Soldat sein

Eine ebenso lesens- wie bemerkenswerte Rede hat Generalleutnant Carl-Hubertus von Butler, Kommandeur des Heeresführungskommandos, im vergangenen Jahr am Zentrum für Innere Führung gehalten. Nun – eigentlich viel zu spät – hat der Reservistenverband eine Transkription dieser Rede veröffentlicht. Das Dokument steht unter diesem Link als PDF zum Herunterladen bereit.

Inhaltlich halt eich es für einen wertvollen Beitrag zu der Diskussion über soldatisches Selbstverständnis, die wir hier im Blog schon seit dem Dezember 2011 führen, und ich würde mir wünschen, diese demnächst in einem geeigneten Rahmen fortzusetzen.

44 Gedanken zu „Soldat sein

  1. Da sind m.E. gute und richtige Sätze dabei. Das Offensichtliche auszusprechen, stellt im geistigen Klima der BRD m.E. bereits eine beachtenswerte Leistung dar („Ausbildung zum Kampf heißt Ausbildung zum Töten. Systematische Ausbildung heißt, systematische Fähigkeit zum Töten.“). Solche Sätze werden nun mit Sicherheit selektiv zitiert und gegen den General verwendet werden.

    Wenn es abstrakter wird, überzeugen mich die Thesen des Generals aber nicht. Nur einige Beispiele:

    1. Er sagt, dass “ wir die ethische Begründung der Kampfbereitschaft des Soldaten niemals aus dem Krieg selbst herausnehmen können“. Aber warum nicht? Jede andere belastbare Ethik stellt doch auch in erster Linie eine Schlussfolgerung aus den Anforderungen dar, die eine bestimmte Situation an Menschen stellt. Im Zentrum solcher Ethiksysteme steht immer die Bewältigung der Situation, und erst in zweiter Linie soll die Ethik einen Ausgleich zu anderen Anforderungen herstellen.

    Wenn man das Pferd jedoch von hinten aufzäumt und soldatische/militärische Ethik nicht am Krieg/Einsatz ausrichtet, muss das Ergebnis eine in ihrer Einsatztauglichkeit geschwächte Armee sein. Die Folgen davon sind im Fall Afghanistans noch beherrschbar, aber wenn Deutschland Ziel eines militärischen Angriffs durch einen leistungsfähigen Gegner würde, könnte die Bw ihrem Auftrag auf Grundlage so einer Ethik (nämlich der InFü-Ethik) nur eingeschränkt nachkommen. Das Ergebnis wäre ein höheres Risiko für Volk, Staat und Territorium Deutschlands.

    Einem Mediziner, der einer Ethik folgt, die das Leben seines Patienten unnötig gefährdet und dessen Erhalt sekundären Belangen unterordnet, würde man vermutlich im Konsens Fehlverhalten vorwerfen. Warum ist eine Bundeswehr, die sich ähnlich verhält, besser?

    2. Auch die politischen Bewertungen es Generals überzeugen mich nicht. Ich empfinde diese als oberflächlich und klischeehaft. Dass z.B. „die arabische Welt nach Freiheit ruft“, ist ein Klischee aktivistischer westlicher Journalisten, die eigene Wunschvorstellungen auf diese Region projiziert haben. Zwischen Westen und Mittlerem Osten findet gerade keine „unendlich fortschreitende Annäherung“ statt, die irgendwann im „ewigen Frieden“ Kants mündet, sondern es vertiefen sich täglich identitäre Gräben, die eines Tages zu noch heftigeren Zusammenstößen führen werden. Seine sonstigen politischen Ausführungen von Atomkraft bis zu Habermas zeugen m.E. ebenfalls nicht von tieferer Reflektion.

    3. Überhaupt halte ich den angeblichen „Frieden“, in dessen Auftrag deutsche Soldaten laut dem General angeblich in die Einsätze ziehen, für eine bloße Floskel, die beliebig austauschbar ist. Ich war auch schon für „Demokratie“ (bzw. französische Interessenwahrung in Zentralafrika) und „Menschenrechte“ (bzw. amerikanischen Größenwahn) im Einsatz. Mit unglaubwürdigen Floskeln wird man aber kaum einen Soldaten dazu motivieren können, sein Leben zu riskieren, wenn es ernst wird.

  2. @Delta: Ich halte es für geboten, die Ethik an das Ziel und nicht an das Mittel zu binden. Krieg ist unethisch und kann keine solche begründen. Das ist ja gerade das Dilemma.

    Mit Blick auf die politische und philosophische Kontextualisierung ist das Eis in der Tat dünn, aber dennoch ist von Butler der erste aktive General, der sich her vorwagt, wobei noch zu prüfen ist, inwiefern die Veröffentlichung genau jetzt mit ihm abgestimmt ist.

  3. @Sascha Stoltenow
    „Krieg ist unethisch und kann keine solche begründen. “

    Wenn Krieg grundsätzlich unethisch wäre, wäre es doch auch grundsätzlich falsch ihn zu führen, auch in einer Selbstverteidigungssituation. Eine Moralsystem, das zum eigenen Überleben erforderliches Handeln als unethisch bewertet, wäre jedoch auf morbide Weise dysfunktional und zum Untergang verurteilt. Man sollte es m.E. daher zeitnah aufgeben und durch ein funktionaleres ersetzen.

    Krieg als solcher würde auch in einer Selbstverteidigungssituation zwar nicht die Ethik begründen (da habe ich mich unpräzise ausgedrückt/die Grundlage wäre das moralische Ziel des Überlebens), aber die Ethik müsste aus den Erfordernissen des Krieges geschlussfolgert werden, wenn das Ziel erreicht werden soll. Wer Überleben als politisches Ziel akzeptiert und seine Ethik dann nicht nach den Erfordernissen der Situation gestaltet, in der er sich bewegt, handelt (gemessen am Ziel) nicht nur unmoralisch, sondern auch irrational.

