Kanonenfutter für von der Leyens Dschungelcamp

Nun ist sie also da. „Die Rekruten“, eine exklusiv für YouTube produzierte Serie, mit der die Bundeswehr um Nachwuchs werben will. Zwölf Wochen lang begleiten Kameras junge Menschen auf dem Weg durch die Grundausbildung. Format und Plattform sind perfekt gewählt, könnte man meinen. Wenn, wie re:publica- und Tincon-Erfinder Johnny Haeusler sagt, wir derzeit die erste Generation junger Menschen erleben, deren prägender Kulturraum YouTube ist, muss man genau dort werben, wenn man will, dass die Jugend der Bundeswehr überhaupt begegnet.

Das war lange Zeit anders. Mehr als 40 Jahre lang mussten sich zumindest junge Männer mit der Frage auseinandersetzen, ob sie zum Bund gehen oder verweigern. Das führte regelmäßig zu intensiven Diskussionen im Freundeskreis und der Familie. Die Bundeswehr war präsent. Seit 2011 ist die Wehrpflicht ausgesetzt. Die Aufmerksamkeit, die der Bundeswehr früher zwangsweise zuteil wurde, muss sie sich heute teuer erkaufen.

Zu teuer, wie einige Kritiker sagen. Rund 8 Millionen Euro soll die Kampagne kosten. Interessanter Nebenaspekt für Kommunikationsexperten: knapp 80 Prozent des Budgets sind dafür vorgesehen, die Serie zu bewerben. Der Inhalt allein reicht also nicht, um sein Publikum zu erreichen. Dennoch, die Kritik an den Kosten geht an der Sache vorbei. Die Bundeswehr muss werben. Werbung kostet Geld. Und die Bundeswehr muss sich in einem medialen Umfeld durchsetzen, in dem viele weitere Akteure um Aufmerksamkeit kämpfen – mit teilweise wesentlichen höheren Budgets.

Ein weiterer Kritikpunkt – den auch ich teile – ist, dass die Serie die ernsthaften Seiten des Soldatenberufs ausspart. Für mich ist das zu viel Abenteuerspielplatz und zu wenig ernsthafte Auseinandersetzung mit den ernsten Seiten des soldatischen Dienens. Die Bilder, die wir in den ersten Folgen der Serie sehen, erinnern daher auch eher an eine Militärklamotte als an den Einstieg in eine professionelle Karriere. Nichts gegen Selbstironie, aber vor allem die Ausbilder machen es dem Betrachter schwer, zu entscheiden, ob das, was er sieht, Wirklichkeit ist oder Satire. Aber das ist nicht entscheidend, denn das ganze Format ist eine einzige Inszenierung. Die Behauptung, die Serie sei ohne Drehbuch entstanden, ist eine Lüge – nur heißt das Drehbuch in diesem Fall eben Dienstplan. Damit ist klar, wann wo eine Kamera zu stehen hatte. Und weil die Filme ohnehin im Schnitt entstehen, ist ganz klar, wer hier der verantwortliche Regisseur ist.

Genau das aber ist der eigentliche Skandal. Wer gesehen hat, wie naiv die Darsteller und ihre Angehörigen in den ersten Folgen vor der Kamera agieren und wer weiß, nach welchen Regeln das mediale Spiel läuft, muss feststellen: Die Entscheidung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, diese Serie produzieren und senden zu lassen, ist verantwortungslos. Wir sehen dabei zu, wie die Bundeswehr zwölf junge Männer und Frauen in die Medienarena treibt und sie ungeschützt dem Urteil des Publikums aussetzt. Man braucht nicht viel Phantasie, um zu wissen, dass bereits jetzt unter den Zuschauern Wetten darauf abgeschlossen werden, wer es bis zum Ende der Grundausbildung schafft oder nicht. (Nebenbei gefragt: Wer ist eigentlich Ihr Favorit?).

