Eins vorweg: Vertrauenswürdige Kreise wissen zu berichten, dass die Bundeswehr als solche kein Nachwuchsproblem hat. In sämtlichen Laufbahnen gäbe es quantitativ und qualitativ ausreichend Bewerber – bis auf eine Ausnahme: den freiwilligen Wehrdienst. Wenn man nun beispielsweise anhand von Musikvideoas kontrovers über das mediale Abbild der Bundeswehr diskutiert, die vermeintlich um Nachwuchs werben sollen, ist das Problem ein anderes, nämlich die Werbung selbst.
Vor den Fakten meine Meinung: Statt eines NACHWUCHSwerbeproblems hat die Bundeswehr vor allem ein NachwuchsWERBEproblem. Will sagen: Jungen Menschen bewerben sich TROTZ der aktuellen werblichen Anstrengungen bei der Bundeswehr. Der Dienst ist so attraktiv, dass selbst Werber, die meinen, man können den Soldatenberuf wie Schokoriegel verkaufen und dilettantische Spots zusammenzimmern, den Nachwuchs nicht davon abhalten können, den Weg in die Kreiswehrersatzämter und Zentren für Nachwuchsgewinnung zu gehen.
So unwirksam und unwichtig die Werbung aber auch ist, sie findet statt und kostet Geld, also könnte man sie auch gut machen. Weil das aber nicht nur über Geschmack entscheidbar, gleichzeitig die Entscheider, die für die Nachwuchswerbung verantwortlich sind, für ihre Aufgaben aber nicht hinreichend qualifiziert scheinen (gemessen an dem, was für Steuergelder produziert und gesendet werden darf), ist es gut, wenn jemand sich darum bemüht, eine objektive Bewertungsgrundlage zu schaffen.
Dieser Aufgabe hat sich Mitte dieses Jahre eine Gruppe junger Studierender an der Technischen Universität Dresden angenommen. Nadja Hoffmann, Anika Peucker, Max Wiedemann und Pascal Ziehm haben in einer Online-Erhebung fast 700 Teilnehmer zu den personalwerblichen Maßnahmen der Bundeswehr befragt. „Die Reform als Chance? Eine kommunikationswissenschaftliche Evaluation ausgewählter Werbemittel der Personalmarketing-Kampagne der Bundeswehr“ haben sie ihre Studie genannt. Diese ist im besten Sinne eine Nachwuchsarbeit, denn sie ist eine der wenigen aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich der Nachwuchswerbung widmen und sie ist gemacht von Nachwuchswissenschaftlern. Das macht sich unter anderem daran bemerkbar, dass der strategische Überblick an manchen Stellen fehlt, stattdessen aber die Forscher akribisch die Daten, scheinar um zu beweisen, dass sie methodisch sauber arbeiten. Das wiederum ist in Zeiten, wo sich so mancher etwas großzügiger arbeitende Politiker um Kopf und Kragen plagiiert, erfreulich und sorgt dafür, dass die Ergebnisse auch einer gründlichen Kritik Stand halten.
Aber was sind nun die Ergebnisse? Ist die Werbung gut oder schlecht? So leicht ist das nicht zu sagen. Wir sind ja wissenschaftlich unterwegs. Dennoch werden Tendenzen deutlich. Und die sind für die Bundeswehr durchaus erfreulich. Obwohl die Untersuchung unter anderem die Werbemittel der Personalwerbung (Radiospots und Videospot samt zugehöriger Slogan) mit denen der aktuellen Imagekampagne „Wir.Dienen.Deutschland.“ vergleicht, ist bemerkenswert, dass die in-house erdachten Maßnahmen deutlich besser bewertet werden, als die durch die vermeintlichen Werbeprofis verantworteten aus dem Hause Zenith Optimedia (a.k.a. „Soldaten sind Schokolade-Werber“).
Wer nun sagt, das hieße Äpfel mit Birnen zu vergleichen, hat nicht ganz unrecht, wenn man es aus der Perspektive der Absender und deren Intention betrachtet. Der methodische Ansatz, der dies heilen kann (und den die Dresdner Kollegen leider nicht genutzt haben), ist, die Kommunikation der Bundeswehr konsequent aus Sicht des Publikums zu betrachten. Und diesem Publikum ist es relativ gleichgültig, ob der Absender meint, er können zwischen einzeln Maßnahmen differenzieren. Im Gegenteil: nicht der Absender integriert heute die Kommunkation, sondern der Empfänger. Will heißen: Jede mediale Repräsentation der Bundeswehr wirkt immer aus personalwerblich, ganz gleich ob es ein Dokumentarfilm, eine Werbespot, eine fiktionale Tatort-Folge oder eine unglaublich intensive und bewegende Interview-Serie in der Zeit ist.
Dazu, wie solche Repräsentationen wissenschaftlich erfasst und bewertet werden können, liefert die Arbeit der jungen Dresdner eine hervorragende Grundlage. Das Forschungsdesign lässt sich beliebig auf werbliche wie redaktionelle Inhalte anwenden und ist leicht skalierbar. Es wäre erfreulich, wenn sich die verantwortlichen Stellen der Bundeswehr, dieser Thematik und Methodik annähmen und die begonnene Arbeit auf größerer Ebene fortsetzten.