    Ein praktisches Beispiel ist die Bundeswehr der Gegenwart, die nicht auf ihren Zweck (Schutz Deutschlands) hin optimiert wird, sondern in Richtung von Einhaltung der Mülltrennung und Gender Mainstreaming. Was würde man umgekehrt von der ethischen Haltung eines Arztes halten, dem die Einhaltung der Arbeitszeitregelung wichtiger ist als das Leben eines Patienten? Im Bereich der Medizin erwartet jeder Mensch ganz selbstverständlich, dass der Zweck auch die Ethik bestimmt und Dinge, die nicht zielführend sind, als nachrangig betrachtet oder erst gar nicht beachtet werden. Im Bereich des Verteidigung leistet sich Deutschland aber z.B. einen Wehrbeauftragten, der behaupten darf, dass einsatznahe Ausbildung die „Attraktivität des Dienstes“ unzulässig beeinträchtige. Würde man umgekehrt eine Pilotenvereinigung akzeptieren, die für das „Recht auf Rausch“ eintritt und im Sinne des Ideals eines „demokratischen Piloten“ ihren Schwerpunkt auf Bekämpfung der Diskriminierung von Sehbehinderten und Menschen mit Rechenschwäche bei der Pilotenauswahl setzt? Vermutlich nicht! Wenn es aber beim Thema Landesverteidigung ums Ganze geht, sollen niedrigere ethische Standards gelten?

  4. @ Delta 0219
    „Wenn Krieg grundsätzlich unethisch wäre, wäre es doch auch grundsätzlich falsch ihn zu führen, auch in einer Selbstverteidigungssituation.“

    Nein, er (der Krieg) ist dann nur das kleinere von zwei Übeln. Krieg ist immer Sünde und eine Geißel der Menschheit. Aber wer das Böse zuläßt begeht selbst Böses und deswegen ist der Krieg manchmal nicht nur gerechtfertigt, sondern manchmal sogar notwendig.

    Die Rationalisierung des Krieges durch Vergleiche mit anderen Berufsgruppen wird meiner Meinung nach der Einzigartigkeit des Soldatenberufes nicht gerecht!

    Man kann unseren Beruf nicht mit dem eines Arztes oder eine Piloten vergleichen…

  5. @Koffer
    „Die Rationalisierung des Krieges durch Vergleiche mit anderen Berufsgruppen wird meiner Meinung nach der Einzigartigkeit des Soldatenberufes nicht gerecht! Man kann unseren Beruf nicht mit dem eines Arztes oder eine Piloten vergleichen…“

    Da es bei beiden Berufen nicht um die Existenz des Gemeinwesens geht, sind die Vergleichsmöglichkeiten m.E. tatsächlich eingschränkt. Jedoch folgen beide Berufe einem Ethos, der sämtliche Belange einem einzigen Ziel unterordnet. Der Soldatenberuf sollte daher mindestens ebenso (am Ziel des Überlebens des Gemeinwesens gemessenen) hohen ethischen Standards folgen. Er folgt real aber niedrigeren Standards. Angesichts der ultimativen Bedeutung des Soldaten für das Gemeinwesen sollte der Ethos m.E. zusammengefasst lauten, die Besten auszuwählen, sie auf die beste (d.h. kriegsnahe) Weise auszubilden und ausrüsten und sie so einsetzen, dass es dem Überleben des Gemeinwesens optimal dient. Momentan wählt man jedoch Leute aus, die „Lust auf andere Klamotten“ haben, bildet sie nach dem Maßstab der „Attraktivität des Dienstes“ im Schongang aus und entsendet sie ein Einsätze, die mit der Sicherheit Deutschlands nichts oder nur wenig zu tun haben und unterwirft sie dabei Einsatzregeln, die ihnen die Erfüllung des Auftrags praktisch unmöglich machen.

  6. Herrn von Butlers Thesenpapier hinterlässt bei mir nicht den Eindruck, es könnte in der IF den Weg zu „neuen Ufern“ weisen.

    Er beschreibt sich selbst als Idealist, der daran „glaubt, dass wir in unendlich fortschreitender Annäherung uns in dieser Welt einem Friedensprozess annähern können, wenn wie es denn wollen.“ Unterlegt mit der Kantschen „Idee des ewigen Friedens“. Dass nun aber Habermas die „Rettungsinstrumente“ bereithalten könnte, um den ewigen Frieden herbeizuführen, scheint doch etwas zweifelhaft. Auch hilft es nicht weiter, wenn v. Butler den linken Kampfbegriff des „Kapitalismus“ in der politischen Lagebeschreibung gebraucht. Vollends unverständlich aber sind seine Thesen über Clausewitz, wenn er behauptet, „Militär wurde in dieser Zeit(ausschließlich) eingesetzt, um Land zu erobern.“ War es nicht vielmehr so, dass man sich in der Zeit von Clausewitz in den Freiheitskriegen gegen einen „Eroberer“ verteidigte? Oder war die damalige „Eroberung“ moralisch zu rechtfertigen, weil sie sich aus revolutionärem Ursprung nährte und war dagegen die Verteidigung moralisch ungerechtfertigt, weil sie schließlich ja wieder in eine „Restauration“ mündete? Man weiß ja nie, wie in einer ideologisch geprägten Diskussion argumentiert wird.

    Etwas mehr „empirischen Realismus“ wünschte man Herrn von Butler dann schon. Einer Ausrichtung, der übrigens auch Kant etwas abgewinnen konnte. In einer Zeit, in der man von der „Rückkehr des Krieges“ (Münkler) spricht, in der Staaten ihre Nachbarn „ von der Landkarte tilgen wollen“ und in der die Zahl der Kriege beständig zunimmt, scheint es dringend an der Zeit, dass die Politik sich mit den Erscheinungsformen des „Krieges“ auseinandersetzt. Was könnte dazu dienlicher sein, als sich mit „Vom Kriege“ zu beschäftigen. Der Strategiefähigkeit unserer politischen Eliten nützte das bestimmt. Im Sinne der Ausgewogenheit wäre es dann auch möglich, dass die eigene Generalität vom „ewigen Frieden“ träumt.

