Zeitsprung: wir schreiben das Jahr 2011 und die Bundeswehr ist auf Facebook – oder etwa nicht? Ja, es gibt eine Facebook-Seite, die sehr nach Bundeswehr aussieht und offizielle Bundeswehr-Inhalte verbreitet. Betreiber aber ist nicht die Bundeswehr, sondern eine Privatperson, deren Identität unklar ist. Wer die Geschichte nachlesen möchte, kann das unter diesem Link tun: Die Bundeswehr in der Facebookfalle.
Knapp 10 Jahre später: Die Bundeswehr ist auf TikTok – oder etwa nicht? Ja, es gibt eine TikTok-Seite, die sehr nach Bundeswehr aussieht und offizielle Bundeswehr-Inhalte verbreitet. Betreiber aber ist nicht die Bundeswehr, sondern eine Privatperson (oder mehrere), deren Identität unklar ist.
Darauf angesprochen, stellt eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums klar, dass die Bundeswehr keine Kanäle auf TikTok betreibe. Zwar habe man geprüft, den Kanal für die Nachwuchswerbung einzusetzen, sich aber im Mai 2020 dagegen entschieden.
Ein paar der Probleme, die sich daraus ergeben, hat der Politikberater Martin Fuchs auf Twitter angesprochen. Die kritische Sicht von Fuchs teilt offenbar auch das Verteidigungsministerium. Fake-Profile bei TikTok können demnach den Anschein erwecken, offizielle Kanäle der Bundeswehr zu sein. Deshalb habe man eine rechtliche Prüfung eingeleitet, die sich damit befasse, ob hier vielleicht ein „Identitätsklau“ vorliege und/oder urheberrechtliche Verstöße, so die Specherin. Weil die Prüfung andauere, könne das Ministerium detaillierte Fragen derzeit nicht beantworten.
Wenn sich Geschichte wiederholte, könnte man ja jetzt, wie im Jahr 2011 auf eine friedlich-schiedliche Einigung hoffen, an deren Ende die Bundeswehr den Fan-Account übernimmt und zum offiziellen Account ausbaut. Allein, dagegen hatte sich das Ministerium ja bereits aus guten Gründen entschieden. Was das Ministerium damals jedoch nicht tat, war, Soldat:innen explizit vor einer Nutzung von TikTok zu warnen oder zumindest zu sensibilisieren. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich weiter munter tummeln und ein nicht-offizieller Account mehr als 15.000 Fans einsammelt.
Aus professioneller Sicht wirkt das nachlässig, denn das Muster, das sich hier abzeichnet, ist, dass das Ministerium immer erst dann aktiv wird, wenn kritische Nutzer:innen es darauf hinweisen. So prüft das Verteidigungsministerium beispielsweise seit Januar einen inoffiziellen Instagram-Account, der angeblich von Soldaten des Kommando Spezialkräfte betrieben wird. Diese Grauzone scheint sogar gewollt: folgt man den offiziellen Social Media Guidelines der Bundeswehr, ermutigt das Ministerium Soldat:innen dazu, in den sozialen Medien aktiv zu werden und duldet auch, dass dazu in der Dienstzeit produzierte Inhalte genutzt werden, weist sie aber an, ihre Profile als „privat“ zu markieren. Das ist spätestens dann völlig unplausibel, wenn die betreffenden Soldat:innen und Zivilist:innen haupttamtlich auf Dienstposten mit hoher Außenwirkung tätig sind oder sie für die Darstellung in Social Media dienstlich bereitgestelltes Material nutzen. Hier sollte das Ministerium dringend Klarheit schaffen und den Soldat:innen helfen, Handlungssicherheit zu erlangen. Führung, Erziehung und Ausbildung bedeuten im Zeitalter der sozialen Medien nicht nur, dafür zu sorgen, dass Soldat:innen den korrekten Anzug tragen, oder ihre Waffensysteme sicher beherrrschen, sondern sich auch sicher in sozialen Medien bewegen können, wenn sie als Angehörige der Streitkräfte erkennbar sind.
Aktualisierung:
Christoph Loose hat das Thema Urheberrecht in einem Blogbeitrag aus Perspektive eines Fotografen unter der schönen Überschrift „Einklauen bei der Bundeswehr“ bereits Mitte Januar etwas aufgedröselt.