Sex, Lügen und Video

100 Sekunden reichen, um Politik, Medien und einen kleinen Teil der Gesellschaft in Aufregung zu versetzen. Grund genug, sich dem Objekt, an dem sich eine heftige Debatte entzündet hat – ein Musikvideo der Bundeswehr – einmal „sina ira et studio“ (ohne Zorn und Mühe) zu nähern. Das Video dürfte den Leserinnen und Lesern dieses Blogs hinreichend bekannt sein. Wem nicht, der kann es sich hier ansehen:

Die folgende Auseinandersetzung wird sich mit den folgenden Aspekten befassen:

– Stellungnahme des Verteidigungspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion Rainer Arnold

– Stellungnahme der Sprecherin für Abrüstungspolitik Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Grüne, Agnieszka Malczak

– Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung

– Handeln des Bundespresseamtes

– Handwerkliche Qualität des Videos und Handeln des Bundesministeriums der Verteidigung

– Mediale Rezeption der Auseinandersetzung und insbesondere journalistisches Qualitätsverständnis

Als Methoden kommen eine qualitative Kommentierung der Originaltexte – soweit verfügbar – sowie eine Einschätzuung auf langjähriger medienpraktischer Erfahrung des Autors zum Einsatz.

1. Stellungnahme Arnold

Neuer Werbespot der Bundeswehr – gewaltverherrlichend und geschmacklos

Zu dem auf YouTube unter Bundeswehr. Online neu eingestellten Werbespot des Bundesministers der Verteidigung
(Falsche Tatsachenbehauptung. Der Spot wurde auf dem YouTube-Kanal der Bundesregierung veröffentlicht) erklärt der Verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Rainer Arnold:
Der neue Werbespot zur Gewinnung von Nachwuchspersonal (Falsche Tatsachenbehauptung. Der Spot ist ein Instrument, um den YouTube-Kanal der Bundeswehr zu bewerben, was unter anderem daran deutlich wird, das am Ende des Spots der URL dieses Kanals eingeblendet wird. Es erfolgt weder ein Verweis auf Karriermöglichkeiten noch eine Aufforderung an potentielles Nachwuchspotential, sich über diese zu informieren.) schadet massiv dem Ansehen und dem guten Ruf der Bundeswehr. (Zulässige, dennoch unbegründete Meinungsäußerung. Inwiefern können Videobilder, die im vom Parlament getragenen und kontrollierten Dienstalltag der Bundeswehr erstellt wurden, dem Ansehen und dem guten Ruf der Bundeswehr schaden?)

Es wird eine Klientel angesprochen, die anfällig für Gewaltbereitschaft ist, und sich nicht um die besondere Bedeutung der Bundeswehr in der Gesellschaft kümmert. (Falsche Tatsachenbehauptung. Der Spot zeigt explizit keinerlei unmittelbare Gewaltanwendung, insbesondere keine Opfer von Gewalt, sondern ausschließlich Aufnahmen aus vom Bundestag mandatierten Einsätzen bzw. dem Übungsbetrieb der Bundeswehr. Im Übrigen stellt der perjorative Gebrauch des Begriffs „Klientel“ eine Beleidigung von Teilen des Publikums dar, das sich in dem Spot wiederfindet.)

Die musikalische Einbettung der Nationalhymne in Heavy-Metall-Rhythmen begleitet vom Abschuss von Raketen und dem Einschlag detonierender Bomben bei Sirenengeheul ist gewaltverherrlichend, geschmacklos und so nicht hinnehmbar. (Zulässige, aber abwegige Meinungsäußerung. Der Abschuß von Raketen sowie Detonationen von Bomben, die im Übungsbetrieb bzw. im Einsatz aufgenommen wurden, sind nicht gewaltverherrlichend, insbesondere weil keine Opfer und vor allem keine Protagonisten gezeigt werden, die den Einsatz von Gewalt als Triumph empfinden.)