    Herr von Butler behauptet, als „Soldat für den Frieden, geht es darum, ein Teil des Instruments des Staates zu sein, in der Gestaltung des Friedens im internationalen Kontex im Rahmen der Konflikt – und Krisenbewältigung als dessen Kernaufgabe. Und hier ist er nicht ein isoliertes Element, das den Kampf im Kern hat, sondern, er ist Teil einer Vielfalt von Instrumenten, die hier zusammenwirken.“ Und er zielt damit ab auf den „comprehensive aproach“, den Minister a.D. Jung „ja immer so vortrefflich erläutern konnte“ und der ja in Afghanistan unter seiner Amtsführung so „hervorragend umgesetzt wurde“. In diesem Punkt aber ist ja sogar das BMVg schon weiter, wenn in den VPR 2011 zu Recht herausgestellt wird, dass die „Befähigung zum Kampf“ von zentraler Bedeutung und nicht wie v. Butler behauptet, nur „ein kleiner Teil“ einer Gesamtbefähigung sei.

    Insgesamt scheint es doch eher so, dass dieses Thesenpapier zu Recht keinen besonderen Nachhall gefunden hat.

  7. @ Politikverdruss

    1. War es kein Thesenpapier, sondern ein Vortrag.

    2. Stimme ich Ihnen zu, dass der comprehensive aproach noch des Nachweises seiner Sinnhaftigkeit und vor allem seiner Umsetzbarkeit harrt.

    3. Finde ich die Rede des GenLt v. Butler dennoch beindruckend und wegweisend. Genauso stelle ich mir erste Schritte hin zu einer zeitgemäßen Weiterentwicklung des Staatsbürgers in Uniform vor! Wobei ich darauf hinweise, dass das Konzept InFü nur mittelbar von dem Betroffen ist, was GenLt v. Butler anspricht….

  8. @Koffer
    Was genau finden Sie an der Rede denn „beeindruckend und wegweisend“? Mit Ausnahme der Sätze über die „Ausbildung zum Töten“ fällt der Text m.E. eher durch inhaltlich unsicher wirkendes Name-Dropping halbverstandener Philosophen und Überstrapazierung mangelhaft definierter Floskeln (z.B. des Begriffes „Frieden“) auf. Eine Rede, wie man sie (mit Ausnahme der erwähnten zwei Sätze) sonst zu Hauf von Politikern kennt. Ich wage die Prognose, dass die Rede mangels Substanz rasch dem Vergessen anheim fallen wird. Allenfalls werden die Sätze über die „Ausbildung zum Töten“ noch von den üblichen Verdächtigen mißverarbeitet werden, so wie General Buddes Sätze über den „archaischen Kämpfer“ vor einigen Jahren.

  9. @Delta 0219

    Natürlich wird diese Rede bald dem Vergessen anheim fallen. Das tun Reden ja in 99% aller Fälle.

    Ich finde es wegweisend, dass zum einen immer mehr höhere Offiziere Begriffe wie „Krieg“, „Töten“ und „Sterben“ wieder in den Mund nehmen. Etwas was die letzten 20 Jahre Tabubegriffe waren.

    Natürlich kann man nun sagen, dass das Verhalten der Bw und insbesondere der Generalität in den letzten 20 Jahren dann halt schlecht war. Das mag so sein.

    Aber für mich zählt, dass es jetzt wieder spürbar besser wird!

    Gut finde ich auch, dass er den ethischen Spagat darstellt in dem sich ein Soldat immer befindet. Mit einem grundsätzlich ablehnenswerten Mittel (dem Töten von anderen, zumeist unschuldigen Menschen) ein grundsätzlich erstrebenswertes Ziel (den Frieden) erzielen zu müssen.

    Sein Rekurs auf einen kriegsgedienten Bundeswehrgeneral passt auch nicht in den Zeitgeist der Gutmenschen, die lieber von der eigenen Bw-Tradition faseln als sich mit echten Vorbildern zu beschäftigen.

    Seine Klarstellung, dass die Kampfbereitschaft eines Soldaten nicht um ihrer selbst willen gut und richtig ist, sondern vielmehr nur um ihres Zieles willen: dem Frieden.

    Seine persönlichen Aussagen, die auch auf seine eigene Biografie Bezug nehmen und eine Offenheit bieten, die sonst vielleicht nicht unbedingt üblich ist.

    Ich stimme natürlich auch mit vielen Dingen nicht überein! So kann ich Aussagen wie „Das Wesen des Soldaten hat sich verändert, das Wesen hat eine Erweiterung erhalten und die Anforderungen an den Soldaten sind wesentlich gestiegen.“ nicht besonders gut vertragen. Weil sie ersten nicht die Realität widerspiegeln die uns durch viele Bewerber und vor allem junge Mannschaftssoldaten tagtäglich erwartet und zum anderen bin ich der Meinung, das der Soldatenberuf im Kern zeitlos ist.

    Aber dennoch sehe ich diese Rede als einen weiteren Baustein auf dem Weg unserer höheren Führer in die Realität bei gleichzeitiger Beibehaltung all dessen was an unserem bisherigen Soldatenbild erhaltenswert ist.

  10. @Koffer
    „Gut finde ich auch, dass er den ethischen Spagat darstellt in dem sich ein Soldat immer befindet. Mit einem grundsätzlich ablehnenswerten Mittel (dem Töten von anderen, zumeist unschuldigen Menschen) ein grundsätzlich erstrebenswertes Ziel (den Frieden) erzielen zu müssen“

    Mit realen ethischen Herausforderungen hat das, was der General beschreibt, m.E. wenig zu tun. Als Soldat kann man dem Vernehmen nach durchaus in Situationen kommen, in denen das Töten des Gegners keinem erkennbar erstrebenswerten Ziel dient, sondern als sinnlos erscheint. Da hilft es auch wenig, sich einzureden, dass man irgendeinem „Frieden“ näher ist, weil es ein paar paschtunische Bauernsöhne oder verzweifelte Serben, denen der „Frieden“ ihre Heimat genommen hat, weniger gibt. Der Soldat muss jedoch auch in solchen Situationen funktionieren und seinen Auftrag ausführen.

