Soldat sein heute – Eine Kritik

„“Soldat sein heute – Leitgedanken zur Neuausrichtung der Bundeswehr““, so lautet der Titel einer Broschüre, die der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, herausgegeben hat, und deren Inhalt im Wesentlichen auch einer Rede Wiekers an der Führungsakademie der Bundeswehr am 3. Mai 2012 entspricht.

Diese Rede ist, folgt man dem entsprechenden Verzeichnis auf der Webseite des Verteidigungsministeriums, außer einer Rede anlässlich des 100. Geburtstags von General a.D. Ulrich de Maizière, Wiekers erste größere Rede. Und, man muss es leider so deutlich sagen, sie ist ein Dokument des Versagens. Nicht etwa eines persönlichen Versagens Wiekers, nein, aber diese Rede dokumentiert, dass die Bundeswehr eine Armee ohne eigenen intellektuellen Kern ist. Sie ist an der Spitze eine Armee der Beamten in Uniform, die vor lauter treuem Dienen vergessen haben, dieses Dienen zu hinterfragen, um es aus einer eigenen soldatischen Identität heraus positiv zu begründen.

Man muss nicht gleich einen militärischen Großdenker wie Clausewitz zum Vergleich heranziehen, um auf Defizite der deutschen Generalität hinzuweisen. Es reicht völlig, sich im Rahmen einer erweiterten Zeitungslektüre mit Stellungsnahmen von Generalen oder Wissenschaftlern anderer Nationen der westlichen Gemeinschaft zu befassen, um festzustellen, dass bis auf die Arbeiten des Politikwissenschaftler Herfried Münkler, quasi kaum ein Gedanke eines deutschen Denkers, zu einer wahrnehmbaren Resonanz im internationalen sicherheitspolitischen Diskurs geführt hat.

Auch die Rede Wiekers, beziehungsweise ihre in einer Broschüre niedergelegte Fassung, wird daran nichts ändern. Die Frage, warum das so ist, lässt sich hier nicht angemessen beantworten. Dennoch muss ich, wenn ich ein solches Urteil fälle, versuchen, zu begründen, warum. Der nachvollziehbarste – und zugegeben sicherste – Weg ist es, den Text an seinen eigenen Ansprüchen zu messen.

„Wir müssen also gleichermaßen unser berufliches Selbstverständnis und unsere Führungskultur weiterentwickeln““, fordert Wieker auf den ersten Seiten der Broschüre unter der Überschrift „Unsere Neuausrichtung“. Damit wird bereits ganz am Anfang das ganze Dilemma des Textes deutlich. Zum einen macht Wieker Selbstverständnis und Kultur zu „Erfüllungsgehilfen“ eines Verwaltungsprozesses, zum anderen zeigt die Wortwahl, dass Wieker jedweden militärischen Eigensinn zu Gunsten der Affirmation gegenüber der Politik preiszugeben bereit ist. „“Unser““ ist eines der Possessivpronomen, die keinen Widerspruch dulden und gerade deshalb in der weichgespülten Welt der Unternehmenskommunikation so beliebt sind, weil sie im Kern sagen, daß wer nicht für uns ist, gegen uns ist. Und der Begriff „berufliches Selbstverständnis“ unterschlägt, dass das Selbstverständnis des Offiziers viel treffender mit dem des „soldatischen Selbstverständnis“ zu bezeichnen wäre.

Wie dramatisch die Defizite von Wiekers Text bereits in der Exposition sind, zeigt ein Vergleich mit einer Rede von Thomas de Maizière, die dieser im März im Rotary-Club München Schwabing gehalten hat: „Wozu brauchen wir Soldaten? Wozu töten, wozu sterben? Was für Fragen! Diese Fragen sind wohl die schwersten, die es gibt, und sie sind wohl so alt wie die Menschheit selbst.“

Diese Fragen, und damit die grundlegenden Fragen zum soldatischen Selbstverständnis, stehen über der Frage wie eine Organisationsreform gelingt. Wer will, dass einem Menschen, Soldaten folgen, wäre gut beraten, sie dort anzusprechen, wo es um ihre – nun doch – berufliche Identität geht, und sie nicht von Anfang an rhetorisch unter den Willen eines Ministeriums zu zwingen. Dieses Machtverhältnis ist ohnehin –zu Recht – unhinterfragbar.