Mit der Freigabe dieses Werbespots verstößt der Verteidigungsminister massiv gegen seine Pflichten als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte. Das von ihm auch stets öffentlich proklamierte Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein von Soldatinnen und Soldaten bei der Ausübung ihrer schwierigen Einsätze wird mit Füßen getreten. Die Glaubwürdigkeit des von ihm kreierten Wahlspruches „Wir.Dienen.Deutschland.“ wird durch diesen Werbespot ad absurdum geführt.
(Falsche Tatsachenbehauptungen. Gemäß der Geschäftsordnung des BMVg ist der Bundesminister der Verteidigung nicht für die Freigabe von Werbespots verantwortlich. In einer modernen Armee gilt darüber hinaus ein arbeitsteiliges Prinzip, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Verantwortung für Entscheidungen überträgt. Der Werbespot führt den Wahlspruch „Wir.Dienen.Deutschand.“ nicht ad absurdum, sondern verdichtet ihn im Gegenteil in einer vor allem für ein junges Publikum attraktiven Weise.)
Der Verteidigungsminister wird aufgefordert, diesen Werbespot unverzüglich aus dem Netz zu nehmen und sich bei weiteren Werbemaßnahmen darauf zu besinnen, welche Verantwortung unser Staat bei der Rekrutierung junger Frauen und Männer übernimmt. Für die jungen Frauen und Männer, die sich ernsthaft damit beschäftigen, in die Bundeswehr einzutreten, muss dieser Werbespot abstoßend wirken.
(Falsche Tatsachenbehauptung. Der Spot wirkt nicht abstoßend auf junge Frauen und Männer, die sich ernsthaft damit beschäftigen, in die Bundeswehr einzutreten, was unter anderem dadurch dokumentiert ist, dass junge Frauen und Männer, die bereits in der Bundeswehr dienen, den Spot positiv bewerten. Darüber hinaus hat eine aktuelle Untersuchung des Unternehmens TNS Emnid im Auftrag der Bundeswehr ergeben, dass dieses Publikum sich dynamerischere und realistischere Bilder aus der Bundeswehr wünscht.)

Zusammenfassende Bewertung: Rainer Arnold stellt wiederholt falsche Tatsachenbehauptungen auf und verdreht in propagandistischer Absicht die Fakten. Arnold versucht mit diese Stellungnahme die Öffentlichkeit zu täuschen. Darüber hinaus dokumentiert die Stellungnahme mehrfach mangelnde Sachkenntnis.

2. Stellungnahme Malczak

Dienst bei der Bundeswehr als Ballerspiel: Öffentlichkeitsarbeit ohne jedes Augenmaß

Zum veröffentlichten YouTube-Video der Bundesregierung „Die Bundeswehr online“ erklärt Agnieszka Malczak, Sprecherin für Abrüstungspolitik:

Wir sind entsetzt über diese Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Dieses Video stellt eine Verherrlichung militärischer Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzungen dar. Bilder und Musik gleichen teilweise einem Ego-Shooter und entwerfen so ein Zerrbild des Dienstes bei der Bundeswehr.
(Falsche Tatsachenbehauptung. Das Video stellt keine Verherrlichung militärischer Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzungen dar, sondern zeigt im Gegenteil ausschließlich Bilder aus Übungen und Einsätzen der Bundeswehr, die schon deshalb kein Zerrbild des Dienstes bei der Bundeswehr zeigen können. Bilder und Musik gleichen genau nicht einem Ego-Shooter. Solche Bilder zeichen sich, wie der Name schon sagt, durch die Ich-Perspektive aus. Diese Bilder lassen sich u.a. durch den Einsatz so genannter Helmkameras erzeugen. Entsprechende Bilder kommen im Video nicht zum Einsatz.)

Besonders die Untermalung einer Bombendetonation mit der Nationalhymne lässt jede politische und historische Sensibilität vermissen.
(Falsche Tatsachenbehauptung. An keiner Stelle des Videos ist eine Bombendetonation durch die Nationalhymne untermalt. Im Gegenteil. In Sekunde 57 des Videos, die explizit keine Bombendetonation, sondern die Explosion vermutlich einer Übungsgranate bzw. einer kleinen Übungssprengladung zeigt, endet die Nationalhymne und es erfolgt ein Schnitt auf Soldaten in einer Übung. Damit dokumentiert der Schnitt das real existierende Spannungverhältnis zwischen ihrem friedlichen Heimatland (Deutschland-Nationalhymne) sowie den Szenarien auf die sie sich wegen politischer Entscheidungen vorbereiten müssen.)

