Folgt man der aktuellen Berichterstattung, hat ein Soldat der Bundeswehr den Schauspieler und Boulevardmedienbewohner Wilson Gonzales Ochsenknecht via Facebook bedroht. Abgesehen davon, dass Prominente und Politiker regelmäßig wirre Drohungen erhalten, die nicht zuerst bei der Bild-Redaktion sondern der Polizei landen, legen sowohl die Wahl des Mediums als auch der Worte nahe, dass es dem Soldaten sowohl an der Medien- als auch der Planungskompetenz fehlt, die geäußerte Absicht auch in die Tat umzusetzen. Und was macht ein moderner Arbeitgeber wie die Bundeswehr, die feststellen muss, dass es ihren Mitarbeitern an Kompetenzen fehlt?
Wer jetzt dachte, er bildet sie entsprechend aus, liegt falsch. Die erste Reaktion, die – wohlgemerkt kolportiert – die Medien erreicht, lautet: Nutzt Facebook nicht! Im offiziellen Wortlaut klingt das dann so: Aus Fürsorge rät die Bundeswehr ihren Soldaten davon ab, Social Media für Meinungsäußerungen aus dem dienstlichen Umfeld heraus zu nutzen. Nun sind es zwar nur interne „Arbeitspapiere“ des Bundesverteidigungsministeriums in denen entsprechend argumentiert wird. Angesichts des bisherigen Verhaltens des Ministeriums bei auch nur leicht krisenhaften Entwicklungen ist es aber plausibel, anzunehmen, dass die Papiere keine Minderheitsmeinung transportieren.
Das Kontrastprogramm zur deutschen Haltung bieten unter anderem die US-amerikanischen Streitkräfte. Über das Social Media Hub des Department of Defense sind umfassende Social Media Guidelines mit wenigen Mausklicks zu erreichen (exemplarisch hier ein Link zum Handbuch der US Army, also dem Heer).
Bemerkenswert an der Position der Bundeswehr ist aber vor allem, dass sie offensichtlich davon überzeugt ist, dass die Verzichtsempfehlung für einen kleinen Kreis von Soldatinnen und Soldaten nicht gilt: Nämlich den, der die offiziellen Propaganda-Kanäle befüllt. Denn die Bundeswehr selbst ist, nach langer Anlaufzeit, auf Facebook ganz umtriebig. Von Lockvogelangeboten für potentielle Rekruten, die mit Spiel, Spaß und Spannung im Rahmen der so genannten BW-Olympix schon mal im friedlichen Kontext erfahren sollen, wie sich Sand zwischen den Zähnen anfühlt, über die offizielle Karriere-Seite mit mehr als 50.000 Fans, bis hin zur Seite der Image-Kampagne Wir.Dienen.Deutschland., bei der Soldatinnen und Soldaten (und auch zivile Bedienstete) Deutschland als Testimonial dienen.
Nur um Mißverständnisse zu vermeiden. Ich begrüße diese Aktivitäten ausdrücklich, nur: sie passen nicht zu dem, was das Verteidigungsministerium angeblich seinen Soldaten im Einsatz empfiehlt. Öffentlich gemachte persönliche Erfahrungen von Einzelpersonen oder Soldaten können komplexe Zusammenhänge meist nur unvollständig wiedergeben und sind hinsichtlich der Einschätzung ihrer Wirkung in der Öffentlichkeit unkalkulierbar., schreiben nämlich die Kommunikationsstrategen aus dem Bendler-Block. Damit bringen sie das grundsätzliche Dilemma öffentlicher und damit medial vermittelter Kommunikation zwar auf den Punkt. Hätten sie damit aber Recht, müsste die Bundeswehr sofort sämtliche publizistische Tätigkeit einstellen – und damit eigentlich ihren gesamten Betrieb.
Um es nochmal kurz auf den Punkt zu bringen: Im Bundesverteidigungsministerium, also dem Teil der Regierung, dem in Person des Ministers als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt die Führung der deutschen Streitkräfte übertragen ist, gibt es mit Kommunikationsmanagement beauftragte Führungskräfte, die keine Sekunde daran zweifeln, dass es möglich ist, junge Menschen an Kriegswaffen auszubilden, sie weltweit in Einsätze zu schicken und ihnen zuzumuten, dabei Leib und Leben einzusetzen, es aber für nicht möglich halten, denselben jungen Menschen zu vermitteln, wie sie im Social Web sinnvoll agieren können. Junge Menschen, die sie übrigens gleichzeitig mit Hilfe genau dieser sozialen Medien überzeugen wollen, dass es sinnvoll ist, in der Bundeswehr zu dienen. Auf die Idee muss man erstmal kommen.