    Übrigens haben umgekehrt einige Soldaten kein schlechtes Gewissen bei der Bekämpfung des Gegners und empfinden dabei z.T. sogar positive Emotionen. Die amerikanische Militärpsychologie z.B. ist so offen, dies anzuerkennen und auch festzustellen, dass diese Einstellung im Rahmen des Auftrags als solche nicht pathologisch ist und auch nichts mit Übergriffen gegen Zivilisten etc. zu tun hat und somit auch kein Problem darstellt; ja sogar positiv bewertet werden kann. Wann diese Tatsache wohl am ZInFü das erste Mal offen ausgesprochen werden wird?

    „Seine Klarstellung, dass die Kampfbereitschaft eines Soldaten nicht um ihrer selbst willen gut und richtig ist, sondern vielmehr nur um ihres Zieles willen: dem Frieden.“

    Alle Konfliktparteien wollten zu allen Zeiten immer nur „Frieden“ und meinen des meist auch ernst. Leider ist der Frieden der einen Seite oft die Niederlage der anderen. Was der General in seiner Rede gesagt hat, war in diesem Zusammenhang m.E. daher keine „Klarstellung“, sondern bleibt weit hinter dem zurück, was jeder Jugendoffizier vor einer Schulklasse besser hätte erklären können.

  11. @Delta 0219
    „Der Soldat muss jedoch auch in solchen Situationen funktionieren und seinen Auftrag ausführen.“

    Ja und? Natürlich haben Sie in diesem Punkt recht.

    Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Töten grundsätzlich schlecht und eine Sünde ist und dennoch der Soldatenberuf (so er denn der Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens unter den Völkern dient) ein sehr ehrenhafter und erstrebenswerter ist.

    „Übrigens haben umgekehrt einige Soldaten kein schlechtes Gewissen bei der Bekämpfung des Gegners und empfinden dabei z.T. sogar positive Emotionen.“

    Grundsätzlich muss man ja auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn man seine Pflicht tut (unter oben genannter Prämisse). Außerdem ist es nur natürlich, dass ein Soldat in bestimmten Situationen Zufriedenheit ob eines Erfolges verspürt.

    Positiv würde ich das Töten (und vor allem in klassischen Szenare) von unschuldigen, gegnerischen Soldaten allerdings niemals nennen!

    „Alle Konfliktparteien wollten zu allen Zeiten immer nur “Frieden” und meinen des meist auch ernst. Leider ist der Frieden der einen Seite oft die Niederlage der anderen. “

    Auch das ist eine Binse.

    Aber um dieses Dilemma aufzulösen müssen Sie nur in die Schriften der Kirche sehen, von Augustinus über Thomas von Aquin und Luther bis hin zum 2. Vaticanum.

    Es dient nur eine Seite dem Frieden.

    Aber dennoch können Soldaten auf beiden Seiten ehrenvoll handeln.

    Wo ist das Problem?

  12. @Delta 0219

    Noch ein Nachtrag:

    Und die unsachliche und unzutreffende Behauptung das dieses Thema von einem Jugendoffizier vor einer Schulklasse besser erklärt hätte werden, schreibe ich Ihrer undifferenzierten Ablehnung der Inneren Führung und des Staatsbürgers in Uniform zu, wie Sie es ja in einigen anderen Posts bereits deutlich gemacht haben.

    Bisher fand ich Ihre Aussagen durchaus bedenkenswert, aber hier haben Sie sich offensichtlich verrannt! Haben Sie vielleicht etwas gegen GenLt v. Butler? Anders kann ich mir Ihre undifferenzierten Aussagen in den letzten Post kaum erklären…

  13. @Koffer
    Ich habe überhaupt nichts gegen den General. Ich finde allerdings viele seiner Thesen defizitär und seinen Vortrag insgesamt sehr oberflächlich und eben nicht „wertvoll“ oder „wegweisend“, was ich versucht habe, an einigen Beispielen zu erläutern.

    „Aber um dieses Dilemma aufzulösen müssen Sie nur in die Schriften der Kirche sehen, von Augustinus über Thomas von Aquin und Luther bis hin zum 2. Vaticanum. Es dient nur eine Seite dem Frieden.“

    Darüber zu diskutieren wäre sehr interessant, v.a. an praktischen Beispielen aus dem Einsatz. Die Thesen der Herren Aquinas und Luther sind m.E. nicht das letzte Wort in dieser Diskussion. Eine Antwort auf ethische Fragen findet sich dort nicht, sondern nur eine Verlagerung auf eine abstrakte, aufgrund subjektiver Begriffe beliebig mit eigenem Inhalt füllbare Ebene. „Frieden“ ist in der sicherheitspolitischen Diskussion das, was Hayek in der wirtschaftspolitischen Diskussion am Beispiel des Begriffs „Gerechtigkeit“ als „Wieselwort“ bezeichnete. Es gibt jeweils mehrere hundert Definitionen, deren Inhalt völlig subjektiv ist und häufig im Widerspruch zu anderen Definitionen steht. Vielleicht können Sie ja an einem Einsatz Ihrer Wahl beschreiben, wie „Frieden“ dort objektiv definiert werden könnte, und wie in diesem Einsatz „nur eine Seite dem Frieden dient“?

    Möglicherweise wollte der General ja auch gar nicht zur Diskussion über Ethik und Ethos des Soldaten beitragen. Generale sind schon aufgrund systemischer Zwänge nicht als kritische und unabhängige Denker vorgesehen, sondern eher mit politischen Beamten vergleichbar. Als solche stehen sie unter Druck, politische Erwartungen zu erfüllen. Eine kontroverse Äußerung kann das sofortige Ende der Karriere bedeuten. Unter den Bedingungen halte ich es für unwahrscheinlich, dass aktive Generale die Diskussion voranbringen können.