Dieses Video passt so gar nicht zu den Ankündigungen der Bundesregierung, dass die laufenden Bundeswehreinsätze zur Schaffung von Stabilität und Frieden beitragen sollen. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht stellt sich jetzt die Frage, wer sich künftig für einen Dienst bei der Bundeswehr entscheidet. Dieses Video spricht hier sicherlich nicht die gewünschte Zielgruppe an.
(Falsche Tatsachenbehauptung. In den laufenden Bundeswehreinsätzen muss die Bundeswehr Gewalt einsetzen, um zur Schaffung von Stabilität und Frieden beizutragen. Ob dies grundsätzlich richtig ist, ist sicher diskutierenswert, aber hier fehl am Platz. Darüber hinaus wirkt der Spot nicht abstoßend auf die gewünschte Zielgruppe, was unter anderem dadurch dokumentiert ist, dass junge Frauen und Männer, die bereits in der Bundeswehr dienen, den Spot positiv bewerten. Darüber hinaus hat eine aktuelle Untersuchung des Unternehmens TNS Emnid im Auftrag der Bundeswehr ergeben, dass dieses Publikum sich dynamischere und realistischere Bilder aus der Bundeswehr wünscht.)

Wir fordern die Bundesregierung auf, in der Öffentlichkeitsarbeit für die Bundeswehr auf gewaltverherrlichende Darstellungen zu verzichten. Die Außenkommunikation der Bundeswehr muss stattdessen durch Sachlichkeit, Transparenz und Ehrlichkeit gekennzeichnet sein.
(Falsche Tatsachenbehauptung und nicht zu erfüllende Forderung. Das Video ist nicht gewaltverherrlichend, s.o. Die Forderung nach Sachlichkeit, Transparenz und Ehrlichkeit in der Außenkommunikation ist unerfüllbar, denn:
– Innen- und Außenkommunikation sind in einer durch das Internet vernetzten Gesellschaft de facto nicht mehr zu trennen
– Der Beruf des Soldaten ist hochemotional, denn er verlangt von Soldatinnen und Soldaten die Bereitschaft, ihr Leben einzusetzen. Eine sachliche Darstellung kann dem nicht gerecht werden. Die Forderungen nach Transparenz und Ehrlichkeit erfüllt der gezeigte Spot, denn er zeigt auschließlich Bilder aus dem Dienstbetrieb der Bundeswehr.)

Zusammenfassende Bewertung: Agnieszka Malczak stellt wiederholt falsche Tatsachenbehauptungen auf und verdreht in propagandistischer Absicht die Fakten. Sie versucht mit diese Stellungnahme die Öffentlichkeit zu täuschen und formuliert zudem unerfüllbare, nicht sachgerechte Forderungen an die Kommunikation der Bundeswehr.

3. Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung

Von Seiten des BMVg ist unter anderem die folgende Stellungnahme in den Stuttgarter Nachrichten dokumentiert:

„Der Videoclip stellt ein umfassendes, realistisches und vor allem transparentes Bild über den Alltag und die Einsatzwirklichkeit unserer Soldatinnen und Soldaten dar. Mit schnellen Schnittfolgen und moderner Musik entspricht der Beitrag dem Stil zeitgemäßer You-Tube-Clips.“

Die Stellungnahme ist sachgerecht und zweckmäßig.