Wenn es also ein Format gibt, das nicht geeignet ist, für den Soldatenberuf zu werben, dann hat es die Bundeswehr mit „Die Rekruten“ gefunden. Früher oder später werden die Darsteller und Darstellerinnen merken, dass sie nicht weiter sind bzw. waren als mediales Kanonenfutter in von der Leyens Dschungelcamp. Und hoffentlich werden sich aktive und zukünftige Soldaten sehr genau überlegen, ob sie sich ebenfalls vor diesen Karren spannen lassen. Man kann ihnen nur raten, es nicht zu tun.

Servicebeitrag: European Communications Monitor 2016

Heute nur ein ganz kurzer Servicebeitrag. Wer sich darüber informieren will, welche Themen rund 21.000 professionelle europäische Kommunikatoren beschäftigt, wird in der aktuellen Ausgabe des European Communication Monitor fündig.

Ebenso spannend wie folgerichtig finde ich, welche Bedeutung die Entwicklung spezifischer Kompetenzen hat – und wie wenig sich das bisher in den Ausbldungsangeboten wiederzufinden scheint. Wie sieht es denn damit derzeit in der Bundeswehr aus? Ich freue mich auf Kommentare von Leserinnen und Lesern.

Weitere Highlights der Studie:
– 72 Prozent der Befragten glauben, dass Big Data ihre Arbeit verändern wird – aber erst ein Viertel der Organisationen gehen das Thema aktiv an.
– Nur wenige Kommunikatoren nutzen bisher die technischen Möglichkeiten, um etwa Inhalte automatisch an unterschiedliche Kanäle anzupassen.
– Die direkte Kommunikation sehen die Studienteilnehmer als wichtiger an, als die Kommunikation via Social Media.
– Sogenannte Influencer spielen eine immer größere Rolle.

Wer mehr wissen will, wird auf der Website zur Studie fündig. Die Präsentation der Ergebnisse habe ich hier eingebunden.

Außer Spesen nichts gewesen?

Der Präsident des Reservistenverbandes, Roderich Kiesewetter, ist zurückgetreten. Angeblicher Rücktrittsgrund: zu hohe Ausgaben für eine Veranstaltung in Berlin. Die Details dazu finden sich auf Augen Geradeaus!. Aus Kommunikationssicht interessant ist, ob der Grund auch der wahre Grund oder nur der Anlass sind. Die Ausführungen von Kiesewetter verschleiern nämlich eher mehr als sie offenbaren. Ein erfahrener Politiker muss, unabhängig davon ob er in Details eingeweiht ist, oder nicht, wissen, dass die kolportierten Kosten angemessen sind. Das lässt sich auch dadurch nicht entschuldigen, dass er in seiner aktiven Dienstzeit bei der Verpflegung von Gästen nur zwischen Kaltgetränk rot oder gelb entscheiden durfte (und nicht, wie etwa seine französischen Kameraden zwischen Entrecôte und Filet).

Was also steckt wirklich hinter dem Rücktritt? Sind es Richtungskämpfe im Verband? Druck aus der eigenen Partei? Hat ihm gar jemand ein Ultimatum gestellt und er musste sich entscheiden, ob er lieber Un- oder Mitwissender bei zweifelhaften Vorgängen gelten will? Wie dem auch sei. Es ist unglaubwürdig, dass dort außer Spesen nichts gewesen sein soll. Da kommt noch mehr. Der Rücktritt ist damit so oder so folgerichtig – aber auch menschlich bedauerlich.

Content-Kopierer in St. Augustin und andernorts?

Twitter spült einhem ja manchmal seltsame Dinge in die Timeline. So meldete heute morgen die mir bis dahin unbekante „German Defense Industry“, dass sie nun online sei. In den Mentions die üblichen Verdächtigen in diesem Themenfeld.

Das macht natürlich neugierig, also schnell mal auf die Startseite geklickt. Erster Eindruck: Eine weitere Abspielstation für die Propaganda Pressearbeit der Rüstungsindustrie. Braucht es das wirklich? Ok, Ekel überwunden, mal schauen, was es über die Marine zu erfahren gibt. „Teil des Teams – Finnische Boarding-Soldaten auf der „Frankfurt am Main“. Klingt interessant. Ist es auch. Aber nicht wegen des Inhaltes, sondern weil es diesen Inhalt noch einmal gibt – und zwar auf der Webseite Einsatz Bundeswehr. Nur: Auf der Seite von German Defense Industry findet sich dazu keine Wort und schon gar keine Quellenangabe. Nur in der Headline ist der Begriff „Muster“ vorangestellt. Ob das der Autor des Textes, Achim Winkler, und die Bundeswehr wissen?

