Jun.-Prof. Dr. Friedemann Vogel von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat sich der Website treff.bundeswehr aus sprachwissenschaftlicher Perspektive angenommen.
Die Zukunft im Visier Die mediale Selbstinszenierung der Bundeswehr gegenüber Jugendlichen auf www.treff.Bundeswehr.de Eine Pilotstudie heißt die Arbeit (Kurzzusammenfassung hier).
Die ist durchaus lesenswert – auch in den Kommentaren, in denen sich aktive Soldatinnen und Soldaten zu Wort melden. Allerdings sehe ich auch einige Schwächen. Den entsprechenden Kommentar habe ich folgend eingefügt.
Ich sehe es als Fortschritt und begrüße es sehr, dass Sie sich aus linguistisch-diskurstheoretischer Perspektive des Jugendmarketings der Bundeswehr annehmen. Drei Dinge, die mir daran auffallen:
1. Sie beantworten nicht hinreichend, wie Ihrer Auffassung nach das Publikum die dargebotenen Erzählungen in seine eigenen aufnimmt, welche Wissensbestände es damit aufbaut und/oder verändert, geschweige denn, wie es handelt bzw. welche Dispositionen sich daraus ergeben. Ihre kritische Bewertung legt jedoch nahe, dass Sie – mal ganz umgangssprachlich – das Publikum für völlig bescheuert halten.
2. legt Ihre Kritik damit nahe, dass die Bundeswehr mit ihrem Jugendmarketing „alles richtig macht“. Das ist definitiv nicht so, denn – nur als Hinweis – auch die Jugendmarketingseite der Bundeswehr schwebt nicht im luftleeren Raum. Sie ist, im Gegenteil, in einen weiteren Kontext der Selbst- und Fremddarstellung eingebunden. Dass Sie nun bei Ihrer Untersuchung den Textkorpus eingrenzen mussten, ist methodisch verständlich, verkürzt aber dramatisch.
3. Worauf genau beziehen Sie sich mit Ihren Empfehlungen? Abgesehen davon, dass es wissenschaftlich, vor allem für eine solch kleine Arbeit unangebracht erscheint, „Verbesserungsvorschläge“ zu machen, fehlt diese Absicht völlig in den leitenden Fragestellungen. Das, was herauskommt, hat mehr von „Wünsch Dir was“ als Wissenschaft, zumal Sie Ihre Ratschläge nicht fundieren. Die relevanten Bezugsdokumente hierfür wären u.a. die verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesrepublik – von der Einsatzrealität ganz zu schweigen. Das, was Sie fordern ist m.E. schlimmer als die wirklich kritikwürdige Kommunikation der Bundeswehr: Sie fordern die Bundeswehr auf, wie ein bewaffnetes technisches Hilfswerk zu kommunizieren. Sie fordern auf zu whitewashing und Lüge, und das ist wissenschaftlich nun gar nicht erlaubt.
Interessanterweise wurde mein Kommentar nicht freigeschaltet, indem ich fragte, ob er als mehrfacher Stipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung überhaupt die notwendige wissenschaftliche Objektivität besitzen könne, wo „seine Partei“ ja klare Vorstellungen von der Bw hat -> Stichwort technisches Hilfswerk.
Aus der Studie: „Bei alldem gewinnt man auf treff.bundeswehr.de leicht den Eindruck, die Bundeswehr beschäftige sich fortwährend mit sich selbst“….
Wäre dieser Eindruck so unzutreffend? Wenn die Bundeswehr „Bedrohung, Schmerz, Ängste“ versprechen würde, könnte sie dieses Versprechen in den meisten Fällen doch gar nicht halten.
Was die „Gender-Stereotypen“ angeht: Diese beruhen wohl auf den Erwartungen der Zielgruppe, auch wenn manche Ideologen so tun als gäbe es keine Unterschiede unter diesen. Das gilt auch für bestimmte migrantische Gruppen, die für ein „Produkt“, das sich über Dienst an der Heimat definiert, eher schwer zu erreichen sind und naturgemäß nicht im Vordergrund stehen. Wenn Wissenschaftler einen sinnvollen Beitrag leisten wollen, könnten sie ja mal untersuchen, wie man bestimmte Gruppen besser erreichen kann. Wer die Wünsche der Zielgruppe aber nur als „Stereotype“ wahrnimmt, macht damit deutlich, dass er nicht praxisorientiert, sondern ideologieorientiert arbeitet und Werbung in erster Linie als Werkzeug der Gesellschaftspädagogik begreift.
Das zeigen auch Formulierungen wie die von der „Verführung“ der Zielgruppe durch Ausblenden von Gefahr etc. Der Autor kann sich offenbar nicht vorstellen, dass Teile der Zielgruppe positiv darauf reagieren würden und sich von zivilistischer Selbstdarstellung der Bundeswehr eher abgeschreckt fühlen. Beispiele dafür, wie manche Armeen dieses heterosexuelle weiße Männer zuverlässig ansprechende Element gezielt in ihre Werbung einbauen, wurden hier ja schon mehrfach erwähnt. Auch hier wäre ideologiefreie Forschung einmal interessant, die Daten dazu in Deutschland erhebt. Vielleicht würde dabei ja auch herauskommen, dass man in Deutschland auch deshalb auf die Darstellung von Gefahr etc. verzichtet, weil die weibliche Zielgruppe darauf negativer reagiert, die man ja verstärkt gewinnen will?
Vollends den Boden der Wirklichkeit verläßt der Autor, wenn er fordert, Werbung solle „problematisieren, welche Schwierigkeiten es im militärischen Zusammenleben gibt“. So etwas kann nur schreiben, wer den Sinn von Werbung nicht kennt oder nicht verstanden hat.