4. Handeln des Bundespresseamtes

Das Bundespresseamt hat sich entschieden diesen Spot auf dem YouTube-Kanal der Bundesregierung zu veröffentlichen. Diese Entscheidung erscheint – vor allem im Nachhinein – nicht sachgerecht, denn mit dem Spot „Wir.Dienen.Deutschland.“ hätte ein weniger polarisierendes Video zur Verfügung gestanden, das ein breiteres Publikum anspricht. Die Depublizierung des Videos auf dem YouTube-Kanals der Bundesregierung angesichts der heftigen, wenn auch unsachlichen, Kritik ist nachvollziehbar. Eine komplette Entfernung des Videos auch aus dem YouTube-Kanal der Bundeswehr ist dagegen nicht nachvollziehbar.

Update: Inzwischen gibt es eine Stellungnahme des Bundespresseamtes. Diese ist in sich schlüssig, liefert aber eine abwegige und unglaubwürdige Begründung. So lange die Konsistenz gewahrt bleibt, ist das eine herkömmliche PR-Taktik, die darauf abzielt, dass das Thema versandet, was im vorliegenden Fall – zu Recht – bald passieren dürfte.

5. Handwerkliche Qualität des Videos und Handeln des Bundesministeriums der Verteidigung

Das Video entspricht qualitativ einem Niveau, das man von Auszubildenden zum Mediengestalter Bild und Ton etwa im 2. Lehrjahr erwarten kann. Der Schnitt auf Musik entspricht nicht an allen Stellen dem Takt und begünstigt bei Sekunde 57 sogar eine Fehlinterpretation. Hier hat der Bearbeiter den Effekt über den Inhalt gestellt. Ein weiterer handwerklicher Mangel ist die fehlende Einbindung des Links auf den YouTube-Kanal der Bundeswehr. Diesen habe ich in der wiederhergestellten Fassung mit Hilfe des YouTube-Editors eingefügt.

Aus der Perspektive eines modernen, aufgeklärten Kommunikationsmanagement ist festzuhalten, dass die Entscheidung, zum wiederholten Male identisches Archivmaterial einzusetzen, und dann auch noch solches, das kurz zuvor für einen Spot zum neuen Selbstverständnis der Bundeswehr verwendet wurde, nicht sachgerecht ist. Im Gegenteil: Dadurch nutzen sich solche Bilder ab und werden langfristig unglaubwürdig. Die Bundeswehr wäre gut beraten, solche Mehrfachnutzungen zu minimieren und stattdessen deutlich mehr Originalmaterial gezielt zu bestimmten Zwecken zu produzieren.

6. Mediale Rezeption der Auseinandersetzung und insbesondere journalistisches Qualitätsverständnis

Die online verfügbare Berichterstattung über das Video wird von einer unreflektierten Übernahme der Erklärungen von Arnold und Malcak geprägt. Trotz wiederholter falscher Tatsachenbehauptungen gelingt es den beiden Politikern ein strategisches Narrativ zu etablieren, bei dem der Begriff „Gewaltverherrlichung“ eine zentrale Rolle spielt. Eine fundierte Auseinandersetzung mit demVideo selbst erfolgt kaum. Damit unterstreicht die Berichterstattung die Befunde verschiedener wissenschaftlicherUntersuchungen, die als Ursachen für mangelnde journalistische Qualität unter anderem fehlende Sachkompetenz, hohe Selbstreferenz, Zeitdruck und Personalmangel nennen.

Update: Die Bearbeitung des Themas durch die Medien Spiegel Online und stern.de folgt einer herkömmlichen Skandalisierungslogik, die losgelöst vom eigentlichen Gegenstand die darauf aufbauende Kontroverse zum Zentrum macht. Dabei zeigt sich unter anderem die Wirksamkeit der durch die beiden Oppositionspolitiker gewählten Strategie, deren Täuschungsversuche damit als erfolgreich zu bewerten sind.

Und der Sex? Der passte so schön in die Überschrift.

19 Gedanken zu „Sex, Lügen und Video

  1. Alle Achtung, Herr Stoltenow, für diesen Aufwand.
    I like it! trifft es nicht mal ansatzweise, ich würde Ihnen für die Mühe am Liebesten direkt eine Hopfenkaltschale ausgeben und anerkennend und dankbar auf die Schulter klopfen.