Ok, zweite Stichprobe. „MNKdo Operative Führung: Auftrag erfüllt – Ulmer Kommando zurück von JODY 16“ Hier wird immerhin ein Autor genannt: „erstellt von Oberstleutnant Harald Kammerbauer, Pressestabsoffizier Multinationales Kommando Operative Führung“ und die Bilder sind mit einer Quellenangabe versehen. Allerdings ist der Text nicht komplett identisch mit dem, der im April auf der Webseite der Streitkräftebasis erschienen ist. Also, mal eine Phrase herausgepickt und Google angeworfen. Siehe da. Man wird bei ulm-news fündig. Der Text entspricht eins zu eins dem auf der Seite der GDI. Bei ulm-news fehlen aber einige Pasasagen und Quellenangaben gibt es auch keine, auch nicht zu den Fotos, die eindeutig von der Bundeswehr stammen. Und: dort heißt der Autor „Ralf Grimminger.“ Der ist laut Impressum aber Redaktionsleiter und nicht nebenbei Pressestabsoffizier der Bundeswehr. Das wirft Fragen auf, beispielsweise:

– Haben die ulm-news ein PR-Stück der Bundeswehr, geschrieben von einem Pressestabsoffizier, übernommen, ohne das zu kennzeichnen?
– Hat die German Defense Industry das Stück übernommen, aber seinem ursprünglichen Autor zugeordnet? Oder hat der Autor seinen eigenen Beitrag im Auftrag der German Defense Industry überarbeitet und sich dabei der ulm-news bedient? Weiß die Bundeswehr davon? Hat sie es beauftragt?

Menschen mit Hang zu Verschwörungstheorien würden sich vermutlich fragen, ob die Bundeswehr gemeinsam mit der Rüstungsindustrie und Verlagen ein verstecktes Content-Marketing-Netzwerk betreibt, um die Medien zu unterwandern. Frei nach der Lebensweisheit von Hanlons Rasiermesser dürfte aber im Zweifelsfall gelten, dass auch hier niemand Böswilligkeit vermuten muss, denn Unfähigkeit reicht als Erklärung völlig aus.

Unklar íst mir allerdings, wessen mangelnde Professionalität hier welchen Beitrag leistet. Auf jeden Fall sollten sich die involvierten Akteure beeilen, Transparenz herzustellen. Ohne Blechschaden dürften sie aus der Sache aber nicht herauskommen. Das gilt insbesondere für die beiden beteiligten Verlage.

Für die German Defense Industry heißt es leider: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Worauf immer Ihr stolz sein wollt: diese Webseite bietet dazu keinen Anlass. Bei den ulm-news sollten sie sich dringend mit dem Thema Quellenangaben beschäften. Und auf Seiten des Presse- und Informationsstabes der Bundeswehr besteht vermutlich Nachholbedarf in Sachen digitales Monitoring, Durchsetzung von Urheberrechten (bei den Afghanistan-Papieren hat das ja auch, nun ja, geklappt) und eventuell auch in der Schulung des eigenen Personals in Sachen lokaler (Online)Pressearbeit, denn aus dem Nichts haben sich die ulm-news den Text dann vermutlich nicht geschnappt.

Und wie man es auch drehen und wenden mag: Der Gesamteindruck ist fatal. Wenn man sich vorstellt, die Rüstungsindustrie, die Bundeswehr und die ihr nahestehenden Verlage, gingen so mit ihren Waffensystemen um, wie mit der Kommunikation – dann hätten wir ja das reinste Rüstungschaos …