    Vielleicht mangelt es Deutschland überhaupt an den strukturellen Voraussetzungen dafür, dass sich eine wirklich offene und fruchtbare Diskussion in diesem Bereich entwickeln kann. Die wenigen „Think Tanks“ sind getreue Stimmen ihrer Herren und weichen keinen Milimeter von den politischen Vorgaben ab, und an den Unis werden kritische Geister (wie zuletzt van Creveld in Trier) sofort zum Schweigen gebracht, wenn sie vom Konsens abweichen. Immerhin gibt es mit einzelnen Blogs und einigen kritischen jüngeren Offizieren der Einsatzgeneration, die sich auch öffentlich äußern, erste Lichtblicke. Ich glaube, dass ein Wandel am ehesten aus dieser Richtung kommen wird und nicht von der Spitze.

    Mit welchen Widerständen man dabei zu kämpfen hat, zeigt auch dieser aktuelle Vorfall: http://www.uni-trier.de/index.php?id=21689&tx_ttnews%5Btt_news%5D=13005&tx_ttnews%5BbackPid%5D=13691

    Aber ich schweife ab.

  14. General von Butlers Thesenpapier enthält natürlich auch verschiedene, bedenkenswerte Aspekte. So z.B. wenn er feststellt, dass „das Klausewitzsche Gleichgewicht zwischen Gesellschaft und Militär gestört ist.“ Der Befund ist zutreffend. Beim Aufzeigen eines „Rettungsweges“ verirrt er sich dann aber in eine Gesellschaftskritik, die sehr im parteipolitisch linken Spektrum wurzelt. Das alles wird sehr unübersichtlich mit der Sinngebung soldatischer Einsätze vermengt. Zum Schluss erhält der Soldat dann den zentralen Orientierungspunkt: „Einsatz für den Frieden.“ Und als Soldat möchte man fast ausrufen: „Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.“

    In den VPR 2011 wird gefordert: „Die Befähigung zum Kampf als höchster Anspruch an Personal, Material und Ausbildung ist der Maßstab für die Einsatzbereitschaft.“ Dieser zentralen Vorgabe widerspricht v. Butler. Er behauptet Kampf sei der geringere Teil eines soldatischen Fähigkeitsprofils. Der Soldat müsse vielmehr „helfen können, schützen können, vermitteln können, unterstützen können, mitgestalten können; er geht nicht etwa gegen die Bevölkerung vor, sondern als eine 3.Partei. Er selbst, der Gegner und die Bevölkerung muss er für sich gewinnen…“ Das klingt so, als würde Minister a.D. Jung nochmal den „comprehensive aproach“ erläutern. Als sei es möglich, den „Gegner zu gewinnen“, so wie Herr Ströbele das mal ausgedrückt hat, als er vom militärischen Gegner im Zusammenhang mit der Kundus-Affäire sprach: “Einfach anhalten, entwaffnen und festnehmen.“ Man stelle sich als „3. Partei“ einfach außerhalb eines Konflikts. So einfach ist das.

    Dass der „Kampf“ eines Soldaten der Demokratie eingebettet ist in eine entsprechende Werteordnung, ist doch völlig unstrittig. Das muss doch nicht ständig neu betont werden. Dass Soldaten nicht gegen die Bevölkerung vorgehen, ist doch völkerrechtliche Vorgabe und bedarf keiner besonderen Erwähnung. Dass eine Friedens- und nicht „Kriegspolitik“ zentrales Staatsziel ist, steht ebenfalls außer Frage. Dass aber die Bevölkerung im Einsatzland in einem Konflikt „geschützt“ wird, hängt, wie in Afghanistan lange Zeit zu beobachten war, u.a. davon ab, ob man über ausreichend, kriegsmäßig ausgestattete Kräfte verfügt und ob man sich dann gegenüber dem Gegner mit militärischer Gewalt durchsetzen will oder nicht. Herrn von Butler aber geht es darum, sich aus der Logik „vom Kriege“ heraus zu manövrieren. Clausewitz sagt in seiner Kriegsdefinition in bemerkenswerter Klarheit: „Der Krieg ist nichts als ein erweiterter Zweikampf.“ Dieser Logik entzieht sich v. Butler durch die Einführung einer „3. Partei“. Als Schiedsrichter gewissermaßen, ist man immer auf der sicheren Seite und die Kompatibilität mit einer pazifistischen Gesellschaft dürfte auch gegeben sein.

    Nein, überzeugend ist das alles nicht. Und wie wir in Afghanistan beobachten konnten, funktioniert es ja auch nicht. Zuweilen hört man aus dem jüngeren Offizierkorps des Heeres, man verstünde die Älteren nicht mehr so ganz. Nach dem Lesen dieses Thesenpapiers verstehe ich das ein wenig.

  15. Aus meiner Sicht muß der Gedanke der Inneren Führung mit ihrem Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ nicht weiterentwickelt werden. Es genügt, ihn vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen. Innere Führung ist ein Erziehungsziel, nämlich das des Staatsbürgers zum kampfbereiten Soldaten, der aus innerer Überzeugung bereit ist, seine Gesellschaft, sein Land und dessen Werteordnung zu verteidigen.
    Bedauerlicherweise ist die realpolitisch allenfalls in Sonntagsreden realisierte „Innere Führung“ allzu lange auf ihre Bedeutung als Markenzeichen gegen Schikane verkürzt worden. Mit dem gesellschaftlichen Werteverfall, der Aussetzung der Wehrpflicht und der weiteren Reduzierung der Bundeswehr wird sie noch weiter an Bedeutung verlieren. Da werden noch so viele Tagungen, Zentren und Beiräte wenig gegen ausrichten können.
    JPW

  16. Allerdings. Und ein deutliches Nachdenken lege ich auch vielen im Reservistenverband nahe, die allzu lange in Richtung Katastrophenschutz (Stichwort „Flecktarn-THW“) marschiert sind. Aber das soll hier nicht weiter das Thema sein.
    JPW

  17. @ JPW

    „Bedauerlicherweise ist die realpolitisch allenfalls in Sonntagsreden realisierte “Innere Führung” allzu lange auf ihre Bedeutung als Markenzeichen gegen Schikane verkürzt worden“

    Könnten Sie dafür „Roß und Reiter“ benennen? Sonst bleibt es nur eine Tatsachenbehauptung.

  18. @J.Koenig: Lesen Sie beispielsweise mal im noch immer gültigen Weißbuch 2006 auf Seite 73 nach – da ist von dem Erziehungsauftrag keine Rede.