  2. Interessant sind ja nicht so sehr die Bilder; die kommen auch in anderen Spots vor. Aufregend ist die Musik, die eine gewisse Emotion erzeugt. In Kombination mit den Bildern entsteht der Eindruck der Verherrlichung von explodierenden Objekten, besonders, wenn eher friedliche Bilder von Neugeborenen mit Feuer, Rauch und großem Kawumm kombiniert werden. Das ganze zu einer (subjektiv) schrecklichen und übermäßig lauten Hintergrundmusik erzeugt ein eher ungutes Gefühl. Da ist es dann schwieriger, mit nachvollziehbaren Sachaussagen zu punkten.
    Die Kombi mit der Nationalhymne ist einfach nicht gelungen. Warum wurde die Nationalhymne nicht komplett in rockiger Form, z.B. mit E-Gitarre gespielt? (Viell. bastelt mal jemand entsprechendes zusammen…)

  3. @Kevo: Wie ich bereits oben geschrieben habe, ist der Beruf des Soldaten hochemotional. Dass einem der Film nicht gefällt, kann ich gut nachvollziehen, und das kann man auch gerne sagen. Allerdings – und das ist das Ziel der obigen Darstellung – ist der Kontrast zwischen dem Gezeigten und dem Behaupteten derart extrem, dass gar kein Weg daran vorbei führt, dies sachlich aufzuarbeiten, denn sonst bliebe nur die gegenseitige Beschimpfung.

  4. Im Zeitalter des wenn nicht allwissenden, so aber doch nie vergessenden Netzes ist der Begriff der ‚Depublikation‘ irgendwie irreführend. Ich würde ja annehmen dass im von Juristen durchsetzen Verwaltungsapparat des Bundespresseamtes das Depublizieren erfolgsqualifiziert zu sehen ist.
    Wenn man also schon mein, eine Krisenreaktion auslösen zu müssen, dann sollten sich die Verantwortlichen das Video nehmen, es entsprechend kommentieren oder gleich an seine Stelle ein besseres Filmchen platzieren.

    „Dieser Saftladen!“, wie der FLA meines Vertrauens stets sagt.

  5. Sehr gute, sachliche und aus meiner Sicht* vollkommen zutreffende Analyse der Meinungsäusserungen zweier Abgeordneter von Bundestagsfraktionen, die maßgeblich an der Mandatierung der Bundeswehr zur Teilnahme an zwei Auslandseinsätzen beteiligt waren.

    In beiden Einsätzen (KFOR und ISAF) erforderten die von gegnerischen Kräften initiierten kriegerischen bzw. kriminellen Handlungen zum Nachteil der gemäß der jeweiligen Mandatierungen zu schützenden Zivilbevölkerung in den Einsatzländern den Einsatz von Waffen durch die Angehörigen der jeweiligen Bundeswehrkontinengente. Dies umfasste sowohl fliegende Waffensysteme der Luftwaffe (Tornado ECR bzw. AWACS) und des Heeres (Doorgunner CH-53) als auch sämtliche in die Einsatzländer dislozierten Waffensysteme des Heeres (inkl. KPz „Leopard 2“ -> KFOR, PzH 2000 -> ISAF).

    Abgesehen von dem Einsatz der „Tornado ECR“ und der dt. Mitglieder der AWACS-Crews über Rest-Jugoslawien konnte der politische Auftrag der Bundeswehrkontingente im Zusammenhang mit dem KFOR-Mandat im Wesentlichen mittels Androhung von Waffengewalt erfüllt werden. Um diese Form des Einsatzes von Waffen(-systemen) glaubwürdig und damit effizient, weil deeskalierend und stabilisierend im Sinn des politischen Auftrags, androhen zu können…bedarf es der funktionalen wie taktischen Beherrschung der jeweiligen Waffen im Rahmen unterschiedlicher Einheiten. Die dazu erforderlichen Befähigungen erlangen die Soldaten durch eine allen eventuellen Einsatzanforderungen entsprechende Ausbildung in den Heimatstandorten und Übungszentren.

    Nichts Anderes als die Darstellung exakt dieser Ausbildungs-szenarien ist in dem von den MdBs Arnold und Malczak als „gewaltverherrlichend“ inkriminierten Video zu sehen.