Man mag diese Kritik für Wortklauberei halten, und im Kern ist sie das auch. Aber wo, wenn nicht beim Wort, sollten wir den höchsten deutschen Militär nehmen? Wie wichtig das ist, um – auch das sein Appell – sich in den Diskurs einzubringen, zeigt sich auch in den folgenden Kapiteln. Das, was dort steht, ist inhaltlich nicht falsch – wie auch, sind es doch Allgemeinplätze -, aber es ist so richtig, dass es beliebig und damit dann doch falsch ist. Wer einen solchen Text als Absolvent des Generalstabslehrgangs in seiner Jahresarbeit einreichte, müsste fürchten, dass dieser als Arbeitsverweigerung gewertet werden würde.

So beginnt Wiekers „Standortbestimmung“ weder mit einer Bezugnahme auf eine der großen strategischen sicherheitspolitischen Linien – mögliche Alternativen wären hier (unabhängig davon, ob man die Auffassung ihrer Vertreter teilt) der Kampf der Kulturen, Ressourcenkonflikte, Verwerfungen in der arabischen Welt, Asien, Afrika, die neue Einsatzrealität oder auch alles zusammen gewesen -, sondern mit der Wiedervereinigung, Frauen in der Bundeswehr, Glaubensrichtungen in der Bundeswehr, individualistischen Tendenzen unter Soldaten, Mediennutzungsverhalten, dem Generationenkonflikt in der Bundeswehr, dem demographischen Wandel, der Pendlerproblematik und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Erst dann kommt Wieker im Kapitel „Einsatzrealität und Freiwilligenarmee“ auf die, so zumindest die Wahrnehmung, die ich aus Gesprächen mit aktiven und ehemaligen Soldaten mitnehme und teile, wesentliche Veränderung zu sprechen, die soldatisches Dienen heute prägt. Aber auch hier schreibt er nicht vom existentiellen Moment des Kampfes oder darüber, was es bedeutet, zu töten oder sich der Gefahr auszusetzen, getötet zu werden. Nein, er kleistert dieses Erleben mit Formulierungen zu wie „Die Notwendigkeit, in Gefechten und militärischen Kampfhandlungen zu bestehen, trat erst in den letzten Jahren verstärkt ins Bewusstsein unserer Streitkräfte und einer breiten Öffentlichkeit. Das meint nicht weniger, als den bewussten Einsatz militärischer Gewalt gegen einen Gegner, der häufig in hochkomplexen Szenarien ohne Bindung an das humanitäre Völkerrecht seine Mittel in asymmetrischer Aufstellung zur Wirkung bringt (…).“

Wer vergessen hat, worin der anfängliche Erfolg des ehemaligen Ministers zu Guttenberg begründet war, sei hier daran erinnert, dass er als erster die offizielle Erzählung des Ministeriums mit der Erzählung der Soldaten im Einsatz zusammenführte, als er von Krieg sprach. Wieker hingegen spricht an der falschen Stelle und im falschen Ton über diese Dinge.

Wozu brauchen wir Soldaten? Wozu töten, wozu sterben?“ Diese Fragen, auch ganz ohne Pathos vorgetragen, sind es, die den Soldaten, den Offizier und die Gesellschaft bewegen oder zumindest bewegen sollten. Wer in der Lage ist, angemessen über diese Dinge zu sprechen, wäre auch in der Lage, über „Die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft“ zu sprechen, so Wiekers folgenden Kapitelüberschrift.

Hier, beschränkt auf einen kurzen Absatz, schafft es Wieker, einen klaren Gedanken zu formulieren, indem er anspricht, daß und wie das Erleben der Soldaten und das Erleben der Gesellschaft auseinanderlaufen. Dieser Gedanke wäre es wert gewesen – und ist es immer noch –, der Kristallisationspunkt seines Textes zu werden. Stattdessen nutzt ihn Wieker nur, um über das Verhältnis der Bundeswehr und der Gesellschaft und die Rolle der Medien zu räsonieren. Diese Gedanken sind zwar richtig, allerdings belässt es Wieker dabei, den status quo zu referieren und die mangelnde Anerkennung zu beklagen. Einen echten Leitgedanken – immerhin das proklamierte Ziel des Textes – wie das zu ändern wäre, wie es gelingen könnte, die Erzählungen der Soldaten und die der Gesellschaft zu verbinden, formuliert Wieker nicht.

