aktive Informationsarbeit aus einer Hand findet aber nicht statt.
Jedes Ministerium betreibt seine eigene Öffentlichkeitsarbeit, was im Ressortprinzip begründet liegt. Jedoch fehlen auf Seiten der zivilen Ministerien scheinbar die Kapazitäten, aktiv in der Öffentlichkeit Informationsveranstaltungen zum Thema vernetzte Sicherheit durchzuführen. Eine Information kann oft nur am jeweiligen Standort des Ministeriums durchgeführt werden, so dass Schülerinnen und Schüler nur durch eine Fahrt nach Berlin und Bonn die persönliche Auseinandersetzung suchen können.
In Anbetracht der geäußerten Kritik von Seiten der GEW und der DFG-VK an den Jugendoffizieren wäre es hier doch ein leichtes, durch ein gemeinsames Auftreten diese in Teilen zu entkräften. Leider fehlt es dazu bisher an den notwendigen Ressourcen. Einzig durch Tagesseminare der Jugendoffiziere für z.B. Lehrkräfte, kann dieses Informationsdefizit durch Einladung von Referenten aus den erwähnten Ministerien aufgefangen werden.Wünschenswert wäre in jedem Fall eine bessere Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Afghanistan durch das Bundeskanzleramt.
Warum vier eigene Internetpräsenzen zum Thema Afghanistan in den Ministerien pflegen, anstatt die Informationen zusammen zu tragen und auf einer Unterseite des Bundeskanzleramts zu vereinen? Ein erster Ansatz hierzu findet sich auf den Seiten des Bundespresseamtes, der allerdings noch sehr unübersichtlich wirkt. Ein gezielter Ausbau dieser Aktivitäten könnte dem Bürger die Suche nach Informationen zum Thema Afghanistan deutlich vereinfachen.
Jugendoffizier – Quo vadis?
Die Jugendoffiziere als Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr haben sich seit ihrer Gründung im Jahr 1958 bewährt. Sie sind oftmals die ersten und einzigen Berührungspunkte für Schülerinnen und Schüler in ihrem Leben, um sich mit Fragen zum Thema Sicherheitspolitik intensiv auseinander zu setzen. Seit geraumer Zeit häufen sich jedoch Aktionen gegen die Tätigkeit der Jugendoffiziere in den Schulen. Diese sind letztlich auch auf den großen Erfolg der Jugendoffiziere in der Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern zurück zu führen.
Für die Zukunft wird es deshalb darauf ankommen, den kommunikativen Raum im Internetzeitalter nicht aufgrund mangelnder technischer Fähigkeiten verloren zu geben, sondern mit einem attraktiven und zugleich qualitativ hochwertigen Informationsangebot dagegen zu halten. Konsequent wäre hier beispielsweise eine Ausweitung des Auftrittes der Bundeswehr auf Facebook mit einem Zugang für die Jugendoffiziere.
Im Zuge der Strukturreform der Bundeswehr sollte dieses effektive Instrument der Öffentlichkeitsarbeit statt verkleinert, vor allem inhaltlich eher noch ausgebaut, zumindest aber beibehalten werden, um auch weiterhin einen möglichst großen Personenkreis mit Informationen zur Sicherheitspolitik erreichen zu können und den Dialog mit dem Bürger aufrecht zu erhalten. Nur so kann dem freundlichen Desinteresse des Bürgers aktiv entgegen gewirkt werden.
Das Verhältnis zur Nachwuchswerbung sollte nach Überwindung der jahrelang gepflegten Konkurrenz in ein freundliches und enges Miteinander übergehen, bei gleichzeitiger Beibehaltung der strikten Aufgabentrennung zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung.
Letztlich bleibt zu hoffen, dass für die Zukunft die Schnittmengen im Bereich der Kommunikation zur vernetzten Sicherheit durch die beteiligten Ministerien personell unterfüttert werden, so dass eine Information des Bürgers aus einer Hand erfolgen kann.
Wie sehen die Leserinnen und Leser des Bendler-Blog das? Sind die Jugendoffiziere ein Auslaufmodell, oder können Sie ihre Rolle als Speerspitze der Öffentlichkeitsarbeit mit jungen Menschen im Rahmen der Strukturreform der Bundeswehr noch ausbauen?