    Im Zusammenhang mit dem aufopferungsvollen Dienst der Soldaten und Soldatinnen im Rahmen der ISAF-Mandate (und das eigene Leben bzw. die physische und/oder psychische Unversehrtheit im Sinn des von Politikern definierten und beschlossenen Auftrags zu opfern sowie die Bereitschaft zu diesem Opfer stellt die wohl äusserste Bereitschaft zum extremsten Dienst an der Gesellschaft dar) verbietet sich aus dem ethischen Grundkonsens unserer Gesellschaft jegliche Beschönigung der Wirklichkeit des soldatischen Berufs. Der Respekt vor den in diesem Kriegseinsatz gefallenen und verwundeten Kameraden und Kameradinnen verbietet eine solche Beschönigung oder jeden Versuch einer solchen kategorisch. Dieser Beruf ist nun einmal mit Gewalt, Sterben, Verwundungen, Entbehrungen, Härte und Disziplin unabdingbar verbunden. Und gleichermaßen mit Emotionen und menschlichen Eigenschaften. Mitgefühl, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Empathie, Verständnis, Kameradschaft, Mut, Stärke, Stolz, Freundschaft und Freude prägen das Leben des Soldaten ebenso wie Trauer, Wut und Zorn, Verzweiflung, Enttäuschung, Angst und Schmerz. All diese Faktoren sind in diesem Clip sowohl visuell, musikalisch und konsequenterweise dramaturgisch umgesetzt. Vielleicht nicht 100%ig optimal – aber durchaus zielführend im Sinne einer ehrlichen Darstellung des Tätigkeitsspektrums unserer Parlaments-Armee.

    Die Wirkung von Heavy Metal-Rythmen entspricht übrigens in ihrer dramaturgischen Stimulation (und damit ist weniger die Manipulation als die emotionale Mitnahme des Zuschauers gemeint) etwa der eines Stakkato in Werken von Beethoven (4. Sinfonie), Mozart (Don Giovanni) oder Bach (Fuge G-Dur). Heavy Metal ist fraglos zeitgemäßer und entspricht damit der musikalischen Identität eines (herkunftsübergreifenden) Teils der europäischen Jugend im 21. Jahrhundert. Und wer einen Sir Simon Rattle gelegentlich an seinem Pult die Mähne schwingen sieht…könnte übrigens zur Einsicht gelangen, dass Headbanger und musikalische Hochkultur einander nicht ausschliessen.

    Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass Politiker und insbesondere im Verteidigungsausschuss unmittelbar mit der Realität des Lebens und Sterbens von Soldaten und Soldatinnen befasste Abgeordnete sich im Rahmen von Wehrübungen (oder praktischer NGO-Mitarbeit vor Ort in den Einsatzregionen – als Alternative für pazifistische MdBs) über das reale Leben und die objektive Lage in den Einsatz-ländern sich nachhaltig aus erster Hand informieren und
    als „Betroffene“ fachlich wie menschlich qualifizieren. Ich nehme an, dass eine so tatsächlich erworbene Expertise unmittelbaren Einfluss auf den Diskurs und die Entscheidungen der – Pardon – „politischen Kaste“ im Sinn unserer Gesellschaft, des Souveräns unseres freiheitlich-demokratischen Staates, sowie seiner Diener haben könnte.

    Auch wenn die beiden ehrenwerten Abgeordneten nicht per Direktwahl, sondern über die Landeslisten ihrer Parteien in unser Parlament gewählt worden sind, könnten sie dennoch ihr Mandat tatsächlich als persönlichen Auftrag begreifen und entsprechend handeln. Warum soll für sie etwas Anderes gelten als für jede(n) in unserer Armee dienende(n) Mitbürger(in)…?