Jugendoffiziere der Bundeswehr – wenn die Marke sich selbst im Weg steht

Ein spannendes (Kommunikations)Thema haben die Kollegen bei Streitkräfte und Strategien aufgegriffen. Die Jugendoffiziere der Bundeswehr wollen nicht mehr so heißen. Deshalb haben sie sich auf die Suche nach einem neuen Begriff gemacht und unter anderem „Offizier für Öffentlichkeitsarbeit“ oder „Referent für Sicherheitspolitik“ in die Diskussion geworfen. Beides überzeugte die Entscheider im Verteidigungsministerium wohl nicht. Aber wie das so ist in der neuen Kommunikationswelt – kontroverse Themen lassen sich nicht mehr so leicht unter dem Deckel halten. Nun haben die Jugendoffiziere die Debatte über die Bande des Beirats Innere Führung und den NDR in eine breitere Öffentlichkeit getragen. So ganz falsch ist die Bezeichung „Offizier für Öffentlichkeitsarbeit“ also nicht.

Die Befürworter einer Umbenennung argumentieren:

  • Jugendoffiziere stünden wegen des Begriffs im Verdacht, Nachwuchswerbung zu betreiben
  • die Bezeichnung suggeriere, dass es sich bei ihnen um „Junior“-Offiziere handele
  • Ihr Aufgabenbereich habe sich deutlich über den Rahmen der sicherheitspolitischen Bildungsarbeit an Schulen auf weitere Multiplikatoren erweitert.

Die Argumente sind stimmig, aber sie sind nicht neu. Zwar haben die Jugendoffiziere ihre Position mit Umfragen bei ihren Zielgruppen unterstützt, aber die neuen Vorschläge sind nicht wirklich überzeugend. Denn gegen eine Umbenennung spricht, dass „Jugendoffizier“ eine wirklich starke Marke ist. Und die Assoziationen, insbesondere mit Blick auf das Thema Nachwuchsgewinnung, sind eigentlich sogar erfreulich. Nicht, weil die Jugendoffiziere junge Menschen unmittelbar anwerben, sondern weil sie diese anregen, sich mit Fragen der Sicherheitspolitik zu befassen. Damit bilden die Jugendoffiziere in der vernetzten Medienwelt einen wichtigen inhaltichen Kontaktpunkt, den die Bundeswehr nicht ohne Not aufgeben sollte. Dort, wo andere Marken, mit viel Geld versuchen, nicht direkt für ihr Produkt zu werben, sondern Relevanz in einem Themenfeld aufzubauen – im Marketingsprech nennt sich das heute „Content Marketing“ – ist die Bundeswehr bereits etabliert. Das erkennen sie Befürworter einer Umbenennung vielleicht nicht, aber sich kommunikativ selbst im Weg zu stehen, hat bei der Bundeswehr ja eine gewisse Tradition.

Was man hingegen tatsächlich verändern könnte, wäre, die Aufgaben der Jugendoffiziere wieder auf den Handlungsraum Schule, Berufsschule und ggf. Hochschule zu fokussieren und – wie es Winfried Nachtwei im Interview vorschlägt – die außen- und sicherheitspolitische Bildungsarbeit im Sinne des Konzeptes der vernetzten Sicherheit als ressortübergreifende Aufgabe neu zu denken. Diejeningen, die diese Aufgaben dann seitens der Bundeswehr wahrnehmen, müssen aber nicht mehr Jugendoffizier heißen.

Veranstaltungstipp: Symposium „Gemeinsam gegen salafistische Internet-Propaganda“ am 16. April in Berlin

Es ist in letzter Zeit ja sehr ruhig hier im Blog, und das, obwohl da draußen in der Welt sich die Ereignisse überstürzen. Es gibt also vieles, über das sich zu schreiben lohnte, aber leider fehlt mir die Zeit. Ein Grund ist, neben meiner Hauptarbeit, dass ich mit einem meiner Herzensthemen, der Auseinandersetzung mit terroristischer Propaganda im Netz, in den vergangenen Monaten bei verschiedenen Veranstaltungen zu Gast sein durfte. Diese fanden in der Regel in geschlossenen Kreisen statt. Nun aber hat mich der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen für Samstag, den 16. April 2016 zu einem Symposium nach Berlin eingeladen.