Auch der Abschnitt zum beruflichen Selbstverständnis bleibt weitgehend ohne intellektuellen Impuls. Im Gegenteil: Im Kern muss man diesen Teil als ein Plädoyer Wiekers für mehr politische Bildung und Schulung in innerer Führung lesen. Weder äußert sich Wieker überzeugend zur Rolle des Soldaten als Kämpfer, noch befasst er sich mit den anderen Rollen, die der Soldat heute auszufüllen hat. Der Schritt zu einem weiterführenden Gedanke, wie dem Soldaten als „miles protector“ und von hier zu einem naheliegenden gedanklichen Strategierahmen wie der kontroversen Diskussion um die „Responsibility Protect“ gelingt Wieker nicht.

So schwach wie der Text beginnt, endet er auch: Mit einem dürren Appel zur Weiterentwicklung des Traditionserlasses sowie einem Schlußgedanken, der keiner ist, sondern nichtssagende Worte darüber, dass die „Neuausrichtung der Bundeswehr (…) eben auch gewährleisten (muss), dass die geistige und sittliche Verfassung sowie das innere Gefüge der Truppe unter den veränderten Bedingungen in Takt bleiben.“

Was aber, wenn genau diese geistige und sittliche Verfassung sowie das innere Gefüge der Truppe schon längst nicht mehr im Takt sind? Was, wenn das einzige, was noch in Takt wäre, der Zusammenhalt der Einheiten im Einsatz sowie die Affirmation der Generalität gegenüber der Politik wären? Ein solcher Text wäre es wert, geschrieben zu werden und könnte in der Tat wegweisende Leitgedanken zur Neuausrichtung der Bundeswehr enthalten.

24 Gedanken zu „Soldat sein heute – Eine Kritik

  1. Teilweise kann ich Ihre Kritik nachvollziehen, aber Sie verkennen, dass Wiekers Leitgedanken, wie schon de Maizière in seiner Rede zum Dresdner Erlass, der bürokratischen „Absicherungsmentalität“ den Kampf ansagen, und – viel wichtiger – dass er seinen Offizierkorps deutlich zum selbstbewussten Mitreden auffordert.

    So bietet die Rede zwar keinen Impuls für eine neue „geistige und sittliche Verfassung“, das wäre vielleicht auch zu viel verlangt. Aber sie bietet einen Impuls für die Debatte darüber, und das ist schon mal ein Anfang.

  2. „das wäre vielleicht auch zu viel verlangt“ – Vielleicht an dieser Stelle, ja – aber in der Sache wäre es da nicht, das muss noch kommen. Was das „Impuls für die Debatte“ angeht, kann man skeptisch sein. Ich wüsste nicht, worin dieser konkret bestünde.

  3. Ein Text, dessen intellektuelles Niveau nicht über das einer Proseminararbeit hinausgeht, kann keine Impulse für die Debatte über soldatisches Selbstverständnis setzen.

  4. Ich gehe davon aus, dass der Herr Generalinspekteur diese Rede nicht selbst geschrieben hat! Er hätte sie redigieren können. Doch wie lange wäre er dann noch Generalinspekteur, wenn er offen und ehrlich seine militärischen Forderungen, Standpunkte und Leitgedanken vorgetragen hätte? Es ist doch unwahrscheinlich schwer und beinahe nicht zumutbar quasi über Nacht vom militärischen Berater der „hochsensiblen“ Politikerklasse, zum höchsten militärischen Vorgesetzten mit Führungsverantwortung zu mutieren, oder ?!
    Immerhin ist dieser Generalinspekteur noch zu anderen Zeiten implementiert worden.
    Übrigens gestatten Sie mir eine hypothetische Frage, wäre ein Clausewitz oder Scharnhorst in der heutigen Bundeswehr überhaupt Generalinspekteur geworden ??