    Dabei fällt mir gerade auf, daß die Innere Führung durchaus nicht nur als Markenzeichen gegen Schikane galt, sondern auch als Schutzmechanismus gegen Militärputsche. Aber das waren nach meiner Erinnerung nun auch wirklich die beiden Hauptfunktionen, auf die sie in den letzten Jahren verkürzt worden ist.

    JPW

  19. @ JPW

    Ich denke, dass die seit 2008 gültige Zentrale Dienstvorschrift 10/1 in der Ziffer 105 deutlich Auskunft darüber gibt, was auch nach den Grundsätzen der Inneren Führung den Dienst des Soldaten ausmacht.

    Mir ist jedoch aufgefallen, dass die Ziffer 105 nicht häufig in den Fokus der Betrachtungen gerückt wird.

  20. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal klarstellen: Ich bin durchaus Verfechter der „Inneren Führung“ und des „Staatsbürgers in Uniform“.
    Was ich bedauere, ist deren nach meinem Empfinden zumindest stillschweigend geduldete Verwässerung. Gerade solche, die sich für kernige Troupiers halten, verspotten sie doch als „Menschenführung 2000“. Das zeugt ja ebenso vom niedrigen Stellenwert der „Inneren Führung“ im Truppenalltag. Und dafür sind meines Erachtens erhebliche Wissenslücken bei Befürwortern und Gegnern dieser Philosophie verantwortlich.

    JPW

  21. „105. Die Grundrechte binden die Angehörigen der Bundeswehr an jedem
    Ort und zu jeder Zeit. Deshalb sind alle Soldatinnen und Soldaten der
    Bundeswehr „Staatsbürger in Uniform“. Sie sind den Werten und
    Normen des Grundgesetzes in besonderer Weise verpflichtet. Sie haben
    der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und
    die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Ihr militärischer
    Dienst schließt den Einsatz der eigenen Gesundheit und des eigenen
    Lebens mit ein und verlangt in letzter Konsequenz, im Kampf auch zu
    töten. Der Dienst in der Bundeswehr stellt deshalb hohe Anforderungen
    an die Persönlichkeit der Soldatinnen und Soldaten. Sie treffen vor
    allem im Einsatz Gewissensentscheidungen, die ihre ethische Bindung
    in den Grundwerten finden.“

  22. Ich finde nach wie vor folgende Definition der Inneren Führung hilfreich:
    „Die Innere Führung ist die Aufgabe aller militärischen Vorgesetzten, Staatsbürger zu Soldaten zu erziehen, die bereit und willens sind, Freiheit und Recht des deutschen Volkes und seiner Verbündeten im Kampf mit der Waffe oder in der geistigen Auseinandersetzung zu verteidigen.
    Hierbei geht sie von den politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten aus, bekennt sich zu den Grundwerten unserer demokratischen Ordnung, übernimmt bewährte soldatische Tugenden und Erfahrungen in unsere heutigen Lebensformen und berücksichtigt die Folgen der Anwendung und Wirkung moderner technischer Mittel.“
    (Vgl. Ulrich de Maizière: In der Pflicht. Herford 1989: E. S. Mittler & Sohn, S. 228).
    Ich habe sie daher auch in einem kurzen Exkurs zu dieser Thematik in meiner Publikation über Handwaffen und Panzerabwehrhandwaffen der Bundeswehr zitiert.

    JPW

  23. @JPW
    „Gerade solche, die sich für kernige Troupiers halten, verspotten sie doch als “Menschenführung 2000″.“

    Was vor 65 Jahren ein zugegeben geschickter Schachzug zur Gewinnung von Unterstützung für den Aufbau der Bundeswehr war, hat sich seitdem leider nicht wesentlich weiterentwickelt und ist in Selbstgerechtigkeit versteinert. Solange das Dokument hauptsächlich die Sprache der Vergangenheitsbewältigung der 50er Jahre spricht, aber über Töten und getötet werden praktisch kein Wort verliert, ist es als ethischer Leitfaden für die Einsätze Gegenwart m.E. wenig brauchbar.

    Dass deutsche Soldaten den Gesetzen unterliegen und in ihrem Handeln an diese gebunden sind, bezweifelt heute doch niemand mehr. Die ethischen Herausforderungen liegen heute ganz woanders, und ich hätte mir in diesem Zusammenhang sehr gewünscht, wenn General von Butler seine Ausführungen zur „Ausbildung zum Töten“ etwas vertieft hätte. Hier gibt es doch einen sehr realen Widerspruch zwischen den Anforderungen des Einsatzes einerseits und der andererseits verkündeten Forderung nach „Attraktivität des Dienstes“ andererseits. Der Wehrbeauftragte schreibt z.B. in seinem aktuellen Bericht, dass „Dienst bis nach Mitternacht“ in der Grundausbildung bereits unzulässige Härte darstelle:
    http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/084/1708400.pdf
    Wenn das kein legitimer Anlass für Spott über die real existierende InFü ist, was dann?

  24. @ Delta

    „…zugegeben geschickter Schachzug …“

    Sorry, das sehe ich anders:
    Innere Führung in deutschen Streitkräften ist ohne einen Verweis auf die Bedíngungslose Kapitulation nicht denkbar. Dies unterscheidet deutsche Streitkräfte im Nachkriegsdeutschland von allen andere Streitkräften. Deswegen bleibt zu vermuten, dass Innere Führung in anderen Streitkräften auch nicht verstanden werden kann.

    Aus den damaligen sog. „Hilfen zur Inneren Führung“ entwickelte sich zwischenzeitlich eine eigenständige Vorschrift. Vorschriften unterliegen der Veränderung. Jedoch gilt, dass Vorschriften an Recht und Gesetz gebunden sind. Diese werden im Deutschen Bundestag beraten und verabschiedet.

    Mir scheint eine doch etwas tiefer anzusetzende Debatte notwendig zu werden: Wozu und warum sollen deutsche Staatsbürger durch freiwillige Bewerbung, jeneseits ihrer Pflicht Steuern zu entrichten, einen Dienst verrichten, der in besagter Ziffer 105 umrissen ist?

