Angesichts der jüngsten Vorfälle in Afghanistan kommt in den Medien nun – endlich – eine recht lebhafte Diskussion in Gang (Einen – im Kommentar allerdings eindeutig gefärbten – Überblick dazu bietet u.a. das Weblog Sicherheitspolitik) . Und wie zu erwarten war, sind die Akteure blitzschnell in ihre vorbereiteten argumentativen Kampfstände gesprungen. Während auf der einen Seite die Forderungen nach einem Abzug der Bundeswehr laut werden, konzentriert sich die andere Seite darauf, die perfide Strategie der Aufständischen als ursächlich für den Tod von Zivilisten zu brandmarken. Wie so oft sagen die Stellungnahmen mehr über ihre Absender als über die Sachverhalte aus – die kennen vermutlich die wenigsten derer, die sich jetzt äußern (den Verfasser dieser Zeilen eingeschlossen). Dessen ungeachtet, geben sich alle meinungsstark.
Interessant ist dabei ein Blick auf die kleine Community der Blogger, die sich mir sicherheitspolitischen Themen befassen. Sowohl in den Einträgen selbst als aich in den Kommentarspalten tobt der Meinungskampf:
– Gänzlich affirmativ und politisch ein wenig naiv sind die aktuellen Blogeinträge bei soldatenglueck.de. Demenstsprechend keilt sich das Publikum in den Kommentarspalten
– Das bereits oben erwähnte Weblog Sicherheitspolitik überzeugt grundsätzlich mit einer differenzierten Analyse, wobei das rhetorische Einschlagen auf linke Protagonisten doch etwas wohlfeil ist.
– Richtig schön tendenziös wird es bei den selbsternannten Freunden der offenen Gesellschaft, in dem sich Daniel Fallenstein polemisch über all diejenigen auslässt, deren Meinung er nicht teilt (und vermutlich auch nicht verstehen würde).
– Konsequent aus der Perspektive der Soldaten argumentiert Boris Barschow im PHOENIX Afghanistanblog. Das vermittelt eine gute Inneneinsicht in die Gefühlslage eines Menschen, der seine journalistischen Fähigkeiten nutzt, um seine Empfindungen in der soldatischen Rollen zu beschreiben.
– Gewohnt gut informiert ist Thomas Wiegold in Augen Geradeaus, der einmal mehr beweist, warum die Verbindung aus Qualitätsjournalismus und Bloggen extrem gut funktionieren kann.
Was fehlt?
Während sich Verteidigungsexperten und – expertinnen aller Couleur äußern, vermisst man – wieder einmal – eine eindeutige Stellungnahme der politischen und militärischen Führung der Bundeswehr. Darüber hinaus stellt keiner der Kommentatoren die Frage, ob nicht der gesamte Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr an einem Geburtsfehler krankt, der sich auf die Formel „Zu spät, zu wenig“ bringen ließe. Zu spät und zu wenig ist unter anderem die nun geplante Aufstockung der Truppe auf 4.500 Soldaten. Zu spät kommt die Forderung, die mit zu wenig Personal ausgestattete Polizeimission nun doch zu einem guten Anfang zu bringen – vom Ende ganz zu schweigen. Zu spät lenken Entwicklungspolitiker den Blick auf den mit zu wenig Mitteln betriebenen Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen. Neben der afghanischen Zivilbevölkerung sind unter anderem die Soldaten die Leidtragenden dieser Entwicklung. Trotz gegenteiliger Beteuerungen sind sie für ihre Aufgabe personell und materiell nicht hinreichend gerüstet.
Das militärische Feigenblatt
Dahinter liegt vermutlich eine tiefere Wahrheit. Seit mehr als 6 Jahren versucht die Bundesregierung mit minimalem Einsatz ihre Bündnispflichten zu erfüllen. Genauso lange ist die politische Führung offenkundig weder willens noch in der Lage, der Bevölkerung den Sinn des Einsatzes zu erklären. Die Präsenz der Bundeswehr am Hindukusch ist nicht mehr als ein militärisches Feigenblatt. Wer ernsthaft eine friedliche, zivilgesellschaftliche Entwicklung in Afghanistan fördern will, muss mehr investieren – oder das Engagement beenden.