  5. @muellersen: Wir haben immer die Wahl. Jeder. Und selbst wenn der GI diese Rede nicht selbst geschrieben hat – wovon auszugehen ist – ist er ihr Autor, und niemand hat ihn gezwungen sie vor der Führungselite der deutschen Streitkräfte zu halten. Das war seine Entscheidung.

  6. @ muellersen

    Scharnhorst schrieb schon sehr früh Aufsätze darüber wie man die preußische Armee reformieren müsste. Später war er verantwortlich dafür das fast 50% der preußischen Generäle entlassen wurden.

    Auf das Jahr 2012 und die BW übertragen:
    1.In einem Aufsatz schonungslos zu sagen was falsch läuft und das ein großer Teil der Generalität unfähig ist..

    2. Später in verantwortlicher Position auch noch die „Frechheit“ zu besitzen viele Generäle zu enlassen…

    Ein solcher Offizier wird in der Bw niemals über einen Oberleutnant hinaus kommen. Dafür würden schon zahlreiche Disziplinarmaßnahmen und schmutzige Kampagnen sorgen.

    Clausewitz trat in die Dienste des Zaren, nach der Niederlage Preußen gegen Napoleon, ein. Eines Tages tauchte der june Clausewitz vor der Festung des Ludwig Yorck von Wartenburg auf und eröffnete ihm, das er sich mit ihm gegen die Franzosen und damit gegen den König verbünden sollte.

    Auf das Jahr 2012 und die BW übertragen:

    Ein General der BW welcher seinen Dienst quitiert da in einem theoretischen Szenario Deutschland von einer fremden Macht besetzt ist. Sich in den Dienst einer fremden Macht stellt (was Angehörigen der BW verboten ist) um mit diesen Kräften dann gegen Deutschland zu ziehen und andere Generäle auf die eigene Seite zu ziehen. Egal ob die Bundesregierung sich dann, wie der König damals, auf die Seite der Interventionsmacht stellt. Aber ein solcher General würde nie wieder der BW dienen und würde wahrscheinlich zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.

    Der General mit dem stärksten Rückgrat in der preußischen Militärgeschichte war übrigens York. Seine Taten würden heute unter dem Titel Militärputsch laufen und würden dem Zeitgeist entsprechend verteufelt und zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Egal ob die Beweggründe aus Verantwortug und Gewissen entsprungen sind. Das abgeschlossene Parteiensystem in Deutschland duldet keinerlei Angriff auf seine uneingeschränkte Machtbasis. Wer das versucht, bekommt es mit der geballten Macht der Medien und des Staates zu tun. Ich wage sogar die Behauptung, eine solche Person hätte nicht mit der Unparteiigkeit von Justitia zu rechnen.

    Gerade die uneingeschränkte Macht des Parteiensystems ist denke ich das Problem für das Rückgrat vieler Offiziere. Früher konnte man noch zumindest einen bestimmten Verhaltenskodex einfordern (z.b beide Seiten sollen gehört werden, Unschuldsvermutung etc..). Heute wird man einfach Medial massakriert, dabei ist es dann egal was man wirklich getan hat oder ob man vielleicht juristisch doch im Recht war (siehe z.b Oberst Klein).

  7. @Bang50: Man muss ja nicht gleich putschen wollen, wenn man der Generalität sapere aude zuruft.

  8. Die Kritik trifft den Kern des Problem, Wieker hin oder her. Höchster Berater der BReg und gleichzeitig Oberbefehlshaber, das ist ein Geburtsfehler des Amtes des GI.
    Ein solches Spannungsfeld kann EINE Person nicht überbrücken, eine Seite wird immer leiden.

    Beratung auf strategischer Ebene erfordert aber eben Ausbildung, Intelligenz und Erfahrung – in diesem Bereich – UND Charakter!
    Und jetzt hilft ein Blick in die internen Ausbildungsabläufe. Wo und wann wird ein DEU Generalstabsoffizier dazu befähigt, oder wenigstens angebrütet, komplexe Problemstellungen, wie es bewaffnete Konflikte o.ä. nun einmal sind, ganzheitlich zu erfassen und zu durchdenken?