Unter dem Titel „Gemeinsam gegen salafistische Internet-Propaganda“ soll das Thema in Vorträgen und Workshops aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Außerdem möchten die Initiatoren ein paar der in der On- und Offline-Welt aktiven Menschen miteinander vernetzen und bestenfalls auch Handlungen anstoßen, die präventiv wirken. Details zum Programm finden sich in dem PDF, dass ich hier eingebunden habe und auf der Webseite zum Symposium.

Wer Lust und Interesse hat, dabei zu sein, kann sich bis zum 11. April 2016 anmelden, un dzwar mit einer E-Mail mit den folgenden Angaben an symposium@lv-bund.nrw.de:
• Vorname, Name,
• ggf. Medium, Organisation, Institution oder Behörde,
• Straße, Postleitzahl, Ort,
• E-Mail-Adresse,
• Nummer des Workshops, für den Sie sich interessieren.

Meinen Beitrag zum Symposium habe ich „Terror-Pop – Die Medienstrategie des Islamischen Staates“ überschrieben. Dabei wil ich aus meiner Perspektive als Kommunikationsberater darüber sprechen, warum die Propaganda des IS so wirksam ist und warum die Gegenpropaganda des Westens bislang noch kein wirkliches Gegenmittel gefunden hat. Ein paar der Gedanken dazu habe ich im vergangenen Jahr im PR-Blogger veröffentlicht. Der Text wiederum ist eine Weiterentwicklung des Vortrages, den Thomas Wiegold und ich im Mai 2015 auf der re:publica gehalten haben. Wer mag, kann sich diesen gerne hier noch mal ansehen.

Ich glaube bzw. fürchte, das Thema wird uns noch einige Zeit erhalten bleiben. In diesem Sinne: Wir sehen uns.

Peng! statt Bumm

Man lernt ja immer noch dazu. Ich ging fest davon aus, dass die neue Personalwerbung der Bundeswehr, niemand wirklich hinter dem Ofen hervorlocken würde – schon gar nicht die Gegner. Warum? Weil sie – die Werbung – einerseits so brav ist, denn sie vermeidet konsequent auch nur den Hauch des Verdachts, es könne beim Soldat sein um Dinge wie das Kämpfen oder den Krieg gehen – Werbung mit ohne Schuss eben. Andererseits ist sie aber auch ein bisschen großmäulig mit ihrem „Mach, was wirklich zählt.“ Aber, ich habe mich geirrt.

Der durchaus treffende aber eben auch selbstgefällige Spruch „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“ hat sein apodiktisches Potential nach einer Farbbeutelattacke auf den Bundeswehr-Showroom in Berlin bewiesen. Und gerade als ich dachte, dass die wirklich überall präsente Kampagne (gute Mediaplanung, Kollegen), sich versendet hat, legen die Gegner nach und sorgen so dafür, dass die Personalwerbung noch länger im Gespräch bleibt.

Konkret: Die Künstlertruppe „Peng!“ startet unter dem Motto „Mach was zählt“ die Gegenpropaganda samt eigener Microsite. Das ist auf den ersten Blick durchaus amüsant. Geht man aber tiefer, frage ich mich, warum sie ihre Argumente so unpräzise formulieren? Folgend ein paar Beispiele, bei denen ich den Aussagen von Peng! mal ein paar Fakten gegenüber gestellt habe.

Aussage: Die Bundeswehr braucht dich besonders im Ausland.
Fakt: Die meisten Soldatinnen und Soldaten sind nicht im Auslandseinsatz. Derzeit sind von 180.000 insgesamt rund 3.000 im Einsatz.

Aussage: Dort sollst du mit deinem Leben für die Interessen der Regierung geradestehen und ihre Befehle ausführen.

Fakt: Ja, allerdings schwört der Soldat das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Der Primat der Politik bindet ihn damit an den Willen des Parlaments, das wiederum den Volkswillen repräsentiert. Das Gute daran: Wenn die Menschen das nicht wollen, können sie ein anderes Parlament wählen.

Aussage: Dabei handelt es sich um außenpolitische oder wirtschaftliche Interessen.
Fakt: Natürlich. Um was denn sonst?

Aussage: Mit der Verteidigung Deutschlands hat das nichts zu tun.
Fakt: Muss es auch nicht, denn der Bund kann sich Bündnissen anschließen. Über den Einsatz im Rahmen solcher Bündnisse entscheidet das Parlament.