  25. …oder Anlass zum Spott über eine inzwischen real in der Bedeutungslosigkeit versinkende Drei-Prozent-Partei, in der viele Protagonisten die Wehrpflicht aus falsch verstandener Liberalität als Eingriff in die individuelle Lebensplanung sahen und folgerichtig auch den Dienst als Soldat auf einen bloßen „Job“ verkürzen?

    JPW

  26. „Wozu und warum sollen deutsche Staatsbürger durch freiwillige Bewerbung, jeneseits ihrer Pflicht Steuern zu entrichten, einen Dienst verrichten, der in besagter Ziffer 105 umrissen ist?“

    @ J.Koenig: Eben darum wird die „Innere Führung“ realpolitisch noch weiter an Bedeutung verlieren.

    JPW

  27. @ JPW

    „Eingriff in die individuelle Lebensplanung“

    Sie meinten die Rede vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der auf den Eingriff in die Grundrechte verwies oder wollten Sie daran erinnern, dass der damaligen Bundesminister der Verteidigung zu Guttenberg diesen Wunsch nach Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht der FDP und Grünen erfüllte. Frau Merkel wies ja darauf hin, dass die Allgemeine Wehrpflicht als Verfassungsoption erhalten werden soll.

    Nur; wer aussetzt schafft faktisch ab.

  28. Auf Twitter fragte mich unlängst wer, was man denn in Bezug auf Syrien tun könne, außer auf der Couch zu sitzen und davon zu lesen? Meine Antwort, dass vor der Handlung erst einmal das Interesse für sicherheitspolitische Fragestellungen zu wecken sei, befriedigte ihn nicht. Angesichts der Umwälzungen, die wir derzeit erleben, kam die Aussetzung der Wehrpflicht vermutlich zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. War sie im kalten Krieg in der Tat vielfach noch Schikane angesichts einer abstrakten Bedrohung, wächst in mir gerade der Gedanke, dass sie – besser ausgestaltet und als allgemeine Dienstpflicht – eine Grundlage für einen erweiterten sicherheitspolitischen Diskurs schaffen könnte.

  29. Die Innere Führung, eben noch beim Staatsbürger in Uniform, muss sich nun beweisen, wenn den „rechtsextremen Tendenzen in der Bundeswehr“ zu begegnen ist:

    „Inwiefern ist das Bundesministerium der Verteidigung der Auffassung, dass
    mit dem Konzept der Inneren Führung in seiner derzeitigen Ausformung
    den Herausforderungen rechtsextremistischer Tendenzen in der Bundeswehr
    angemessen begegnet werden kann?“ http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/085/1708559.pdf

    Die Parlamentsarmee kann ja richtig dankbar sein, dass sie unter den Parlamentariern so engagierte „Fürsprecher“ hat. Man könnte doch mal darüber nachdenken, ob nicht jeder Parlamentarier eine Patenschaft über eine Bundeswehrteileinheit übernimmt. Dann könnte die Rechtsextremisten-Überwachung in der Bundeswehr auch viel unmittelbarer erfolgen.

  30. @J. Koenig
    „Innere Führung in deutschen Streitkräften ist ohne einen Verweis auf die Bedíngungslose Kapitulation nicht denkbar.“

    Entschuldigung, aber da muss ich scharf widersprechen!

    Die Innere Führung hat NICHTS mit der deutschen Niederlage im II. WK zu tun.

    Sie könnte auf der Basis unseres Grundgesetzes auch so bestehen, selbst wenn wir alle nichts von vor ’45 wüsten.

    Außerdem (und das hören sowohl Kritiker als auch viele Befürworter sehr ungern): die allermeisten Punkte der Inneren Führung sind bereits aus der Wehrmacht und manche Teile sogar noch aus Preußens Zeiten überliefert.

    Lediglich die Zusammenfassung unter einem schönen Schlagwort und bestimmte Ausprägungen der Beteiligung (wiewohl die Beteiligung an sich auch schon in Reichswehr und Wehrmacht bestand und sogar auf die Soldatenräte von 1918 zurück geht) sind „neu“.

  31. @Politikverdruss
    Nach Ansicht der Grünen zeugt es ja bereits von Rechtsextremismus, wenn man auf wissenschaftliche Studien hinweist, die Unterschiede bei der körperlichen Belastbarkeit zwischen männlichen und weiblichen Soldaten feststellen.

    Hier der von den Grünen in ihrer Anfrage als „rechtsextrem“ bewertete Beitrag „Sport ist ihr Hobby“ aus einer an der UniBw München erscheinenden Zeitschrift: http://campus-unibw.de/wp-content/uploads/2011/06/campus_2011_72dpi.pdf

    Ich habe aber den Eindruck, dass die Grünen den Vorwurf des Rechtsextremismus (mal wieder) gezielt mißbrauchen, um Positionen zu stigmatisieren, mit denen sie auf argumentativer Ebene nicht fertig werden. Respekt kann ich vor solchem Verhalten nicht empfinden.

  32. @Koffer
    die Innere Führung hat alles mit der Niederlage im WK II zu tun. Denn, die Bundeswehr war seit ihrer Gründung immer umstritten, immer dem Verdacht ausgesetzt ein Hort der „Reaktion“ zu sein.
    Baudissin aber, der „Vater der Inneren Führung“, meinte, mit seiner Führungslehre ließe sich das verhindern.
    Deshalb wurde ein neuer Rahmen gespannt. Hierzu zählen die Disziplinarordnung, der Erlass erzieherische Maßnahmen, die Stellung des Soldaten, der Stellung des Offiziers, Grusspflicht usw. Dadurch wurde auch ein neuer Soldatentyp geschaffen. Die Innere Führung ist also kein Destillat der gesammelten Kriegserfahrungen.
    Weiterhin kam es offensichtlich der militärischen und politischen Führung nicht darauf an, eine funktionsfähige Armee zu schaffen, sondern eher schnell viele Divisionen zu bereitzustellen.