    Und deshalb ist es meiner Meinung nach kaum relevant wer nun den vierten Stern in DEU trägt, die Varianz des Handelns dürfte überschaubar sein.

  9. @ Rober

    „…und gleichzeitig Oberbefehlshaber,…“

    Habe ich etwas versäumt?

    Wo steht geschrieben, dass der Generalinspekteur der Bundeswehr „Oberbefehshaber“ ist oder wurde?

  10. Nun, was auch immer Sie im Detail darunter verstehen wollen, im Dresdner Erlass steht:
    „Die neuen Grundsätze berücksichtigen, dass der Generalinspekteur der Bundeswehr truppendienstlicher Vorgesetzter der
    Soldaten in den Streitkräften und Teil der Leitung des BMVg wird.“
    Danach wird die Position des General­inspekteurs deutlich gestärkt. Erstmals in der Geschichte der Bundes­wehr wird er zum unmittelbaren Vor­gesetzten aller Soldaten.

    Dieser (höchste) truppendienstliche Vorgesetzte ist damit der höchste Interessenvertreter des Militärs.

    Und angenommen die militärische Lage in AFG würde jetzt und heute eine Truppenreduzierung nicht zulassen oder nicht sinnvoll erscheinen lassen, diese Reduzierung ist aber nun durch die Bundesregierung (und der Minister ist Teil dieser) gewollt, welche Position soll der GI vertreten?

  11. @ Robert

    „…Danach wird die Position des General­inspekteurs deutlich gestärkt.“

    Richtig. Die Stärkung erfolgte nach innen – bezogen auf seiner Vorgesetztenfunktion gegenüber allen Soldaten. Die Stärkung, und so lese ich den Erlass, erfolgte nicht gegenüber dem Primat des Politischen.

    Aber vielleicht täusche ich mich da.

  12. Art 65a (1) Der Bundesminister für Verteidigung hat die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte.

  13. @König:

    Da haben Sie völlig Recht aber das ändert doch nichts an der Problematik.

    Ich befürworte die Trennung der beiden Funktionen so wie es in den USA der Fall ist. Einen Sicherheitsberater für den Minister und einen Joint Chief of Staff – oder wie auch immer man den nennen mag – als höchsten mil. Vorgesetzten. Nur so können Sachverhalte offen diskutiert und kommuniziert werden.

    In DEU hört man immer nur die Stimmen pensionierter Generäle. Den GI, die Insp oder andere hört man bestenfalls zu belanglosem Zeug und die breite Masse nimmt den Vorsitzenden des DBwV als den obersten mil. Repräsentanten wahr. Das kann doch so nicht richtig sein.

    Übrigens glaube ich, dass das derzeitige Verständnis von Primat der Politik auf der mil. Seite gern als Entschuldigung genommen wird. Frei nach dem Motto: Wir führen nur aus was die Politik entschieden hat. Und das greift zu kurz denn in der Phase der Entscheidungsfindung ist die militärische Expertise zwingend einzubringen.

    Wie seht ihr das?

  14. Herr Stoltenow,

    da hat der GI eine politisch korrekte Rede gehalten. Ja nicht anecken oder noch schlimmer einen „Skandal“ verursachen. Zu Recht verweisen Sie auf große inhaltliche Defizite. Hier zwei weitere Beispiele:

    Zitat: „Die Notwendigkeit, in Gefechten und militärischen Kampfhandlungen zu
    bestehen, trat erst in den letzten Jahren verstärkt ins Bewusstsein
    unserer Streitkräfte und einer breiten Öffentlichkeit. Das meint nicht
    weniger, als den bewussten Einsatz militärischer Gewalt gegen einen
    Gegner, der häufig in hochkomplexen Szenarien ohne Bindung an das
    humanitäre Völkerrecht seine Mittel in asymmetrischer Aufstellung zur
    Wirkung bringt und darüber hinaus Zeitpunkt, Ort und Wahl der Mittel
    selbst bestimmt. Die Bundeswehr hat sich in diesen Einsätzen behauptet
    und bewährt.“