Aussage: Der Terrorismus wird genutzt, um Kriege zu rechtfertigen.
Fakt: Die Ursachen für den Terrorismus (manchen nennen ihn auch Freiheitskampf) sind vielfältig. Um Kriege zu rechtfertigen braucht man keinen Terrorismus. Das zeigen unter anderem die Ukraine oder Syrien.

Aussage: Doch warum gibt es so viele Krisenherde auf der Welt und was haben Deutschland und die westlichen Staaten dazu beigetragen? Warum gibt es so viel Ungerechtigkeit und warum beuten diese Länder den globalen Süden aus?

Fakt: (Den liefern die Pengg-Propagandisten ausnahmsweise selbst): Es geht unter anderem um Macht, deren Erhalt und um Ressourcen.

Aussage: Der Auslandseinsatz ist kein großes Abenteuer mit Kamerad/innen. Die Realität von Krieg und Tod ist für viele der reinste Horror. Du wirst Dinge sehen und erleben, die dich für immer verändern werden. Du bist vielleicht hart im Nehmen, aber das Töten von Menschen und der Tod von Kamerad/innen sind Erfahrungen, die den stärksten Charakter brechen können. Viele kehren aus Einsätzen traumatisiert, depressiv und psychisch labil zurück und haben ihr Leben lang mit den Spätfolgen zu kämpfen. Die Bundeswehr ist keine normale Arbeitgeberin. Der Preis, den du zahlst, wenn du dich auf diesen Job einlässt, ist verdammt hoch.

Fakt: Das stimmt. Genau das ist das besondere des Beruf der Soldatin/des Soldaten. Leider blendet die Personalwerbung der Bundeswehr diese Aspekte fast völlig aus. Fast so, als wolle man Köche anstellen und ihnen nicht zeigen, dass sie in der Küche arbeiten müssen. Albern, oder?

Aussage: Nach außen stellt sich die Bundeswehr als Verteidigerin von Demokratie und Menschenrechten dar, doch rechtsextreme Meinungen sind in der Truppe verbreitet und weithin akzeptiert. Viele Soldat/innen sind überzeugte Neonazis und scheuen nicht davor zurück, ihrer Gesinnung Ausdruck zu verleihen. So zwang beispielsweise 2012 ein stationierter Zeitsoldat ein afghanisches Kind zum „Hitlergruß“. Rechtes Gedankengut findet bei der Bundeswehr Anklang, während kritische Nachfragen mit Diskriminierung beantwortet werden.

Fakt: 58 Vorfälle bei 180.000 Soldatinnen und Soldaten macht 0,03 Prozent. Fälle übrigens, die die Bundeswehr selbst aufgeklärt hat. Der Anteil der Rechtsextremen in der Bevölkerung liegt bei etwa 6 Prozent. Irgendetwas muss die Bundeswehrrichtig machen. Interessanter sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Studie zum Offiziernachwuchs, demnach 4 Prozent rechtsextreme Positionen vertreten (also weniger als der Durchschnitt) umd 13 Prozent rechte, was wiederum wenig wunderlich ist, weil es logisch ist, dass ein System, das auf Befehl und Gehorsam aufbaut, wenig linke Freigeister anzieht – außer mir natürlich.

Aussage: „Sie besitzen viele Fähigkeiten und stecken voller Ideen. Schön, wenn Sie sie ausleben können.“ Damit will die Bundeswehr gezielt Frauen für den Dienst anwerben. Angeblich können diese sich hier voll entfalten. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Fakt: Diese Werbung ist gleich doppelt dämlich. Die Bundeswehr ist kein Ort zur freien Entfaltung, und die Sehnsucht danach ist nichts spezifisch Weibliches.

Aussage: Als Soldatin hast du es in der Bundeswehr nicht einfach. Der Frauenanteil liegt bei nur etwa 10%, jede zweite wird Opfer sexueller Belästigung. Die Mehrheit der männlichen Kameraden hält Frauen für zu schwach für den Dienst und für Führungspositionen ungeeignet.

