Pragmatischer Realismus

Oh, der vergangene Monat muss arbeitssam gewesen sein. Ich habe nicht im Bendler-Blog gebloggt, dafür hat der BendlerBlogger andernorts kommentiert und diskutiert – online wie im Real-Life. Das gute an solchen Pausen ist: Sie verschaffen die Gelegenheit, ein paar der längeren Linien zu erkennen, beziehungsweise das, was man dafür hält. Meine Bewertung: In die sicherheitspolitische Diskussion scheint derzeit ein pragmatischer Realismus einzukehren. Eine Entwicklung, die durchaus im Sinne von Thomas de Maizière ist, womöglich sogar entscheidend durch ihn geprägt wird, was sich an den folgenden Themen zeigt.

1. America the Great

Damals, als zu Guttenberg das K-Wort sprach, war die mediale Aufregung groß, dabei war das, was der damalige Minister sagte, nur eine Bestätigung des Offenkundigen. Als Thomas de Maizière vor zwei Wochen die Strategieunfähigkeit deutscher Sicherheitspolitik im Kontext des geplanten Abzugs aus Afghanistan auf den Punkt brachte, rührte sich kaum etwas – oder habe ich eine Analyse überlesen? „Alles hänge davon ab, was die USA entschieden“, formuliert die Redaktion von ZDFheute. Ja, das ist so. Wir leben konsequent die Westbindung und die einzige Frage, über die die Bundesregierung entscheidet – und über sich die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Gedanken machen müssen – ist, ob, wo und wie Deutschland bei den Expeditionen der USA mitschießt.

2. Verwaltungsrepublik Deutschland

Im gleichen Maße wie die deutsche Regierung im internationalen Kontext strategieunfähig ist, ist es das Verteidigungsministerium im deutschen Kontext. Der richtigen Forderung, das Ministerium nach Berlin zu verlegen, folgte heftiger Gegenwind aus Bonn. Die kommunikative Aufgabe de Maizières und seines Reformstabes wird es also sein, so zu tun, als bliebe bei der Reform alles so, wie es ist, während quasi in Guerilla-Manier die relevanten Entscheidungen hanstreichartig umgesetzt werden. Helfen könnte dabei die unter anderem hier bei Thomas Wiegold dokumentierte Bräsigkeit der Wehrverwaltung, die Jahre brauch, um Strickmützen zu beschaffen.

3. Veteranen

Die Geschichte der politischen Führung des Militärs könnte dereinst auch als Geschichte der nachholenden Anerkennung geschrieben werden. War es Franz-Josef Jung, der sich irgendwann nicht mehr dagegen wehren konnte, von Gefallenen zu sprechen, ohne auch noch den letzten Rest von Glaubwürdigkeit in der Truppe aufs Spiel zu setzen, profilierte sich sein Nachfolger zu Guttenberg auch dadurch, dass er das, was Soldatinnen und Soldaten seit Jahren in Afghanistan erlebten, nun auch so nannte, wie sie: Krieg. DeMaiziere nun greift nun ein weiteres Thema auf, und spricht von Veteranen.Das ist nicht zuletzt ein Erfolg der Menschen, die sich seit Jahren außerhalb der etablierten Zirkel dafür einsetzen, dass Soldatinnen und Soldaten für das Besondere, das sie leisten auch anerkannt und entsprechend versorgt werden, allen voran die „Truppe“ des „Bund Deutscher Veteranen“ um Andreas Timmermann-Levanas.

Und sonst:

Zeigt das Militärhistorische Museum, dass es möglich ist, einen eigenständigen Internet-Auftritt umzusetzen, ohne dass die Wiedererkennbarkeit leidet. Es bleibt zu hoffen, dass die Teilstreitkräfte es schaffen, sich in gleicher Weise optisch vom Ministerium zu lösen. (Und über den beim MHM integrierten Facebook-Button diskutiert derzeit sicher die Rechtsabteilung des BMVg mit Frau Eigner und Herrn Weichert).

Gleichzeitig hat der Konvent der Universität der Bundeswehr in München in einem für deutsche Offiziere (noch) ungewohnten Akt souveräner Selbstbehauptung entschieden, Martin Böcker als Chefredakteur der Uni-Zeitschrift Campus im Amt zu belassen. Mehr als Patrick Bahners in der gedruckten FAZ dazu geschrieben hat, muss derzeit nicht gesagt werden.