    Wenn man dem Gegner die Möglichkeit lässt, „seine Mittel … zur Wirkung zu bringen und darüber hinaus auch noch zulässt, dass der Gegner „Ort und Wahl der Mittel selbst bestimmt“, dann überlässt man ihm die Initiative. Wie man dann im nächsten Satz feststellen kann, die Bundeswehr habe sich „behauptet“, ist nicht nachvollziehbar. Ich bezweifle sehr, dass zukünftige Geschichtsschreiber davon berichten werden, die Bundeswehr habe sich „behauptet“. Diese Kritik richtet sich nicht gegen die kämpfende Truppe, die mit unzulänglicher Ausstattung treu und tapfer ausgehalten hat. Sie richtet sich gegen alle in der militärischen Führungshierarchie, denen der vorauseilende Gehorsam gegenüber einer sich wegduckenden Politik wichtiger war, als die eigenen Soldaten pflichttreu zu unterstützen.

    Zitat: „Daneben haben unverändert ältere Kameraden und Vorgesetzte ihren
    Platz, die noch zu Zeiten des Kalten Krieges in die Bundeswehr
    eingetreten sind. Viele von ihnen wurden noch im Geiste des Diktums
    „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ sozialisiert und nicht
    alle konnten inzwischen Erfahrungen im Auslandseinsatz sammeln. Das
    Miteinander unterschiedlicher Erfahrungen funktioniert dort problemlos,
    wo alle bereit sind, ihre Erfahrungen zu teilen und voneinander zu
    lernen. Aber es kann zu Unstimmigkeiten führen, wenn das Verständnis
    füreinander fehlt, es an Lernbereitschaft mangelt oder berufliche
    Unzufriedenheit entsteht.“

    Hier wird ein Konflikt eingestanden, der ganz offenbar zwischen den „kriegserfahrenen“ jüngeren Soldaten und jenen besteht, die „noch zu Zeiten des Kalten Krieges“ in die Bundeswehr eingetreten sind. Im angebotenen Lösungsansatz wird dann aber so getan, als reiche es schon, wenn man zukünftig „Verständnis“ füreinander aufbringt.

    Wenn man sich einmal die Lageentwicklung 2006-2011 in Afghanistan anschaut, dann wird deutlich, dass die politisch-militärische Führung der Bundeswehr, aber auch die politische Führung versagt hat. Winfried Nachtweih: „Bei vielen Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten begegnete dem Autor eine verbreitete Stimmung, wonach sich die Soldaten im Afghanistaneinsatz von Politik und Gesellschaft alleine gelassen fühlten. Die Bundesregierung duckte sich weg. Die Bundeskanzlerin blieb deutlich auf Distanz und hielt ihre erste Regierungserklärung zu Afghanistan erst am Ende ihrer ersten Amtsperiode nach dem Luftangriff von Kundus… So zerbrach Vertrauen: in der Bevölkerung gegenüber der Politik, unter Soldaten gegenüber der eigenen Führung.“ (W. Nachtweih, Der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr, 2011, S.222-223) Ja, das ist viel Vertrauen zerbrochen und es wird kaum ausreichen, nun „Verständnis füreinander“ aufzubringen. Man denke nur an die Ausrüstungsforderungen der Einsatzkräfte und den Widerstand in der eigenen Führungsspitze diesen berechtigten Forderungen gegenüber. Die Aufarbeitung dieses Führungsversagens hat noch gar nicht begonnen.

  15. Leider wurde ein längerer Beitrag von mir gelöscht, weil ich angeblich den Mathematik-Test (3+6=9) nicht bestanden habe.
    @administrator: kann ich den Text – den ich leider vor absenden nicht gespeichert habe – per e-mail hzurück erhalten?

  16. Lieber Herr Hagena,

    das tut mir sehr leid. Ich schaue mal, ob der Text es ins System geschafft hat. Mir ist es oft ähnlich ergangen, so dass ich wenig Hoffnung habe. Ich habe es mir inzwischen angewöhnt, längere Texte vorzuschreiben.

  17. @Robert
    „Die Kritik trifft den Kern des Problem, Wieker hin oder her. Höchster Berater der BReg und gleichzeitig Oberbefehlshaber, das ist ein Geburtsfehler des Amtes des GI.
    Ein solches Spannungsfeld kann EINE Person nicht überbrücken, eine Seite wird immer leiden.“

    Genau DAS sehe ich anders! Endlich ist der GI das was er truppendienstlich schon lange hätte sein müssen (nämlich Oberbefehlshaber), wenn er jetzt auch noch zu einem ECHTEN Berater der BReg werden würde (mit Immediatrecht beim Minister und beim BK), dann würde er nur noch eine benötigen: CHARAKTER!