Fakt: Sensibles Thema, aber: als Belästigung wurden in der Studie auch anzügliche Bemerkungen und das Anbringen/Zeigen von pornographischem Material gewertet. Ja, das ist kein Spaß, aber angesichts einer florierenden Pornoindustrie und der Ausbeutung und dem Missbrauch von Frauen, ist das kein Bundeswehr spezifisches Problem, sondern eher so ein Mann-Frau-Ding, das insbesondere in männlich geprägten Umfeldern aufscheint – von der Baukolonne über die KfZ-Werkstatt bis eben zur Bundeswehr.

Ich wünsche mir wirklich stärkere und überzeugendere Argument anstatt auf die platte Bundeswehrpropaganda mit platter Gegenpropaganda zu reagieren. Vor allem aber kann ich es nicht glauben, dass die Bundeswehr ebenso wie ihre Gegner das Publikum für so dumm halten, beides nicht zu erkennen. Was mich widerum zu der Frage führt, was denn – um in der Sprache der Kampagnen zu bleiben – wirklich zählt? Die ist wiederum ganz einfach zu beantworten: Klicks und Selbstbestätigung. Das ist zu wenig für einen informierten Diskurs über grundlegende Fragen darüber, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen – ganz gleich auf welcher Seite man steht.

Personalwerbung mit ohne Schuss

Heute am 2. November startet sie also, die neue Arbeitgeberkampagne der Bundeswehr. Als Dienstleister hat sich das Verteidigungsministerium die Agentur Castenow aus Düsseldorf an Bord geholt. Die hat einige Referenzen im – neudeutsch Employer Branding genannten – Feld der Personalwerbung vorzuweisen. Die erste Arbeit für die Truppe und ihre Verwaltung ist eine Serie von mehr oder weniger tiefsinnigen Sprüchen, die demnächst auf mehr als 30 000 Plakaten, fünf Millionen Postkarten sowie Riesenpostern in elf ausgewählten Städten Deutschlands zu sehen sein soll. Begleitet wird das von einer ganz nett gemachte Microsite, die als URL den zentralen Kampagnenclaim „Mach, was wirklich zählt.“ aufgreift.

Mich würde es, nach längerer Funkstille hier im Blog meinerseits, interessieren, welchen Eindruck Ihr als Leserinnen und Leser von der Kampagne haltet? Was ich wirklich bemerkenswert finde: Bei keinem einzigen der auf der Microsite vorgestellten Berufsbilder, wird ein Schuss abgefeuert. Vielleicht will man ja vermeiden, die vermutlich noch etwas scheuen Nachwuchskräfte zu verschrecken.

Stolz zu dienen

In ihrer Kommunikation waren die schwedischen Streitkräfte ja immer schon etwas fortschrittlicher. Dabei haben sie es immer wieder geschafft, die Besonderheiten des soldatischen Dienens herauszustellen, ohne allzu martialisch oder pathetisch zu werden. Die intellektuelle und handwerkliche Qualität der Kommunikation der Schweden zeigt meines Erachtens auch das folgende Fundstück. Der Anzeigentext lautet frei übersetzt: „Es gibt Dinge, die Du nicht tarnen sollen musst.“ und bezieht sich darauf, dass Soldaten in den schwedischen Streitkräften ihre sexuelle Orientierung offen leben können. Gefällt mir. hbt-forsvaret

Mit (Panzer)Kanonen auf Spatzen

Wenn das mal kein (gelungenes) Ablenkungsmanöver ist. Nach dem Ministerin von der Leyen in Sachen G36 so langsam die PR-Felle davonschwimmen und nur die komplette Unprofessionalität der Heckler&Koch-PR hilft, ihre Fehleinschätzung zu kaschieren, zaubert sie die Idee eines neuen Kampfpanzers aus dem Hut. Spiegel Online berichtet, die Ministerin wolle einen Nachfolger für den Leopoard 2 entwickeln lassen. „Im Osten lärmen und im Westen angreifen“ nennt das der Stratege, und was das bedeutet, bringt Marcus Ewald in seinem hier verlinkten Beitrag sehr schön auf den Punkt. In diesem Sinne: Helm ab vor so viel Chuzpe.