    (*OLt. d.R., beordert als EinsOffz in einer Kp der LLBrig 31; 25 Jahre als Journalist / Chef-Reporter für Print/TV u.a. in Krisen-/Kriegsgebieten; Corp. Communications-Spezialist videobasierte Kommunikation u.a. für Executive Board eines dt. LifeScience-Konzerns)

  6. Definition von „Gewalt“ bzw „Gewaltverherrlichung“:

    [quote]§ 131 StGB (Gewaltdarstellung) lautet:
    (1) Wer Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB), die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
    1. verbreitet,
    2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
    3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder
    4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummern 1 bis 3 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) Ebenso wird bestraft, wer eine Darbietung des in Absatz 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet.
    (3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn die Handlung der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient.[/quote]

    Wo, bitte schön, ist denn nun diese „Gewaltverherrlichung“?
    Von einem Politiker erwarte ich, dass er die Gesetze auch kennt, die er (mitunter selbst) „verbrochen“ hat..

  7. @Huey: Dann wäre es konsequent, wenn Arnold und Malcak die Bundesregierung bzw. das BMVg verklagen. Und mich gleich mit, denn ich zeige meinen Kindern solche Filme.

  8. Auf Welt Online, stolperte ich über die negative Kritik an diesem Video.
    Ich war derart Fassungslos.. wobei ich das ansich sehr oft bin, wenn ich Nachrichten lese oder Meinungen der Politiker höre.

    Ich war gar so fassungslos das ich mir alle aber WIRKLICH alle Kommentare zu diesem Artikel auf Welt Online durchgelesen habe. Glücklich war ich dann, als ich feststellte, das so gut wie sagen wir mal 95% der User das ganze für ein neues Affentheater halten und nur logisch das sowas wieder von den Grünen kommen muss. Aber selbst bei dem anderen Einheitsbrei-Parteien hätte es mich nicht stark gewundert.

    Ich bin dann auf Ihren Kommentar gestoßen und natürlich wurde dieser sofort Zensiert. Ihre Blog URL entfernt. Das machte mich neugierig. Zum Glück sind sie sehr klug.. zum Glück auch ich.. somit Google ich nach dem Namen + Blog auf Google und fand ihren Blog.

    Ich habe mir ihren Artikel hier durchgelesen und bin erstaunt wie schön geschreibe doch sein kann, wenn es nicht von den „weiß Gott von wem gesteuerten Medien“ geschrieben wird.

    Für wie dumm halten die Medien und Politiker uns Bürger eigentlich? Dieses ewige „Du bist deutsch und SCHULD an allem!“ geht einem so auf die Schnürsenkel. Es nimmt kein Ende.. diesmal ist es ein Video mit einer National Hymde.. oh je sogar die Deutsche! Es wird unser Militär mit Waffen gezeigt. Mit Waffen! Was sonst hat ein Soldat bei sich? Wofür ist ein Soldat da? All das erscheint mir als würde es sich bei den Grünen abgeordneten um kleine Schulkinder handeln,.. ich nehme die nicht für Ernst und ich glaube auch langsam das man uns Bürger mit diesen ewigen „Du darfst dich nicht für dein Land bekennen.. du bist schuldig.. du bist abschaum“.. in den rechten Rand drücken.

    Ich sag mal so wie die fakten bei uns in Lübeck derzeit ausschauen. Man kann es gut und gerne Kneipengebabel nennen oder wie auch immer. Das ändert aber nichts daran das die Bürger sich nicht mehr mit ihren Politiker identifizieren können und schon garnicht mit den Medien. In Gesprächen höre ich nur zu oft raus das die Leute es satt sind. Ja alte Sprüche wie „Der Kaiser dreht sich im Grab um“ kommen wieder raus. Die Leute sollen links gepolt werden aber was ich beobachte ist, das die Leute so genervt von dem Schuld-aufdrücken sind, das sie rechts werden. UNd sie fangen an sich dazu zu bekennen! Das auf Facebook, in unterhaltungen oder wo auch immer. Mag sein das dies nur in Lübeck so ist..

    Wie dem auch sei… Das kommt nicht von ohne. Die Menschen könn es einfach nicht mehr hören. Das ist mein subjektiver Eindruck und in meinen Augen das Resultat von der jahrelangen „deutsch sein ist schlecht“ Propaganda in unseren Medien und von unseren Nachkriegspychischgestörten Politiker Generation.