  18. Nachtrag

    Vielleicht sollte ich es etwas abändern:

    Streiche CHARAKTER
    Setzte CHARAKTER und RÜCKGRAT

    denn Charakter möchte ich Gen Wieker nicht absprechen, lediglich das Rückgrat seine Kompetenz und seinen Charakter auch öffentlich ggü. der Politik zu bekennen…

  19. Zur Wahrnehmung des deutschen Offiziers im Ausland ein Verweis auf diesen aktuellen Beitrag:

    „Manchmal habe er bei Vorträgen in Deutschland das Gefühl, daß die Generation der Enkel sich nun dadurch räche, daß sie anderen mit erhobenem Zeigefinger und einem fast schon militanten Pazifismus bei jeder Gelegenheit den Frieden erklären wollte. Sie griffen dabei auch häufig Behauptungen an, die keiner aufgestellt habe. Seine Kameraden hier würden das nicht gerne zugeben, aber sie schlössen zu Beginn von Sicherheitskonferenzen untereinander manchmal Wetten ab, welcher der anwesenden deutschen Offiziere sich als erster grundlos zum Thema »Menschenrechte« äußern werde … weil es ihm zwanghaft wichtig erscheine, der Welt zu zeigen, daß er – der Enkel grandioser Soldaten – nun der grandiose Gandhi und allen anderen moralisch überlegen sei. »Friedensjochen« laute der Spitzname, den man diesem je ersten deutschen Menschenrechtsoffizier dann für die Dauer der Tagung verleihe…Denn nur Feldgeistlichen könne man die Wirklichkeitsverweigerung gerade noch durchgehen lassen, als Offizier jedoch sei eine Verpflichtung auf die Realität bereits im Berufsbild angelegt: ohne sie keine Erfüllung des Auftrags.“

    http://www.sezession.de/32334/uniform-oder-kostum-blick-auf-thomas-hettche-und-den-friedensjochen.html

  20. @Orontes,
    und hier die Fortsetzung des „Bildes“ vom deutschen „Friedensjochen“ und den „soldatischen Betreuungslotsen“, http://www.sezession.de/32334/uniform-oder-kostum-blick-auf-thomas-hettche-und-den-friedensjochen.html/2:

    „Sicherheitspolitisch spielten die Deutschen um ihren »Friedensjochen« eine peinliche Rolle. Ihre Offiziere müßten Einsatzbesprechungen in Afghanistan verlassen, weil von ihnen mit keinem Beitrag zu rechnen sei. Den hier anwesenden deutschen Soldaten könne diese Abwertung doch keinesfalls schmecken…

    Es sei selbstverständlich besser, kämpfen zu können und es nicht zu müssen, als kämpfen zu müssen und es nicht zu können. Er selbst könne einfach nicht verstehen, wie in einer Armee der Blick auf Sozialprestige und Karriereperspektiven einen Offizier dazu bringen könne, gesinnungspolitisch zu manövrieren und vorauseilenden Gehorsam zu praktizieren. Damit verschiebe sich der Schwerpunkt der Diskussion von der Sach- auf die Appellebene, was bedeute, daß der »Bürger in Uniform« ständig am Soldaten vorbeirede.

    Natürlich könne er – und damit wolle er zu einem Ende kommen – gänzlich falschliegen, und man sehe in der deutschen Armee die Sache tatsächlich so, wie dies vorhin zum Ausdruck gekommen sei. In diesem Fall würde er ab sofort nicht mehr unter Soldaten, sondern unter Zivilisten stehen, und er habe sich dann in der Tat einer Sprache bedient, die man außerhalb einer Kaserne nur schwer verstehen könne. Wunderlich sei aber, daß sich diese Zivilisten als Soldaten verkleidet und Führungsaufgaben übernommen hätten. Die Kriegsgeschichte sei voller tragischer Ereignisse, bei denen solche Entscheidungsträger ihre Ideologie vor die soldatische Vernunft gestellt hätten. Es sei schade um das viele Blut, das von solchen Idioten vergossen worden sei.

