Nun ist sie also da. „Die Rekruten“, eine exklusiv für YouTube produzierte Serie, mit der die Bundeswehr um Nachwuchs werben will. Zwölf Wochen lang begleiten Kameras junge Menschen auf dem Weg durch die Grundausbildung. Format und Plattform sind perfekt gewählt, könnte man meinen. Wenn, wie re:publica- und Tincon-Erfinder Johnny Haeusler sagt, wir derzeit die erste Generation junger Menschen erleben, deren prägender Kulturraum YouTube ist, muss man genau dort werben, wenn man will, dass die Jugend der Bundeswehr überhaupt begegnet.
Das war lange Zeit anders. Mehr als 40 Jahre lang mussten sich zumindest junge Männer mit der Frage auseinandersetzen, ob sie zum Bund gehen oder verweigern. Das führte regelmäßig zu intensiven Diskussionen im Freundeskreis und der Familie. Die Bundeswehr war präsent. Seit 2011 ist die Wehrpflicht ausgesetzt. Die Aufmerksamkeit, die der Bundeswehr früher zwangsweise zuteil wurde, muss sie sich heute teuer erkaufen.
Zu teuer, wie einige Kritiker sagen. Rund 8 Millionen Euro soll die Kampagne kosten. Interessanter Nebenaspekt für Kommunikationsexperten: knapp 80 Prozent des Budgets sind dafür vorgesehen, die Serie zu bewerben. Der Inhalt allein reicht also nicht, um sein Publikum zu erreichen. Dennoch, die Kritik an den Kosten geht an der Sache vorbei. Die Bundeswehr muss werben. Werbung kostet Geld. Und die Bundeswehr muss sich in einem medialen Umfeld durchsetzen, in dem viele weitere Akteure um Aufmerksamkeit kämpfen – mit teilweise wesentlichen höheren Budgets.
Ein weiterer Kritikpunkt – den auch ich teile – ist, dass die Serie die ernsthaften Seiten des Soldatenberufs ausspart. Für mich ist das zu viel Abenteuerspielplatz und zu wenig ernsthafte Auseinandersetzung mit den ernsten Seiten des soldatischen Dienens. Die Bilder, die wir in den ersten Folgen der Serie sehen, erinnern daher auch eher an eine Militärklamotte als an den Einstieg in eine professionelle Karriere. Nichts gegen Selbstironie, aber vor allem die Ausbilder machen es dem Betrachter schwer, zu entscheiden, ob das, was er sieht, Wirklichkeit ist oder Satire. Aber das ist nicht entscheidend, denn das ganze Format ist eine einzige Inszenierung. Die Behauptung, die Serie sei ohne Drehbuch entstanden, ist eine Lüge – nur heißt das Drehbuch in diesem Fall eben Dienstplan. Damit ist klar, wann wo eine Kamera zu stehen hatte. Und weil die Filme ohnehin im Schnitt entstehen, ist ganz klar, wer hier der verantwortliche Regisseur ist.
Genau das aber ist der eigentliche Skandal. Wer gesehen hat, wie naiv die Darsteller und ihre Angehörigen in den ersten Folgen vor der Kamera agieren und wer weiß, nach welchen Regeln das mediale Spiel läuft, muss feststellen: Die Entscheidung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, diese Serie produzieren und senden zu lassen, ist verantwortungslos. Wir sehen dabei zu, wie die Bundeswehr zwölf junge Männer und Frauen in die Medienarena treibt und sie ungeschützt dem Urteil des Publikums aussetzt. Man braucht nicht viel Phantasie, um zu wissen, dass bereits jetzt unter den Zuschauern Wetten darauf abgeschlossen werden, wer es bis zum Ende der Grundausbildung schafft oder nicht. (Nebenbei gefragt: Wer ist eigentlich Ihr Favorit?).
Wenn es also ein Format gibt, das nicht geeignet ist, für den Soldatenberuf zu werben, dann hat es die Bundeswehr mit „Die Rekruten“ gefunden. Früher oder später werden die Darsteller und Darstellerinnen merken, dass sie nicht weiter sind bzw. waren als mediales Kanonenfutter in von der Leyens Dschungelcamp. Und hoffentlich werden sich aktive und zukünftige Soldaten sehr genau überlegen, ob sie sich ebenfalls vor diesen Karren spannen lassen. Man kann ihnen nur raten, es nicht zu tun.