    Fragt man mich, halte ich die BRD wie sie jetzt ist mit allen ihren Instrumenten bereits für eine schein Demokratie.. besser gesagt eine Dikatur die sich jedoch in ihren Methoden ein wenig von alten Dikaturen unterscheided. Aber es läuft dennoch immer auf das selbe hinaus. Du hast zu DENKEN wie es DIR VORGESCHRIEBEN wird. Demnach hast du auch zu HANDELN. Gleiches gilt für Institutionen wie die Bundeswehr und nicht nur für den Bürger.

    Sprich auch die Bundeswehr darf sich nicht mehr mit ihrer Funktion als solche identifizieren. Waffen? Nein! Und garnicht erst in einem Video! Wie passt das zusammen, wenn diese institution jedoch Waffen zur Not nutzen muss in Einsätzen wo sie stationiert sind? Geht es dann nicht um Gewalt als letztes Mittel?

    Ich kann nur Kopfschütteln. Ich bin nicht sonderlich gebildet. Zumindest nicht auf dem Papier. Mit meinem Realschulabschluss, komm ich mir jedoch manchmal wirklich klüger vor, als eine/r der abgeordneten von unserer Elite. Oder überhaupt Politiker. Entweder tun die dumm oder sie sind es.

    Ich komm mir langsam verrückt vor, wenn ich Nachrichten lese. Gut das die Leserkommentare aber dann bestätigen, das ich nicht verrückt sein kann, denn offensichtlich ist die allgemeine Meinung eine völlig andere als die von den Medien und Politikern.

    Punk.

  9. Erst McAfee, jetzt die Rechenaufgabe. Scheitern ist hart.
    Nachdem ich gerade, für meine Verhältnisse, sehr viel geschrieben hatte, jetzt die Ultrakurzfassung:
    Super Blog, Herr Stoltenow. Weiter so. D’accord mit fast allen Punkten, bis auf Punkt 3.
    Umfassend ist der Videoclip nicht. Realistisch nur teilweise. Die Realität des Soldaten ist „zähfließender“. Stakkatoartig, wie im Clip, sind eher „Flashbacks“ an außerordentliche Ereignisse, Erlebnisse, Emotionen.

    Jetzt wieder die Rechenaufgabe 😉

  10. @ alle

    Ist irgendwo im www oder wo auch immer zu den hier geschilderten Sachverhalten eine Meinung des ehemaligen Abgeordneten und Mitglied im Verteidigungsausschuss Winni Nachtwei bekannt.

    Sofern „ja“ würde ich mich über den url freuen.
    Danke

  11. Danke, Herr Stoltenow!
    Wie ist es in einem Land, in dem eindeutig zutreffende Argumente nichts mehr wert zu sein scheinen und nur die „richtige“ Gesinnung erfolgreich Gehör findet, wohl um die Zukunft des Rechtsstaates bestellt?

  12. aua. selbst in zeiten von autotune braucht es offensichtlich noch ein restgehör, wenn samples auf eine musik abgestimmt werden wollen. merke: selbst ein heeresmusikcorps spielt in einer wenn auch durchschnittlichen tonhöhe. die kann schwanken, das kann man bearbeiten. das braucht zeit, die paar stunden kann man sich durchaus nehmen. wenn man kann und will.

    und auch vom stil her: wo war da die qualitätskontrolle für den soundtrack? hüpfcore, scratching und papa haydn in allen ehren, für mich fällt die filmmusik durch jede wohlmeinende beurteilung. sozusagen mit wehenden fahnen.

    aua.

    .~.

  13. @dot tilde dot: stern.de behauptet ja, das Video sei von der Informations- und Medienzentrale produziert worden. Die hatte sich unter Verweis auf ihre Leistungsfähigkeit ja neulich noch dagegen gewehrt, nach Berlin umgezogen zu werden. Nun ja, also ich glaube in Berlin findet man quasi beim über die Straße gehen talentiertere Nachwuchscutter.

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