    Als Zuchtanstalt für derlei könne er das »Zentrum Innere Führung« in Koblenz ausmachen. Dort habe er einem Seminar für soldatische »Betreuungslotsen« beiwohnen müssen, in dessen Verlauf ein Stabsfeldwebel einen Hauptfeldwebel im Arm gehalten habe wie eine Mutter ihr Kind. Eine Kamera sei mitgelaufen. Ihm aber hätten die Worte gefehlt.“

    Ja, es stimmt! Es fehlen einem die Worte.

  21. @Politikverdruss
    In dieser Klarheit hatte ich das sonst noch nirgendwo gelesen. Interessant fand ich auch die Diskussion zum Artikel, v.a. die exakten Beobachtungen von „anonymer Offizier“. Das ist schon keine Kritik mehr, sondern ein Abgesang.

  22. @Orontes,
     Ja, Abgesang ist die zutreffende Bezeichnung.
     
     Thomas Hettches Beitrag, „Feindberührung. Über die vergessene Kunst des Soldatischen“, enthält auch eine höchst treffende Beschreibung des Ehrenmals der Bundeswehr im Bendler-Block:
     
    „Dieses Ehrenmal hat eine Länge von etwa vierzig Metern und die Proportionen eines doppelhohen Schuhkartons, besteht aus Betonfertigteilen und ist mit Bronzeblechen verkleidet, deren Ausstanzungen an die Erkennungsmarken von Soldaten erinnern sollen. Die Schmalseite, an der man den Kubus betritt, ist innen golden gestrichen. Die Farbe zitiert sakrale Malerei, ist jedoch auf den rohen Beton aufgebracht, den man ebenso erkennt wie die Fugen der Fertigbauteile, und so erinnert das Gold eher an den Sprühlack von Graffiti. > Den Toten unserer Bundeswehr für Frieden Recht und Freiheit< steht auf Brusthöhe und nicht sehr groß an dieser Wand. Ich stutze. Unsere Bundeswehr? Indem das besitzanzeigende Fürwort sich des Bezuges besonders vergewissert, scheint es ihn zugleich zu hinterfragen. Welches >Wir< spricht an diesem Ort? Hier ist niemand, schießt es mir durch den Kopf…   In der eigentlichen Halle nichts als ein Podest welches den Raum an der anderen Schmalseite abschließt, darauf einige Kränze. Die Wände schwarz gestrichen. Das ist alles. Das ist alles? Irgendwann entdecke ich, wie auf dem Beton der Zwischendecke von Geisterhand Namen erscheinen, nicht sehr groß und nicht sehr lange, Vor-und Nachnamen, von nichts begleitet als der technischen Perfektion ihrer vergänglich leuchtenden Aufrufung. Jene leichte Beunruhigung, die einen noch immer bei computierbaren, flüssigen Lettern erfasst, die doch etwas festhalten sollen – hier, bei diesen digitalen Grabsteinen, schlägt sie um in eine Empfindung für die Obszönität einer so vergänglichen Schrift. Und kein Todestag, kein Lebensalter, kein Rang, kein Familienstand und keine Erzählung, was geschehen ist, nicht einmal eine Bitte um Gedenken, nichts erfährt man über die Menschen, die diese Namen trugen, die wohl Soldaten waren und die heute tot sind.“   Als ich das Ehrenmal vor wenigen Monaten aufsuchte, beschlichen mich ähnliche Gedanken. Die Distanz gegenüber den gefallenen „Staatsbürgern in Uniform“ war mit den Händen greifbar. Es war keine Distanz, wie sie von Kritikern zum Ausdruck gebracht wird, nein es war eine kalte Distanz, die einen bis ins Herz erschrecken lässt.   Ich fürchte, wir haben uns verirrt. Und ich fürchte, auch ein „neues Denkmal“ wird diese Distanz nicht verringern. (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-10/bundeswehr-ehrenmal wird diese Distanz nicht verringern.)

  23. Pingback: Fehlbesetzungen | Bendler-Blog

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