  33. Delta 0219,
    ich stimme Ihnen zu. Bei der Charakterisierung der Grünen fällt mir immer wieder eine Aussage von Frau Ditfurth ein (Plasberg „Hart aber fair“). Sie sagte, sie wüsste nicht, wen sie schlimmer fände, die Grünen oder deren bigotte Wählerschaft. Wenn es eine wissen muss, dann Frau Ditfurth.

  34. @Thomas
    Sorry, aber das ist so nicht ganz richtig!

    Die WDO z.B. hat maßgebliche Aspekte der Reichswehr und der Wehrmacht aufgenommen.

    Die Vertrauenspersonen existieren (mit Vorläufern) seit 1918.

    Der Erlass erzieherische Maßnahmen wiederum wurde auch in der Bw-Zeit erheblich geändert, so dass der wohl kaum konstitutiv sein kann.

    Die Grußpflicht sowieso nicht, die ist ja nur äußeres Zeichen innerer Einstellung.

    Das einzige was wirklich deutlich anders ist als in der Wehrmacht ist die Vorgesetztenfunktion und das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform. Aber das hat nichts mit der Niederlage im II. WK zu tun, sondern mit den 12 dunklen Jahren davor!

  35. @Koffer
    manche Teile der IF, wie Sie die aufgeführt haben, sind in der Tat übernommen worden. Dies ändert aber nichts daran, dass ohne die Niederlage und die Erfahrungen der 12 Jahre unter dem österreichischen Gefreiten es die heutige innere Führung nicht geben würde. Der 8. Mai gilt ja als Nullpunkt der deutschen Geschichte.
    Aus diesem Punkt ergaben sich die Pläne von Baudissin, der mit der inneren Führung etwas komplett neues schaffen wollte, dies war auch von der Öffentlichkeit so gewollt.
    Weiterhin bedauerte Baudissin es öffentlich, dass er Soldaten aus der Wehrmacht übernehmen „musste“.
    Ob die Grußpflicht wirklich nur ausdruck der inneren Haltung ist? Ich denke nicht, sie ist auch ein Zeichen für die Autorität die der Vorgesetzte gegenüber dem Untergebenen besitzt. Hierbei lässt die Bw m. E. die Vorgesetzen im Stich.

  36. @ Koffer

    „Die Vertrauenspersonen existieren (mit Vorläufern) seit 1918“

    Der Unterschied zwischen dem im Grundlegenden Befehl Nr. 1 des damaligen Kommandeurs des Freiwilligen Landjägerkorps, General Maerker, und den heute im Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) gesetzlich geregelten Bestimmungen zur Beteiligung über Vertrauenspersonen und Gremien der Vertrauenspersonen ist erheblich.

    Wobei ich Ihnen Recht gebe: die erste Regelung im Soldatengesetz über Vertrausenmänner geringfügig zu beteiligen, lehnte sich an den Regelungen der Reichswehr an. Da ist dem damaligen Gesetzgebers eben nichts besseren bei der Begründung im Soldatengesetz eingefallen.

    Jedoch, der ursprüngliche Gedanke „Vertrauensmann“ stammt aus vordemokratischer Zeit, nämlich über die Freiwilligenkorps, die in der Reichswehr selbst wiederum ihr Eigenleben führten.

  37. @Thomas
    Glücklicherweise lag es nicht am Maj Baudissin zu entscheiden wer in den Dienst des Vaterlandes zurück berufen wurde.

    Ich widerspreche auch nicht der Tatsache, das bestimmte Aspekte der InFü durch die 13 dunklen Jahre geprägt sind, sehr wohl aber der Aussage, dass die Niederlage dies getan hat. Denn wenn die InFü vom Trauma der Niederlage bestimmt wäre, dann wären ihre Schwerpunkte anders gesetzt worden..

    Unabhängig davon möchte ich aber gewissen Legenden wiedetsprechen die immer und immer wieder zu hören sind!

    Die InFü als zusammen hängendes und in sich schlüssiges Konzept ist neu, aber die allermeisten Teile sind tradiert aus Preußen, Weimar und Wehrmacxt.

    Ganz wenige Teile sind neu.

    Einer der bedeutenden neuen Teile ist die VorgVO und der andere ist der Whebeauftragte.

    Aber sowohl die Soldatenbeteiligung, als auch die Menschenwürde und der Rahmen der WDO sind alt.

    Hinsichtlich des militärischen Grußes kann ich allerdings nur zustimmen.

  38. @J. Koenig
    Natürlich hat sich seit 1918 einiges verändert! Zwischenzeitlich in 1919 mussten sogar ALLE nicht taktischen und diszipljnaren Fragen durch den Soldatenrat genehmigt werden 😉

    Aber mein Punkt ist: die InFü ist eine aus 300 Jahren Licht und Schatten erwachsene und ständig zu aktualisierende Führungsphilosiphie!

    Sowohl die „Baudissins“ als auch die Offiziere um Grashey haben das nie verstanden!

  39. @ Koffer

    Ein Blick ins Gesetz, und in diesem Falle ins Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG), dient dem Erkenntnisgewinn:

    Die Beteiligungsrechte der Soldaten sind zwischenzeitlich so umfänglich gesetztlich geregelt, sowohl von den Inhalten als auch von den Beteiligungsformen (Vorschlag, Anhörung und Mitbestimmung) dass dieses Gesetz selbst mit dem BPersVg konkurrieren kann.
    Und: es ist auf die soldatischen Anliegen zugeschnitten und nicht in erster Linie auf die mitbestimmungspflichte Kasernenparkplatzordnung.

  40. @ J. Koenig

    1. Das ein Blick in die Vorschrift die Ausbildung erleichtert ist ja wohl eine Binse.

    2. Wenn Sie ernsthaft glauben dass das SBG mit dem PersVG vergleichbar ist, dann sollten SIE mal ins Gesetz schauen!

    3. Das das SBG auf die soldatischen Belange zugeschnitten sein soll behauptet zwar das BMVg und die Gewerkschaft, halte ich aber in der aktuellen Fassung für abwegig! Es WAR mal so, aber das ist es schon lange nicht mehr!

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